Keep the planet blue

Schon lange hatten ich keinen größeren Fauxpas mehr erlebt. Die Vegas-Erlebnisse lagen in weiter Ferne und die letzten Trips liefen schon fast unheimlich glatt und fehlerfrei ab. Irgendwann musste ja mal wieder was passieren. Doch diesmal traf es uns mit voller Breitseite. Den FinnAir-Schalter gab es zwar am Frankfurter Flughafen, jedoch ohne Personal und ohne jegliche Bewegung hinter dem Tresen. Die Nervosität stieg, hatten wir immer noch nicht eingecheckt, geschweige denn irgendeine Ahnung wo wir das überhaupt tun sollten. Bereits die Anreise zum Flughafen verstrickte uns in eine 2,5-Stunden Prozedur, konnte ja keiner ahnen, dass es Montag und die hessische Straßeninfrastruktur einer solchen Katastrophe nicht gewachsen ist. So standen wir noch um 9:30 Uhr mit einer weiteren FinnAir-Kundin am leeren Schalter, während unser Flugtransportmittel sich sicherlich schon im Auftankmodus befand.


Um 9:45 Uhr (Randnotiz: es war noch genau eine Stunde bis Abflug), leitete uns dann endlich mal jemand zum

American Airline Schalter, deren Tickets FinnAir einfach nur verkauft, uns darüber aber nicht in Kenntnis gesetzt hatte. Die schnippische Check-In-Dame, die vermutlich von Donald Trump höchst persönlich gebrieft worden war, konfrontierte uns mit einer Munitionsladung an Fragen, die sie scharf herausschoss. „Was ist ihr Endziel?“ „Was wollen sie dort?“ „Was arbeiten Sie?“ „Wo arbeiten Sie?“. Ähm, eigentlich wollten wir nur nach Mexiko Urlaub machen, jedoch lag unglücklicherweise dieser seltsam regierte Überwachungsstaat auf unserer Durchreise, den wir für einen Kurzaufenthalt am Flughafen von Dallas betreten mussten.


Die stringenten, amerikanischen Sicherheitskontrollen erforderten bereits in Deutschland einen eigens angelegten Gate-Bereich, in dem man selbst und das Handgepäck bis ins Detail durchleuchtet wurde. Ein Sondercheck meines Rucksackes hielt uns erneut auf. Sprengstoffkontrolle. Das System hatte auf Feuchtigkeitstücher und eine Tüte Haribo-Colorado angeschlagen. Als wir endlich diese Kontrolle verlassen und uns dem Gate nähern konnten, wurde ich erneut abgefangen. „Sie sind für den Sondercheck ausgewählt worden. Zufallsprinzip. Bitte mitkommen.“ Im Sicherheitstrakt der Bundespolizei, forderte man mich auf Schuhe auszuziehen und den Rucksack erneut zu öffnen. Zweiter Sprengstofftest. Die Nerven lagen blank.


Auch diesmal konnten mir keine kriminellen Machenschaften nachgewiesen werden und so konnten wir tatsächlich noch rechtzeitig mit der American Airline Maschine abheben. 11 Stunden Flug, ein bisschen Turbulenzen, viel Babygeschrei und neue Bekanntschaften aus Aachen, Oklahoma City und Alabama. „I feel lot safer now.“ Der 60-jährige Amerikaner, der seinen Sohn auf Rammstein besucht hatte, wo er selbst um 1972 stationiert war, vermittelte, dass die damalige Lage in Deutschland wohl nicht annähernd dem Standard von heute entsprach. 


In Dallas angekommen durchliefen wir eine weitere, schier endlos erscheinende Sicherheitskontrolle. An einem Self-Service-System erneute Fragen zur Person. Passfoto. Fingerabdrücke. Und immer wieder stellt sich einem die Frage: „Wer wertet das alles aus?“ „Was passiert, wenn du doch mal Nein anstatt Ja anklickst?“ Wir riskierten nichts und hoben planmäßig nach Cancun ab. 


Wir waren mittlerweile 22 Stunden unterwegs, als wir den Flughafen erreichten und auch hier zwei meterlange Formulare akribisch, händisch ausfüllen mussten. „Ich reise nie wieder fernab von europäischen Grenzen! Diese Zettelwirtschaft ist doch Wahnsinn!“ In dem Moment leuchtete die rote Signallampe für eine Koffersonderkontrolle auf. „War so klar.“ Ich rollte mit den Augen und hievte meinen Koffer auf den Metalltisch. Der Flughafentyp durchkämmte mein Gepäck und ich hatte für einen Moment Bedenken um meine kleine Aloe-Pflanze, die ich tatsächlich illegal eingeführt hatte. Er fand sie jedoch nicht. 


Was dann endlich mal gut funktionierte, war die Abholung am Flughafen. Noch nie hatte mein Name auf so einem Schild gestanden. Man fühlte sich schon ein bisschen besonders. Jedoch nicht mehr, als wir unser Hotelzimmer betraten und von einem laut, schepperten Geräusch begrüßt wurden. Die Klimaanlage lief auf Hochtouren, nach ihrem Äußeren zu urteilen auch schon seit 1963. Der Boden unter den Füßen knirschte leicht, draußen Hupen, bremsende und anfahrende Autos, drinnen Geschrei und zuschlagende Türen. Wenn keiner von uns so müde gewesen wäre, hätten wir vermutlich das Hotel sofort verlassen. Aber nach 24 Stunden Anreise lässt du einfach alles über dich ergehen. Die Nacht war laut und nervtötend. Schlaf erst ab halb vier möglich. Und um halb sieben wieder hellwach. 


