Posts mit dem Label Mittenwald werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Mittenwald werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Der Zug hat keine Bremse

 Wenn man die Berge liebt, akzeptiert man auch, dass sie die Bedingungen stellen.
- Jean-Christophe Lafaille

„Victory is a girl.” prangerte es mit großen Lettern auf dem soeben käuflich erworbenen T-Shirt der Marke Adidas, welches mir becks, mit strahlenden Augen, beim Verlassen des Outletshops, präsentierte. „Das ist voll meins.“ Gedanklich hatte unser Hüttenküken das T-Shirt bereits für die erste große Gipfelbesteigung übergestreift und sah sich damit das Gipfelkreuz erklimmen. „Wir müssen jetzt erst mal in Mittenwald ankommen.“ holte ich sie zurück auf den Boden. Der ungeplante Outlet-Zwischenstopp hatte zwar die Äuglein unserer Fitnessqueens Sonja & becks zum Leuchten gebracht und die Kassen des Sportgiganten in Herzogenaurach gefüllt, uns jedoch um eine ganze Stunde in Verzug gebracht. Gegen 14 Uhr erreichten wir, bei stabiler Wetterlage, Mittenwald. Wiederholungstäterin Lari, Hüttenküken becks und die drei Konstanten Kristin, Sonja und ich starrten dem majestätischen Karwendelgebirge entgegen. „Gegen 17 Uhr soll es regnen. Und gewittern. Nichts wie los!“


1. Etappe | Kristins Tag

Akribisch und mit jeder Menge Bonusmaterial, sowie Alternativrouten, hatte Kristin die diesjährige 5-tägige Hüttenwanderung geplant und mit Komoot digital in Szene gesetzt. Der Rest der Truppe hatte nur abgewinkt, sich aber weder richtig eingelesen, noch die Details der Karte studiert. So war es auch nicht verwunderlich, dass wir uns geschlossen für die vermeintliche Luxusoption „Auffahrt mit der Karwendelbahn.“ entschieden, dabei jedoch nicht beachteten, anschließend einige Höhenmeter wieder nach unten zu marschieren, was zum Einlaufen, im Nachgang betrachtet, doch völlig sinnfrei ist. „Ach, das ist also der schöne Panoramaweg.“ beäugte Kristin die nebelverhangene Route kritisch, die im Prospekt deutlich attraktiver aussah. „Es ist wie immer, bei schönem Wetter sieht alles besser aus.“ Und so arbeiteten wir uns durch die dramatisch, vernebelten Felswende des Gebirges, bis wir den Predigtstuhl auf 1.921 m erreichten. Es nieselte. Die Steine wurden glatt. Schafe blickten uns ungläubig an. „Und da wollt ihr weitermarschieren?“ schienen sie uns bezweifelnd zu fragen. Das nasse Drahtseil, was am Felsen befestigt war, sollte mehr zur Beunruhigung als zur Sicherheit beitragen. „Das ist hier gar nicht mal so ohne mit den glatten Steinen.“ bemerkte Sonja höchst verunsichert. Kristin und becks übernahmen die Vorhut und hangelten sich mit schwerem Gepäck die Felswand hinunter. Lari und ich beäugten die Situation kritisch. „Wenn selbst unsere zwei Kletterprofis ins Schwitzen kommen, möchte ich mir gar nicht ausmalen wie wir da gleich mittendrin hängen.“ „Wo war eigentlich noch mal der Notausgang?!“. Als Sonja gefühlt minutenlang in einer Passage festhing und der Regen immer stärker wurde, entschied ich mich zur Not das Gepäck abzuwerfen und gezielt herunterzuspringen. Definitiv besser als abzurutschen. Doch dank guter Moderation von Kristin, die von unten Anweisungen gab, wo der nächste Schritt hinzusetzen war, gelang, nach einer gefühlten Ewigkeit, endlich die Felsbezwingung. Erst später auf der Hütte lasen wir auf der Wanderkarte: „Nur für Geübte. Ausrufezeichen. Ausrufezeichen. Ausrufezeichen.“ Und vermutlich erst gar nicht bei Regen. Wie wir noch viel später von einer Rettungsaktion zwei anderer Wanderer erfuhren.

Die Hochlandhütte war einfach. Nicht befahrbar und daher nur durch Helikopteranlieferung, dreimal im Jahr, versorgt. „Wenn es letzte Woche nicht geregnet hätte, hätte ich schließen müssen.“ teilte uns der Hüttenwirt mit. Keine Dusche. Kein Strom für Gäste. Aber eine warme Erbsensuppe und ein Heuschnaps. Und dann war da noch Sibylle aus Frankfurt-Bornheim, unsere Zimmermitbewohnerin. Mit einer unvergleichlichen Art unterhielt sie uns an diesem Abend. Humorvoll, trocken und mit viel Wissen2go. „Ihr könnt alle Logopäden vergessen. Die meisten sind zu nichts nütze. Das was gelehrt wird ist größtenteils einfach nur Unsinn.“ sprach die ausübende Logopädin. „Erst als ich mich auf das Thema Schlucken spezialisiert habe, konnte ich den Menschen wirklich helfen. Denn ihr müsst wissen: Nur der Affe kann gleichzeitig schlucken und essen. Der Mensch kann das nicht. Dafür kann er sprechen. Außerdem befindet sich eure Zunge im Ruhezustand immer am Gaumen. Niemals unten.“ Und mit dieser Weisheit und Erkenntnis des Tages gingen wir zu Bett.

