Ein Jahr wie kein anderes.

Ein Jahr zwischen Plastikrebell und Vielflieger, "Nur noch Europa" und "Viva la Mexico", sportlicher Höchstleistung und bequemen Roadtrip, regionaler Bioküche und fettigen Pommes, eiskaltem Winter und trockener Heißzeit, bestechender Höhenangst und metertiefem Abgrund, zwischen tausenden von Leuten und ehrfürchtiger Stille, grenzenlosem Mut und vernichtender Angst, zwischen Wahrheit und Lüge, Freude und Trauer, Liebe und Schmerz, Ende und Neuanfang. 


Das Leben ist ein ständiges Abwegen und Ausbalancieren, ein ewiger Kompromiss. Es gibt kein Schwarz und kein Weiß, kein Richtig und Falsch. Und doch gibt es Momente in denen man sich entscheiden muss. Loslassen oder festhalten? Abwarten oder weiter gehen? Zusehen oder Handeln? 


Wir wissen oft nicht welche Konsequenzen eine Entscheidung mit sich bringt. Das Wichtigste ist jedoch dazu zu stehen und daran zu wachsen. Egal wie schwer. Egal wie hart. Es geht immer weiter. 


Eleanor Roosvelt hat einmal gesagt:

„Du erhältst Kraft, Mut und Vertrauen mit jeder Erfahrung, für welche du bestimmt inne hältst, um der Angst in die Augen zu sehen. Du musst das machen, für das du dich unfähig hältst.“


Jede Reise in die Welt, die ich gemacht habe, war wertvoll und wichtig. Doch die unschätzbarsten Reisen waren die, an die eigenen Grenzen und vielleicht darüber hinaus. In Momenten der größten Selbstzweifel, lohnt sich oft ein Blick zurück. Wie an einem langen, steilen Berg. Es liegt noch viel vor uns und doch ist die Aussicht, auf das, was wir bereits gemeistert haben, oft kaum zu glauben. Das was unmöglich schien, liegt hinter uns und am Ende bleibt vor allen Dingen eins: Die guten Erinnerungen. Das was uns Kraft gibt, anspornt und weiter voran treibt. 


Ein neues Jahr liegt vor uns. Wie ein unbekanntes Land. Die nächste Reise, das nächste Abenteuer. Schreiten wir mutig voran.



Und woran glauben, wenn nicht an unsere Träume?

Wovon träumen, bei all der Dunkelheit?

...

Und wenn was kommt, das kommt schon gut

Und das was wird, das wird schon gut


- Joris





Fluch der Karibik!

Dass wir uns noch in den Ausläufen der Hurricansaison befanden, machte sich spätestens am Samstag bemerkbar, als schwarzgraue Wolken aufzogen und das fröhlich, karibische Cancun verdunkelten. Wir hatten uns gerade auf den Weg zum Bus gemacht, als ein Platzregen die Straßen überschwemmte und das Abflusssystem völlig kapitulierte. Hielt man sich eine Sekunde zu lange am Straßenrand auf, bestand größte Gefahr von einer überschwappenden „Pfützenflutwelle“ erfasst zu werden. 


Auch der Bus hatte dem Unwetter nicht standgehalten, wie wir erkennen mussten, als wir das Vehikel betraten und nur noch zwei, mit Wasser gefüllte, Sitzplätze auffanden. Wir wollten uns schon in den Stehmodus begeben, als ein Mexikaner uns sein Tuch reichte, mit dem wir die Plätze trocken wischen konnten. „Gracias.“, welch nette Geste, was für ein zuvorkommendes Völkchen. 

Wie wir mittlerweile herausgefunden hatten, befand sich unser Hotel im mexikanischen Downtown von Cancun. Fernab der Schönen und Reichen. Weit entfernt von herausgeputzten Plazas und Palmenalleen. Genau genommen lokalisierte sich unser Standort in der Realität. Wir waren meist die einzigen Ausländer on board des Busses, inmitten der mexikanischen Gesellschaft. Und doch wurden wir immer nett und zuvorkommend behandelt. 


Wir sprangen am Playa Delfin aus dem Bus, hinein ins erneut aufkommende Unwetter. Regenmassen ließen uns an den nächst möglichen Unterstand flüchten und wir schauten den vorbeifahrenden Automobilen zu, die in den Asphalt überschwemmten Wassertiefen fast versanken. Als sich das Wetter etwas beruhigt hatte, führten wir unsere Reise fort und eilten zum nahegelegenen Museum „Museo Maya“. Ein Besuch lohnt sich bei schlechtem Wetter allemal, beinhaltet das Museum neben vielen geschichtlichen und archäologischen Ausstellungen, auch einen großzügigen Außenbereich, der als Regenwald aufgebaut ist. Man hat zwischenzeitlich das Gefühl sich inmitten der vielen, tief verwurzelten Bäume (Mangroven), im Dschungel zu befinden, wird dann jedoch von dem deplatzierten Geräusch von rangierenden Bussen und Kranarbeiten wieder zurück in die Realität geholt. 


Zur Mittagszeit kehrten wir in dem kleinen Lokal „Blue Gecko“ ein, das uns bei TripAdvisor als mexikanische Lokalität empfohlen wurde. Das Essen, das Bier und die Gastfreundlichkeit überzeugten sofort, lediglich der Ausblick, auf wasserbefahrene Straßen und eine riesige Hotelkette, trübten das Gesamtambiente. 


Um die gesamte Facette Cancuns zu erfassen, hielten wir auf dem Rückweg noch einmal bei den Schönen und Reichen an. Auf der superlativen Plaza präsentierte sich jegliche Marke mit Rang und Namen. Von Louis Viton, Zara, Starbucks, Billabong, Swaroswki, McDonalds und Michael Kors war alles für das konsumempfindliche Herz zu finden. Man kam hier schon auf seine Kosten. Jedoch sagte unser Geldbeutel „Nein.“. 


Zum Abschluss des Abends hatten wir schon Tage zuvor das Special Event „Captain Hook“ gebucht. In feiner Abendgarderobe betraten wir das Piratenschiff, auf dem uns Captain Jack Sparrow, seine Gefährten und halb Mittelamerika begrüßte. Wir hatten dem Piraten im Foyer zunächst nicht glauben wollen, als er uns freudig mitteilte, dass er noch nie Deutsche an Board hatte. Nun fanden wir uns mittendrin, in der Latinogesellschaft. 3 Stunden schipperten wir im Fluch-der-Karibik-Stil über den Golf von Mexiko und ließen das zunächst sehr argwöhnische Entertainmentprogramm, das vorwiegend auf spanisch abgehalten wurden, über uns ergehen. Nach 2-3 Bier und einem nicht ganz so astreinen Pina Colada, wurde die Gesamtstimmung jedoch besser und plötzlich fanden wir uns inmitten einer riesigen mittelamerikanischen Party wieder. Malle hätte einpacken können. Karaoke und mexikanische Stimmungsschlager bis zum

Zenit. Panamanesen, Peruaner, Ecuadorianer, Honduren, Costa Ricaner und Brasilianer feierten als gäbe es keinen Morgen mehr. Und zum krönenden Abschluss eine Schlacht auf offener See, gegen das zweite Partyboot. Piraten stürmten unser Schiff, Kanonenschläge hallten, ein Feuerwerk entfachte. Grandios! Vielleicht auch ein bisschen kitschig. 


