Schaun' wir mal wie's wird. Wie's wird.

"This is totally insane." sprach Eve, als wir den vernebelten und Schnee überzogenen Fels vor uns sahen. Wir hatten die Kanadierin auf Kreuzung Silvrettastausee und unserer zweiten Etappe zur Saarbrückener Hütte mit ins Schlepptau genommen, hatte sie den Tag zuvor bereits ihre Route zur Wiesbadener Hütte, aufgrund schlechter Sicht, abbrechen müssen. "Vielleicht gar nicht so schlecht jemanden von der Navy dabei zu haben." dachte ich mir. Und so setzten wir zu fünft die Polarexpedition fort.

Was zuvor geschah...

"Wir freun' uns. Schaun' wir mal wie's wird. Wie's wird." verabschiedeten wir uns von daheim, mit dem Wissen, dass uns in St. Gallenkirch / Österreich, dem Start unserer diesjährigen Hüttentour, schwerste Regenunwetter erwarteten. Das Bergfex Wetterbarometer schwankte immerhin täglich zwischen 36 - 38 Liter pro Quadratkilometer und einer Außentemperatur von 1 -3 Grad. "Das ist nicht viel am Berg, oder?" Jeder noch so kleine Grashalm mit Hoffnung wurde ergriffen. "Oh Leute, es hat sich schon wieder was verändert.", rief becks, die sämtliche Wetter- und Bergprognosen-Apps im Startbildschirmbereich prominent hinterlegt hatte. "Hier steht jetzt nicht mehr Liter sondern 35 cm. Ich glaube das bedeutet Schnee." - "Schnee ist immer noch besser wie Regen", stimmte Kristin positiv und wies daraufhin, dass sie auch Schneeschuhe organisieren könnte. Derweil fragte sich Lari ein weiteres Mal wie sie sich erneut auf eine Tour mit uns einlassen konnte. War die Anstrengung am Berg nicht schon genug, grätschte nun auch noch eine Kaltwetterfront durch unsere Pläne. 

"Rücken ist das neue Rauchen.", warf Lari als Fun Fact in die Runde, während wir uns mal wieder alle über unsere Schmerzen ausgelassen hatten und ich nach einer Stunde Fahrt bereits meinen Ischias verfluchte. "Das ist doch alles nicht mehr normal". Trotz alledem kamen wir gut durch und erreichten St. Gallenkirch bereits gegen 15:30 Uhr. "Oh, habt ihr die Mail nicht erhalten?", fragte uns die Hotel-Angestellte. "Das Hotel wird gerade renoviert, ihr werdet upgegradet. Fahrt einfach auf die andere Straßenseite, dort ist das anderes Hotel." Jackpot. Ein Grund mehr den Aufenthalt um einen Tag zu verlängern, war uns an diesem Tag bereits klar, dass wir eine Etappe, aufgrund der Starkregenfälle canceln mussten. Die Tübinger Hütte wurde gestrichen und becks und Kristin erörterten mit Hochdruck sämtliche Routen und Alternativwege auf analogem Kartenmaterial, um wenigstens 3 Tage Wandererlebnis zu ermöglichen. Derweil telefonierte ich die Hüttenwirte ab, die von unserer ganzen Storniererei und Neubuchung wahrscheinlich schon komplett verwirrt waren. In dem ganzen Hickhack buchten wir auch noch Halbpension, was uns zu einem späteren Zeitpunkt noch vor die Füße fallen sollte. Nachdem alles soweit geregelt war, genossen wir den extra Tag im Tal mit Wellness, Tischkickern, Essen und Outletshopping, bei dem wenigstens Lari fündig wurde und sich eine neue Regenjacke zulegte. 