Es war zum Heulen und zum Verweifeln, doch was blieb uns übrig, als das Beste daraus zu machen. Ich zwang mich meine bestimmendste Art aufzulegen, die ich zu bieten hatte und marschierte am frühen Morgen zum Frontdesk. „Our room is dirty and too noisy. You want us to be happy and we want to stay in this hotel. What can we do?“ Ich dachte nicht, dass es so einfach ging. Meine Reklamationen wurden aufgenommen und wir erhielten nur wenig später ein neues, sauberes Zimmer, welches sich in einem ruhigeren Trakt befand. 1. Hürde überstanden. 


Wenig später verhalfen wir unserem neuen Freund Carlos noch zum Deal seines Lebens. Als wir 5 Aktivitäten über ihn buchten, dabei für uns jedoch noch einige Prozente herausschlugen. Damit wäre das halbe Wochenprogramm auch abgehandelt und durchgeplant. Zeit für ein wenig Ruhe und Entspannung. Wir suchten den nächsten öffentlichen Bus auf, der uns auf einer Verkehrsinsel aufgabelte, denn Bushaltestellen werden hier völlig überbewertet. 40 Minuten lang kutschierten wir durch Cancun, eine Stadt, die doch irgendwie sehr an Malle erinnert, sich seinen mittelamerikanischen Hup- und chaotischen Straßenverkehr jedoch beibehalten hat. Am „Playa Delfin“ sprangen wir aus dem Vehikel und sahen zum ersten Mal hellweißen Strand und türkisblaues Meer. Man braucht nur so wenig. Strand, ein wenig Sonne, eine frische Brise und das Geräusch der Wellen im Hintergrund. Endlich ankommen. Endlich mal Ruhe. Danke an die Nebensaison.


Nach einem halben Tag Strandaufenthalt und einigen roten Hautstellen, kehrten wir zurück und machten noch mal Halt in Downtown, wo wir uns Eintritt zu dem hiesigen Aquarium verschafften. Neben einer bunten Fischvielfalt und Schildkröten, gab es hier auch Delfine zu sehen. Wir lehnen zwar grundsätzlich Delfinshows ab, jedoch konnten wir uns überzeugen, dass die Tiere hier nachhaltig gehalten und gut behandelt werden, bzw. dass das Aquarium als Auffangstation dient. 


Uns überzeugten nicht zuletzt die vielen Informationen rund um das Thema „keep the planet blue“. Das Aquarium organisiert regelmäßig Beach-Clean-Ups in Zusammenarbeit mit Schulen. Tausend Sympathiepunkte mehr, die 15$ Eintritt hatten sich jetzt schon gelohnt. Das anliegende Restaurant setzte noch mal einen drauf. Als uns die Getränke gebracht wurden, bot uns der Kellner optional Strohhälme an und erklärte den Hintergrund. Wir lehnten dankend ab und kamen mit ihm zum Thema Plastik und Cleanups ins Gespräch, erzählten ihm, dass wir das zu Hause auch machen und wie toll wir es finden, dass es auch hier in Mexiko die gleiche Bewegung gibt. Er war ebenfalls sofort begeistert und erklärte wie wichtig es ist, dass jeder sich darum kümmert und seinen Teil dazu beiträgt. Es sei seine Heimat und er wolle nicht, dass diese an dem Müll irgendwann kaputt geht. Und dass es wichtig ist, dass überall auf der Welt dieses Bewusstsein ist, denn am Ende sind wir alle miteinander vernetzt und verbunden. Was einmal im Meer ist kann überall hingelangen. 


Schon allein wegen diesem Gespräch hatte sich die Reise gelohnt. Zu wissen, dass es Menschen gibt, die genau so denken und handeln. Dass es nichts umsonst ist was wir tun. Dass das wir tun einen Sinn hat und wir den Auftrag haben Verantwortung zu übernehmen. Dass wir mitdenken, aktiv anpacken und uns nicht der Naivität hingeben „Ach das wird schon gut gehen.“ 











Return of the Sun


Mexiko. Letzte große Reise. Wie oft hatte ich mir das schon vorgenommen.  Und doch muss ich immer wieder los. Reisen ist die beste Medizin. Körperlich geplagt von den letzten Auswirkungen des Kreisoberligaspiels auf sprödem Hartplatzgefilde. Schürfwunden. Dumpfer Knieschmerz. Blutige Restspuren. Und dann war da noch die Dunkelheit. Wie ein Schlag trat die Finsternis des Spätherbstes wieder ein. Viel zu lange waren wir mit Gute-Laune-Wetter versorgt worden. Graue, trübe Wolken machen sich breit. Hatte man gar nicht mehr auf dem Schirm. Dieses jährlich, traurig, wiederkehrende Wetterphänomen. 

Die Reise schiebt nur etwas von uns, was uns doch wieder einholt. Aber vielleicht kann man es hinauszögern, vielleicht ist es nicht ganz so schlimm und vielleicht überwiegen irgendwann die vielen guten Erinnerungen und helfen uns über den Winter.  

Die Reise hatte keine großen Anforderungen. Sommer. Sonne. Wärme. Strand. 13 Flugstunden dafür auf sich zu nehmen, ein ESTA-Formular für die Amerikaner auszufüllen und sich mit unhandlichen 10.000 Pesos in der Tasche durch ein korruptes Mexiko zu bewegen, empfanden wir jedoch als recht hohe Anforderungen an uns. Zwischenzeitliche Zweifel, ob die Hurrikanhochsaison wirklich der beste Reisezeitraum war, kamen ebenfalls auf. Doch letzte Recherchen ergaben, dass sich das Unwetter auf der Pazifikseite befand. Cancun sollte verschont bleiben. 