Der nächste Morgen schien sich wettertechnisch nicht bessern zu wollen. Böse, dunkle Wolken bedeckten den karibischen Himmel. Jedoch hatten wir noch einen Trip auf die Insel „Isla Mujeres“ geplant, die in nicht weiter Ferne lag. Wir packten unsere Regenjacken ein und ließen uns mit dem allseits geliebten Bus bis Puerto Juarez chauffieren. Von dort aus legten wir mit einer Superspeed-Fähre ab und erreichten die 7 Kilometer lange und 650 Meter breite Insel gegen 11 Uhr. Die Ausmaße des Unwetters waren noch in den überschwemmten Gassen zu sehen, doch erstrahlte mit einmal die ganze Insel vor Sonnenschein. 

Wir durchwateten, die offenbar nur aus Souvenirläden bestehende, Stadt und unterzogen uns in sämtlichen Shops einem Tequila-Tasting nach dem anderen. Bereits zu Beginn hatte man uns übelst über den Tisch ziehen wollen und drehte uns Flaschen zu einem stolzen Preis von 70 Dollar an. Unfassbar! Ich erklärte dem Händler, dass wir in Deutschland zwar nur diesen industriellen Sierra-Funzel in den Regalen stehen haben, dafür aber bestenfalls 12,99€ auf den Tresen legen müssten. Dies traf den Händler hart und plötzlich konnte er mit der Ware um mehr als 50% herunter gehen. Wir lehnten trotzdem dankend ab, hier wollte man uns doch nur wieder die Katze im Sack verkaufen! 


Im dritten Saftladen schlugen wir endlich zu, denn „Oho!“, plötzlich kostete das Produkt nur noch so viel wie es auch wert war. Was für eine Touristenabzocke! Vor lauter Ärgernis kaufte ich noch zwei Postkarten. 


Nachdem wir uns mit einem Burrito gestärkt und den Tequilasuff aus besagten Tastings verarbeitet hatten, konnten wir endlich das Wesentliche der Insel erkunden. Den Strand. Türkisblaues Meer, weißer Sand, saftige Palmen und Touristen so weit das Auge reicht. Wären doch nur halb so viel Menschen anzutreffen, es wäre es das Paradies auf Erden gewesen. Wir nutzten dennoch den Wellnessfaktor und sogen die letzten Sonnenstrahlen an unserem final Day auf. 


Um zum Hafen zurück zu gelangen, kämpften wir uns am späten Nachmittag erneut durch Firlefanz, buntes Allerlei, Touristenabzocke, Trommelwirbel und ohrenbetäubender Musik. Nein, das war mir echt zu viel. So viel Leute an so einem kleinen Ort. Wie verkraftete das nur diese Mini-Insel?!


Zurück am Hafen angekommen, wählten wir diesmal Buslinie „R6“, in dem naiven Glauben, die könne uns ja auch zurück bringen. Allein die heruntergekommen Sitze und der halbierte Ticketpreis hätten uns stutzig werden lassen sollen. Erst als wir, die uns bekannte Straße, verließen und an zerfallenen und zermoderten Häusern vorbeiführen, wurde uns klar, dass wir uns durch die Ghettos Cancuns bewegten. Eine suspekte Person bestieg den Bus und offerierte uns „Stoff“. Der Streifen hätte auch „Hinter den Kulissen von Cancun“ heißen können. Bei erster Gelegenheit sprangen wir aus dem Bus und irrten durch die Suburbs und Hinterhöfe bis wir völlig die Orientierung verloren hatten. Völlig erschöpft zogen wir irgendwann die Jokerkarte und hielten ein Taxi an. Auch dieses fuhr zunächst in die komplett verkehrte Richtung, konnte der Fahrer offensichtlich nicht glauben, dass wir nicht bei „Schön und Reich“ untergebracht waren. Nach einer endlosen Kutschiererrei lieferte er uns an unserem Hotel ab. Endlich geschafft! Home Sweet Home!


Zum runden Abschluss des Urlaubs gönnte ich mir einen Margarita am Pool und erörterte mit Jenny noch einmal die Wochenzusammenfassung. Cancun ist zwar schön und Aktivitäten gibt es en mass, jedoch reicht eine Woche aus, um all diese Eindrücke zu verarbeiten und sich vor allen Dingen von dem Massentourismus zu erholen. Fakt ist: Das war nun wirklich vorerst meine letzte, längere Reise. Europa hat genug feine Ecken zu bieten, die schneller zu erreichen  und vielleicht nicht ganz so überlaufen sind. 


In diesem Sinne:

Arriba, Abajo, Al Centro, Pa Dentro! 













Welcome to the Maya Jungle!

„AllTournative“, das klang doch gleich viel mehr nach unserem Geschmack. Wie gut, das wir uns diesmal gegen den Mainstreamanbieter und für den kleinen Betreiber entschieden hatten. In einem Minivan holte uns Pepe um 6:30 Uhr vom Hotel ab und gabelte noch vier weitere Personen auf. Da fühlte man sich doch gleich viel besser aufgehoben. 


Wir reisten, unter der musikalischen Darbietung Pepes alternativer, mexikanischen Rockplaylist, knapp 2 Stunden ins Landesinnere und betraten den Maya Jungle. Von hier aus führte der Weg mit einer Art Lastwagenjeep, über einen holprigen Dschungelpfad, tiefer in den Wald. Optimale Mountainbike-Bedingungen. Schade, dass diese Option nicht zur Verfügung stand. 

Gleich zu Beginn erhielten wir Schwimmwesten und eine Kletterausrüstung, war die erste Hürde sich in eine 17 Meter Tiefe Cenote abzuseilen. Trotz meiner Höhenangst blieb ich diesmal ganz entspannt, abstürzen konnte man ja nur in ein tiefes Wasserloch. Das Abseilen funktionierte auch ganz reibungslos und ich fragte mich, warum ich beim Canyoning so viele Angststadien durchlaufen musste. Letztendlich musste man doch nur ein bisschen loslassen. Step by Step.


Die Cenote war nicht nur ein Wasserloch, sondern gleichzeitig der Zugang zu einer Unterwasserhöhle. Es war schier unglaublich. Wir schwammen durch das Unterwassersystem, entlang von Kalkstein geformten Stalaktiten, die von der Decke herunter hingen. Alle Cenoten dienten den Mayas, als natürliches Wasserreservoir und waren unter anderem der Grund dafür, dass die Mayas ein so hoch entwickelter Kulturstamm geworden sind. Auch heute noch werden die Cenoten als Wasserspeicher in Yucatan genutzt.


Nachdem wir die Höhle verlassen hatten, wurden wir wieder angezippt und in die Höhe geschickt. Wir arbeiteten uns über ein Holzleitersystem hoch in die Gipfel hinauf, von wo aus der ganze Dschungel zu sehen war. In einem Affenzahn rasten wir mit der der Zip-Line-Funktion von Baumwipfel zu Baumwipfel, bis wir am Ende erneut in einer Cenote landeten. Von dort aus führte der Weg im Schnorchelmodus in das zweitgrößte Unterwasserhöhlensystem „San Actun“ der Welt. Es ist durch 226 Cenoten mit der Wasseroberfläche verbunden und hat eine Länge von 352,9 Kilometern. Wir waren überwältigt, auch wenn wir nur die ersten 500 Meter dieses unterirdischen Flusssystems erkunden konnten. Kristallklares Wasser, versteckt in dunklen Höhlen und nur mit Taschenlampenequipment erkundbar. Pepe leuchtete uns die Stellen aus und wir schnorchelten entlang des Lichtstrahls. Unglaubliche Steinformen und Riffe taten sich vor uns auf, die in kaum einsehbare Tiefen führten. Fische mit Schnurrbarthaaren kreuzten unsere Wege und ich bin mir immer noch ziemlich sicher einen Haifisch gesehen zu haben, was mir zum Glück die Kanadierin bestätigen konnte, wenn auch sonst niemand dieses Mordsgerät gesehen haben wollte. Je weiter wir ins Innere der Höhle vordrangen, desto enger wurden die Durchgänge, die meist geprägt durch viele herunter hängende Stalaktiten waren. Da wir uns die meiste Zeit mit dem Kopf nach unten befanden, um die Unterwasserwelt zu erkunden, merkte man also nicht immer was über einem vorging. Erst als ich mich nicht mehr vorwärts und dann auch nicht mehr rückwärts bewegen konnte, stellte ich fest, dass ich fest hing. Mein Schnorchelstab hatte sich in einem der Stalaktiten verhakt. So was konnte auch nur mir passieren. Zum Glück konnte mich Jenny direkt befreien und der Schorchelvorgang konnte fortgesetzt werden. 