Etappe 1 // Silvrettastausee - Wiesbadener Hütte

Mit dem Auto erklommen wir den Serpentinen Weg zum Wanderparkplatz, der uns mit viel Nebel und leichtem Schneefall begrüßte. "Wir haben jetzt ein Zeitfenster von 3,5 Stunden um trockenen Fußes auf die Hütte zu kommen.", wies becks aus, was zunächst aber mal keinen interessierte, waren alle zu sehr damit beschäftigt für Bild- und Videomaterial zu sorgen. "Leute.", ermahnte becks, die das Bergfexbarometer nun auch über ihre smarte Uhr abrufen konnte. "Wir müssen jetzt los." Und so umkurvten wir den im Nebel hängenden Silvrettastausee und erklommen den ersten kleinen Wasserfall. "Wo wollt ihr denn hin?", fragte Kristin, die weiter unten lief. "Wir nehmen den Höhenweg.", sprach becks. "Aber wir wollten doch den sicheren Forstweg nutzen?", fragte Kristin erstaunt. "Ach papperlapapp. Wir sind doch nicht zum Spaß hier.", wies becks Richtung Berggeröll und wir steppten alle hinter her. Nach nur wenigen Minuten kam uns ein Pärchen entgegen, das uns noch einmal zurückrief. "Wir sind umgekehrt, da oben ist schwerer Erdrutsch, wir konnten nicht weitergehen. Wollt ihr Bilder davon sehen?" "Ach, lieber nicht.", und wir setzten die Wanderung auf unbekannten Terrain fort. "Meinst du nicht wir hätten uns wenigstens mal ein Bild machen sollen?", fragte ich unsicher. Doch selbst Lari meinte "Die hatten doch nur Jeans an. Und Stöcke hatten die auch keine." Aus nassem Untergrund wurde Schnee, aus Kieselsteinen großes Geröll und aus kleinen Wasserfällen wurden große, mehrspaltige reisende Fälle. Und Goretex wurde unser bester Freund. Ein falscher Schritt und das Drama wäre groß gewesen. "Jetzt stellt euch mal vor wir wären den langweiligen Forstweg da unten gegangen.", rief becks, als wir uns der Hütte näherten und uns sämtliche andere, best ausgestattete Wanderer mit Pickel und Experience vom sicheren Parallelweg begegneten. "Ihr seid da oben lang? Echt, das ging?" Und wir alle fühlten uns in diesem Moment wie echte Abenteurer. 

"Wir haben gebucht", rief ich beim Betreten der Wiesbadener Hütte dem Hüttenwart entgegen, der uns schon da für komplette Anfänger abstempelt hatte. "Wo kommt ihr her?" und insgeheim hoffte er auf Wiesbaden, denn da kommen wohl alle seltsamen Bergtouristen her. Mit Mittelhessen und keiner einzigen Verbindung zu Wiesbaden konnten wir wieder Pluspunkte sammeln. Doch so ganz waren wir noch nicht aus dem Schneider. Ziemlich enttäuscht zeigte er sich als wir das Halbpension-Menü, bestehend aus einer Backerbsensuppe, Schokoladenkuchen, Erbsen, einem großen Stück Putenbrust und einer riesen Portion sogenannter "Hong-Kong-Pommes" (alias Reis), mit der man eine dreiköpfige Heilsarmee hätte durchfüttern können, nicht vollständig aufessen konnten. "Warum haben wir denn diesen Anfängerfehler begannen? 45 € für Essen was wir wieder zur Hälfte zurückgeben müssen. Morgen bitte Storno auf der nächsten Hütte und dann a la carte!" 

"Wer traut sich den Hüttenwart nach einem Empfangsmast zu fragen? Ich geb auch nen Schnaps aus.", fragte ich in die Runde, wollte doch jeder wenigstens ein Lebenszeichen setzen. becks fasst sich ein Herz, standen bei ihr bereits 150 ungesendete Nachrichten im Postausgang. Und außer, dass sich die Hüttenwarte über uns belachten und meinten, das kenne man sonst nur von Schulklassen, wiesen sie uns den Mast in eisiger Kälte aus. Mit gerade so Edge und einer halbwegs funktionierenden SMS-Leitung übermittelten wir Nachrichten, die in der funktionierenden Infrastruktur mehr für Fragen als für Antworten sorgten. "Hast du mir eine SMS geschickt? Oder ist das ein Fake?" Wenigstens hatte die digitale Awarness Früchte getragen. 

