Heading Up North.. Tromsø, Norwegen 2021

Ein Trip im Norden Norwegens: Tromsø. Wanderungen nach Fløya und Bønnvua, Polarlichter, Trip nach Sommarøy, Kayaking und City Life.

Authentic Norway

„Das ist wie beim Kanu, zum Schluss hat man keinen Bock mehr!“ prangerte Becks an, als wir die letzten Meter mit dem Kayak durch das mittlerweile sonnige Fjord paddelten. Während ich an diesem Morgen meine neue Lieblingssportart im Kayaken gefunden hatte, reklamierte Becks zu wenig Action und Dramatik an. Dabei hatten wir aus Wettersicht Dramatik genug gehabt, begann der Morgen abermals mit Nieselregen, sodass sämtliche Kleidungsschichten, die wir noch im Koffer hatten, herhalten mussten. Unser Guide ‚Tore’ stattete uns außerdem mit einem Neoprenanzug, sowie einer Schwimmweste und Neoprenschuhen aus. In einem mystisch, nebligen Fjord begann unser Kayakabenteuer, an dem noch zwei weitere Girls from Germany teilnahmen. Schon nach wenigen Minuten bemerkten wir, wie meditativ und entspannend sich diese neu erlernte Sportart anfühlte. „Das ist wie Yoga, nur auf dem Wasser.“ stellte ich geerdet fest, als wir uns über die sanften und beruhigten Wellen, entlang der Wasserfall gefüllten Fjorde vorwärts bewegten. „Wo bleiben denn hier die Stromschnellen, die Aktion und der Hindernissparcour?“ mit einem kräftigen Paddelschlag riss mich Becks aus meinem Mediatiomodus und hinfort war die Ruhe und Seligkeit. „Hier könnten wenigstens mal ein paar Wale neben uns auftauchen!“

Auch wenn die Kayaktour vom Aktionismus nicht an vorherige Abenteueraktivitäten anknüpfen konnte, so hatten wir zumindest den Inbegriff von Adventure, Expedition und Pioniergeist an unserer Seite. Wir hatten die Tour bei keinem geringeren als dem norwegischen Reinhold Messner, alias Tore Albrigsten, unbewusst gebucht, der uns durch die Fjorde lotste und mit seinen Abenteuergeschichten von Nord- bis Südpol unterhielt. Seine 10 abgefrorenen Fingerkuppen erzählten von Skidurchquerungen Grönlands und Alaskas, dem Erklimmen der höchsten Gipfel Europas, Afrikas und Südamerika, sowie unzählbaren Schlittenhunderennen in der nördlichen Hemisphäre. Sein nächstes Ziel: Der Mount Everest. Da wunderte es uns auch nicht mehr, als wir bei ihm im Vorgarten 84 Huskies erspähten, die allesamt für das Rennen und den boomenden Huskietourismus trainiert wurden. „Sind das alle deine Hunde? Fütterst du die alle selbst? Wer kümmert sich denn um die, wenn du mal nicht da bist?“ Wir hätten am Lagerfeuer, mit norwegischen Bratwürstchen, noch unzählige weitere Fragen stellen können, doch dafür reichte die Zeit nicht aus. „Was fürn‘ Typ!“ blieb uns nur noch festzustellen, als wir noch erfuhren, dass er an einem Tag zwei Marathons nacheinander an unterschiedlichen Orten gelaufen ist.

Wieder in der Otto-Normalverbraucher-Realität und in Tromsø angekommen, stellten wir freudig fest, dass wir den ganzen Tag noch keine Regenjacke hatten tragen müssen. „Darauf ein Bier!“ freuten wir uns und fanden uns zum Ende des Urlaubs in der lokalen Brauerei Ølhallen ein. Bereits am Tage zuvor waren wir in den Genuss der nordischen Köstlichkeit, aber auch der Preisklasse für alkoholische Endgetränke gekommen. „Mit 110 NOK pro Schoppe bist du dabei!“ Doch wir hatten uns mittlerweile nahtlos in die norwegischen Gegebenheiten eingefügt, kannten wir nicht nur das Bussystem in und auswendig, sondern konnte Becks auch mit wissenschaftlichen Vokabeln und physischen Gesetze aus der Welt der Leuchterscheinungen hausieren gehen, nachdem sie sich die Polarlichter-App heruntergeladen hatte und diese fachkundig studierte. „Heute ist der Kp-Wert aber nicht so gut!“ oder „Oh, schau mal, heute ist die Farbskala über Tromsø im grünen Bereich.“ bekam ich es nur noch um die Ohren geworfen. „Ich sehe dich schon nächste Woche an der wissenschaftlichen Universität in Edinburgh Vorträge halten.“ erwiderte ich kurz, als sich Becks Blick wieder hochinteressiert der App hingab.