 

2. Etappe | becks Tag

„Natürlich kommst du mit uns Sibylle.“ Es hatte die ganze Nacht geregnet und der Hüttenwirt hatte uns dringlichst davon abgeraten die Route über den Berg mit weiteren, schwierigen Kletterpassagen fortzusetzen. Die Alternative war nach Mittenwald abzusteigen, mit dem Bus nach Scharnitz zu fahren und von dort zum Karwendelhaus zu wandern. „Na gut, uns bleibt ja nichts anderes übrig.“ Sibylle, die die gleiche Route wie wir geplant hatte, nahmen wir zugleich unter die Fittiche und wanderten ab nun zu sechst weiter. Becks, die sich eigentlich nur wegen des Aufstiegs und der vielen Gipfel für diese Tour beworben und angemeldet hatte, wurde nun auf ihre größte Probe gestellt. Oder sollte man besser sagen: Ihre defekte Hüfte und ihr dadurch völlig irreparables rechtes Knie. Unter schwersten Schmerzen stieg sie den Berg hinab. „Am besten lässt du nicht nur deine Hüfte, sondern auch gleich dein Knie richten, wenn du unterm Messer liegst.“ schlug Sonja vor. „Geht nicht, dienstags machen die nur Hüfte und mittwochs Knie.“ „Dann buch dir doch einfach ne Nacht-OP um 23:55 Uhr!“

„Ach, dann können wir unseren Bus ja gleich nach Scharnitz umparken. Das ist ja viel praktischer. Wir müssen ja eh am Ende der Tour noch mit dem Zug zurück.“ Kristin manövrierte uns, den Bus und Sibylle auf den Wanderparkplatz in Österreich. „Das ist aber doof. Hier kann man ja nur ein Parkticket für drei Tage lösen.“ „Na ja, der Wille war da. Wir wollten ja länger buchen. Die werden uns schon nicht abschleppen.“

Wir marschierten zu sechst Richtung Karwendelhaus los, bis Kristin merkte, dass sie ihre Brille noch aufhatte und diese noch zurück in den Bus bringen musste. In der Zeit zippte sich Sonja wieder ab, becks dehnte abermals ordentlich ihr Knie, Lari rieb sich noch mal mit Sonnencreme ein und ich suchte vermutlich wieder mal irgendwas. In dieser Zeit verschaffte sich Sibylle einen ordentlichen Vorsprung, hatte sie größte Bedenken die 5-stündige Wanderung bis zur Hütte noch bis vor Einbruch der Dunkelheit zu schaffen. Auch wir haderten mit der kalkulierten Zeit, kündigte die Mickey Maus bereits 13 Uhr und einen „schönen Mittag, Kumpel“, an. „Jetzt aber hurtig, wir müssen richtig Gas geben.“ An einer Abzweigung wählten wir den steileren Weg durch den Wald. „Egal, wir müssen jetzt richtig Meter machen.“ Sibylle war nicht mehr zu sehen. „Die läuft wahrscheinlich auf dem 201er Weg.“ wusste ich mitzuteilen. Es war wahrscheinlich das Einzige, was ich mir überhaupt so richtig von der Strecke gemerkt hatte. Nach dem steilen Aufstieg zog sich die breite, schottrige Waldautobahn entlang der Isar-Promenade wie Gummi. „Kein Wunder, das ist ja auch ein Mountainbike-Weg.“ „Leute, ich denk als, hier fehlt doch jemand.“ bemerkte becks. „Wo ist denn nur Sibylle. Ich vermisse sie jetzt schon.“ Sibylle war weit und breit nicht zu sehen. „Die ist bestimmt noch auf dem 201er Weg.“ Kein Mensch wusste wo dieser sein sollte. Aber es war definitiv die Nummer die Sybille genannt hatte. Unser Weg wurde stetig monotoner. Keine Abwechslung im Bewegungsablauf. Gift für die Beine. Zu allem Überdruss fing es an zu nieseln. Und dann zu schütten. Becks sprach schon seit einer Ewigkeit kein Wort mehr. Ihr Gesicht, ausdruckslos. Und dennoch lief sie schnurrstracks weiter. „Auf einer Skala von 1 – 10, wie schlimm ist der Schmerz?“ fragte ich vorsichtig. „11.“ Mehr bekam ich nicht zu hören. „Entweder ich lass mich gleich abholen oder ich gehe jetzt ohne Pause einfach bis zum Ende weiter.“ fügte sie nach einigen Minuten an. Kristin und ich standen unter immenser Bredouille. Von hinten wurde ein Pausenstopp von Sonja für Lari eingefordert und vorne wollte der Zug nicht stehen bleiben. Währenddessen Starkregen. „Lauf, lauf einfach weiter becks!“ waren meine letzten Worte als ich den ICE auf ihre Reise schickte. Der Rest der Wagons versuchte Lari weiter zu motivieren, deren Beine und Sauerstoffzufuhr ebenfalls streikten. Außerdem hatte Lari in falsches Anti-Regenmaterial investiert, das die Gesamtsituation ebenfalls verschärfte. Doch auch Lari biss auf die Zähne und in das Fleisch des diesjährigen zähen Elefanten. Nach 23 widerlichen Kilometern erreichten wir das Karwendelhaus, das mittlerweile in der Sonne erstrahlte. Auch becks hatte einen Hauch von Lächeln wieder im Gesicht und noch nicht das Abreisetaxi bestellt. „Ich zieh das jetzt durch. Komme was wolle!“