Etappe 2 // Wiesbadener Hütte - Saarbrücker Hütte

Mit einem steinharten Kümmelbauernbrot für läppische 15 €, einer Nacht mit max. einer Stunde Schlaf, sowie einer Sicht von "-1" starteten wir die zweite Etappe Richtung Saarbrückener Hütte. "Wie wollt ihr denn eigentlich dorthin?", fragte uns der Hüttenwart, mittlerweile doch etwas besorgt, hatte er uns wohl ins Herz geschlossen und traute uns nach wie vor rein gar nichts zu. "Eigentlich wollten wir wieder den Höhenweg wählen.", sprach becks selbstbewusst. "Du liebe Zeit. Auf keinen Fall. Ihr könnt den Weg maximal gehen, wenn das Wetter komplett aufgeklart ist. Bitte entscheidet euch erst unten am Stausee für die finale Route." "Ok, machen wir. Wir gehen bestimmt den Forstweg. Safety first.", beruhigte ich ihn. Und auch die anderen nickten brav ein. Am Stausee angekommen ließen wir uns für eine ausgiebige Fotosession herab, waren aus meiner Sicht die Videosequenzen bislang viel zu kurz gekommen. "Do you want me to take a picture of you?", fragte plötzlich eine vorbeiwanderte, junge Frau. Und dies war der Beginn einer wunderbaren Wanderfreundschaft. Die 25-jährige Kanadierin hatte am Tage zuvor ihre Route zur Wiesbadener Hütte abbrechen müssen, da sie aufgrund von Schneefall die Wegpunkte nicht mehr entdecken konnte. Nun war ihre größte Angst auch die nächste Hütte nicht zu erreichen, war sie doch extra aus Kanada für eine Woche angereist um das Erlebnis Hüttenwanderung zu "discovern". Bewirterte Hütten gibt es in Nordamerika nämlich nicht und überhaupt ist es in Kanada viel teurer als nach Eruopa zu reisen. First world problems. 

"Of course you'll come with us" lud Lari (Englischlehrerin von Beruf) Eve sofort ein und auch ich freute mich über einen regen Austausch meiner damaligen Canada-Experience. Selbst becks war völlig angetan nun endlich inernational konferieren zu dürfen. Zu unser aller Glück stellte sich auch noch heraus, dass Eve Fußballspielerin ist. "For my club and for the military." "Oh, die ist von der Navy", bemerkte becks. "Jetzt sind wir alle verratzt." "Gehen wir jetzt eigentlich den Forst- oder Höhenweg?", brachte Kristin noch mal das Kernthema auf den Tisch. "Ach, die Sonne kommt doch langsam raus.", redete ich mir das hellbleiche Etwas am Himmel schön. "Wir haben doch jetzt jemanden von der Navy dabei. Wir gehen den Höhenweg.", sprach becks motivierend. Und ich erinnerte mich abermals an die Worte ihres Onkels, der Bergführer ist: "Storno. Storno. Die Mädels sollen alles stonieren." 

Frohen Mutes schritten wir voran und waren fast geneigt T-Shirt und kurze Hosen zu aktivieren. "Es geht gleich wieder hoch. Auf 2.800 Meter. Denkt bitte dran.", erwähnte Kristin, als ich schon die Zip-Funktion meiner Hose näher studierte. Unter dessen führten Lari und Eve auf Englisch höchstem Niveau Gespräche, sodass becks erneut zum zügigen Weitergang ermahnen musste. "Wir haben jetzt ein Zeitfenster von 3,5 Stunden, dann fängt es wieder an zu regnen. Let's go!". Ab 2.500 Meter setzte dann Nebel und leichter Schneefall wieder ein. Die Berge waren allesamt von einer cm-hohen Schneedecke bedeckt und die Luft wurde dünner. Erstes Nasenbluten wurde bei mir sichtbar. "Ist nur die Höhe.", beruhigte ich. Ein weiterer riesiger, felsiger Schneeberg trat vor uns zum Vorschein. "This is totally insane." sprach Eve. "Last year I've been with a mens group to the Antarctica, but this is crazy! My parents and friends will not believe me. And I will better not tell." Ich konnte die Worte der Militärangestellten nicht recht einordnen, reichte ihr aber sicherheitshalber einen meiner Stöcke, trug sie keinen bei sich. "Ich komm schon klar, halte mich eh lieber an den Felsen fest." Man wächst mit seinen Aufgaben. 