Und so werden Jenny und ich erstmalig, die bisher unbekannte Airline „FinnAir“ nutzen, die uns zunächst nach Dallas und anschließend weiter nach Cancun bringen wird. Gebucht hatten wir über einen insolventen Reiseveranstalter. Dadurch fielen die Kosten für den Trip und auch das Hotel sehr günstig aus. Die Retourkutsche wird es mit Sicherheit noch hageln. Bereits beim Online Check-In mussten wir erkennen, dass dieser nicht verfügbar war. Die Sitzzuteilung wird also eine offene Überraschung am Flughafen werden. Egal. Augen zu und durch. 


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Zona Zero | Viva los Pirineos! Pyrenäen 2018

Video unseres 7-tägigen Trip am Fuße der Pyrenäen (Ainsa, Spanien). Klettern, White Water Rafting, Mountainbiken, Wandern und mehr...



Adios los Pirineos

Fels ist bezwungen, frei atmen Lungen,
ach, wie so schön ist die Welt.
Handschlag, ein Lächeln, Mühen vergessen, alles auf’s Beste bestellt.
Lebt wohl, ihr Berge, sonnige Höhen,
Bergvagabunden sind treu.


An unserem letzten Aktivtag wollten wir es noch mal wissen und setzten uns erneut aufs Mountainbike. Kristin und Löön hatten am Abend zuvor eine Routenplanung vorgenommen, was allein schon Grund genug war mit dem Schlimmsten zu rechnen. Ich fühlte mich wie ein Teilnehmer der Tour de France, als wir die serpentinenförmigen Alpen des Südens hochstrampelten. Löön, allen voran, aufgezogen wie ein Duracellhase, lenkte ihr MTB mit einer Leichtigkeit die Steigungen hinauf, ohne eine einzige Schweißperle im Gesicht zu haben. Ich hingegen - wie gewohnt die Nummer 4 im Bunde - durchlebte ein kleines Rothaarsteig Déjà-vu und fragte mich einmal mehr, wie langsam ich einfach sein musste, dass ich diesen Maschinen nicht hinterher kam.

„Alter Falter, nach dem Urlaub bin ich ein Muskel.“ Als wir nach 10 Kilometern purer Steigung endlich das Plateau unterhalb unseres Hausberges erreicht hatten, deutete ein roter Pfeil die Abfahrt an. „Sitze runter, Stoßdämpfer auf und ab geht’s!“ Der Single-Trail, geprägt von spitzem Fels, Geröll und steilen Abhängen, erwies sich erneut als kaum überwindbar. Sissy und ich zogen einmal mehr die noch-nicht-olympische Disziplin „Schieb-dein-Rad“ an den meisten Passagen vor, während Kristin und Löön die Piste runter jagten. „Sicherheit vor Schnelligkeit!“, rief ich mir einmal mehr ins Gedächtnis. Außerdem entsprachen unsere Helmvorrichtungen allem, nur nicht irgendeinem genormten Sicherheitsstandard. „It’s just for the police.“ hörte ich dem Fahrradverleihtyp noch sagen, der uns 40€ pro Rad abgeknüpft hatte. Zur Hälfte der Abfahrt würde das Terrain befahrbarer und alt bekanntes Wurzelwerk ersetzen felsiges Geröll, wodurch nun auch Sissy und ich in den Fahrgenuss kamen. Zum Schluss eröffnete sich das absolute Highlight vor unseren Augen. Eine Marslandschaft, aus unzähligen Erdhügeln bestehend, die durch keinerlei herumliegende Felshaufen beeinträchtigt wurden. Absoluter Fahrspaß mit Hochgeschwindigkeitsleistung! Wir waren begeistert!

Nach 4 Stunden Mountainbike-Aktivität, erfrischten wir uns ein letztes Mal in unserer Stammlocation mit einem leckeren Bier und einer Eisteevariation. Auch der Souvenireinkauf konnte abgehandelt werden, worauf uns ein leckeres Menü, made by Kristin, in Form eines Risotto mit Salatbeilage offeriert wurde. Mit einem letzten Cocktail in der nahegelegenen Bar, abgerundet von einem Lachflash-geprägten Spieleabend, beschlossen wir unseren Spanienurlaub.

Es war wie immer ein Highlight. Die Pyrenäen bieten eine Aktivitätenvielfalt für alle Anforderungen und lassen kaum einen sportlichen Wunsch offen. Das Bergpanorama, sowie die ganzjährig angenehmen Temperaturen, können quasi nicht enttäuschen. Und reist man, wie wir, in der Nebensaison, entgeht man zum einem dem Massentourismus und zum andern den kochend, heißen Temperaturen im Hochsommer. Aínsa ist für Naturliebhaber und Sportfreunde absolut empfehlenswert und kann auch gerne 2 Wochen besucht werden. Die Grenze zu Frankreich ist quasi nur ein Katzensprung und der Jakobsweg durchläuft diesen Ort ebenfalls.

Am Ende der Reise ziehen wir Resümee.


Die 7 großen Lügen des Pyrenäen Urlaubs:

   1. Der Helm sitzt
   2. Das Mountainbike befindet sich im Top-Zustand
   3. Gleich geht’s nur noch bergab
   4. Nein, das ist kein schwarzer Trail
   5. Morgen müssen wir mal nicht einkaufen
   6. Bei Paella-Pfanne kann man nichts falsch machen
   7. Gleich sind wir da

Die 5 größten Verbrauchsmittel:

    1. Taschentücher (Juli)
    2. Halsschmerztabletten (Juli)
    3. Ingwerknollen (alle)
    4. Toilettenpapier (alle)
    5. selbstkreierte Sandwichs (alle)

Die 3 unnützesten Mitnahmen:

    1. Regenjacke
    2. Skiunterwäsche
    3. Schicke Kleidung

Die 5  häufigsten Ausrufe bei der Trailabfahrt:

    1. Scheisse!
    2. Oh ne, Alter!
    3. Oh man, was mach ich hier!
    4. Uhh! Ahh!
    5. Fuck!

In diesem Sinne verlassen wir Aínsa und bewegen uns Richtung Großstadt Barcelona, von wo aus wir zurück in heimische Gefilde fliegen.