Am Ende unserer Reise, in der nördlichsten Metropole Europas, bleibt festzuhalten: Es empfiehlt sich das große Portmonee mit den Master- und Visacards einzupacken, bezahlt wird hier nämlich viel und vorzugsweise bargeldlos. Dennoch lohnt sich ein Aufenthalt in jedem Fall, bietet Norwegen nicht nur ein grandioses Naturerlebnis, viel „open space“, sondern auch eine saubere Landschaft, ein gutes, funktionierendes öffentliches Fahrbahnnetz und einen ‚place to be‘ für jedermann von überall. Man wird sehen wie sich die Kultur, Gesellschaft, das Stadtbild und Leben in den nordischen Ländern weiterentwickelt, aber für uns steht fest „Geht in Deutschland mal alles den Bach runter, machen wir uns besser hier hoch.“

In diesem Sinne verabschieden wir uns mit grün, schimmernden Polarlichterinnerungen, der Dankbarkeit und Wertschätzung für ein bisschen Sonne am Tag und dem Bewusstsein über die Schönheit, aber auch gleichzeitig der unberechenbaren Kraft der Natur.

„Wir müssen der Welt nachgeben; sie gibt uns nicht nach.“ - aus Norwegen


Top 5 Sätze


„Es regnet schon wieder!“

„Trinken wir jetzt noch nen Kaffee?“

„Im Bad ist’s am schönsten.“

„We are lucky mushrooms.“

„We are lucky muschrooms again.“


Top 3 unnützeste Mitnahmen:

  1.     Sonnenbrille
  2.     30er Pack FFP2-Masken
  3.     Kartenspiel Skyo


Top 3 wichtigste Mitnahmen:

  1.     Regenjacke
  2.     Mütze
  3.     Skiunterwäsche








Auf den Spuren von Amundsen

Der Supermarktverkäufer schaute uns erstaunt an, als er unsere Lebensmittel über den Tresen zog. Im nächsten Moment riss er uns die zwei blau schimmernden Bierdosen vom Band und verkündete mit ernster Miene „Ingen Alkohol etter 18!“ Wir schauten uns einen Augenblick fragend an, bis uns ein Licht aufging und wir beide geschmeichelt nach unserem Personalausweis kramten. Nun wurde dem Verkäufer klar mit was für Grazien er es hier zu tun hatte und wechselte in die Allerweltssprache Englisch. „Kein Alkohol nach 18 Uhr“ war von seinen Lippen abzulesen. Ungläubig schauten wir auf die Dosen und im nächsten Moment auf die Armbanduhr: 18:23 Uhr. Becks versuchte noch zu feilschen „Sorry, we are from Germany“ (Ein bisschen Gastfreundschaft hatte man ja doch erwartet). Doch der Verkäufer ließ sich nicht erweichen und komplementierte uns mit den Restzutaten des Radlers (Sprite) hinaus.

Dabei hatten wir uns das gute alte Feierabend-Radler wahrlich verdient. Aufgrund der durchzechten Polarlichternacht, wurde der Samstagmorgen zu späterer Stunde eingeläutet. Als wir uns plötzlich um 12:30 Uhr am Esstisch wiederfanden, mahnte ich erneut zum Aufbruch und gab zu verstehen, dass wir nicht wieder die Letzten des Tages sein wollten, die den Hausberg von Tromsø erklimmen wollten. Uns klang außerdem noch der Rat des Guides im Ohr „Da müsst ihr aber früh los, wenn ihr das noch schaffen wollt.“