Die Sicht wurde immer schwieriger. Vor uns keine Menschen. Hinter uns keine Menschen. Doch die Wegmarkierungen waren noch sichtbar. "Wir haben hier vorne alles im Griff", rief becks, die mit Kristin die Polepostion besetzte. Ich sicherte, wie immer, hinten ab. (Ein Grund mehr meine völlige Unfitness zu übertunschen). "Eine zweite Lunge wäre wie immer brauchbar", bestätigte auch Lari, während ich Eve von dem "Elephant, that you'll have to eat in slices" berichtete und ihr die Metapher des Berges näher brachte. Irgendwann erreichten wir dann endlich den Abstiegsbereich, der noch einmal alles von uns abforderte. Rutschpartien inklusive. Mit einer gekonnten "Defender"-Grätsche holte Eve nicht nur sich, sondern auch Lari von den Füßen. Doch am Ende blieb glücklicherweise jeder unversehrt. Eine Minute vor Regenbeginn erreichten wir die Saarbrücker Hütte und unsere sichere Unterkunft für die Nacht. Wir cancelten, zum Unmut des Hüttenwarts, auch noch unsere Halbpension und bestellten dafür völlig wahllos und wieder einmal viel zu viel a la carte. "Wer traut sich dem Hüttenwart zu sagen, dass wir einen Kaiserschmarrn abbestellen müssen?" fragte ich in die Runde. Und diesmal war es Lari, die die schwere Bürde auf sich nahm. "Wir sind einfach so Amateure."

Etappe 3 // Saarbrücker Hütte - Abstieg über Madlener Haus

Mit einer Runde Wizard, ein Spiel, dass auch Eve kannte, beschlossen wir den Abend und gingen Englisch sprechend ins Bett. "Oh this is so beautiful. I'm a real English speaker now." freute sich becks. 

Der nächste Morgen begrüßte uns mit Sicht +100 und nie zuvor gesichteten Sonnenstrahlen. "Prima Leute, dann können wir ja auch den Klettersteig machen.", freute sich becks erneut. Kristin war sowieso am Start, aber auch Lari ließ keine Zweifel an diesem Abenteuer sichtbar werden. "Hm, dann geh ich wohl mit. Will ja keine 2 Stunden hier unten sitzen.", gab ich unbequem von mir. "Ach Juli, das schaffst du schon." Gruppenzwang. Schon immer meine Achillisferse gewesen. Mit Klettergeschirr ausgestattet fand ich mich wenige Minuten später in der Wand. Während die anderen drei auf Hochtouren performten, lief mir der Angstschweiß beide Backen hinunter. Oder waren es doch Tränen? Bergführerin becks lotste und koordinierte mich jedoch einwandfrei die Felsen hinauf und Lari und Kristin motivierten von der linken Seite. Emotional over the top und mit dem Nerven am Ende erreichte ich den Pre-Gipfel. Der Hauptgipfel war so schneebedeckt, dass wir diesen leider nicht erklimmen konnte. Extrem schade *Ironieoff*. Es reichte mir auch schon den ganzen Fels wieder herunterzuhangeln und mich zwischen "Hier wirds jetzt extrem schwierig" und "Das Stück ist jetzt richtig schlimm", sowie "Du musst dich einfach nur in die Seile hängen" emotional in Balance zu halten. Am Ende fühlten wir uns aber alle gut. Wie Abenteurer. "Schickt aber auch jetzt mal."

