Gut, dass wir verglichen haben.

Es ist nun fast 13 Jahre her, dass ich die wundervolle Erfahrung eines Quarantäne-Aufenthaltes machen durfte. In diesen Tage denke ich gerne zurück und schwelge in Erinnerungen. Ich befand mich damals in der  kanadischen Metropole Vancouver und hatte von einer Pandemie keine Ahnung. Hätte man mich morgens nicht täglich mit der kostenfreien Bahnhofszeitschrift versorgt, hätte ich von öffentlichen Impfungen und dem ständigen Aufruf „Get your vaccination!“ nie etwas gehört. Natürlich war die Schweinegrippe auch DER Sommerlochfüller in Deutschlands Presse. Aber war davon überhaupt jemand wirklich betroffen? Das war eine Krankheit aus Übersee, weit weg. Und warum sollten wir Ausländer in Kanada damit in Berührung kommen? Meine Denkweise änderte sich drastisch, als ich in den dauerhaften Genuss von „Öffis“ gelangte, musste ich als Kurzzeit-Studi eine recht lange Strecke von meiner Gastfamilie bis zur Schule, die sich im Zentrum Vancouvers befand, zurücklegen. Solche Menschenmassen war man als Dorfmensch rein gar nicht gewöhnt. Recht schnell durfte ich aber feststellen, dass das Verbindungsnetz in Großstädten und ohne Aufschrift „DB“ 1A funktionierte. „Was für eine Errungenschaft der Menschheit! Damit wären Autos ja quasi überflüssig. Und der Monatsticketpreis? - Ein Witz!“ Da es in Vancouver und generell in Kanada sehr viel Wasser gibt, durfte man sogar die Fähre nach North-Vancouver nutzen. Mein Kanada-Buddy Fabian fuhr auf diese Weise jeden Tag mit dem Schiff zur Schule. 


Doch back-to-topic: Nach 3 Wochen Schulzeit und der Erkenntnis, dass Großstädte extrem cool, vielseitig und interessant sein können, machte sich eines Montagsmorgens die Kehrseite einer metropolisch, pulsierenden Stadt bemerkbar. Ich hatte mal wieder den wunderbare Skytrain in die Stadt genutzt, für den man morgens, um viertel vor sieben, nur 3-4 Anläufe brauchte, um in ein pressvolles Abteil einzusteigen, in dem sich jeder dicht an dicht gedrängt hineinzwängte und sich nur aus reiner Gewohnheit irgendwo festhielt, um nicht umzufallen, was aber bei der Dichte auch gar nicht möglich gewesen wäre. Im Nachhinein stelle ich mir die Frage, ob in den nordamerikanischen Medien auch Themen wie Mindestabstand, Maskenpflicht und Desinfektion diskutiert und an öffentlichen Plätzen darauf hingewiesen wurde. Eine wirkliche Erinnerung habe ich daran nicht.


Genau eine Schulstunde dauerte es, bis mich ein unbeschreibliches Krankheitsgefühl überrollte und ich mich komplett ausgeknockt fühlte. Meine Lehrerin erkannte die Zeichen sofort und sandte mich on-demand nach Hause. Der Weg zurück war mir kaum noch möglich, war ich quasi nicht mehr in der Lage zu gehen, so schwach waren meine Beine. Natürlich schleppte ich das Virus von der Schule noch mal durch 8-9 Haltestationen in überfüllte Bahnabteile. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich mich in meinem Leben noch nie so krank gefühlt habe und auch bis heute keinen vergleichbaren Krankheitsverlauf erleben musste. Das Resultat war eine 1-wöchige Quarantäne und die Diagnose: Schweinegrippe. Nun muss man dazu sagen, dass ich damals in einem Zimmer von ca. 20 Quadratmetern untergebracht war. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl. Das gegenüberliegende Bad durfte ich nur nach Desinfektion des ganzen Raumes betreten und wieder verlassen. Essen wurde mir vor die Tür gestellt. Damals gab es noch kein WhatsApp, nicht mal Instagram oder Netflix. Dafür gab es eine 9-stündige Zeitverschiebung nach Deutschland und extrem schlechtes Internet, das eine Skypeverbindung so stabil machte wie ein schlecht gebauter Jengaturm. 