Punkt 13 Uhr betraten wir die Verbindungsbrücke von Tromsø und Tromsland, die wir mittlerweile wie unsere Westentasche kannten. Schnellen Schrittes begaben wir uns zu der steilen Einstiegsroute des Sherperpfades. Die nur noch 500 Meter entfernte Seilbahn stand zu keinem Zeitpunkt zur Debatte, da der Sparmodus immer noch aktiviert war („Das können wir uns nicht leisten!“). 124 Steintreppenstufen später stellten wir unsere Fitness bereits in Frage und keuchten die immer steiler werdenden Platten nach oben, während das norwegische Fußvolk locker flockig an uns vorbei joggte. Nach Luft ringend erreichten wir die erste Station und fanden uns sitzend bei einer Tasse Kakao und Kaffee in der Hütte wieder. „Jetzt machen wir erst mal Pause. Es regnet eh schon wieder.“

Nach einer kurzen Selfie-Session am Hot-Spot mit atemberaubendem 180 Grad Blick auf Tromsø und Umgebung, erklommen wir den nächsten Höhenabschnitt des Gebirges, bei dem wir von Herbst- auf Winterkollektion umzippten und mal wieder froh waren mehr als 3 Schichten eingepackt zu haben. Die Spuren im Schnee wurden tiefer, doch der Ausblick auf schneebedeckte Berge und regenverhangene Fjorde entschädigte für alles. „Den nächsten Gipfel schaffen wir noch, oder?“ fragte becks, als wir in weiter Ferne die nächst höhere Erhebung erspähten. Ich blickte kurz auf die Uhr und auf den noch wolkenlosen, blauen Himmel. „Ok, aber um 16 Uhr drehen wir um.“ Schnellen Schrittes spurteten wir voran, ließen aber kein Imagefoto aus, schließlich war schon lange kein Wanderer mehr zu sehen, der das Bild hätte durchkreuzen können.

Um 16:02 Uhr erinnerte ich kurz an das Timeshifttable, doch meine Warnung verlor sich im Wind und becks verkündete unterdessen, dass es jetzt auf die 10 Minuten auch nicht mehr ankommen würde. Minütlich wurde das Wetter schlechter und zog sich zu einer dichten, weißen Nebelwand zusammen. Als wir den Gipfel endlich erreichten, fanden wir uns in einem Regen-Schneegestöber mit Null Sicht wieder. Ich blieb von dem Wetter unbeeindruckt und baute unterdessen mein kleines Stativ für mehrere Videosequenzen, mit der norwegischen Flagge am Gipfelkreuz, auf. „Meinst du nicht wir sollten jetzt langsam mal die Rückkehr antreten?“ fragte Becks und ich drehte mich erschrocken zur aktuellen Wetterlage um. „Oh, das sieht aber nicht gut aus. Wo ist denn eigentlich der Weg?“

Ich raffte meine sieben Sachen zusammen und  wir arbeiteten uns anhand von Schneespuren im Zick-Zack-Modus Richtung Seilbahnstation. „Wann fährt denn eigentlich noch mal die letzte Bahn?“ „Nichts da, wir laufen runter. Wer soll das denn bezahlen?“ Kaum hatten wir die Station erreicht, war uns klar was folgen würde. Ruckzuck hatten wir den Geldbeutel aktiviert und strahlten übers ganze Gesicht als wir die zwei Tickets in den Händen hielten. „Jetzt noch ein kühles Radler und dann reicht es für heute!“













Lucky Mushrooms

Wir waren mal wieder Glückspilze. Als wir für Freitag die zwei Touren mit Northern Soul Adventures buchten, die uns tagsüber nach Sommarøy und abends zu den Nordlichtern führen sollten, zeigte die Wetterprognose gnadenlose 98% Regenwahrscheinlichkeit und wenig Chancen auf eine wolkrenfreie Nacht für die Erspähung der Polarlichter auf. Doch wir wir wurden mal wieder eines besseren belehrt.