Wir fanden Sibylle auch nicht auf der Hütte und erkundigten uns besorgt beim Hüttenpersonal. „Sibylle? Ja, die hat heut Mittag schon angerufen, dass sie es nicht schafft. Die ist wohl nach Mittenwald umgekehrt.“ Schade. Aber dafür hatten wir jetzt Jens auf dem Zimmer. Telekom-Mitarbeiter aus Darmstadt, der 6 Wochen Pause von dem IT-Wahnsinn brauchte. „Alles Überstunden, aber lasst uns nicht von der Arbeit reden. 6 Wochen Berge und das hier ist schon ein Wahnsinns-Anfang.“ Jens war genauso cool wie Sybille. Absolut trockener und sympathischer Humor. Wir berichteten ihm von unserem Umweg und von den Strapazen und auch von becks Durchhaltevermögen, trotz der anstehenden OP. „Wie so’n altes Auto, noch mal so richtig runterfahren.“ lautete sein kurzer Kommentar.  Es wurde ein kurzweiliger Abend. IT-Studenten aus München und Umgebung gesellten sich zu uns an den Tisch und legten den Studi-Armuts-Dackelblick auf, um am nächsten Morgen einige Brotscheiben und Tagesproviant von uns abzugreifen. „Die verdienen bestimmt alle doppelt so viel wie wir.“ lachten wir. „Aber egal, die haben sich trotzdem schwer gefreut.“ 

 

Etappe 3 | Sonjas Tag

„Ich möchte heute drei Gipfel machen. Kommt schon, wer kommt mit mir?“ Sonja, hochmotiviert wie immer, blickte in müde Gesichter. Selbst Jens ließ sich nicht dazu hinreißen, den Hausgipfel an der Karwendelhütte, mitzuwandern. „Ok, dann haben wir ja noch die zwei Gipfel an unserer nächsten Hütte, die wir machen können.“ „Ja, da komme ich auf jeden Fall mit“ versprach ich, vermutlich etwas voreilig. Nicht nur Laris, sondern auch meine Waden, waren komplett dicht. Als ob ein schwerer Klotz daran hängen würde. „Diese ungeplante 23-Kilometer-Umweg-Route hat uns alle zerstört. Becks, die sich so viele Gipfel für die Tour vorgenommen hatte war vollends enttäuscht und hatte als einziges Ziel, die Bestehung der Gesamtroute, im Blick. Auch Kristin plagten schwere Fußbeschwerden, die sie schon seit den Julischen Alpen in Slowenien mit sich trug. Nur Küken Sonja trällerte weiterhin und unbeschwerlich ein „Warum bin ich so fröhlich, so fröhlich, so fröhlich, so fröhlich war ich nie!“ vor sich hin. Wir verabschiedeten uns von Jens, der in eine andere Richtung weiterzog, sich aber fest vorgenommen hatte beim ersten LTE-Signal den Hit „Der Zug hat keine Bremse“ herunterzuladen, welchen wir mehrfach im Zimmer angestimmt hatten, jedoch nicht mit den Gesamt-Lyrics dienen konnten. Ich glaube er wird uns nicht vergessen.

Auch wenn die 3. Etappe nur 3,5 Stunden andauerte, so reichte uns dies vollends aus. „Heute Abend wird Magnesium eingenommen und mit Arnika-Creme eingeschmiert!“ ordnete Sonja an. „Das kann doch wohl nicht sein, dass ihr alle nicht mehr laufen könnt.“ Wie verspochen ließ ich mich zu einem Gipfel an der Falkenhütte hinreißen, welcher von Sonja jedoch nur die Bezeichnung „Greifensteiner Hügel“ erhielt. „Wer den Hügel nicht ehrt, ist des Gipfels nicht wert.“ verabschiedete ich mich und entschied mich für einen Aperol Spritz auf der Hütte mit Lari und becks. Kristin ließ den Schmerz ihrer Füße hinter sich und begleitete Sonja auf den 2.093 Meter hohen Mahnkopf. Währenddessen checkten wir drei Hinterbliebenen in der neu restaurierten und optisch mehr als ansprechenden Falkenhütte ein. O-Ton becks „Das Bad ist ja schöner als daheim.“ Auch die Dusche konnte mit knapp 3 Minuten Warmwasser überzeugen und das 6-Bett Lagerzimmer hatten wir diesmal ganz für uns. Als i-Tüpfelchen lernten wir an diesem Abend, die mehr als schmackhafte Kaspresssuppe kennen. Ein Zirben-Likör rundete den Abend ab. „Schade, dass ich heute Morgen das Hochalmkreuz nicht machen konnte. Dem trauere ich immer noch ein bisschen nach.“ waren die Worte der immer fitten Sonja, kurz vorm Schlafen gehen.

 