Was mit am beeindrucktesten unter Wasser ist, ist die Stille und die Zeitlosigkeit. Alles spielt sich viel langsamer ab, kein Geräusch ist zu vernehmen, ein absolutes Vakuum. Und die Tiefe der Gewässer ist kaum zu begreifen. Pepe erklärte uns, dass nur erfahrene Taucher weiter ins Höhleninnere vordringen können. Viele haben es oft nicht zurück geschafft. Man muss also feststellen, dass wir die Höhe und dass was sich über der Erde und im All befindet schon zehnmal besser erkundet haben, als das was sich in der Tiefe befindet. Einmal mehr muss man sich wundern, dass es möglich ist, bis zum Mars fliegen zu können, aber die Unterwasserwelten nur zu einem Bruchteil erforscht sind. 


Zum Ende der Reise durch den Dschungel, wanderten wir in eine weitere Höhle, die mit hunderten, kleinen Kerzen ausgeleuchtet war. Dort nahmen wir an einer Zeremonie mit einem echten Maya teil, der uns seinen Segen aussprach. Er bediente dabei eine Art Weihrauchduftsystem, was jedoch einen sehr intensiven und strengen Geruch hinterließ und die ganze Magie dabei etwas verblassen ließ. 


Viel angenehmer war das darauffolgenden Essen, das dem authentischen Kochstil der Mayas entsprach. Pepe erwähnte immer wieder stolz „This is real mexican food. Not  the fake american mexican food.“ Und er behielt Recht. Das Essen war famos! 


Wir fuhren danach noch weiter nach Tulum, einer alten Maya-Städte, die direkt am Meer liegt. Von hier aus hatten die Mayas die ersten Spanier um 1518 kommen sehen. Eine zeitlang konnte man dem Widerstand der europäischen Eindringlinge standhalten, doch der Einfall der Europäer war gleichzeitig das Ende der Einheimischen, das Ende der Mayakultur. 


Nach einem bereichernden Tag kehrten wir nach Hause zurück und führten während der Rückfahrt noch lange Gespräche mit Pepe. Sein größter Wunsch ist es einmal nach Dresden zu fahren, wo im dortigen Buchmuseum der „Codex Dresdensis“, eines der weltweit vier, authentischen Handschriften der Mayas liegt. Die anderen drei sind in Paris, Madrid und Mexiko zu finden. Mir war ehrlich gesagt nicht bewusst, dass sich dieses Monument in Deutschland befindet und dann auch noch in Dresden. Wie ist das denn bloß dorthin gekommen? Und warum ist es nicht in Mexiko, wo es hingehört? Pepe legte uns beim Abschied noch mal ans Herz, unbedingt dieses Buchmuseum zu besichtigen. Es schien ihm ein Herzensangelegenheit zu sein. 









No Tickets no Tacos!

Reist man durch die mexikanische Karibik, so sollte man sich in Einem klar sein: man ist hier nicht der/die Einzige. Welch Überraschung, dass an diesem Wohlfühlort doch mehr los ist, als in einem abgelegenen Ort in den Pyrenäen. Hallo Touristenmekka, willkommen in der Massenabfertigung! Wie sonst sollte man auch die vielen Menschen an einen Ort bringen, wenn nicht mit einem großen Bus oder sollte ich besser sagen, mit einer großen durchnummerierten Buskarawana. Wir waren nur noch eine Zahl und konnten uns glücklich schätzen, wenn man asiatisches Volk unter den Reisenden erspähte, denn das bedeutete, dass es eine englische Übersetzung gab. 

Wir hatten für den ersten Tag einen Ausflug zu dem interaktiven Nationalpark „Xcaret“ im Dschungel gebucht. Der Park an sich hatte definitiv die Note 1 verdient. Bis ins kleinste Detail durchdacht, Aktionen und Attraktionen an allen Ecken und Enden. Schnorcheln in der Meeresbucht, Delfine, Schildkröten, Manatees, Jaguar, Pumas, Bootfahrten durch den Dschungel, das Leben der Mayas als Livevorführung, ein Mayadorf und vieles mehr. Jedoch umgeben von tausenden von anderen Touristen. Und ich erwähne noch mal: Wir sind hier in der Nebensaison. Wie bitteschön sieht das hier in der Hauptsaison aus? 

Als besondere Aktivität buchten wir den „SeaTrek“. Eine ganz neue Taucherfahrung, die bis in 7 Meter Tiefe führt. Man bekommt hierfür eine Art Astronautenhelm aufgeschnürt, der durch ein blaues Kabel mit Sauerstoff versorgt wird, von unten jedoch offen ist. Das bedeutet, dass theoretisch Wasser in den Helm gelangen könnte, was aufgrund des langsam, sich veränderten Wasserstandes, jedoch nicht passiert. Eine Wissenschaft für sich. Meine größten Bedenken galten immer noch der Ohrendruck, der mir schon im Sinner Waldschwimmbad, bei einem Tauchvorgang von einem Meter, bereits Probleme bereitete.

Wir stiegen also alle nach der Reihe über einen natürlichen Treppenzugang ins Meer, bis die erste Person vor mir, bereits in Panik verfiel und abbrach. Na super. Was sollte das nur geben. Im Imagefilm hatte man zuvor glasklares Wasser und eine vorbeischwimmende Riesenschildkröte gesehen, ich sah nur viel Sand und verschwommenes Blau. Als ich mich so langsam adjustiert hatte und mit der neuen Atemzufuhr zurecht kam, ging es tiefer und der Ohrenschmerz- und druck machte sich bemerkbar. Wie im Film gelernt, zeigte ich dem Guide per Zeichensprache meine Probleme an und er deutete mir, meine Hand in den Helm zu bewegen und die Nase für den Druckausgleich zu zuhalten. Zu meiner Überraschung funktionierte dies. Der Druckausgleich und die Handzufuhr in den Helm, obwohl man unter Wasser war. Verrückt. Wir stiegen bis in 7 Meter Tiefe ab und mir gefiel die neue Sportart mehr denn je. Wir sahen zwar keine Schildkröten, jedoch jede Menge bunter Fische und vor allem lief alles in Zeitlupe ab. Unter Wasser gibt es so etwas wie Höchstgeschwindigkeit nicht. Hier scheint die Zeit stehen zu bleiben. Zumindest für den Menschen. Genau mein Tempo. 

Als Krönung des Abends führte der Weg in eine Art Arena, in der musicalartig die Geschichte Mexikos aufgezeigt wurde. Zu Beginn die Mayas, die bereits Fußball kannten, jedoch mit der Hüfte, anstatt mit dem Fuß spielten. Und die das Hockeyspiel beherrschten, anstelle des Puks allerdings einen brennenden Feuerball verwendeten. Bemerkenswert. Im weiteren Verlauf der Darbietung, sah man die Eroberung und Zerstörung der Mayakultur durch die spanische Kolonisation, sowie weitere spanische Lied- und Tanzvorträge bis in die heutige Zeit. Auffällig war, mit wieviel Inbrunst die vielen mexikanischen Zuschauer mitsangen. So viel Herzblut und Enthusiasmus in den Stimmen und Gesichtern. Ein stolzes Land. 