Heute, ein Jahrzehnt, zwei Ausnahme-Jahre und eine Zeitenwende später, in denen wir alle zu Pandemie-Experten:innen und Virenforscher:innen gereift sind und das 1x1 des AHA+L-Alphabetes im Schlaf aufsagen können, katapultiert mich, das mittlerweile weltbekannte und legendäre C-Virus, erneut in die Isolation. „Ich dachte Blutgruppe 0 sei unverwundbar.“ textete ich becks in ihre Quarantäne. „Papperlapapp, das waren auch wieder nur Fake-News. - Egal, jetzt können wir die Sache hier auch endlich abhaken.“ 


Die post-moderne-jedermanns-Quarantäne ist jedoch anders. Obwohl man sehr viel mehr Bewegungsfreiheit und Umsorgung hat, zieht sie auch einen gewissen Stressfaktor mit sich. Denn im Vergleich fällt die Krankheit ja glücklicherweise und in den meisten Fällen deutlich schwächer aus, wodurch man sich „nur“ über eine starke Erkältung beschweren darf. Und weil man ja nun Zeit hat, liegt die lang vorbereitete To-Do-List für den Ernstfall eines einwöchigen Home-Aufenthaltes schon bereit. Vorbei sind die Tage an denen man einfach krank sein durfte und auf Heilung wartete. Denn wer in der heutigen Quarantäne nicht mindestens seinen Frühjahrsputz schafft, den Garten umgräbt oder ein anderes, vielsprechendes Bauprojekt umsetzt (hallo Sissy :)) und dazu wenigstens zwei Bücher liest, 3 vegane Gerichte ausprobiert, eine neue Sprache lernt und seinen 8-Stunden Arbeitstag bewältigt, der war, in den Augen der Gesellschaft, vermutlich einfach nur faul. Denn „so ein bisschen“ Corona hatte ja jetzt - ernsthaft -, schon mal jeder. 


Ob ich meine Liste komplett abgearbeitet bekomme, bezweifle ich mittlerweile. Die Zeit,  bis man wieder der Freiheit und Öffentlichkeit ausgesetzt ist, fliegt quasi an einem vorbei. 

Ich frage mich aber nun natürlich wie das so weiter geht. Können wir uns jetzt einmal im Jahr auf solch einen Quarantäne-Aufenthalt einrichten? Kann man den fest im Jahreskalender einplanen? Also Ende April würde mir gut passen, da müssen die Fenster eh geputzt werden und es ist ja auch irgendwie eh noch total durchwachsen. Außerdem ist dann Ostern vorbei und der nächste Urlaub auch noch ein bisschen hin, man will ja nicht dass Corona irgendwelche langen Pläne durchkreuzt. Wenn wir dann alle gleichzeitig in Quarantäne sind, wäre das doch bestimmt gut fürs Klima, Krieg wäre dann auch keiner und überhaupt ginge es der Welt, ohne unsere Dauerbeschallung und Eingreifen in Dinge von denen wir keinen Plan haben, auch irgendwie total und voll viel besser. (merkt man eigentlich, dass ich in den letzten Tagen zu viele Podcasts gehört habe?). 


Wie es auch immer kommen mag, ich wünsche euch allen, dass ihr gut durchkommt, liebevoll versorgt werdet, mit keinen Langzeitwirkungen kämpfen müsst und besser noch: verschont bleibt. Es soll ja immer noch ein paar Exoten geben, die bislang immun geblieben sind. 


In dem Sinne, stay safe and take care! Und vergesst nicht: So eine Quarantäne kann mal gemacht haben. Gehört auf die Bucket-List ;).