Etappe 4 | Julis Tag

„Wow, was ein Sonnenaufgang. Und das mit Blick aus dem Badezimmer!“ Die ersten Videosequenzen an der wunderbaren Falkenhütte und dem ersten richtig schönen Sonnenaufgang während der Tour, stimmten mich fröhlich. Außerdem war, dank Magnesiumtablette, Arnika-Creme und einem Aufdehnprogramm, auch keine Blockade mehr in der Wade zu spüren. Ich fühlte, dass heute ein Gipfel machbar war, verriet es aber noch nicht. Die Route, bis zum Abstieg auf die Eng-Alm, war vermutlich, auch Dank des tollen Wetters, eine der schönsten bislang. In Eng musste dann eine Entscheidung über Weitergehen oder Abbruch der Tour gefällt werden. „Na toll, auch noch an meinem einzigen Spitzentag.“ bedauerte ich gedanklich. Aber es war vernünftig darüber nachzudenken ein Gewitter mit Starkregen am Abstiegstag in Kauf zu nehmen. Wir entschieden uns, entgegen der miserablen Prognosen sämtlicher Wetter-Apps, für ein Weitergehen. „Ich brech die Tour doch jetzt nicht mehr ab!“ protestierte selbst becks. Ehrgeiz. Hat se.
„Juli, was ist mit deinem Tempo los? Ich erkenn dich ja kaum wieder?!“ fragte mich Sonja erstaunt. Die Maschinen waren endlich angelaufen. Ich plädiere definitiv für mehr Einlaufzeit bei einer zukünftigen Tour. „Wir haben ja immer noch so viel Proviant.“ bemerkte Kristin an unserem Mittagspausenstopp. Es war bemerkenswert was die einzelnen Teilnehmerinnen immer wieder aus ihren Rucksäcken zauberten. Ob Mama Giselas Mirabellen von heimischen Bäumen oder Pfirsiche aus Sonjas Elterngarten, Spätmirabellen von Lari, Trailmixe, Müsliriegel, Äpfel, Brötchen, Käse, Wurst und Pfefferbeißer. Es war jeden Mittag ein Festmahl auf den Bergen. An der Lamsenjochhütte angekommen blickte ich rüber zu Sonja. „Und Sonja, machen wir noch den Gipfel?“ Wir entschieden uns zwar gegen die zu anspruchsvolle Lamsenspitze, dafür aber für den Hahnkampl auf 2.080 Meter, der uns ein wunderbares Panorama bot. Unterdessen wurden die drei anderen Teilnehmerinnen Zeuge eines sehr strengen und diktatorischen Hüttenregimes. Beim Einchecken forderte die Hüttenwirtin mit strafendem Blick alle Gäste auf das Gepäck nicht mit auf die Zimmer zu nehmen, sondern gefälligst alles im Trockenraum zu lassen. ALLES. Keiner wagte zu widersprechen. Nur über die Schmuggleroute konnten wichtige Dinge nach oben transferiert werden. Lari und becks wagten noch einmal die Hüttenwirtin auf Duschmarken anzusprechen. In ihrer bekannten, liebevollen Art und Stimme fragte Lari vorsichtig: „Darf man auch zwei Duschmarken haben? Also wegen meiner Haare und der Spülung?“ Die Hüttenwirtin antwortete mit eisiger Miene: „Man kann zwei Duschmarken haben. Aber man kann auch Wasser sparen.“ und händigte Lari mit strafendem Blick beide Marken aus. Das Karma folgte. Hatten becks und Kristin noch jeweils warmes Wasser, so wendete sich das Blatt für Lari direkt. Kalte Dusche. Die zweite Marke war erst gar nicht anzuwenden. „Das hat die doch gesehen, dass du jetzt duschst.“ schimpfte becks. „Die saß bestimmt unten am Mischpult und hat dir das Wasser kalt gedreht.“

Sonja und ich hatten Glück. Das Wasser war warm. Aber die Dusche, eher gesagt die Duschmatte, unterirdisch eklig. „Lieber eine schlechte warme Dusche, als keine Dusche.“ vollendete Sonja die Weisheit des Tages. Währenddessen hatte sich eine junge Berlinerin im Bad eingefunden, die sich lauthals über nicht vorhandene Haken in den Zimmern beschwerte. Sie klärte uns auch gleichzeitig über das Handtuchhalterprinzip an den Waschbecken auf. „Das ist eine total schlechte und völlig veraltete Erfindung aus Berlin! Die Handtücher werden quasi in dieses unhygienische Teil aufgesogen.“ Wir schüttelten ungläubig mit dem Kopf. Wo waren wir hier gelandet?

Das Abendessen und die freundliche Bedienung sollten uns zum Glück noch einmal wohlwollend im Gesamturteil umstimmen. „Man darf auch nicht nur meckern. Immerhin sitzen wir im Trockenen.“ Und dann fing es draußen wieder an zu schütten. „Meine App sagt aktuell 3 Liter für morgen und Nieselregen an.“ informierte uns becks, die als O2-Kundin als einzige Empfang und es außerdem gewagt hatte bei der Hüttenwirtin nach einem Eisbeutel für ihr Knie zu fragen. „Ihr werdet es nicht glauben, sie hat sogar am Ende ein wenig den Mundwinkel zu einem Mini-Lächeln geformt. Ich glaube wir sind jetzt Freunde.“ In der Nacht regnete es. Und am Morgen regnete es. Draußen war nur Nebel zu sehen. „Oh jetzt schreibt die App, dass wir 11 Liter haben. Wie unglücklich.“

 

5. Etappe | Laris Tag

Als wir es zum ersten Mal während des ganzen Trips schafften bereits um 7 Uhr zu frühstücken, klarte gegen 7:30 Uhr der Himmel auf. „Okay Leute, das Zeitfenster ist angebrochen. Wir müssen JETZT los.“ kündigte Kristin an. „4 Stunden Abstieg bis nach Schwaz. Wir haben einen Zug zu kriegen.“ Lari schwing die Hufe und gab das Tempo fortan an. In einer nie dagewesenen Geschwindigkeit petzten wir den Berg hinunter. Die Angst, doch noch in Starkregen oder Gewitter zu geraten war allgegenwärtig. Lari drehte sich immer wieder verwundert zu Seite und zurück. „Ich bin heute so fit wie nie. Ich könnte heute wirklich einen Gipfel machen.“ Trotz, dass wir kurzzeitig einen falschen Weg eingeschlagen hatten, erreichten wir Schwaz eine Stunde früher als geplant. „Das schreit ja nach einer Belohnung.“ und becks lud uns alle zu einem Leberkäsebrötchen und Coffe-to-go ein, bevor wir in den äußerst modernen Regionalzug der österreichischen Bundesbahn mit free-Wifi stiegen. Eine halbe Stunde bis nach Innsbruck und dann noch mal eine Stunde um bis nach Scharnitz zu gelangen. Als wir ausstiegen, setzte der Regen erneut ein. „Kommt schnell, es sind nur 10 Minuten bis zum Wanderparkplatz“. Noch einmal spurteten wir mit unseren letzten Kraftreserven los. „Was hängt denn da vorne in der Windschutzscheibe?“ fragte ich ungläubig, hatte ich am Abend zuvor noch gegen einen Strafzettel getippt. „Wieviel sind es?“ wollte Kristin wissen, lagen sie und Lari richtig, hatten aber auf unterschiedliche Beträge getippt. „25€ - Schnapper!“ -  Man gönnt sich ja sonst nichts.

