Mit jeder Welle kam ein Traum...

"This is the going-fat-Tour" - die Australierin beim Betreten einer Fast-Food Kette in Tegucigalpa.

Ich habe festgestellt, dass mein Spanisch noch nicht einmal zum Ordern eines Frühstücksmenüs bei Burger King ausreicht. Gestikulierend stammelte ich der Auszubildenden ein "la menu numero dos est un aqua mineral" entgegen und hätte bei nicht Eingreifen der Supervisorin des Ladens glatt 2 Croissants und ein nicht definierbares Dosengetränk erhalten. Schlussendlich hielt ich das Überraschungsmenü mit hash-brownies und einem Frikadellencroissant in den Händen. Ich würde sagen: Hauptsache was Essbares!

Wie sind wir überhaupt nach Tegucigalpa gekommen, wo ich doch dachte wir würden diesen Brandherd von Kriminalität großräumig überfliegen?
Bereits um 4:00 Uhr klingelte der Wecker, da wir pünktlich um 5:30 Uhr die Insel der Träume verlassen mussten und auch dem Sonnenaufgang noch einmal gerecht werden wollten. Noch nicht richtig auf den Flugsitzen angeschnallt, landeten wir auch schon wieder. "Come on, you have to get out of here!" blökte es uns entgegen, als wir unseren 20-minütigen Flug kaum glauben und sich so mancher noch nicht einmal in die Sicherheitshinweise einlesen konnte. Innerhalb der Landebahn tauschten wir also das Propellermaschinchen und flogen weiter in die Hauptstadt Honduras: Tegucigalpa. Erschreckende Metropole. Mehr Armut als Reichtum. Dreckig und schäbig. Sicher - wohl kaum.

In windes Eile machten wir uns über alle Berge um zügig die Grenze nach Nicaragua zu erreichen. Was uns hier erwartete, wäre von keiner EU-Abgeordneten abgesegnet worden. Dutzende, dicht an dicht aneinander gereihte Großtransporter, welche gerade mal zweispurig und nicht geteerter Straße verbarrikadierten. Viel bewaffnetes Personal. Und ein Typ aus Ghostbusters. "Close the windows" rief er uns lauthals zu, als wir fluchtartig alle Öffnungen am Vehikel verbarrikadierten und der Gasmaskenmensch mit dem Desinfizieren unseres fahrbaren Untersatzes begann. Kulturschock. Den Einreisestempel für Nicaragua gab es auch nur für ein pyramidiales Schmiergeld. Abzocker. Korruption. Auch beim Währungsumtausch auf offener Straße wurden wir mal wieder nach Strich und und Faden übers Ohr gehauen und hätten sogar um ein Haar Blüten angedreht bekommen. Trotz all dieser korrupten Umstände vermehrte sich unser Kapital augenscheinlich dennoch, denn der 'Cortopas' ist noch weniger wert als die mittlerweile lieb gewonnene Lampire. Die holprige 3-stündige Weiterfahrt war geprägt von Regenschauern, Trockenheit und Buschfeuern. "They burn stuff everywhere." wusste die Norwegerin zu berichten, die sich schon seit Mexiko mit mittelamerikanischer Tradition und Verfahrensweisen auseinander setzen muss.

Isla Los Brasiles heißt der 10.000 Einwohner Ort in dem wir uns nach ewiger Fahrerei einfanden. Ein Ort wie man sich Nicaragua vorstellt. Abgerissene Reklame, bröselnde Hauswände, Wellblechfassaden, improvisierte Statik, herumstreunende Hunde. Menschen auf den Gassen. Lehmbodenartige Durchfahrwege. Neugierige Leute. Armut. Hollister Shirts. Strohdächer, Abflussdefizite, Kabelmassen, Straßenüberquerende Wäscheleinen.
Ich habe mich kaum getraut Fotos zu schießen. Aus Respekt. Ich ziehe meinen nicht vorhandenen Hut vor diesem Ort. Erschreckend beeindruckend.