"Jetzt gehts auch nur noch bergab". Erneut wählten wir die malerische Route durch schottisch wirkende Highlandgefilde, in denen wir auch Schotten antrafen. "Oh, my English becomes more and more the yellow from the egg.", erfreute sich becks ein drittes Mal. Derweil erstreckten sich vor uns zwei Stauseen und mit uns bestes, sonniges Wetter. Wenigstens waren wir die ganze Zeit über trocken geblieben und hatten insgesamt viel mehr geschwitzt als gefroren. Außerdem hatte Lari, auch in diesem Jahr, all ihre neu erworbenen Hautkosmetikprodukte während der Tour höchst erfolgreich akquiriert und an die Frau bringen können.

Der letzte Abschnitt zum Wanderparkplatz forderte noch mal alles von uns ab. Ein sehr undankbares und zermürbendes Stück. Immer das Ziel vor Augen, aber keinen Meter sichtlich vorwärts kommen. Um 15 Uhr erreichten wir den Parkplatz und düsten von dannen. 6 Stunden Fahrt und einige Pausen später erreichten wir die Heimat. Randnotiz: Nie mehr Abstieg und Heimfahrt an einem Tag. Schon gar nicht, wenn man den nächsten Tag arbeiten muss. 

Am Ende des Tages kann man sagen: Wer wagt, gewinnt. Und: Wir hatten unheimlich viel Glück oder in English please: We were lucky mushrooms again. 


"Im Wald, da war ein Weg, der Weg lief auseinander.

Und ich - ich schlug den einen ein,

den weniger begangenen,

und dieses war der einzige Unterschied."

- Rober Frost



Top 3 unnützeste Mitnahmen:

- Kappe (becks)

- Daunenjacke (juli)

- Jacken und Pullover (Kristin)










Lahn Explorer 🏄‍♀️

"Wie, die Lahn fließt durch Gießen und dann erst durch Wetzlar?!" Meine regionalen Geographiekenntnisse erwiesen sich mal wieder als unterirdisch. "Mündet die Lahn eigentlich in den Rhein oder in den Main?" ergänzte Karin, ebenfalls unwissend. Und ob die Lahn in NRW oder Hessen entspringt, konnte selbst Petra nicht mit Sicherheit beantworten. Grund genug sich dieser Bildungslücke anzunehmen und der Lahn auf die Spur zu gehen. Um für komplette Verwirrung zu sorgen starteten wir mit unserem Abenteuer "Lahn-Erkundung" natürlich mitten drin. In Weilburg. Hatte den Hintergrund, dass wir für Etappe 1 unseren Tourguide Christian, alias Petras Bruder, am Start hatten, der die Strecke bereits auf SUP*-Tauglichkeit getestet hatte. *Anm. d. Redaktion: Stand-Up-Paddle

Erste Etappe | Weilburg - Fürfurt | 11,5 Kilometer
Donnerstag, 08.06.2023

Mit dem Auto transportierten wir unsere SUPs bis Weilburg und stiegen hinter einer unscheinbaren Brücke in das fließende Gewässer ein. Direkt zu Beginn erwartete uns ein dunkler, 200 Meter langer Tunnel, der gleich all unsere koordinativen Fähigkeiten abforderte. Darauf folgte unmittelbar die erste Doppelschleuse, welche wir Dank taktischem Kalkül mit der Kanutruppe überwinden konnten. Die knapp 11,5 Kilometer lange Etappe führte bis Fürfurt und offerierte zwei weitere, handbetriebene Schleusen auf der Strecke. Da wir relativ gut vorankamen und die Kanus scheinbar hin und wieder Störungen in den Bewegungsablaufen hatten, konnten wir uns jedes Mal rechtzeitig einschleusen und die Arbeitskraft der Kanuten in Anspruch nehmen. Dank geht raus. Die Lahnetappe erwies sich als idyllisch, friedvoll, naturreich und ultimativ meditativ. Auch eine Mittagspause auf einem Kiesbett, mit Snacks, Würstchen, Käse und frisch Gekühltem, durfte nicht fehlen. Entlang des Flusses lernten wir außerdem viele neue Ort kennen: Odersbach, Gräveneck Falkenbach und schlussendlich Fürfurt. Hier kehrten wir, nach ca. 6 Stunden Wasseraufenthalt, auf ein frisch gezapftes Endgetränk ein. Die SUPs, mit denen wir ganz unfallfrei und ohne Wasserabsturz die Etappe meistern konnten, packten wir zum Abschluss in unsere mitgeführten Backpacks ein und fuhren mit der Deutschen Bahn, ganz pünktlich und ohne Verzögerung, zurück nach Weilburg und zu unseren Autos. Das war ja einfach. 