Eine weitere, wundervolle Hüttenwanderung geht zu Ende. Es war mal wieder ein Highlight und wie immer ein unvergessliches Erlebnis in den Bergen. Jeder Meter, jede Anstrengung, jeder Schweißtropfen und jeder Schmerz war diese Wanderung wert. Da oben ist die Welt ein bisschen anders. Einfacher. Befreiter. Sorglos.

Erst wenn ich wieder absteige, spüre ich das Gewicht der Welt auf mir.
- Anatoli Bukrejew.



















Oh du schönes Mittenwald (good old Germany)

„Sun of Jamaica, the dreams of Malaika
Your love is my sweet memory. “


Die Wettervorhersage für das bevorstehende Himmelfahrtwochenende klang vernichtend, um nicht zu sagen ganz nach Weltuntergangsstimmung. Doch auch die Dauerregen- und Gewitterwarnmeldungen hielten uns am frühen Morgen nicht davon ab, unser Automobil randvoll bis unters Dach zu beladen und unseren 3 1/2-tägigen Trip ins urdeutsche Mittenwald zu starten. „Hab ich Knitter im Gesicht?“ wollte becks um 6 Uhr morgens von mir erfahren, während ich ihr, noch im Halbschlaf befindlich, mit „Nee, nur die üblichen Falten.“ antwortete und schnell die für 10€ neu erworbene Tchibo Musikbox aktivierte um meine unüberlegte Aussage mit einer unangreifbareren Playlist zu übertünchen. „Was isn‘ das für nen Blechsound?!“ verschmähte Fahrerin Resi mein Soundausgabe-Produkt und forderte die sofortige Abschaltung des Gerätes. Die folgenden 7 Stunden durften wir uns somit mit dem Einheitsbrei von Antenne Bayern vergnügen, da zusätzlich die Hörbuchreihe Harry Potter 1-8 in CD-Form vergessen wurde. Unterdessen hatte sich Eileen Bornhütter bereits Pfefferbeißer Nummer 3 zurechtgelegt und den Blick in Richtung Obst- und Gemüsekorb gerichtet, welcher diverse Früchte, Rohkost und den bunten Mix Paprika Tri-Color beinhaltete. „Die hat die Mettwurst noch im Zahn, da schreit die schon nach der Melone“, bemerkte becks, während sie ihr Pflegeproduktesortiment für den Morgen akribisch auftrug.
Wir wählten die Alternativroute über Österreich, mit der wir den Feiertagsstau rund um München umfahren konnten und ohne größere Zwangspausen unser Ziel, das Gästehaus Döring, bei schönstem Sonnenstrahl  bereits um 14 Uhr erreichten. „Ihr wollt den Klettersteig machen? Na da seids ihr aber 2 Monate zu früh dran, da oben liegt noch meterweise Schnee!“ eröffnete uns unsere Herbergsmutter, in Richtung Karwendel zeigend. Na toll, somit war Programmpunkt Nummer 1 schon mal gestrichen, wodurch die Erdinger Therme weiter in den Fokus rückte. „Es soll ja eh das ganze Wochenende schlechtes Wetter geben...!“

Für den Anreisetag wählten wir eine kleine Wandereinstiegsroute zum Ferchensee, die getrieben durch Hunger und der Vorstellung eines warmen, mit Sahne überdeckten und in Vanillesoße getränkten Apfelstrudels, zugleich im City-Walk von becks angesteuert wurde. 2 Sekunden vor Platzregen- und Gewittereinbruch erreichten wir um 16:13 Uhr die Gastronomiestätte . Das zweite Mal als die Kellnerin mit grünem Strickjackengewand auf die Uhr blickte, rückte der Zeiger auf 16:25 Uhr vor und die soeben servierten Backwaren an Tisch 4 waren Geschichte. becks hatte sich das Gedeck „Zweierlei“ (Apfelstrudel und ein Kampfstück Streusel-Kirsch) geordert und in einer Mordsgeschwindigkeit vertilgt. Ein Strohballen huschte noch an der Kellnerin vorbei, deren verdutzte Augen hinter uns herschauten, als wir bereits wieder um 16:30 Uhr das Etablissement verließen.  Hintergrund war die letzte Abfahrgelegenheit mit dem Bus, um trockenen Fußes nach Mittenwald zu gelangen. Just in diesem Moment hörte es auf zu regnen und die anderen Wanderer gaben uns zu verstehen, dass uns so ein bisschen Gewitter nicht vom Zurückwandern abhalten sollte. Das ließ sich becks nicht zweimal sagen und streifte, mit leuchtenden Augen, ihr neu erworbenes und farblich abgestimmtes  Outdoorequipment über und marschierte stilsicher durch den Regen. „Hauptsache gut aussehen.“ - auch in den Bergen, immer präsent.