Die nächste Überraschung lieferte uns der Strand, denn:
1. war unsere Reise hier noch nicht beendet
2. ein nicht vielmehr als Paddelboot zu bezeichnendes Etwas lag am Ufer bereit, welches uns zur Insel, bzw. Landzunge steuern sollte. Alle. 15 Tourmitglieder. Und Gepäck. Man braucht kein Mathematikgenie zu sein um zu erahnen, welches Gewicht bei 15 Backpacks á 13 Kilo und 17 Bootinsassen zusammen kommt. Vielleicht auch doch. Denn nach meinem Rechenensemble sah ich uns schon am Grund des Sees. Blubbernd. Und wahrscheinlich noch mit Kamera und iPhone in der Hand. Die Einwohner Los Islas Brasilas lachend und klatschend im Hintergrund. Doch in Nicaragua funktioniert Mathematik anders und so erreichten wir das gegenüberliegende Ufer ganz ohne Untergang der MS United. Ein Pferd mit alternativem Kutschfuhrwerk (bin ich im 17. Jhd angekommen?) lächelte uns zunächst, - als es unsere Backpacks erblickte nich mehr -, entgegen. In einem 10-minütigen Fußmarsch trabten wir barfuß und erschöpft, allen voran das zu bemitleidende Pferd, zu Turtle Lodge oder aber auch Surfer Paradies genannt. Strohhütten, Hängematten, Palmen, Reggae-Musik und 20 andere Backpacker aus aller Welt begrüßten uns mit erfrischenden Trinks und einem 'Relax your ass...slowly". Außer dem Blitzgewitter am Strand überlass ich den Rest des Abends eurer Imagination.

"Wenn du auf den richtigen Moment gewartet hast, das war er." - Captain Jack Sparrow

Der nächste Morgen. Moskitostiche. Thomapyrin. Backpacker Breakfast. Kaffee. Moment, seid wann trinke ich Kaffee?

Irgendwie musste wir ja in die Gänge kommen, denn die große schwarze Welle erwartete uns bereits. Mit Surfinstructions by Alonso, unserem Tourleader, überstanden wir die erste Hangoverphase und stimmten uns physisch und mental auf die brechende Wellengewalt ein. Der vulkangeschwärzte Strand bot uns zunächst Trockeneinheiten, bis wir zum Surfbrett griffen und uns in die Wellen stürzten. "Alles was du brauchst ist die perfekte Welle!" Ja, aber mein lieber Alonso, vielleicht auch noch ein bisschen Dynamik, Kraft, Balance und keine fußballgeschädigten Knochen. Der stand-up am Board wollte uns so gar nicht gelingen, da die Wellen nicht nur mit einer unvorstellbaren Gewalt als Massivwand auf uns einbrachen, sondern uns auch noch seitliche Welleneinheiten bekämpften.
Nach gefühlten 3-Litern Salzwasser änderte ich die Sportart: Sleep-Surfing oder aber auch: sich liegend auf dem Board von den Wellen tragen lassen. Wahnsinnig. Entspannend. Ich mag das Wasser und die Wellen solange ich mich nicht auf so einem unhandlichen Board erheben muss. Das überlass ich den Profis. Oder den Kanadierinnen. Die haben mit Yoga vorbereitenden Maßnahmen doch noch den ein oder anderen Stunt raus geholt. Cheater.

Die große Abschlagrechnung traf mich am Abreisenachmittag. Der pyramidialische (ich mag das Wort) Betrag schlug ein canyontiefes Loch in meine Portokasse. In einem wohltätigen Moment habe ich hinzukommend auch noch meine Restmünzen der Schildkröten-Caritas in den Rachen geworfen. Spendenquittung. Natürlich vergessen.

Léon wurde zum place-to-be, als wir die Landzunge Los Isla Brasilas mit einen letzten Toña to go verließen und uns wieder in die Zivilisation begaben. Sagte ich Zivilisation? Mit Léon ist an einem Sonntagnachmittag absolut nichts anzufangen. Noch nicht einmal die gut platzierten und unterirdisch verbundenen Kirchen konnten mit Gospelgesang oder Papstpreisungen aufweisen. So blieb uns nichts anderes übrig als den lokalen Supermarkt aufzusuchen und den Konsum anzutreiben. Den Rest des Tages verbrachten wir damit den Nachmittag im Hostel totzuschlagen, da unsere Volcanoe-Sandboarding-Gruppe noch irgendwo im Nirgendwo verschollen war und auf sich warten ließ.

Während wir neue Kartenspiele erlernten und die Geschichte des mittelamerikanischen Fußballs im TV verfolgten, mussten wir unentwegt einer Putzkolonne ausweichen, die mit einem zwanghaften Scheuerfimmel im Minutentakt das Foyer des Hostels entlang unserer Füße aufs gründlichste reinigte. Um 19:00 traf endlich unsere Restgruppe ein und wir machten uns auf den Weg nach Granada. Als wir um 22:00 Uhr die Stadt erreichten herrschte immer noch eine konstante Bullenhitze, die sich in der Nacht nicht legte. Regenzeit? Ist wahrscheinlich ein übrig gebliebener Begriff aus alten Tag und wird nur rein formhalber wie bei uns der sogenannte 'Sommer' verwendet.

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