Wir erreichten erst gegen 22:30 Uhr Cancun und vielen sofort ins Bett. Der Jetlack, die starke Sonne und die vielen Aktivitäten setzten uns doch zu. Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um 6:15 Uhr. Auf zum nächsten Event.

In einer dreistündigen Fahrt ins Landesinnere, textete uns der Guide Fernando mehr als die Hälfte der Zeit ohne Pause und Unterbrechung in einem Gemisch aus Spanglisch zu, von dem wir bestenfalls ein Viertel verstanden und erst über erneutes Nachfragen zu den wesentlichen Daten und Fakten gelangten. Wir erreichten unser Ziel gegen die Mittagszeit und bekamen genau 1,5 Stunden für einen Schwimmvorgang und das Mittagessen zur Verfügung gestellt. In Windes Eile marschierten wir die 95 Treppenstufe der Cenote hinunter, um uns dort eine Erfrischung zu holen. Eine Cenote ist quasi ein Loch im Boden, das ca. 30 Meter in die Tiefe führt. Dort befindet sich wiederum ein 230 Meter tiefes Loch, das mit Wasser gefüllt ist. Swimmingpool extremo. 

Die Erfrischung tat gut und auch das Essen konnten wir noch in einer passablen Zeit zu uns nehmen. Dann fuhren wir weiter. Zu einem der 7 Weltwunder. Chichen-Itza, ein Maya Tempel. 

„Only one Dollar.“, „Almost free.“ und „Happy Hour just for you my friend.“ dauerbeschallte es uns auf dem Fußweg zum Tempel. An allen Seiten und Ecken hatten sich Mexikaner mit einer unglaublichen Bandbreite an Souvenirs, buntem Allerlei und vielerlei mehr postiert und machten auf sich, mit allen Mitteln und Tricks, aufmerksam. Zwei Stunden lang erkundeten wir die beeindruckenden Maya Ruinen und hielten bis fast zum Schluss dem treibenden Gewerbe stand. In einem Moment der Schwäche griff ich dann doch zu. Zu oft waren die drei Affen mir ins Auge gefallen. Ich musste sie mitnehmen. 

Während der 3-stündigen Rückfahrt durchkreuzten die neu erworbenen Kenntnisse zur Mayakultur noch mal meine Gedanken. Der Tempel war nicht nur ein meisterliches Bauwerk, sondern hatte in sich mehrere Kalenderfunktionen versteckt. Die von 4 Seiten begehbaren Treppenstufen, standen nicht nur für die 4 Jahreszeiten und die 4 Elemente des Lebens, sondern ergaben zusammengezählt die Tage eines Jahres. Die 9 Schichten bis zum Tempeleingang standen zudem für die Monate bis zur Geburt eines neuen Lebens. Viele weitere Faktoren, die in Verbindung zum Kalender und zum Leben standen, waren in diesem Bauwerk integriert. Alles war bis ins Kleinste durchdacht. Und doch glaubten die Mayas nicht an Vergangenheit und Zukunft, sondern nur an das Jetzt. Das war uns nicht so ganz schlüssig. Vielleicht hatten wir auch einfach  mal wieder etwas falsch verstanden.










Keep the planet blue

Schon lange hatten ich keinen größeren Fauxpas mehr erlebt. Die Vegas-Erlebnisse lagen in weiter Ferne und die letzten Trips liefen schon fast unheimlich glatt und fehlerfrei ab. Irgendwann musste ja mal wieder was passieren. Doch diesmal traf es uns mit voller Breitseite. Den FinnAir-Schalter gab es zwar am Frankfurter Flughafen, jedoch ohne Personal und ohne jegliche Bewegung hinter dem Tresen. Die Nervosität stieg, hatten wir immer noch nicht eingecheckt, geschweige denn irgendeine Ahnung wo wir das überhaupt tun sollten. Bereits die Anreise zum Flughafen verstrickte uns in eine 2,5-Stunden Prozedur, konnte ja keiner ahnen, dass es Montag und die hessische Straßeninfrastruktur einer solchen Katastrophe nicht gewachsen ist. So standen wir noch um 9:30 Uhr mit einer weiteren FinnAir-Kundin am leeren Schalter, während unser Flugtransportmittel sich sicherlich schon im Auftankmodus befand.


Um 9:45 Uhr (Randnotiz: es war noch genau eine Stunde bis Abflug), leitete uns dann endlich mal jemand zum

American Airline Schalter, deren Tickets FinnAir einfach nur verkauft, uns darüber aber nicht in Kenntnis gesetzt hatte. Die schnippische Check-In-Dame, die vermutlich von Donald Trump höchst persönlich gebrieft worden war, konfrontierte uns mit einer Munitionsladung an Fragen, die sie scharf herausschoss. „Was ist ihr Endziel?“ „Was wollen sie dort?“ „Was arbeiten Sie?“ „Wo arbeiten Sie?“. Ähm, eigentlich wollten wir nur nach Mexiko Urlaub machen, jedoch lag unglücklicherweise dieser seltsam regierte Überwachungsstaat auf unserer Durchreise, den wir für einen Kurzaufenthalt am Flughafen von Dallas betreten mussten.


Die stringenten, amerikanischen Sicherheitskontrollen erforderten bereits in Deutschland einen eigens angelegten Gate-Bereich, in dem man selbst und das Handgepäck bis ins Detail durchleuchtet wurde. Ein Sondercheck meines Rucksackes hielt uns erneut auf. Sprengstoffkontrolle. Das System hatte auf Feuchtigkeitstücher und eine Tüte Haribo-Colorado angeschlagen. Als wir endlich diese Kontrolle verlassen und uns dem Gate nähern konnten, wurde ich erneut abgefangen. „Sie sind für den Sondercheck ausgewählt worden. Zufallsprinzip. Bitte mitkommen.“ Im Sicherheitstrakt der Bundespolizei, forderte man mich auf Schuhe auszuziehen und den Rucksack erneut zu öffnen. Zweiter Sprengstofftest. Die Nerven lagen blank.


Auch diesmal konnten mir keine kriminellen Machenschaften nachgewiesen werden und so konnten wir tatsächlich noch rechtzeitig mit der American Airline Maschine abheben. 11 Stunden Flug, ein bisschen Turbulenzen, viel Babygeschrei und neue Bekanntschaften aus Aachen, Oklahoma City und Alabama. „I feel lot safer now.“ Der 60-jährige Amerikaner, der seinen Sohn auf Rammstein besucht hatte, wo er selbst um 1972 stationiert war, vermittelte, dass die damalige Lage in Deutschland wohl nicht annähernd dem Standard von heute entsprach. 


In Dallas angekommen durchliefen wir eine weitere, schier endlos erscheinende Sicherheitskontrolle. An einem Self-Service-System erneute Fragen zur Person. Passfoto. Fingerabdrücke. Und immer wieder stellt sich einem die Frage: „Wer wertet das alles aus?“ „Was passiert, wenn du doch mal Nein anstatt Ja anklickst?“ Wir riskierten nichts und hoben planmäßig nach Cancun ab. 


Wir waren mittlerweile 22 Stunden unterwegs, als wir den Flughafen erreichten und auch hier zwei meterlange Formulare akribisch, händisch ausfüllen mussten. „Ich reise nie wieder fernab von europäischen Grenzen! Diese Zettelwirtschaft ist doch Wahnsinn!“ In dem Moment leuchtete die rote Signallampe für eine Koffersonderkontrolle auf. „War so klar.“ Ich rollte mit den Augen und hievte meinen Koffer auf den Metalltisch. Der Flughafentyp durchkämmte mein Gepäck und ich hatte für einen Moment Bedenken um meine kleine Aloe-Pflanze, die ich tatsächlich illegal eingeführt hatte. Er fand sie jedoch nicht. 