Zweite Etappe | Fürfurt - Runkel | 12 Kilometer
Sonntag, 16.07.2023

Mit dem Auto und diesmal zu dritt, führte die Reise, navigationsunsicher, in den Kleinort Fürfurt, wo wir auf einem kleinen Parkplatz die SUPs im Schweiße unseres Angesichtes aufpumpten. Die erste Aufregung dann bereits bei Einstieg. Zwei Männer, mit 4-jähriger Tochter und Rehpinscher "Roxy" stürzten mit Kanu kopfüber ins Wasser. Zitternder Hund, kreischendes Kind - ole ole. Nachdem wir seelische und moralische Unterstützung geleistet und deren Kanu von Wasser befreit hatten, konnte unsere 12-Kilometer Etappe nach Runkel starten. Eine Wasserreise durch die Schönheit der einheimischen Natur - traumhaft. Nach einer Stunde machten wir Halt an einem abgelegenen Kiesbett und kräftigten uns mit Brie, Ciabatta, Macadamianüssen und alkoholfreiem Radler. Vorbei an Amenau und kurz vor Villma dann Kilometer 60: Eine Idylle im Naturparadies der Lahn. Spontan legten wir mit den SUPs an Land an und nutzten die Stille und Ruhe für eine Badeeinheit mit Picknick. Eine verlassene Paradiesinsel hätte in dem Moment nicht mehr bieten können. Nach 10 Minuten sollte das Idyll jedoch Geschichte sein, näherte sich ein Malle-Kanuboot mit 4 Halbstarken, die mit Hits wie "Ich hab ein Delfin in meiner Bauchtasche" und "Ich bin schon wieder blau wie der Ozean" das Lahn-Atoll beschallten und uns als kleines Andenken noch zwei leere Bembel-with-Care-Dosen auf dem SUP hinterließen. Vollpfosten. Mit den Worten "Euch kriegen wir noch!" verließen wir unseren Traumstrand. Unterwegs trafen wir auf ein Wikingerschiff, das uns unauffällig folgte und für mehr Wellenaction und Antrieb sorgte. Kurz vor Villmar hatten wir die 4 Vollpfosten dann eingeholt. Karin handelte souverän eine volle Äpplerdose bei dem Pack heraus, welche sie sogleich an ihr SUP manövrierte. Hatten wir an der ersten Schleuse bei Runkel bereits unser Lehrgeld bezahlt und waren mit dem SUP um die Sperre herumgegangen, so schleusten wir uns diesmal mit dem Wikingerschiff und einem Schulklassen-Kanu-Team in den nächsten Bereich ein. Mit einigen technischen Schwierigkeiten öffnete sich die Schleuse dann auch schlussendlich und wir setzten unsere Reise weiter fort. Ein Fels kurz vor Runkel beeindruckte abermals und wir ließen uns für ein paar Fotosessions hinreisen. An einem weiteren unscheinbaren Abschnitt hörte ich hinter mir plötzlich nur noch ein "Plumps". Karin hatte ein Wendemanöver bei den Seerosen einleiten wollen und dabei wohl die Balance verloren. Lahntaufe erfolgreich abgeschlossen. Unter Einsatz ihres Lebens konnte sie jedoch die Bembeldose noch retten. What a save! Gegen 17:45 Uhr erreichten wir dann Runkel und mussten nur noch anlegen. Nur noch? Petra war bereits vom SUP abgestiegen und hätte es nur noch die Rampe hochziehen müssen. Dabei glitt sie aus und wurde ebenfalls von der Lahn halbseitig getauft. Weitere Kanuten stürzten reihenweise am selben Abschnitt ins Wasser. Mir blieb dies glücklicherweise erspart, hatte ich meine SUP-Taufe bereits in Slowenien absolviert. Mit einem leckeren, gekühlten Endgetränk am Bahnhofsrestaurant beendeten wir unsere Tour und steuerten via Bahn wieder zurück nach Fürfurt. 