„Die Schönheit der Erde kann man nicht kaufen. Sie gehört dem, der sie entdeckt, der sie begreift und der es versteht, sie zu genießen.“ - Henry Bordeaux 









Bergvagabunden sind wir, ja wir!

„Also Leute, jetzt mal ernsthaft, das war doch gestern kein ‚Rocktobeerfest‘. Das war doch eher so ein Anarchie-Hippie-Gras-Festival.“, wiederholte sich Kristin mehrfach am nächsten Morgen, als uns die Geruchsmischung aus Bratfett und gerauchtem Pflanzenmaterial noch in der Nase stach. Wir hatten am Tage zuvor einen Erholungstag, zugunsten meines Gesundheitzustandes und der körperlich anstrengenden Aktivitäten, eingelegt. Als Wellness-Destination wurde der spanische Edersee erklärt, den wir im Offroadmodus erreichten. Das unübersehbarere Warnschild mit dem Hinweis „ACHTUNG! Gebiet mit plötzlich wechselndem Wasserstand!“ ignorierten wir hierbei gekonnt und erkundeten hinter der Autobarriere, das Lehm- und Wiesengefilde, welches uns zu einem türkisblauen Stausee führte, der nicht nur einige Ruinengebäude, sondern auch einen menschenleeren Strand aufwies.

Ein wenig komisch kam es uns schon vor, dass keine Menschenseele weit und breit zu sehen war. Das gesamte Terrain wirkte mystisch. Man meinte sich zunächst im alten Ägypten am Nildelta zu befinden, bis man auf asiatische Erdbauhügel traf. Doch auch dieser Eindruck widerlegte sich, als man im See einen alten Baum aus dem Wasser ragen sah und in der Mitte des Sees eine Kirchturmspitze zum Vorschein kam. Alles sehr suspekt. Und so beschlossen Sissy und ich uns zwei Mutproben zu stellen. Zunächst schwammen wir zu dem Baum, der mindesten zwei Meter tief ins Wasser ragte. Danach wateten wir Richtung Kirchturmspitze. Auf der Hälfte des Wasserweges hörten wir zwei bis drei laute Schüsse. Voller Panik, dass der See nun komplett geflutet werden konnte, eilten wir ans Ufer zurück, wo sich Kristin und Löön bereits in der Sonne aalten.

Der See wurde nicht weiter geflutet und der Wasserstand blieb über den gesamten Zeitraum unseres Daseins auf gleichem Niveau. Uns blieb dieser Ort, der einen wunderbaren Blick auf das pyrenäeische Bergpanorama freigab, jedoch bis zum Schluss suspekt und wir hätten zu jederzeit mit allem gerechnet.

Am Abend besuchten wir die spanische Version des Oktoberfestes, hier „Rocktobeer“ genannt, die offensichtlich noch in den Kinderschuhen steckte. Der Bonverkauf erwies sich mehr als komplex und das „Bier“, welches hier offeriert wurde, schmeckte eher so nach einer Mischung aus Chlorwasser mit Hefeflavour. Widerlich! Wir einigten uns auf Sangria und lauschten den lokalen Rockbands, auch wenn wir diese, dank fehlender Spanischkenntnisse, textlich kaum verstehen konnten. Die sonderbaren Gerüche, die sich in dem Zelt breit machten, werden wir hier nicht weiter erörtern, sondern einfach mal hinnehmen.

Der nächste Morgen wurde hart. 6 Uhr aufstehen. 1.200 Höhenmeter standen uns bevor. Wir hatten uns dazu entschlossen die 8-stündige Wanderung zum „Balcony de Pineta“ in Eigenregie anzutreten, dessen Gipfel auf 2.600 Metern liegt. Gut gestärkt traten wir die Wanderung am Fuße der Pyrenäen an. Kristin-the-machine im Stechschritt voran, wir keuchend und pustend hinterher. Es war mal wieder famos, dass Kristin so gar keine körperliche Einschränkungen wahrnahm und wir mit einer bunten Mischung aus allerlei Wehleiden um die Ecke kamen. Sissy zwickte die Wade, Lööns Beine waren einfach zu kurz und ich kämpfte gegen Keuchhusten und Schnupfenanfälle an.