Wir hatten den Donnerstag bereits als Akklimatisierungtag erkohren, als uns der nasskalte Regen in den Straßen Tromsøs nur so ins Gesicht peitschte. „Dann trinken wir jetzt erst mal einen heißen Kaffee und frühstücken schön.“ Nachdem wir die New-Hipster Kaffeebar „Risø“ betreten hatten, wurde uns jedoch schnell klar, dass es bei einem kleinen Kaffee und Croissant bleiben würde. „Was sind das denn für Mondpreise hier?! 20€ für ein Omelette?“ Die heimischen Norweger, die in jeder Gesellschaftsschicht in dem Café ein und auskehrten, schien das Apothekenpreisschild für Kaffee und Kuchen jedoch nicht weiter zu stören. Und nur wenige Augenblicke später nahm uns eine eingewanderte, junge Portugiesin, die im Souvenirshop arbeitete, gleich den Wind aus den Segeln. „Don‘t start to calculate and don’t think in Euro. You won‘t be happy.“

„Es wird jetzt nur noch selbst gekocht und morgens daheim gefrühstückt.“ ordnete becks an, als wir im erst besten Supermarkt die Lebensmittel beieinander rafften. „Wir müssen jetzt wirklich sparen!“ Der gute Vorsatz hielt an, bis wir im ersten Hipster T-Shirtladen und Pedant zu Kuzniks ‚Waste your time well‘ Store landeten. „Oh, die sind aber schön, davon müssen wir eins mitnehmen.“ Und da es draußen so neblig und frisch war, mussten wir uns abermals in einem Café aufwärmen. „Ich wollte uns enen Quetschekuchen holen, aber das Ministück kostet 8€.“ erklärte ich. „Du sollst doch nicht mehr umrechnen.“ erwiderte becks und so fanden wir uns mit zwei Miniaturstücken Brownies, einer heißen Schokolade und einem Cappuccino für 175 NOK im „Smørtorget“, zu deutsch ‚Butterplatz‘ ein.

Wir erkundeten an diesem Tag noch sämtliche weitere Souvenishops, klapperten die Hot-Spots Tromsøs ab, überquerten die 1.036 Meter lange Tromsøbrua-Brücke nach Tromsdalen, wo wir die Eismeerkathedrale begutachteten und viel Geld für Postkarten und Briefmarken hinterließen und kehrten abschließend im großen Einkaufscenter ein. „Ich muss da noch mal in den H&M, die haben da ganz andere Mode als in Deutschland.“

Am nächsten Morgen blickten wir aufs Regenradar. Grau, regnerisch, alles andere als vielversprechend. Derweil plätscherten die Regentropfen lautstark auf das Nachbardach. „Egal, wir fahren jetzt ins Sommerdorf nach Sommaroy!“ Und so war es dann auch. Unsere Tourguidin Hanna chauffierte uns entlang der vor-arktischen Route an diverse Fotostopps, an denen es jedes Mal, wenn wir anhielten, aufhörte zu regnen. In Sommaroy selbst kam am weißen Sandstrand, mit türkisblauen Meer sogar die Sonne für uns hervor und wenn es nicht so fürchterlich wie Hechtsuppe gezogen hätte, hätte man glatt glauben können an einem Mittelmeerstrand zu sitzen. „Good things come to good people.“ zitierte Hanna und gab damit zugleich viel Hoffnung für die Nacht.

Die Wetteraussichten waren zwar wieder mal alles andere als vielversprechend und Jeff klärte uns sehr transparent auf, dass die Chancen auf Polarlichter nicht gut sind (schließlich hatte er auch den deutschen, zuverlässigen Wetterdienst kachelmannwetter.com gecheckt), aber „wir bräuchten nur ein ganz klein wenig Glück und nur einen kleinen, kurzen Moment von Wolkenlosigkeit.“

Für das nächtliche Spektakel hieß es viel Geduld mitbringen, in unangenehmer Kälte auszuharren und sich den zwischenzeitlichen Seitenhieben des Regens zu stellen. Wir hatten ein kleines Feuer aus Pellets in einer Feuerschale angerichtet, an der wir knapp 6 Stunden lang warteten und hofften. Es gab leckere vegane Suppe, schmackhaften Tee und dazu Smorebrød gereicht. Der mitgereiste Grieche schien zwischenzeitlich mehr von der Palletfeuerstelle begeistert zu sein, als von dem eigentlichen Ereignis und erkundigte sich mehrfach nach den Materialbeschaffenheiten. Die Italienerin erörtere zugleich mit uns, dass der Mann Ingenieur sein müsste, wäre sie im Traum nicht auf solche Fragen in einer solchen Nacht gekommen. „Ganz nah, Physiklehrer.“ und so schweiften die Gespräche aus, bis becks ein „Back to topic“ einforderte. „Wir sind doch wegen der Polarlichter hier. Ich seh schon, dass wir uns verquatschen und die Lichter hinter uns vorbeiziehen.“