Zum Abendmahl kehrten wir im Lokal „Alpenrose“ ein, welches uns mit seiner kulinarischen Auswahl förmlich umhaute. Umrandet wurde das traditionsbewusste und elegant rustikal eingerichtete Lokal, mit einer live gespielten Zittereinlage und einem, in Lederhosen gekleideten Kellner, der sein Handwerk verstand und sich optisch in den echt bayrischen Flair nahtlos einfügte. Auf ein grandioses Mahl und einen langen Anreisetag, folgte eine aufgewühlte Nacht, in der Wespentallien und Massen verarbeitet wurden, bis der Wecker um 7:15 Uhr klingelte.

Gut gestärkt reisten wir am Freitag nach Kochel, um uns dort Mountainbikes für eine mittelschwere Tour mit Singletrails zu leihen. Die ansprechende Tour hatte ich zuvor auf der App "Komot" gesichtet und ausgiebig studiert. 700 Höhenmeter, 25 Kilometer, Fahrzeit 2,5 Stunden, das klang alles sehr bewältigbar. Zudem sollte die Route Kochelsee und Walchensee beinhalten, was wiederum dazu führte, dass sich Resi und becks schon am Strand, im Bikini liegend, sahen. Für preisgünstige 3,49€ lud ich die Offlinekartenversion herunter und startete die Navigation. Die stimmlichen Richtungsanweisungen führten uns zunächst kreuz und quer durch Kochel und beinhalte Routen, die es offensichtlich seit Jahren nicht mehr gab, versperrten ganze Wohngebiete die Anweisung „bitte demnächst links abbiegen und der Nebenstraße folgen.“ Bereits in den ersten 15 Minuten verfluchten wir die viel zu gut bewertete Wander-App und navigierten manuell aus dem Ort und in Richtung Walchensee. Als das Endgerät sich wieder gefangen hatte, befanden wir uns bereits auf einer Schotterpiste, die mit 10%iger Steigung durch dicht bewaldetes Gefilde bergauf führte. Man hatte längst abgezippt und Armlinge, Beinlinge und Jacken in den Rucksack verfrachtet, als die nächste große Steigung kam. Im Hintergrund vernahm ich Fluche und Rügen, während ich selbst mit der „Wand“ zu kämpfen hatte. Selbst Löön, unser Hardcore Bikinggirl, kämpfte auf ungewohnter Hardtail-Maschine und rang mit Schweißperlen. Darf ich noch mal erwähnen, dass wir keinen E-Motor einsetzten? In Kurve 8 und bei Höhenmeter 987 kapitulierten wir dann schlussendlich. Im Schiebemodus beförderten wir das Rad weiter nach oben und fanden nur noch wenig befahrbare Passagen, die nicht gleich strack bergauf führten. An einem Wartungsarbeitensegment breiteten wir unsere imaginäre Picknickdecke aus und brachten Paprika Tri-Color, die restliche Kortingwurst und Bauernbrot zum Vorschein. Während Resi und Becks an Löön und mich weitere spitze Bemerkungen zum Routenverlauf richteten und sich das Stimmungsbarometer bei dunkelrot einpendelte, passierte uns ein einheimischer Mountainbiker, der den kurz bevorstehenden Kriegszustand gerade so verhindern konnte. „Gleich seids ihr oben. Da kommt noch emal ein fieser Stich und dann habt ihrs geschafft. Die Kochelalm ist quasi um die Ecke.“ Das Wort „Alm“ löste bei allen Beteiligten unverzüglich Elan zur Weiterreise aus, sah man das helle Endgetränk, sowie einen Germknödel bereits vor sich stehen.

Als wir nach 2,5 Stunden endlich den Peak des Berges erreichten (man bemerke  noch mal, dass die Gesamtstrecke 2,5 Stunden dauern sollte), hielten wir vergebens Ausschau nach unserer Alm, bis uns passierende Mountainbikefahrer jeglicher Illusion beraubten. „Die Alm? Ja da seids ihr aber noch zu früh, jetzt ist doch noch Nebensaison. Im Juni machen die wieder auf.“ Strafende Blicke ereilten mich und ich regte zur Weiterfahrt an. „Kommt, jetzt geht es doch nur noch bergab.“ Nach einer weiteren guten Stunde, die nicht bergab sondern auch bergauf Segmente enthielt, sichteten wir endlich türkisblaues Wasser. Im schönsten Sonnenschein und unter blauem Himmel eröffnete sich der Walchensee vor uns und schenkte uns einen Panoramablick auf kristallklares Wasser. „Da hätten wir im Bikini liegen können, schon seit Stunden!“ „Immer diese Gewalttouren!“ bemängelnde Stimmen rissen mich aus meiner Faszination. Wenigstens war Löön auf ihre Kosten gekommen und nach einem weiteren Essensstopp, inklusive Pfirsich-Sahnekuchen, einem alkoholfreien Russ und einem klaren Eiscafegetränk, besänftigten sich auch endlich die restlichen Gemüter. Wir radelten weiter entlang des kilometerlangen Sees, bis wir wieder die Heimkehr über den serpentinenförmigen Pass antraten, auf dem uns unzählige motorisierte Objekte begleiteten und begegneten. „Gar nicht so ungefährlich hier.“ Und als wir gerade unsere Bikes im Fahrradverleih zurückgeben und ein kühles Getränk in Augenschein genommen hatten, hörten wir auch schon die Sirenen. Feuerwehrautos, Krankenwagen und Notarzt schnellten an uns lautstark vorbei und ein Helikopter war von weitem zu sehen. Wie wir später durch die Zeitung erfuhren, waren zwei Motorräder, je von oben und unten kommend, miteinander kollidiert. Dieses Geschehnis trübte ein wenig den Abschluss des Tages, unsere Herbergsmutter bestätigte jedoch später, dass es auf dieser Route Alltag sei und sich fast täglich ein Unfall dieser Art ereignen würde. Noch einmal dankbar dafür, dass wir unbeschadet heruntergekommen waren und ignorierend, dass wir für eine 2,5-stündige angesetzte Route 5,5 Stunden benötigt, dafür aber den roten Kreis auf becks Fitness-App geschlossen und tatsächlich 1068 anstatt 700 Höhenmeter zurückgelegt hatten, kehrten wir abends völlig erschöpft in der Pizzeria „Mamma Lucia“ ein und belohnten uns mit einem umfangreichen Mahl in Form von Steinofen Pizza und selbstgemachter Taligatelle. „Hauptsache die Mini Maus ist zufrieden!“ und wir betrachteten noch einmal die Zeichenfigur auf becks Apple Watch, die lobend und Pluspunkte verteilend zurückschaute und uns mitteilte „Es ist 21:30 Uhr. Boarding Time.“

