Romulus

(Für Lio)


Rom. Ewige Stadt. Isso, weil voll antik und Weltkulturerbe und so. Affe Romulus war schwer beeindruckt. Er kannte ja auch bis dahin nichts weiter als seinen braunen Plastikkorb, die Bananen, den Plastiktukan und seine einzige Aufgabe Gold zu klauen oder zu verstecken. Niemals zuvor hatte er das verstörende Geräusch von tausend klirrenden Scherben, morgendliches Stimmengewirr zig verschiedener, menschlicher Sprachen, den monotonen, durchdringenden Sound eines italienischen Krankenwagens oder einen Chorgesang hunderter, prozessierender Katholiken in einer riesigen, klangvollen Kathedrale gehört. „Wow, bin schwer beeindruckt.“ sprach er, als er arg erschöpft die ersten 231 Treppenstufen hinter sich brachte und auf der Aussichtsplattform des Petersdom stand. „Warum bauen die Menschen so was krass hohes und schleppen sich die Treppen hier keuchend hoch?“ fragte er, die sich ihm nähernde Möwe. „Wegen Aussicht und so. Und Macht.“ „Ach so Möwe, alles klar. Und was machst du so hier?“ „Genieß die Weite. Echt nice hier oben. Und ich kann das Meer von hier aus fast sehen.“ „Warum bist du nicht am Meer?“ „Kene Fische mehr. Gastronomie ist echt viel besser hier. Wegen Tourismus, verstehste? Ist wie Schlaraffenland hier. Die lassen alles Gute liegen. Gelato, Tiramisu und mega Pizzarand.“ „Nicht schlecht Möwe, versteh ich voll.“ „Isso Affe, aber das Meer fehlt mir schon. Die salzig freshe Brise. Und der Fischgeruch. Oh man, der Fisch.“ „Weiß nicht Möwe, war noch nie am Meer. Aber hört sich echt nice an.“ 


Der Affe marschierte die restlichen 320 Treppenstufen hinauf. „Voll eng hier die letzten Meter, kriegt man ja Platzangst.“ Aber was ne Aussicht. „Ey Möwe, warum stehn die Menschen so lang an für den Vatikan? Hab ma gehört, dass die doch alle austreten aus der Kirche und so. Warum wolln die denn jetzt unbedingt wieder da rein?“ „Das wes ich auch nicht so genau. Glaub die finden das schön. Also, das fette Gebäude hier. Und wegen Kultur und so. Und vielleicht wegen so was wie Erleuchtung.“ Der Affe schaute sich noch die vatikanischen Museen und die Sixtinische Kappelle an und das ganze Gold was da so lag. „Bin echt geflasht. Die Menschen sind schon krass. Bauen und malen wie die Weltmeister.“ 


In Trastevere, abseits des Tiber, war’s am schönsten. Weil das war schon fast wie Heimat. So wie nen altes, schickes Dorf in Rom. Lecker Essen. Prima Bars. Und gutes Frühstück. Im Cambio gabs sogar manchmal Livemusik. Und im Delirium schöne, rosa Elefanten. „Ey Elefant, was hängsten hier so ab?“ „Menschenbeobachtung. Voll interessant.“ „Menschen kann man auch gut am Trevi-Brunnen beobachten.“ erzählte der Affe. „Die machen immer Fotos von sich. Also nicht nur eins. Hunderte. Und dann schimpfen die den anderen Menschen, weil der nicht richtig fotografiert hat. Und dann gibt es viele Diskussionen. Und dann müssen wieder neue Bilder gemacht werden. Immer so weiter. Bis sie dann irgendwann unzufrieden abziehen. Der Brunnen ist ihnen, glaub ich, egal.“ „Kann sein Affe. Aber chill mal. Viele Menschen sind auch gut drauf.“ 


„Mensch Möwe, verfolgst du mich? Hast mich voll erschreckt.“ „Sorry Affe, dachte du wärst Schoki“ Im Kolosseum war’s echt entspannter. Weil die Leute sich besser verteilten und einem nicht so dicht auf dem Fuß standen. Außerdem konnte man einfach über Absperrungen klettern, ohne dass man von einer Trillerpfeife zurückgepfiffen oder von der Schweizer Garde zurechtgewiesen wurde. Und sonnig war’s. Mega. „Möwe, warum ist das denn hier so‘n Weltwunder? Is doch gar nicht so toll wie das ganze Gold im Vatikan oder das leckere Essen in Trastevere?“ „Kein Plan Affe, ist halt so abgestimmt worden. Hab mal gehört, dass das  so das größte Amphitheater im antiken Rom war.“ „Was is ein Amphitheater, Möwe?“ „Na, das ist wie so nen Zirkus. Aber mit Menschen drin. Gladiatoren, die sich bekämpfen.“ „Versteh Möwe. So wie Krieg?“ „Ne, nur so gespielt.“ 


Der Affe marschierte noch die spanischen Treppen herauf, besuchte die Engelsburg, das Forum Romanum und das Pantheon, die vielen antiken Kathedralen, Kirchen, Monumente und Brunnen und war auf einmal ganz voll im Kopf von den vielen Eindrücken und Informationen. Am Largo Di Torre Argentina fand er endlich ein ruhiges Plätzchen und setzte sich auf die Mauer. „Hey Affe, was machst‘n du hier?“ fragte eine anstreunernde Katze. „Kurze Pause. Voll viel los hier in Rom.“ Plötzlich erblickte er eine ganze Katzenkolonie in den Tempelruinen. „Och nö.“ dachte sich der Affe. „Voll anstrengend so Katzen. Erst wolln se was von dir und dann bist du denen piepegal und kratzen dich am Ende noch ganz fürchterlich.“ Einmal hatte der Affe so richtig eine ins Auge bekommen von so ner Katze. Da waren Hunde einfach besser. Entweder sie machten dir direkt den Gar aus oder du warst der beste Kumpel für immer und alle Zeiten. „Affe, jetzt komm mal klar. Wir leben hier. Ist unsre Heimat.“ sprach die Katzenanführerin. „Und wir sind auch voll fame. Weil Julius Cäsar wurde hier ermordet.“ „Wer ist dieser Cäsar?“ wollte der Affe wissen. „Ach so‘n antiker Typ. Der kam, sah und siegte. Hat auch so ägyptisches Zeug hier angeschleppt.“ „Puh Katze, hört sich voll interessant an. Aber ich hab die Ohren voll mit römischen Geschichten. Komm gar nicht mehr klar.“ „Ja, musst mal sacken lassen Affe. Ist schon wild hier.“ 


Nach fünf Tagen flog der Affe Romulus wieder heim. Er hatte ne Menge gesehen und erlebt. Voll schöne Beobachtungen gemacht und die Welt ein bisschen besser verstanden. Trotzdem gabs auch ne Menge, die er nicht kapiert hat. Aber das gehört wohl dazu. Dass das Leben ein Rätsel bleibt. 














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