Just in diesem Moment setzte noch mal der Starkregen ein und wir sprangen alle in unsere Polarexpeditions-Anzüge, um nicht gänzlich einzuweichen. Als es aufhörte zu regnen, kamen plötzlich die ersten Sterne zum Vorschein. Ein seichter Grünstich machte sich kurze Zeit später am Himmel bemerkbar. Und alle verharrten nur noch in Nackenstarre zum Himmel gerichtet. Leichte, grüne Bewegungen zeichneten sich oberhalb von uns ab. Teilweise nur sehr kurz wahrnehmbar, dann wieder an einer anderen Stelle. Auch wenn das Visuelle nicht dem entsprach, was man vom Windows 10 Desktophintergrund, der standardmäßig mit installiert wird, kannte, so konnte man doch eine sehr gute Vorstellung davon bekommen was dort am Himmel passierte. „Wahnsinn.“ „Ich bin völligst beeindruckt.“ Und in diesem Moment erschien uns noch eine übergroße Sternschnuppe, die langsam in der Ferne verglühte. So was hatten wir noch nie gesehen. „Make a wish guys. This is very important.“ sprach Jeff und stellte am Ende noch einmal fest. „Good things come to good people. The chances were not good, but you are positive people and that’s why we were lucky enough to see something.“









Standbymodus

„Die Crew hängt noch im Treppenhaus fest.“ raunte die Lufthansa-Angestellte ihrer Kollegin zu, die bereits mit 20 Minuten Verspätung am Boarding-Schalter angelangt war. Zuvor klingelte das herrenlose, schnurgebunde Festnetztelefon dauerhaft ins Leere. Und da wussten wir auch, wo unsere Anrufversuche am Tage zuvor hin umgeleitet worden waren. Dass unsere Reise nach Tromsø kein Zuckerschlecken werden würde, war uns schon im Vorfeld klar gewesen. Und so wunderte es uns auch nicht, dass wir mit 30 Minuten Verspätung in Frankfurt los charterten. Randnotiz: Der Zwischenstopp in Oslo belief sich ursprünglich auf 90 Minuten. Davon war jetzt schon nicht mehr viel übrig.

„So, wir haben jetzt noch eine Stunde, das könnte knapp werden.“ sprach becks. „Ach, das ist bisher immer noch gut gegangen, die werden uns schon schnell zu unserem Anschlussflug durchlotsen.“ erwiderte ich. Falsch gedacht. Eine schier unendlich lange Traube von Menschen sammelte sich vor der Passkontrolle, die von 5, in gelb gekleideten IKEA-Mitarbeitern, völlig unkoordiniert dirigiert wurde. „Fully vaccinated and EU-Pass!“ plärrte der gelbe Oberdirigent durch den Saal. Erschrocken rissen wir unsere Hände in die Höhe, bevor das schwarze Sicherheitsabsperrband, just in diesem Moment, vor uns in die Halterung einrastete. Das wars dann wohl mit unserem Anschlussflug. „You have only ID, no passport!“ „Yes, but we do have connection flight.“ Mehrfach wiesen uns die gelben Menschen daraufhin, dass sie nichts für uns tun könnten und am Ende blieb uns nichts anderes übrig als selbst Initiative zu ergreifen und uns durch die Massen vorzudrängeln. „Dreistigkeit siegt.“ sprach becks, bis wir im letzten Viertel von einem älteren Herren in die Schranken gewiesen wurden. „Ich habe auch einen Anschlussflug, der in 10 Minuten geht, ich lasse Sie nicht durch.“ „Ja, dann schließen Sie sich uns doch einfach an.“ forderte ich ihn auf, um vorwärts zu kommen.