"So kann ich net auf den Berg!" stellte becks am Frühstückstisch zwischen Semmeln und Schwarzwälder Schinken fest, als sie sich in der Fensterspiegelung betrachtete. "Die Zopfrisur muss unbedingt noch mal mit der Bürste bearbeitet werden!" Auch an diesem Morgen hatten die Wetterprognosedienste vollends versagt und offerierten anstatt Platzregen und dunkler Gewitterwolken, Sonnenschein und Plusgrade im 20er Bereich. "Für was habe ich mir denn jetzt eine lange Travellerhose zugelegt, wenn wir nun doch nur reinstes Sommerwetter haben?", beklagte becks, während sie ihre modischen Highlights aus finnischer Herstellung präsentierte. "Wo ist denn da die Zip-Funktion?" fragte Löön, die zugleich die restlichen Paprika Tri-Colors und Überreste von Pizza in Tupper verpackte, währenddessen mir Resi noch vor Wanderbeginn zu verstehen gab, dass ein Aufstieg bis hoch zum Gipfelkreuz keine Option ist. "Spätestens heute Mittag setzt das Gewitter ein und dann sind wir verloren auf dem Berg! Es geht nur bis zur Brunnsteinhütte!" Enttäuscht gab ich nach, nahm mir aber vor den Gipfel noch das ein oder andere Mal während des Aufstiegs willkürlich einzuwerfen und zu bewerben. Die idyllische Route am Fuße Mittenwalds führte die Südseite des Karwendels hinauf und zur derzeit einzig bewirteten Hütte. Dass wir uns in der absoluten Nebensaison befanden, bemerkten wir insbesondere durch Fotostopps ohne jegliche Wanderzivilisation im Vor- oder Hintergrund. Ein vereinzeltes asiatisches Pärchen, das wir bereits am Einstiegspunkt passierten, waren die einzigen Mitläufer auf dem Weg nach oben. Die großzügigen Zeitangaben auf den Wegschildern zur Brunnsteinhütte ließen mich weiter auf eine Gipfelerklimmung hoffen. Auch durch den nicht steil, sondern serpentinenverlaufenden Aufstieg, mit viel Wurzelwerk und einer Hängebrücke, versetzte meine Gefährten in einen Gemütszustand, der deutlich positiver als noch am Tage zuvor erschien. Außerdem hatte ich becks Fitness-App auf meiner Seite, die nach einer Schließung des roten Kreises verlangte. Doch so sehr ich auch den Gipfel vermarktete, grau aufziehende Wolken in nordwestlicher Richtung ließen meine Hoffnungen stets weniger werden. Nach 2,5 Stunden erreichten wir die Hütte, die uns mit Kaiserschmarren, Russ und Almdudler versorgte und uns einen grandiosen Ausblick auf die Alpenwelt offerierte. Noch einmal versuchte ich den Gipfel schmackhaft zu machen und in Szene zu setzen, doch einzelne Regentropfen und eine böse schwarze Wolke machten all meine Bemühungen zunichte. "Wir gehen wieder runter Julia Hecker! Gleich gewitterst und dann sind wir verratzt!" Im Moment des Abstiegs, als alle ihre Regenkleidung aus den Rucksäcken gearbeitet und die Rucksäcke mit entsprechender Schutzvorrichtung versehen hatten, klarte der Himmel wieder auf. Nur fürs Protokoll: es gewitterte an diesem Tag nie.

Für den Abstieg hatten wir außerdem ein paar nützliche Tools auf den Berg geschleppt, die größtenteils aus dem Outdoor-Repertoire von Mama Gabi und Mama Gisela stammten: Wanderstöcke. In die Funktion wies uns Resi fachmännisch ein und verdeutlichte noch mal detailliert das Konfigurieren der Länge des Korkgriffstabes, nachdem ich bemängelt hatte, dass mein Stöcke viel zu kurz seien. Argwöhnisch musterten wir das neue Werkzeug, was unterstützend und Knie-entlastend den Abstieg erleichtern sollte. Löön, becks und ich benötigten eine ganz Weile bis wir die korrekte Justierung gefunden hatten und uns mittlerweile Tränenflüsse vor Lachen im Gesicht standen. Im Nordic-Walking Modus von Gerlinde. S.* (*Name von der Redaktion geändert) bewegten wir uns galant und trittsicher den Berglauf hinunter und stimmten gemeinsam in unseren neuen Ohrwurm "Sun of Jamaica" ein. Um dem 2-stündlich einsetzenden Hungergefühl gerecht zu werden, legten wir auf halber Strecke einen weiteren Essenstopp ein, bei dem Pizza vom Vortag, Paprika Tri-Color vom Vor-vor-Tag und frisch gebackener Erdbeer-Rhabarberkuchen aus vergangenen Zeiten serviert wurde. "Leute, die vergänglichen Produkte müssen als erstes verwertet werden. Und das Plastik kommt in den recyclebaren Beutel!" ermahnte Ozeankind Löön, die unerfreut Resis frisch geöffnete Haribotüte und becks unzählbaren Taschentuchverbrauch beäugte. Unterdessen blickte ich noch einmal sehnsüchtig Richtung Gipfel, der mittlerweile in unerreichbare Ferne gerückt war. Zu Schade aber auch. Am frühen Nachmittag erreichten wir wieder das Tal und machten eine überraschende Entdeckung, als wir einem kleinen türkisblauen Gewässer folgten, der uns zu einem Kieselsandstrand und erfrischendem Flussbett, mit dem Namen Isar, führte. Die Begeisterung war riesig, hatten wir den kompletten Fluss-und Strandabschnitt für uns, keine Menschenseele weit und breit. Der erholsame und fast wellnessfähige Spontanausflug wurde zur Entspannungseinheit, inklusive ausgiebiger Bildersession. Hierbei konnte sich Lööns Tchibo Universaltop als echter Eycatcher etablieren, welches sich nahtlos in Flora und Fauna einfügte und für diverse Modelierungsfotos diente.