Was dann endlich mal gut funktionierte, war die Abholung am Flughafen. Noch nie hatte mein Name auf so einem Schild gestanden. Man fühlte sich schon ein bisschen besonders. Jedoch nicht mehr, als wir unser Hotelzimmer betraten und von einem laut, schepperten Geräusch begrüßt wurden. Die Klimaanlage lief auf Hochtouren, nach ihrem Äußeren zu urteilen auch schon seit 1963. Der Boden unter den Füßen knirschte leicht, draußen Hupen, bremsende und anfahrende Autos, drinnen Geschrei und zuschlagende Türen. Wenn keiner von uns so müde gewesen wäre, hätten wir vermutlich das Hotel sofort verlassen. Aber nach 24 Stunden Anreise lässt du einfach alles über dich ergehen. Die Nacht war laut und nervtötend. Schlaf erst ab halb vier möglich. Und um halb sieben wieder hellwach. 


Es war zum Heulen und zum Verweifeln, doch was blieb uns übrig, als das Beste daraus zu machen. Ich zwang mich meine bestimmendste Art aufzulegen, die ich zu bieten hatte und marschierte am frühen Morgen zum Frontdesk. „Our room is dirty and too noisy. You want us to be happy and we want to stay in this hotel. What can we do?“ Ich dachte nicht, dass es so einfach ging. Meine Reklamationen wurden aufgenommen und wir erhielten nur wenig später ein neues, sauberes Zimmer, welches sich in einem ruhigeren Trakt befand. 1. Hürde überstanden. 


Wenig später verhalfen wir unserem neuen Freund Carlos noch zum Deal seines Lebens. Als wir 5 Aktivitäten über ihn buchten, dabei für uns jedoch noch einige Prozente herausschlugen. Damit wäre das halbe Wochenprogramm auch abgehandelt und durchgeplant. Zeit für ein wenig Ruhe und Entspannung. Wir suchten den nächsten öffentlichen Bus auf, der uns auf einer Verkehrsinsel aufgabelte, denn Bushaltestellen werden hier völlig überbewertet. 40 Minuten lang kutschierten wir durch Cancun, eine Stadt, die doch irgendwie sehr an Malle erinnert, sich seinen mittelamerikanischen Hup- und chaotischen Straßenverkehr jedoch beibehalten hat. Am „Playa Delfin“ sprangen wir aus dem Vehikel und sahen zum ersten Mal hellweißen Strand und türkisblaues Meer. Man braucht nur so wenig. Strand, ein wenig Sonne, eine frische Brise und das Geräusch der Wellen im Hintergrund. Endlich ankommen. Endlich mal Ruhe. Danke an die Nebensaison.


Nach einem halben Tag Strandaufenthalt und einigen roten Hautstellen, kehrten wir zurück und machten noch mal Halt in Downtown, wo wir uns Eintritt zu dem hiesigen Aquarium verschafften. Neben einer bunten Fischvielfalt und Schildkröten, gab es hier auch Delfine zu sehen. Wir lehnen zwar grundsätzlich Delfinshows ab, jedoch konnten wir uns überzeugen, dass die Tiere hier nachhaltig gehalten und gut behandelt werden, bzw. dass das Aquarium als Auffangstation dient. 


Uns überzeugten nicht zuletzt die vielen Informationen rund um das Thema „keep the planet blue“. Das Aquarium organisiert regelmäßig Beach-Clean-Ups in Zusammenarbeit mit Schulen. Tausend Sympathiepunkte mehr, die 15$ Eintritt hatten sich jetzt schon gelohnt. Das anliegende Restaurant setzte noch mal einen drauf. Als uns die Getränke gebracht wurden, bot uns der Kellner optional Strohhälme an und erklärte den Hintergrund. Wir lehnten dankend ab und kamen mit ihm zum Thema Plastik und Cleanups ins Gespräch, erzählten ihm, dass wir das zu Hause auch machen und wie toll wir es finden, dass es auch hier in Mexiko die gleiche Bewegung gibt. Er war ebenfalls sofort begeistert und erklärte wie wichtig es ist, dass jeder sich darum kümmert und seinen Teil dazu beiträgt. Es sei seine Heimat und er wolle nicht, dass diese an dem Müll irgendwann kaputt geht. Und dass es wichtig ist, dass überall auf der Welt dieses Bewusstsein ist, denn am Ende sind wir alle miteinander vernetzt und verbunden. Was einmal im Meer ist kann überall hingelangen. 


Schon allein wegen diesem Gespräch hatte sich die Reise gelohnt. Zu wissen, dass es Menschen gibt, die genau so denken und handeln. Dass es nichts umsonst ist was wir tun. Dass das wir tun einen Sinn hat und wir den Auftrag haben Verantwortung zu übernehmen. Dass wir mitdenken, aktiv anpacken und uns nicht der Naivität hingeben „Ach das wird schon gut gehen.“ 











Return of the Sun


Mexiko. Letzte große Reise. Wie oft hatte ich mir das schon vorgenommen.  Und doch muss ich immer wieder los. Reisen ist die beste Medizin. Körperlich geplagt von den letzten Auswirkungen des Kreisoberligaspiels auf sprödem Hartplatzgefilde. Schürfwunden. Dumpfer Knieschmerz. Blutige Restspuren. Und dann war da noch die Dunkelheit. Wie ein Schlag trat die Finsternis des Spätherbstes wieder ein. Viel zu lange waren wir mit Gute-Laune-Wetter versorgt worden. Graue, trübe Wolken machen sich breit. Hatte man gar nicht mehr auf dem Schirm. Dieses jährlich, traurig, wiederkehrende Wetterphänomen. 

Die Reise schiebt nur etwas von uns, was uns doch wieder einholt. Aber vielleicht kann man es hinauszögern, vielleicht ist es nicht ganz so schlimm und vielleicht überwiegen irgendwann die vielen guten Erinnerungen und helfen uns über den Winter.  

Die Reise hatte keine großen Anforderungen. Sommer. Sonne. Wärme. Strand. 13 Flugstunden dafür auf sich zu nehmen, ein ESTA-Formular für die Amerikaner auszufüllen und sich mit unhandlichen 10.000 Pesos in der Tasche durch ein korruptes Mexiko zu bewegen, empfanden wir jedoch als recht hohe Anforderungen an uns. Zwischenzeitliche Zweifel, ob die Hurrikanhochsaison wirklich der beste Reisezeitraum war, kamen ebenfalls auf. Doch letzte Recherchen ergaben, dass sich das Unwetter auf der Pazifikseite befand. Cancun sollte verschont bleiben. 

Und so werden Jenny und ich erstmalig, die bisher unbekannte Airline „FinnAir“ nutzen, die uns zunächst nach Dallas und anschließend weiter nach Cancun bringen wird. Gebucht hatten wir über einen insolventen Reiseveranstalter. Dadurch fielen die Kosten für den Trip und auch das Hotel sehr günstig aus. Die Retourkutsche wird es mit Sicherheit noch hageln. Bereits beim Online Check-In mussten wir erkennen, dass dieser nicht verfügbar war. Die Sitzzuteilung wird also eine offene Überraschung am Flughafen werden. Egal. Augen zu und durch. 


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Zona Zero | Viva los Pirineos! Pyrenäen 2018

Video unseres 7-tägigen Trip am Fuße der Pyrenäen (Ainsa, Spanien). Klettern, White Water Rafting, Mountainbiken, Wandern und mehr...