Der plötzliche Aufruhr in den Menschenmassen drängte den gelben Oberdirigenten wieder zu uns, der bereits die rote Karte für uns zückend in der Hinterhand hielt. Becks drückte ihm im letzten Moment ihr mobiles Endgerät mit dem Boarding Pass und der ablaufenden Zeit ins Gesicht. „Oh, you have connection flight? You can go.“ Und plötzlich schaltete sich in einem Zusatzschalter das Licht an, wo sich ein Mitarbeiter aufopferungsvoll um uns kümmerte. Kaum hatte er uns die Personalausweise zurückgereicht, sprinteten wir im Steigerungslaufmodus los. Wir legten neue Bestzeiten auf der 1,5 Kilometer langen Strecke hin und die Mickey Maus Uhr fragte uns zwischenzeitlich, ob sie unseren Lauf aufzeichnen sollte. Wäre das alles noch nicht Hindernis genug gewesen, mussten wir unser Gepäck im aktiven Lauf vom Gepäckband aufsammeln und als zusätzlichen Ballast hinter uns her hieven. Randnotiz: Die Masken hatten wir ja auch noch auf.

Völlig zerstört und schwer atmend, erreichten wir 10 Minuten vor Abflug den Gepäckschalter für Inlandsflüge. „Sorry girls, you are too late. The gate is already closed.“ Designiert und gleichzeitig ungläubig schauten wir den Mitarbeiter am Schalter an. Mitfühlend setzte der kompetente Mitarbeiter alle Schalter und Hebel in Bewegung um den „two girls from Frankfurt“ noch einen Anschlussflug am selbigen Tag zu organisieren. „Ich will euch nicht viel Hoffnung machen, der letzte Flug nach Tromsø ist eigentlich schon überbucht, aber ich sichere euch trotzdem zwei Stand-By-Seats, wenn ihr es versuchen möchtet. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen, wäre die Alternative eine Hotelübernachtung in Oslo mit viel bürokratischem Aufwand gewesen.

Mit einem vorher gut einstudierten Hundeblick, stellten wir uns zwei Stunden später am Gate nach Tromsø vor. Doch die Flugangestellte blieb kalt und trocken: „You have to wait. Stay patient.“ Noch lange nicht entmutigt pflanzten wir uns wieder auf unsere Sitze. „Ich hab hier noch einen Flug um 20:15 Uhr gefunden. Der kostet nur läppische 67€ + Gepäckgebühren.“ googelte becks auf ihrem Endgerät. „Ich dachte wir wollten ab jetzt sparen?“ erwiderte ich, nachdem das Baguette mit 84 NOK und zwei Cappuccino für 14€ schon zu Buche geschlagen hatten. „Egal, was kostet die Welt. Hauptsache wir kommen heute noch nach Tromsø!“

Nachdem alle Angler und Fischer geboardet hatten (merke: Tromsø ist ein Fischtourismus Ziel), schaute die Flugangestellte noch einmal schnippisch über unsere Standby-Tickets und nickte uns wortlos zu. Da hatten wir die letzten zwei Plätze doch noch ergattert - wie konnten unser Glück kaum fassen!

Nach 1,5 Stunden flogen wir vom schönsten Sonnenuntergang in die Suppe Tromsøs. Dicke, schwere, regenaufgeblaßene Wolken versperrten uns lange die Sicht, bis wir auf auf dem Aquaplaning-gefährdeten Rollfeld schlussendlich landeten. Ab hier wurde es erneut gefährlich, drängten uns die Anglertouristen vom Gepäck-Rondell immer weiter ab und wir hatten Müh und Not zwischen den ganzen Fischboxen unseren Koffer zu ergattern.

„Jetzt aber zügig ins Taxi!“ Gegen 21 Uhr kehrten wir endlich in unser Hotel ein und studierten, in unserer kleinen, aber heimisch eingerichteten Wohnung mit Stehlampe, die Wetteraussichten für den nächsten Tag. Regenwahrscheinlichkeit 90%, Wind, kein Sonnensymbol. Nun denn, wir befinden uns in der nördlichsten, arktischen Metropole Europas. Was hatten wir anderes erwartet?!