Schon bald zog jedoch das nächste Hungergefühl auf und der knurrende Magen dirigierte Richtung Ferienresidenz. Nach einer kurzen Dusche wurde just der Tisch von 20 auf 18 Uhr umgeordert und der zweite Besuch in der köstlichen Alpenrose mit Pfannkuchensuppe, Jägerschnitzel, Spätzle, Spargel und Rumpsteak vollendet. Mit den Worten "Für Dessert gibt es immer einen ganz besonderen Platz im Magen.", machten wir anschließend an dem unfreundlich, bewirtschafteten Eiscafe "Costa" halt, welches uns für Eis-to-go nur das Sünderbänkchen, trotz 25 freier Tischplätze, anzubieten hatte. Auch wurden wir von Löön nochmals für unsere nicht wieder verwertbaren Plastikbecher gerügt, die wir als neue Recycle-Helden gegen essbare Eiswaffeln hätten eintauschen müssen. Zum Abschluss eines sportlich, aktiven und viel zu kalorienhaltigem Wochenende, kehrten wir ins altersgerechte Bar-Etablissement "Alt-Mittenwald" ein, wo mit hochprofessioneller Live-Musik dem Publikum voll eingeheizt wurde und wir Sascha und Rebecca antrafen, die uns Tage und Wochen zuvor mit allen Informationen rund um Mittenwald versorgt hatten und zugleich die frohe Botschaft überbrachten, dass wir mit unserer Gästehauskarte natürlich nicht, wie gedacht, kostenfrei die Karwendelbahn rauf und runter fahren konnten. "Womit sollen die denn hier Geld verdienen, wenn die allen Touristen die Gondelfahrt hinter her schmeißen", lachte mein Bruder. "Na, vielleicht indem die die Souvenirläden auch samstags bis 20 Uhr und sonntags wenigstens vormittags geöffnet ließen!" An den Erwerb eines Muttertagsgeschenkes in der beschaulichen Fußgängerzone war somit nicht mehr zu denken. Wir beschlossen also den Abend nur noch mit der Randveranstaltung "Germany - 0 Points" zu beenden, auf die - genau wie auf das Wetter - wieder mal kein Verlass war und Deutschland so gut wie seit "Wadde hadde dudde da" nicht mehr abschnitt.

"Denkt dran, man muss schnell essen bevor das Sättigungsgefühl einsetzt." läutete becks noch mal die letzte Runde Frühstück im Gästehaus Döring ein, bevor wir ein himmelblaues Mittenwald (es war Regen gemeldet) verließen und mit kaum Stau Richtung Heimat chauffierten. Nur wenige Essenspause (5-6 an der Zahl) wurden während der 8-stündigen Rückreise eingelegt, bei der auch endlich die lang gehorteten Currywurst-Chips und Mini-Muffins ihren herbeigesehnten Auftritt bekamen. Ob die Mini Maus, trotz vieler aktiver und schweißtreibender Aktivitäten, am Ende wirklich mit unserer Leistung zufrieden war, lässt sich bezweifeln. Mit ihren olivengroßen Augen, hatte sie uns trotz häufig verdeckter Sicht stets im Auge behalten und bemerkte spätestens nach Chipsanwendung, den fettigen und nicht übertünschbaren Abdruck am Uhrdisplay. Der künstlichen Intelligenz können wir schon jetzt nichts mehr vormachen. Es sei denn Ortungsdienste und mobile Daten führen mal wieder zum Totalabsturz der Technik. In diesem Sinne ein Hoch auf die Natur und Charlotte Roches netten Dreizeiler, der uns durch Mittenwald begleitete:

"Im Wald triffst du keine anderen Menschen, die dir voll auf den Sack gehen, und du bist nicht gezwungen, Plakate zu lesen, Werbung in deinen Kopf zu lassen und anschließend bei Amazon einzukaufen. Die Natur will dir nichts verkaufen. Du sollst nur sein, im Hier und Jetzt. Glücklich."


Top 3 – Unnütze Mitnahmen
* Bikini
* Kletterausrüstung
* Tchibo Musikbox

Top 3 – sinnvollste Mitnahmen
* Magnesiumtabletten
* Taschentuchsortiment
* Traveller Outfits

Top 3 – Verbrauchsmaterialien
* Taschentücher (davon mind. 12 Packungen von becks verbraucht)
* Kortingwurst
* Paprika Tri-Color