Adios los Pirineos

Fels ist bezwungen, frei atmen Lungen,
ach, wie so schön ist die Welt.
Handschlag, ein Lächeln, Mühen vergessen, alles auf’s Beste bestellt.
Lebt wohl, ihr Berge, sonnige Höhen,
Bergvagabunden sind treu.


An unserem letzten Aktivtag wollten wir es noch mal wissen und setzten uns erneut aufs Mountainbike. Kristin und Löön hatten am Abend zuvor eine Routenplanung vorgenommen, was allein schon Grund genug war mit dem Schlimmsten zu rechnen. Ich fühlte mich wie ein Teilnehmer der Tour de France, als wir die serpentinenförmigen Alpen des Südens hochstrampelten. Löön, allen voran, aufgezogen wie ein Duracellhase, lenkte ihr MTB mit einer Leichtigkeit die Steigungen hinauf, ohne eine einzige Schweißperle im Gesicht zu haben. Ich hingegen - wie gewohnt die Nummer 4 im Bunde - durchlebte ein kleines Rothaarsteig Déjà-vu und fragte mich einmal mehr, wie langsam ich einfach sein musste, dass ich diesen Maschinen nicht hinterher kam.

„Alter Falter, nach dem Urlaub bin ich ein Muskel.“ Als wir nach 10 Kilometern purer Steigung endlich das Plateau unterhalb unseres Hausberges erreicht hatten, deutete ein roter Pfeil die Abfahrt an. „Sitze runter, Stoßdämpfer auf und ab geht’s!“ Der Single-Trail, geprägt von spitzem Fels, Geröll und steilen Abhängen, erwies sich erneut als kaum überwindbar. Sissy und ich zogen einmal mehr die noch-nicht-olympische Disziplin „Schieb-dein-Rad“ an den meisten Passagen vor, während Kristin und Löön die Piste runter jagten. „Sicherheit vor Schnelligkeit!“, rief ich mir einmal mehr ins Gedächtnis. Außerdem entsprachen unsere Helmvorrichtungen allem, nur nicht irgendeinem genormten Sicherheitsstandard. „It’s just for the police.“ hörte ich dem Fahrradverleihtyp noch sagen, der uns 40€ pro Rad abgeknüpft hatte. Zur Hälfte der Abfahrt würde das Terrain befahrbarer und alt bekanntes Wurzelwerk ersetzen felsiges Geröll, wodurch nun auch Sissy und ich in den Fahrgenuss kamen. Zum Schluss eröffnete sich das absolute Highlight vor unseren Augen. Eine Marslandschaft, aus unzähligen Erdhügeln bestehend, die durch keinerlei herumliegende Felshaufen beeinträchtigt wurden. Absoluter Fahrspaß mit Hochgeschwindigkeitsleistung! Wir waren begeistert!

Nach 4 Stunden Mountainbike-Aktivität, erfrischten wir uns ein letztes Mal in unserer Stammlocation mit einem leckeren Bier und einer Eisteevariation. Auch der Souvenireinkauf konnte abgehandelt werden, worauf uns ein leckeres Menü, made by Kristin, in Form eines Risotto mit Salatbeilage offeriert wurde. Mit einem letzten Cocktail in der nahegelegenen Bar, abgerundet von einem Lachflash-geprägten Spieleabend, beschlossen wir unseren Spanienurlaub.

Es war wie immer ein Highlight. Die Pyrenäen bieten eine Aktivitätenvielfalt für alle Anforderungen und lassen kaum einen sportlichen Wunsch offen. Das Bergpanorama, sowie die ganzjährig angenehmen Temperaturen, können quasi nicht enttäuschen. Und reist man, wie wir, in der Nebensaison, entgeht man zum einem dem Massentourismus und zum andern den kochend, heißen Temperaturen im Hochsommer. Aínsa ist für Naturliebhaber und Sportfreunde absolut empfehlenswert und kann auch gerne 2 Wochen besucht werden. Die Grenze zu Frankreich ist quasi nur ein Katzensprung und der Jakobsweg durchläuft diesen Ort ebenfalls.

Am Ende der Reise ziehen wir Resümee.


Die 7 großen Lügen des Pyrenäen Urlaubs:

   1. Der Helm sitzt
   2. Das Mountainbike befindet sich im Top-Zustand
   3. Gleich geht’s nur noch bergab
   4. Nein, das ist kein schwarzer Trail
   5. Morgen müssen wir mal nicht einkaufen
   6. Bei Paella-Pfanne kann man nichts falsch machen
   7. Gleich sind wir da

Die 5 größten Verbrauchsmittel:

    1. Taschentücher (Juli)
    2. Halsschmerztabletten (Juli)
    3. Ingwerknollen (alle)
    4. Toilettenpapier (alle)
    5. selbstkreierte Sandwichs (alle)

Die 3 unnützesten Mitnahmen:

    1. Regenjacke
    2. Skiunterwäsche
    3. Schicke Kleidung

Die 5  häufigsten Ausrufe bei der Trailabfahrt:

    1. Scheisse!
    2. Oh ne, Alter!
    3. Oh man, was mach ich hier!
    4. Uhh! Ahh!
    5. Fuck!

In diesem Sinne verlassen wir Aínsa und bewegen uns Richtung Großstadt Barcelona, von wo aus wir zurück in heimische Gefilde fliegen.

„Die Schönheit der Erde kann man nicht kaufen. Sie gehört dem, der sie entdeckt, der sie begreift und der es versteht, sie zu genießen.“ - Henry Bordeaux 









Bergvagabunden sind wir, ja wir!

„Also Leute, jetzt mal ernsthaft, das war doch gestern kein ‚Rocktobeerfest‘. Das war doch eher so ein Anarchie-Hippie-Gras-Festival.“, wiederholte sich Kristin mehrfach am nächsten Morgen, als uns die Geruchsmischung aus Bratfett und gerauchtem Pflanzenmaterial noch in der Nase stach. Wir hatten am Tage zuvor einen Erholungstag, zugunsten meines Gesundheitzustandes und der körperlich anstrengenden Aktivitäten, eingelegt. Als Wellness-Destination wurde der spanische Edersee erklärt, den wir im Offroadmodus erreichten. Das unübersehbarere Warnschild mit dem Hinweis „ACHTUNG! Gebiet mit plötzlich wechselndem Wasserstand!“ ignorierten wir hierbei gekonnt und erkundeten hinter der Autobarriere, das Lehm- und Wiesengefilde, welches uns zu einem türkisblauen Stausee führte, der nicht nur einige Ruinengebäude, sondern auch einen menschenleeren Strand aufwies.

Ein wenig komisch kam es uns schon vor, dass keine Menschenseele weit und breit zu sehen war. Das gesamte Terrain wirkte mystisch. Man meinte sich zunächst im alten Ägypten am Nildelta zu befinden, bis man auf asiatische Erdbauhügel traf. Doch auch dieser Eindruck widerlegte sich, als man im See einen alten Baum aus dem Wasser ragen sah und in der Mitte des Sees eine Kirchturmspitze zum Vorschein kam. Alles sehr suspekt. Und so beschlossen Sissy und ich uns zwei Mutproben zu stellen. Zunächst schwammen wir zu dem Baum, der mindesten zwei Meter tief ins Wasser ragte. Danach wateten wir Richtung Kirchturmspitze. Auf der Hälfte des Wasserweges hörten wir zwei bis drei laute Schüsse. Voller Panik, dass der See nun komplett geflutet werden konnte, eilten wir ans Ufer zurück, wo sich Kristin und Löön bereits in der Sonne aalten.

Der See wurde nicht weiter geflutet und der Wasserstand blieb über den gesamten Zeitraum unseres Daseins auf gleichem Niveau. Uns blieb dieser Ort, der einen wunderbaren Blick auf das pyrenäeische Bergpanorama freigab, jedoch bis zum Schluss suspekt und wir hätten zu jederzeit mit allem gerechnet.