Nächste Etappe: Runkel - Limburg oder Runkel - Diez? 10 oder 18 Kilometer? Juli oder September? Die freien Sommertage sind gezählt...




Romulus

(Für Lio)


Rom. Ewige Stadt. Isso, weil voll antik und Weltkulturerbe und so. Affe Romulus war schwer beeindruckt. Er kannte ja auch bis dahin nichts weiter als seinen braunen Plastikkorb, die Bananen, den Plastiktukan und seine einzige Aufgabe Gold zu klauen oder zu verstecken. Niemals zuvor hatte er das verstörende Geräusch von tausend klirrenden Scherben, morgendliches Stimmengewirr zig verschiedener, menschlicher Sprachen, den monotonen, durchdringenden Sound eines italienischen Krankenwagens oder einen Chorgesang hunderter, prozessierender Katholiken in einer riesigen, klangvollen Kathedrale gehört. „Wow, bin schwer beeindruckt.“ sprach er, als er arg erschöpft die ersten 231 Treppenstufen hinter sich brachte und auf der Aussichtsplattform des Petersdom stand. „Warum bauen die Menschen so was krass hohes und schleppen sich die Treppen hier keuchend hoch?“ fragte er, die sich ihm nähernde Möwe. „Wegen Aussicht und so. Und Macht.“ „Ach so Möwe, alles klar. Und was machst du so hier?“ „Genieß die Weite. Echt nice hier oben. Und ich kann das Meer von hier aus fast sehen.“ „Warum bist du nicht am Meer?“ „Kene Fische mehr. Gastronomie ist echt viel besser hier. Wegen Tourismus, verstehste? Ist wie Schlaraffenland hier. Die lassen alles Gute liegen. Gelato, Tiramisu und mega Pizzarand.“ „Nicht schlecht Möwe, versteh ich voll.“ „Isso Affe, aber das Meer fehlt mir schon. Die salzig freshe Brise. Und der Fischgeruch. Oh man, der Fisch.“ „Weiß nicht Möwe, war noch nie am Meer. Aber hört sich echt nice an.“ 


Der Affe marschierte die restlichen 320 Treppenstufen hinauf. „Voll eng hier die letzten Meter, kriegt man ja Platzangst.“ Aber was ne Aussicht. „Ey Möwe, warum stehn die Menschen so lang an für den Vatikan? Hab ma gehört, dass die doch alle austreten aus der Kirche und so. Warum wolln die denn jetzt unbedingt wieder da rein?“ „Das wes ich auch nicht so genau. Glaub die finden das schön. Also, das fette Gebäude hier. Und wegen Kultur und so. Und vielleicht wegen so was wie Erleuchtung.“ Der Affe schaute sich noch die vatikanischen Museen und die Sixtinische Kappelle an und das ganze Gold was da so lag. „Bin echt geflasht. Die Menschen sind schon krass. Bauen und malen wie die Weltmeister.“ 