Der Weg führte uns zunächst durch einen Märchenwald, jedoch immer stufenartig bergauf. Bereits bei 1/8 der Strecke hätte becks Mini Maus angefangen zu tanzen. Uns stockte der Atem und wir hechteten Kristin hinterher, die sich offenkundig zum Ziel gesetzt hatte, alle weiteren Wandertruppen, die vor uns gestartet waren, zu überholen. Als wir die Baumgrenze erreicht hatten, wurde der Streckenverlauf felsiger und schotterig. Von dem brutalen Anstieg ganz zu schweigen. Als wir mal wieder eine zweiköpfige spanische Wandergefolgschaft, die nicht sehr trittsicher schien, überholt hatten, zeigte Kristin Mitleid. „Mir tut die Frau so leid, ich glaube nicht, dass die hier hoch kommt.“ Löön hingegen fiel dazu empathielos ein: „Dann schnall dir die Alte doch aufn Buckel, damit du auch mal ausgelastet bist.“ Es folgte darauf ein 15-minütiger Lachflashdialog zwischen Löön und mir, da wir uns einfach nicht mehr einkriegen konnten, was uns jedoch noch mehr Luft kostete und somit den Aufstieg abermals erschwerte. Unterdessen verfluchte Sissy die felsige Südwand und glaubte, dass wir das Ende niemals erreiche würden. Auch unsere identischen GPS-Apps, gaben völlig unterschiedliche Kilometerstände und Kalorienverbrauchsangaben an, wodurch wir noch viel weniger wussten, wie lange der Aufstieg nun tatsächlich noch dauern sollte. „Die Mini Maus wäre schon längst aus der Uhr gesprungen.“ keuchte Löön, als wir mittlerweile eine Höhe erreicht hatten, bei der wir vor Kälte und Wind wieder anzippen mussten. Nach drei weiteren serpentinenförmigen Kurven, konnten wir es dann kaum glauben. „Wir sind da, wir sind da!“ „Juhuu, wir haben es geschafft!“ Der balkonartige Ausblick auf die dramatische Landschaft und das Tal unter uns war atemberaubend und jede Anstrengung wert. Wir waren begeistert. Aber auch nur bis uns ein entgegen kommender Spanier mitteilte, dass wir noch nicht am Ziel waren und noch 25 Minuten bis zum „Lago Marboré“ vor uns hatten. Missmutig stiefelten wir weiter und stellten uns dem kalten Wind, der uns um die Ohren fegte. Erste Gletscher waren zu sehen. Und über uns machte sich eine dunkle schwarze Wolke breit. Nach einer halben Unendlichkeit erreichten endlich den See, der sich hinter einer Klagemauer befand. „Es wird sich nicht lange aufgehalten! Sandwich-Lunch und dann ab zurück!“ Die Ansage von Kristin war deutlich, hatten wir aufgrund des bevorstehendem 3-stündigen Abstieges keine Zeit zu verlieren. Außerdem zog es wie Hechtsuppe.

Auf dem Rückweg gerieten wir nochmals in Irrungen und Wirrungen und verliefen uns gleich dreimal. „Das gibt ne schöne Schleife auf Runtastic!“ „Oh man ey, als ob wir nicht schon genug gelaufen wären.“  Um 18 Uhr erreichten wir endlich, völlig geplättet, unser Auto. Fix und alle fuhren wir Richtung Heimat, erledigten unsere täglichen Einkauf im ‚Supermercarto‘ und kehrten abermals in unserer neuen, liebgewonnenen Tapas-Bar ein. „Morgen noch mal Mountainbike.“ „Ja, und Souvenirs wollten wir noch kaufen.“ „Vergesst nicht, wir wollten auch dort oben mal auf die Mauer.“ „Oh und die Detailfotos, die will ich auch noch machen.“ „Wann trinken wir eigentlich den Cocktail in der tollen Bar?“

Wir werden sehen was wir morgen, an unsrem vorletzten Tag, noch über die Bühne bringen werden. Fakt ist, sportlich gesehen haben wir unser Soll geleistet. Ein Entspannungsurlaub nach dieser Aktivitätenabfolge ist bitter nötig! ;-)












Nicht ohne meinen Helm!

„Entweder ich werde jetzt richtig krank oder das Gletscherwasser heilt mich.“ Und mit diesen Worten sprang ich die 3 Meter hohe Klippe in die Fluten des Rio Ésera, um der sich anbahnenden Erkältungsgrippe zu trotzen, die mich seit anderthalb Tagen in Schacht hielt. „Dass diese Grippeschutzimpfung aber auch jedes Jahr einen Monat zu spät angeboten wird!“

Gegen 12 Uhr hatten wir unsere nächste sportive Aktivität „Rafting“ gestartet. Zuvor war noch ein Besuch in der Pharmacie nötig, in der ich mich mit „pastillas parca chupar“ versorgte. Doping im Sport - kennen wir eigentlich nicht.... ‚Dolphin‘, unser argentinischer Guide, händigte uns die Neoprenanzüge aus, die sich nur schwerfällig bis gar nicht überstreifen ließen. „Oh man, ich bin einfach zu fett.“, monierte Sissy mehrmals. Vielleicht lag es aber auch einfach an unseren durchtrainierten Waden. Oder die Spanierinnen sind einfach schlanker und zierlicher. Wohl eher letzteres.

Wir hievten gemeinsam das Schlauchboot in das Canyonwasser, was uns mit Wohlfühltemperaturen von 10 Grad begrüßte. Es war schweinekalt. „Vamos Amigos!“ und mit diesem Ruf schlugen wir mit den Paddeln in die Fluten, welche durchaus anspruchsvoller als die im Rhein, aber keineswegs höher als die in Ecuador waren. Die erste Passage war machbar, Einsteigerlevel. Wir paddelten entlang einschneidender Landschaften und durch spanisch, historische Monumente. „Das ist ist doch hier so ein Aquädukt.“, merkte Löön an. „Ja, oder vielleicht einfach eine alte, baufällige Brücke.“ In der zweiten Passage wurde der Canyon felsiger und die Flussströmung diffiziler. Als mittlerweile eingespieltes Rafting-Team - hallo, wir hatten den Rhein bezwungen - paddelten wir gekonnt, slalomartig durch die Felsbrandungen, die mächtig aus dem Wasser ragten. Dolphin war zufrieden mit uns. „Good Team.“ Nach zwei Stunden „paddel forward“ und „paddel backward“ erreichten wir einen felsigen Überhang, von dem wir springen durften. Da ich mittlerweile eh klatschnass war und die anderen schon zu Beginn von einem Felsen gesprungen waren, blendete ich meinen Gesundheitszustand aus und reihte mich bei den Klippenspringern ein. Der Sprung ins eiskalte Nass und die reißende Strömung sorgten für einen weitaus angenehmeren Adrenalinkick, als das Klettern am Tage zuvor. Freudestrahlend paddelten wir bis zum Anlegeufer und manövrierten das Schlauchboot gemeinsam mit Dolphin auf einen uralten Nissan Jeep, der sicherlich seit einigen Jahren keinen TÜV mehr besaß und museumswert hatte, worauf das uralt eingebaute Radiogerät zu schließen ließ. Wir kutschierten damit wieder bis zum Ausgangspunkt und würgten währenddessen nur zweimal ab.