Am Abend besuchten wir die spanische Version des Oktoberfestes, hier „Rocktobeer“ genannt, die offensichtlich noch in den Kinderschuhen steckte. Der Bonverkauf erwies sich mehr als komplex und das „Bier“, welches hier offeriert wurde, schmeckte eher so nach einer Mischung aus Chlorwasser mit Hefeflavour. Widerlich! Wir einigten uns auf Sangria und lauschten den lokalen Rockbands, auch wenn wir diese, dank fehlender Spanischkenntnisse, textlich kaum verstehen konnten. Die sonderbaren Gerüche, die sich in dem Zelt breit machten, werden wir hier nicht weiter erörtern, sondern einfach mal hinnehmen.

Der nächste Morgen wurde hart. 6 Uhr aufstehen. 1.200 Höhenmeter standen uns bevor. Wir hatten uns dazu entschlossen die 8-stündige Wanderung zum „Balcony de Pineta“ in Eigenregie anzutreten, dessen Gipfel auf 2.600 Metern liegt. Gut gestärkt traten wir die Wanderung am Fuße der Pyrenäen an. Kristin-the-machine im Stechschritt voran, wir keuchend und pustend hinterher. Es war mal wieder famos, dass Kristin so gar keine körperliche Einschränkungen wahrnahm und wir mit einer bunten Mischung aus allerlei Wehleiden um die Ecke kamen. Sissy zwickte die Wade, Lööns Beine waren einfach zu kurz und ich kämpfte gegen Keuchhusten und Schnupfenanfälle an.

Der Weg führte uns zunächst durch einen Märchenwald, jedoch immer stufenartig bergauf. Bereits bei 1/8 der Strecke hätte becks Mini Maus angefangen zu tanzen. Uns stockte der Atem und wir hechteten Kristin hinterher, die sich offenkundig zum Ziel gesetzt hatte, alle weiteren Wandertruppen, die vor uns gestartet waren, zu überholen. Als wir die Baumgrenze erreicht hatten, wurde der Streckenverlauf felsiger und schotterig. Von dem brutalen Anstieg ganz zu schweigen. Als wir mal wieder eine zweiköpfige spanische Wandergefolgschaft, die nicht sehr trittsicher schien, überholt hatten, zeigte Kristin Mitleid. „Mir tut die Frau so leid, ich glaube nicht, dass die hier hoch kommt.“ Löön hingegen fiel dazu empathielos ein: „Dann schnall dir die Alte doch aufn Buckel, damit du auch mal ausgelastet bist.“ Es folgte darauf ein 15-minütiger Lachflashdialog zwischen Löön und mir, da wir uns einfach nicht mehr einkriegen konnten, was uns jedoch noch mehr Luft kostete und somit den Aufstieg abermals erschwerte. Unterdessen verfluchte Sissy die felsige Südwand und glaubte, dass wir das Ende niemals erreiche würden. Auch unsere identischen GPS-Apps, gaben völlig unterschiedliche Kilometerstände und Kalorienverbrauchsangaben an, wodurch wir noch viel weniger wussten, wie lange der Aufstieg nun tatsächlich noch dauern sollte. „Die Mini Maus wäre schon längst aus der Uhr gesprungen.“ keuchte Löön, als wir mittlerweile eine Höhe erreicht hatten, bei der wir vor Kälte und Wind wieder anzippen mussten. Nach drei weiteren serpentinenförmigen Kurven, konnten wir es dann kaum glauben. „Wir sind da, wir sind da!“ „Juhuu, wir haben es geschafft!“ Der balkonartige Ausblick auf die dramatische Landschaft und das Tal unter uns war atemberaubend und jede Anstrengung wert. Wir waren begeistert. Aber auch nur bis uns ein entgegen kommender Spanier mitteilte, dass wir noch nicht am Ziel waren und noch 25 Minuten bis zum „Lago Marboré“ vor uns hatten. Missmutig stiefelten wir weiter und stellten uns dem kalten Wind, der uns um die Ohren fegte. Erste Gletscher waren zu sehen. Und über uns machte sich eine dunkle schwarze Wolke breit. Nach einer halben Unendlichkeit erreichten endlich den See, der sich hinter einer Klagemauer befand. „Es wird sich nicht lange aufgehalten! Sandwich-Lunch und dann ab zurück!“ Die Ansage von Kristin war deutlich, hatten wir aufgrund des bevorstehendem 3-stündigen Abstieges keine Zeit zu verlieren. Außerdem zog es wie Hechtsuppe.

Auf dem Rückweg gerieten wir nochmals in Irrungen und Wirrungen und verliefen uns gleich dreimal. „Das gibt ne schöne Schleife auf Runtastic!“ „Oh man ey, als ob wir nicht schon genug gelaufen wären.“  Um 18 Uhr erreichten wir endlich, völlig geplättet, unser Auto. Fix und alle fuhren wir Richtung Heimat, erledigten unsere täglichen Einkauf im ‚Supermercarto‘ und kehrten abermals in unserer neuen, liebgewonnenen Tapas-Bar ein. „Morgen noch mal Mountainbike.“ „Ja, und Souvenirs wollten wir noch kaufen.“ „Vergesst nicht, wir wollten auch dort oben mal auf die Mauer.“ „Oh und die Detailfotos, die will ich auch noch machen.“ „Wann trinken wir eigentlich den Cocktail in der tollen Bar?“

Wir werden sehen was wir morgen, an unsrem vorletzten Tag, noch über die Bühne bringen werden. Fakt ist, sportlich gesehen haben wir unser Soll geleistet. Ein Entspannungsurlaub nach dieser Aktivitätenabfolge ist bitter nötig! ;-)












Nicht ohne meinen Helm!

„Entweder ich werde jetzt richtig krank oder das Gletscherwasser heilt mich.“ Und mit diesen Worten sprang ich die 3 Meter hohe Klippe in die Fluten des Rio Ésera, um der sich anbahnenden Erkältungsgrippe zu trotzen, die mich seit anderthalb Tagen in Schacht hielt. „Dass diese Grippeschutzimpfung aber auch jedes Jahr einen Monat zu spät angeboten wird!“

Gegen 12 Uhr hatten wir unsere nächste sportive Aktivität „Rafting“ gestartet. Zuvor war noch ein Besuch in der Pharmacie nötig, in der ich mich mit „pastillas parca chupar“ versorgte. Doping im Sport - kennen wir eigentlich nicht.... ‚Dolphin‘, unser argentinischer Guide, händigte uns die Neoprenanzüge aus, die sich nur schwerfällig bis gar nicht überstreifen ließen. „Oh man, ich bin einfach zu fett.“, monierte Sissy mehrmals. Vielleicht lag es aber auch einfach an unseren durchtrainierten Waden. Oder die Spanierinnen sind einfach schlanker und zierlicher. Wohl eher letzteres.