In Trastevere, abseits des Tiber, war’s am schönsten. Weil das war schon fast wie Heimat. So wie nen altes, schickes Dorf in Rom. Lecker Essen. Prima Bars. Und gutes Frühstück. Im Cambio gabs sogar manchmal Livemusik. Und im Delirium schöne, rosa Elefanten. „Ey Elefant, was hängsten hier so ab?“ „Menschenbeobachtung. Voll interessant.“ „Menschen kann man auch gut am Trevi-Brunnen beobachten.“ erzählte der Affe. „Die machen immer Fotos von sich. Also nicht nur eins. Hunderte. Und dann schimpfen die den anderen Menschen, weil der nicht richtig fotografiert hat. Und dann gibt es viele Diskussionen. Und dann müssen wieder neue Bilder gemacht werden. Immer so weiter. Bis sie dann irgendwann unzufrieden abziehen. Der Brunnen ist ihnen, glaub ich, egal.“ „Kann sein Affe. Aber chill mal. Viele Menschen sind auch gut drauf.“ 


„Mensch Möwe, verfolgst du mich? Hast mich voll erschreckt.“ „Sorry Affe, dachte du wärst Schoki“ Im Kolosseum war’s echt entspannter. Weil die Leute sich besser verteilten und einem nicht so dicht auf dem Fuß standen. Außerdem konnte man einfach über Absperrungen klettern, ohne dass man von einer Trillerpfeife zurückgepfiffen oder von der Schweizer Garde zurechtgewiesen wurde. Und sonnig war’s. Mega. „Möwe, warum ist das denn hier so‘n Weltwunder? Is doch gar nicht so toll wie das ganze Gold im Vatikan oder das leckere Essen in Trastevere?“ „Kein Plan Affe, ist halt so abgestimmt worden. Hab mal gehört, dass das  so das größte Amphitheater im antiken Rom war.“ „Was is ein Amphitheater, Möwe?“ „Na, das ist wie so nen Zirkus. Aber mit Menschen drin. Gladiatoren, die sich bekämpfen.“ „Versteh Möwe. So wie Krieg?“ „Ne, nur so gespielt.“ 


Der Affe marschierte noch die spanischen Treppen herauf, besuchte die Engelsburg, das Forum Romanum und das Pantheon, die vielen antiken Kathedralen, Kirchen, Monumente und Brunnen und war auf einmal ganz voll im Kopf von den vielen Eindrücken und Informationen. Am Largo Di Torre Argentina fand er endlich ein ruhiges Plätzchen und setzte sich auf die Mauer. „Hey Affe, was machst‘n du hier?“ fragte eine anstreunernde Katze. „Kurze Pause. Voll viel los hier in Rom.“ Plötzlich erblickte er eine ganze Katzenkolonie in den Tempelruinen. „Och nö.“ dachte sich der Affe. „Voll anstrengend so Katzen. Erst wolln se was von dir und dann bist du denen piepegal und kratzen dich am Ende noch ganz fürchterlich.“ Einmal hatte der Affe so richtig eine ins Auge bekommen von so ner Katze. Da waren Hunde einfach besser. Entweder sie machten dir direkt den Gar aus oder du warst der beste Kumpel für immer und alle Zeiten. „Affe, jetzt komm mal klar. Wir leben hier. Ist unsre Heimat.“ sprach die Katzenanführerin. „Und wir sind auch voll fame. Weil Julius Cäsar wurde hier ermordet.“ „Wer ist dieser Cäsar?“ wollte der Affe wissen. „Ach so‘n antiker Typ. Der kam, sah und siegte. Hat auch so ägyptisches Zeug hier angeschleppt.“ „Puh Katze, hört sich voll interessant an. Aber ich hab die Ohren voll mit römischen Geschichten. Komm gar nicht mehr klar.“ „Ja, musst mal sacken lassen Affe. Ist schon wild hier.“ 


Nach fünf Tagen flog der Affe Romulus wieder heim. Er hatte ne Menge gesehen und erlebt. Voll schöne Beobachtungen gemacht und die Welt ein bisschen besser verstanden. Trotzdem gabs auch ne Menge, die er nicht kapiert hat. Aber das gehört wohl dazu. Dass das Leben ein Rätsel bleibt. 














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