Nach einem Sandwichlunch auf der nahegelegenen Wiese kehrten wir wieder heim. An diesem Abend stand gemeinsames Kochen und Kartenspielen auf dem Programm, schließlich war Tag der deutschen Einheit und der musste gebührend gefeiert werde. „Das sind die besten Nudeln mit Tomatensauce, die ich je gegessen habe.“ freute sich Sissy. Es ist erstaunlich, wie man mit so wenig Gewürzauswahl, einer überschaubaren Küchengeräteansammlung und nur zwei Töpfen, ein drei-Gänge-Menü herbeizaubern kann, das uns tragischerweise auch noch weit aus besser mundete, als die Paella-Pfanne am Tage zuvor.

Mit zwei Hustern (bei dreien wäre ich auf die Schlafcouch verwiesen worden), ging ich zu Bett. Am nächsten Morgen wachte ich mit einer verrauchten Whiskeystimme, begleitet von weiteren Grippesymptomen auf. Mountainbiken, 21 Kilometer, Trails inklusive, stand auf der Agenda. Augen zu und durch.

 „Gibt es eigentlich eine Aktivität in diesem Urlaub, bei dem ihr nicht zwingend Helme benötigt?“, erreichte Sissy noch die Nachricht, als wir unser Fahrradequipment bereits übergestreift und die „Fullies“ in Empfang genommen hatten. Dolphin war auch heute unser Guide und musste sich gleich zu Beginn der Tour mit den kleinen und großen Wehwehchen auseinandersetzen. „Mein Helm passt nicht.“ „Meine Bremse funktioniert nicht.“ „Die Go-Pro lässt sich nicht installieren.“ „Ich bin krank.“ Das spanische Fahrradmaterial entsprach wahrhaft nicht dem deutschen Standard und hatte den ein oder anderen Mangel aufzuweisen. So sprang beispielsweise Sissy schon nach 10 Minuten die Kette aus der Fassung, die Dolphin einen größeren Reparaturaufwand kostete. Jedoch hatten wir ja nur die Anfängertour gebucht. Familienedition. Da sollte ja nichts passieren.

Wir durchführen schönste Landschaftsabschnitte am Fuße der Pyrenäen, die uns Blick auf schneebedeckte Berggipfel gaben. Und auf eine Burg. Dort mussten wir dann auch unglücklicherweise hoch. Die Strecke erwies sich als recht langgezogen und steil und schon nach wenigen Metern sah ich meinen Pulk nur noch von Weitem. Keuchend und schwitzend kam ich kaum den Berg hinauf und die Luft schnürte sich in meinem Hals zusammen. Sonjas Asthmaspray hätte an dieser Stelle Wunder gewirkt, hatte ich aber nicht zur Hand. Als die anderen drei bereits oben die fabelhafte Aussicht genossen, rang ich noch lange nach Sauerstoff. Die Erkältung setzte mir doch mehr zu als gedacht.

Im nächsten Streckenabschnitt wurde der Weg einspurig und felsiger. Und plötzlich waren die Wegzeichen auch nicht mehr grün (Anfänger) und auch nicht mehr blau (Fortgeschrittene), sondern rot plus und schwarz (Master of the Trail). Die felsigen Brocken, die sich uns in den Weg legten, waren kaum zu überwinden, geschweige denn von dem Abgrund, der sich links vor uns eröffnete. Anstatt Wurzeln nur Steine, Geröll und Felsen. Tiefe Spurrillen, scharfe Kurven, steile Abhänge. Sissy und ich schoben das Rad deutlich mehr als dass wir fuhren und unsere Abfahrten waren geprägt von „Ach, du Scheiße!“, „Was ist das denn hier?!“ und „Ahhhhhh!!!“. Selbst Löön, eine sonst sehr wagemutige Fahrerin, musste sich an einigen Passagen im Schiebemodus wiederfinden. Lediglich Kristin-the-Machine war mal wieder nicht zu bremsen und wagte sich über Fels und Stein. Unterdessen überlegte ich, ob ich das nächste Mal nur noch als Kamerafrau mitfahren und die Funktion als Stuntman lieber deaktivieren sollte. „Denk dran Sissy, wir müssen nächste Woche noch gegen Fellerdilln spielen. Wir dürfen hier nichts riskieren.“ Diese Worte ereilten Kristin leider nicht mehr, hatte sie sich mittlerweile als Master-of-the-Trails etabliert und bewegte sich furchtlos über die nächste, für mich unüberwindbare, Passage. Noch im Genuss des Erfolges, Fels 0 - Kristin 1, verhakte sich die Trailkünstlerin in einer tiefer gelegenen Schotterkuhle und stürzte, nach Löons Worten, in Zeitlupe kopfüber über das Fahrrad und landete, wie durch ein Wunder, nur mit den Knien und Armen auf dem spitzen Fels. Kopf und Gesicht blieben verschont, doch die aufgeschürften Wunden entfaltenden sich blitzschnell. Blut lief.