Wir hievten gemeinsam das Schlauchboot in das Canyonwasser, was uns mit Wohlfühltemperaturen von 10 Grad begrüßte. Es war schweinekalt. „Vamos Amigos!“ und mit diesem Ruf schlugen wir mit den Paddeln in die Fluten, welche durchaus anspruchsvoller als die im Rhein, aber keineswegs höher als die in Ecuador waren. Die erste Passage war machbar, Einsteigerlevel. Wir paddelten entlang einschneidender Landschaften und durch spanisch, historische Monumente. „Das ist ist doch hier so ein Aquädukt.“, merkte Löön an. „Ja, oder vielleicht einfach eine alte, baufällige Brücke.“ In der zweiten Passage wurde der Canyon felsiger und die Flussströmung diffiziler. Als mittlerweile eingespieltes Rafting-Team - hallo, wir hatten den Rhein bezwungen - paddelten wir gekonnt, slalomartig durch die Felsbrandungen, die mächtig aus dem Wasser ragten. Dolphin war zufrieden mit uns. „Good Team.“ Nach zwei Stunden „paddel forward“ und „paddel backward“ erreichten wir einen felsigen Überhang, von dem wir springen durften. Da ich mittlerweile eh klatschnass war und die anderen schon zu Beginn von einem Felsen gesprungen waren, blendete ich meinen Gesundheitszustand aus und reihte mich bei den Klippenspringern ein. Der Sprung ins eiskalte Nass und die reißende Strömung sorgten für einen weitaus angenehmeren Adrenalinkick, als das Klettern am Tage zuvor. Freudestrahlend paddelten wir bis zum Anlegeufer und manövrierten das Schlauchboot gemeinsam mit Dolphin auf einen uralten Nissan Jeep, der sicherlich seit einigen Jahren keinen TÜV mehr besaß und museumswert hatte, worauf das uralt eingebaute Radiogerät zu schließen ließ. Wir kutschierten damit wieder bis zum Ausgangspunkt und würgten währenddessen nur zweimal ab.

Nach einem Sandwichlunch auf der nahegelegenen Wiese kehrten wir wieder heim. An diesem Abend stand gemeinsames Kochen und Kartenspielen auf dem Programm, schließlich war Tag der deutschen Einheit und der musste gebührend gefeiert werde. „Das sind die besten Nudeln mit Tomatensauce, die ich je gegessen habe.“ freute sich Sissy. Es ist erstaunlich, wie man mit so wenig Gewürzauswahl, einer überschaubaren Küchengeräteansammlung und nur zwei Töpfen, ein drei-Gänge-Menü herbeizaubern kann, das uns tragischerweise auch noch weit aus besser mundete, als die Paella-Pfanne am Tage zuvor.

Mit zwei Hustern (bei dreien wäre ich auf die Schlafcouch verwiesen worden), ging ich zu Bett. Am nächsten Morgen wachte ich mit einer verrauchten Whiskeystimme, begleitet von weiteren Grippesymptomen auf. Mountainbiken, 21 Kilometer, Trails inklusive, stand auf der Agenda. Augen zu und durch.

 „Gibt es eigentlich eine Aktivität in diesem Urlaub, bei dem ihr nicht zwingend Helme benötigt?“, erreichte Sissy noch die Nachricht, als wir unser Fahrradequipment bereits übergestreift und die „Fullies“ in Empfang genommen hatten. Dolphin war auch heute unser Guide und musste sich gleich zu Beginn der Tour mit den kleinen und großen Wehwehchen auseinandersetzen. „Mein Helm passt nicht.“ „Meine Bremse funktioniert nicht.“ „Die Go-Pro lässt sich nicht installieren.“ „Ich bin krank.“ Das spanische Fahrradmaterial entsprach wahrhaft nicht dem deutschen Standard und hatte den ein oder anderen Mangel aufzuweisen. So sprang beispielsweise Sissy schon nach 10 Minuten die Kette aus der Fassung, die Dolphin einen größeren Reparaturaufwand kostete. Jedoch hatten wir ja nur die Anfängertour gebucht. Familienedition. Da sollte ja nichts passieren.

Wir durchführen schönste Landschaftsabschnitte am Fuße der Pyrenäen, die uns Blick auf schneebedeckte Berggipfel gaben. Und auf eine Burg. Dort mussten wir dann auch unglücklicherweise hoch. Die Strecke erwies sich als recht langgezogen und steil und schon nach wenigen Metern sah ich meinen Pulk nur noch von Weitem. Keuchend und schwitzend kam ich kaum den Berg hinauf und die Luft schnürte sich in meinem Hals zusammen. Sonjas Asthmaspray hätte an dieser Stelle Wunder gewirkt, hatte ich aber nicht zur Hand. Als die anderen drei bereits oben die fabelhafte Aussicht genossen, rang ich noch lange nach Sauerstoff. Die Erkältung setzte mir doch mehr zu als gedacht.

Im nächsten Streckenabschnitt wurde der Weg einspurig und felsiger. Und plötzlich waren die Wegzeichen auch nicht mehr grün (Anfänger) und auch nicht mehr blau (Fortgeschrittene), sondern rot plus und schwarz (Master of the Trail). Die felsigen Brocken, die sich uns in den Weg legten, waren kaum zu überwinden, geschweige denn von dem Abgrund, der sich links vor uns eröffnete. Anstatt Wurzeln nur Steine, Geröll und Felsen. Tiefe Spurrillen, scharfe Kurven, steile Abhänge. Sissy und ich schoben das Rad deutlich mehr als dass wir fuhren und unsere Abfahrten waren geprägt von „Ach, du Scheiße!“, „Was ist das denn hier?!“ und „Ahhhhhh!!!“. Selbst Löön, eine sonst sehr wagemutige Fahrerin, musste sich an einigen Passagen im Schiebemodus wiederfinden. Lediglich Kristin-the-Machine war mal wieder nicht zu bremsen und wagte sich über Fels und Stein. Unterdessen überlegte ich, ob ich das nächste Mal nur noch als Kamerafrau mitfahren und die Funktion als Stuntman lieber deaktivieren sollte. „Denk dran Sissy, wir müssen nächste Woche noch gegen Fellerdilln spielen. Wir dürfen hier nichts riskieren.“ Diese Worte ereilten Kristin leider nicht mehr, hatte sie sich mittlerweile als Master-of-the-Trails etabliert und bewegte sich furchtlos über die nächste, für mich unüberwindbare, Passage. Noch im Genuss des Erfolges, Fels 0 - Kristin 1, verhakte sich die Trailkünstlerin in einer tiefer gelegenen Schotterkuhle und stürzte, nach Löons Worten, in Zeitlupe kopfüber über das Fahrrad und landete, wie durch ein Wunder, nur mit den Knien und Armen auf dem spitzen Fels. Kopf und Gesicht blieben verschont, doch die aufgeschürften Wunden entfaltenden sich blitzschnell. Blut lief.

Trotz der ganzen Dramatik setzte sich Kristin-the-machine postwendend wieder aufs Mountainbike, trotzte dem Schmerz mit den Worten „Ja, was soll ich denn machen außer weiter fahren?!“ und setzte die Reise auf dem Felsuntergrund fort. Nur wenige Minuten später legte sich Kristin erneut. Es blieb bei blauen Flecken und wir schüttelten nur den Kopf. Kristin war einfach zu hart für uns.

„Ich dachte wir würden hier Bier trinken.“ sprach Löön, als wir wieder in unserer Wohnung zugegen waren und ich frische Zitrone und Honig in das Erkältungsendgetränk presste. „Jetzt sitzen wir hier vor selbstgebrautem Ingwertee.“ „Reine Prophylaxe, safety first.“, ermahnte ich, während meine Nasennebenhöhlen völlig kapitulierten. Wir gaben dem spanischen Gastronomiegewerbe an diesem Abend noch eine zweite Chance und zogen zur iberischen Abendessenszeit um 21 Uhr noch mal los. Eine Tapasbar, die uns unser Guide empfohlen hatte, wurde das Ziel. Und diesmal sollten wir nicht enttäuscht werden. Kleine leckere Speisen, von Mini-Hamburgern, über Röstibaguettes bis hin zu Spiegelei-Serrano-Schinken-Kreationen zierten unsere Teller. Die Krönung bestand aus der Nachspeisenkreation in Form von Zitroneneissorbee, geschmolzenen Schokokugeln im Teigmantel und Walnusssahne-Honig-Joghurt. Hier kehren wir nochmal ein. Ein Hoch auf die spanische Tapasvielfalt!