Trotz der ganzen Dramatik setzte sich Kristin-the-machine postwendend wieder aufs Mountainbike, trotzte dem Schmerz mit den Worten „Ja, was soll ich denn machen außer weiter fahren?!“ und setzte die Reise auf dem Felsuntergrund fort. Nur wenige Minuten später legte sich Kristin erneut. Es blieb bei blauen Flecken und wir schüttelten nur den Kopf. Kristin war einfach zu hart für uns.

„Ich dachte wir würden hier Bier trinken.“ sprach Löön, als wir wieder in unserer Wohnung zugegen waren und ich frische Zitrone und Honig in das Erkältungsendgetränk presste. „Jetzt sitzen wir hier vor selbstgebrautem Ingwertee.“ „Reine Prophylaxe, safety first.“, ermahnte ich, während meine Nasennebenhöhlen völlig kapitulierten. Wir gaben dem spanischen Gastronomiegewerbe an diesem Abend noch eine zweite Chance und zogen zur iberischen Abendessenszeit um 21 Uhr noch mal los. Eine Tapasbar, die uns unser Guide empfohlen hatte, wurde das Ziel. Und diesmal sollten wir nicht enttäuscht werden. Kleine leckere Speisen, von Mini-Hamburgern, über Röstibaguettes bis hin zu Spiegelei-Serrano-Schinken-Kreationen zierten unsere Teller. Die Krönung bestand aus der Nachspeisenkreation in Form von Zitroneneissorbee, geschmolzenen Schokokugeln im Teigmantel und Walnusssahne-Honig-Joghurt. Hier kehren wir nochmal ein. Ein Hoch auf die spanische Tapasvielfalt!













Wenn wir erklimmen schwindelnde Höhen

„Leute, ihr wisst schon, dass wir gleich noch fahren müssen!?“ fragte ich in die Sektfrühstückrunde, die sich am Frankfurter Flughafen, kurz vor Check-in, breit gemacht hatte und nicht darauf schließen ließ, dass sich eine der teilnehmenden Personen nach 2 Stunden Flug noch ans Steuer setzen musste. 2 Bierflaschen, eine Sektflasche und vier liebevoll zusammengeschnürte Care-Pakete von Mama Jutta, die eine Prosecco Dose, einen Pfefferbeißer und eine 20g-Tüte Haribo für jeden bereithielten, präsentierte sich vor unseren Augen. Zugleich wurde Kristin der Alkohol entzogen, hatte sie für Mietwagen und Kaution unterschrieben und sich damit zur Fahrerin qualifiziert. Der 2-stündige Flug nach Barcelona verlief ohne Zwischenfälle, obwohl der Pilot schon vor Startbeginn Turbulenzen über dem Rhein-Main-Gebiet angedeutet hatte und Sissy daraufhin panisch und mit chronischer Flugangst empfahl bis nach Spanien einfach zu rollen. Man sollte nicht meinen, dass diese Frau bereits 67 Flüge hinter sich gebracht hatte.

In Barcelona schlugen uns alt bekannte Temperaturverhältnisse von 27 Grad entgegen und ich fragte mich, wofür wir die Ski-Unterwäsche eingepackt hatten. Die Fahrzeugübernahme des Renault Megane verlief auch viel zu reibungslos und die spanische Autobahn bot dank durchgehendem Tempolimit angenehmes Fahrvergnügen ohne jeglichen Stau oder Baustellen. „Die Leute, die nach Deutschland fahren, müssen sich doch fühlen wie im Krieg, wenn da einer mit 230 um die Ecke schießt!“

Im schönsten Sonnenuntergangsmodus, einem orange-gelben Dunst, der sich langsam auf die Straßen und Felder legte, verließen wir die Autobahn und fuhren in bewaldete, fast verlassene Gefilde, entlang einer endlos erscheinenden, kurvenreichen Strecke bis es stockdunkel wurde. Es begegnete uns kaum noch ein Auto und von Zivilisation war wenig bis gar nichts mehr zu sehen. In diesem Moment passierte uns im Schweinsgalopp eine spanischen Wildsau, die Kristin nur durch eine beherzte Vollbremsung verfehlte und die sich gerade noch so im Scheinwerferlicht ins dunkle Unterholz retten konnte. „Halleluja! Da haben wir aber Schwein gehabt!“

Wir erreichten Ainsa gegen 21 Uhr und fühlten uns zurückversetzt in eine andere Zeit. Vor uns eröffnete sich eine mittelalterliche Burg und eine serpentinenförmige Straße führte uns zu einer Festung hinauf, die auch gleichzeitig unser Domizil sein sollte. Authentisch, idyllisch, mittelalterlicher Flair. Wie in einem Medicus Film. Wir fühlten uns sofort heimisch.

Unsere Wohnung bot zwei großzügige Schlafzimmer und eine Küche, die zwar nur ein Messer, dafür aber einen Geschirrspüler und eine Waschmaschine offerierte. An einer preiswerten Tankstelle hatten wir uns zuvor mit dem Nötigsten eingedeckt, wobei der 24h-Supermarket keine Butter darzubieten hatte (Ich weiß Rebecca Dittmar, No-Go, absolutes No-Go). Die Alternative aus Frischkäse als erste Brotschicht war jedoch nicht zu verachten und so starteten wir mit frisch gebackenen Rühreiern und selbst angemachtem Porridge am nächsten Morgen in den Tag. Lediglich die spanische Brotvariation ließ zu wünschen übrig, zerfiel das glutenfreie Produkt noch beim Öffnen der Verpackung in sich zusammen.

Frisch gestärkt wollten wir die erste abenteuerliche Aktivität in Angriff nehmen. Klettersteig. Ganz gechillt. Familienedition. Das waren zumindest die Eckdaten, die mir wissentlich zugetragen worden waren. „Das wird so wie im Allgäu. Heilbronner Höhenweg-like.“ Und auch nur deshalb hatten Sissy und ich unser „Ok“ gegeben. Als wir uns dann dem ‚Via ferrata‘ gegenüberstellten, traf uns der Schlag. „Das geht ja steil die Wand hinauf!“ „Leute, ne echt jetzt?!“ Sissy und mir schlug das Herz bis auf Anschlag, während Löön und Kristin freudestrahlend ihre Sicherheitsgurte und Helme überstreiften. „Warum lass ich mich nur immer wieder auf solche Ideen ein? Hätten wir zum Einstieg nicht erst mal was entspannteres machen können?!“ Mein Lamentieren half wenig, da hatte der Guide Sissy schon die ersten Meter hoch instruiert. „Oh Gott, kann ich bitte wieder runter!“, jammerte Sissy nach gerade mal 3 Stufen hochwärts. Auch mir zitterten die Knie bis Anschlag und nur beim Anblick von Löön in himmelweiten Höhen wurde mir schlecht. Ein Ecuador Déjà-vu ereilte uns. Nur, dass die Felswand diesmal viermal so hoch war und der Abgrund, - ach sprechen wir lieber nicht drüber.

„Wenn wir erklimmen schwindelde Höhen,
steigen dem Gipfelkreuz zu,
in unsern Herzen brennt eine Sehnsucht,
die läßt uns nimmermehr in Ruh´.
Herrliche Berge, sonnige Höhen,
Bergvagabunden sind wir.“ 


In absoluter Tiefenentspanntheit trug Kristin den Songtext vor, während ich hochkonzentriert und definitiv unentspannt an der Felswand hing und mich fragte, wie ich den nächsten überhängenden Steinbrocken wohl überwinden könnte. Von weiter oben immer wieder Sissys Stimme „Das nimmt ja gar kein Ende.!“ „Oh man, wie soll ich denn hier rüber kommen?“ „Kann mir bitte jemand einen Helikopter ordern?“ Von Löön schon weit und breit nichts mehr zu sehen. „Die ist wahrscheinlich schon am Gipfel und macht Mittag.“ Eineinhalb Stunden dauerte die Kletterprozedur an, in der es kaum Verschnaufpausen und vor allen Dingen keine Zwischenstation für Erholung gab. Als weiter hoch, immer gesichert und zu jederzeit den Abgrund im Rücken. „Auf keinen Fall runter schauen. Nur die Wand fokussieren.“ redete ich mir immer wieder zu. Mit letzten Kräften zerrten wir uns bis zum Gipfelplateau nach oben. Endlich, die Plattform zur Erholung und Entspannung war erreicht. „Was ist das denn hier oben?“ rief Sissy. „Ach du scheisse, hier kann ich ja nicht mal stehen.“ Als auch ich mich nach oben gezogen hatte, betrachte ich den Fauxpas. Ein Plateau, so schmal wie zwei Fußabdrücke, das nicht viel mehr als fünf Leute auf engstem Raum beherbergen konnte und zu allen Seiten steil bergab führte. Ich war entsetzt. Sissy war entsetzt. Kristin und Löön machten Poserfotos am Rand der Felsklippe. Völlig unentspannt und mit einer Hand fest das Stahlseil umklammernd, schoben wir uns die zerfallenen Weizenmehlbrote ein und genossen mehr oder wenig den Ausblick mit Kaiserwetter zur Mittagszeit. Der Abstieg zur anderen Seite entwickelte sich wenigstens etwas machbarer und ab der Mitte konnten wir tatsächlich ungesichert den Rückweg antreten. Während eines intensiven Dialoges verloren Löön und ich jedoch die anderen drei und bogen fehlerhaft in ein Buschgestrüpp ab. Bei dem Versuch wieder auf den korrekten Weg zu gelangen, löste ich eine kleine Felslawine aus, die bis in die Sierra Nevada schepperte.

Wir hatten einmal wieder überlebt, was noch immer sehr unglaublich schien. Wir belohnten uns mit zwei Bier und begaben uns am Abend auf Essensuche, wollten wir die lokalen Spezialitäten nicht außer Acht lassen. Dieses Unterfangen gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht, hatten die Hälfte der Restaurants wegen Dienstag geschlossen und wies uns der andere Teil augenverdrehend ab. „Wollen die hier kein Geld verdienen?“ fragten wir uns in die menschenleeren Lokalitäten, bis wir am Ende der Straße endlich eine Beherbergung fanden. „Das könnte Esel sein.“ stellte ich fest, als ich von der bunten Grillplatte probierte, die Sissy und Kristin bestellt hatten. „Hast du schon mal Esel gegessen?“ fragte Kristin erstaunt. „Nein, aber ich könnte mir vorstellen, dass Esel genauso furchtbar schmeckt.“ Die Paella Pfanne für Löön und mich traf mit 30-minütiger Verspätung ein und erwies sich ebenfalls als Reinfall. „Morgen kochen wir wieder selbst.“

Wir werden sehen, was der nächste Tag bringt. Eigentlich steht eine Rafting Tour, Stufe 4 auf der Agenda. Jedoch ist zum einen der Wasserstand sehr niedrig und zum anderen plagen mich seit geraumer Zeit übelste Halsschmerzen. „Hätte ich mir doch diese blöde Mandeln entfernen lassen.“ Und mit diesen Worten arbeitete ich mir Kristins halbe Reiseapotheke in den Magen. 

Fels ist bezwungen, frei atmen Lungen,
ach, wie so schön ist die Welt.
Handschlag, ein Lächeln, Mühen vergessen,
alles auf´s Beste bestellt.
Herrliche Berge