Portugal 2019 - Obregado!

7 Tage entlang West- und Südküste. Road-Trip, Surfen, Parasailing, Mountainbike, Sommer, Sonne, Strand und Meer.



Sleep. Eat. Surf. Repeat.

Ich kann dich wenn du willst gern ein Stück mitnehm,
Und es geht los von jetzt auf gleich wenn dich traust.
Doch wir umfahrn den Rest und nehm' Wege, die wir noch nicht kenn'

- Clueso


„Den Pinguin-Frack könnte ich auch gut für zu Hause gebrauchen.“ merkte ich an, als wir ein letztes Mal den Neoprenanzug überstreiften. „Dann würde ich auch nicht so sehr im Sinner Waldschwimmbad frieren.“ Am letzten Urlaubstag marschierten wir noch einmal, jeder mit einem Surfbrett unterm Arm, den Serpentinen verlaufenden Weg hinunter zum Strand von Arrifana und stürzten uns in die Wellen des Atlantiks. Die intensive Begegnung mit dem Ozean, bedingt durch gnadenlose Wellen, wurden zu einem weiteren Kernerinnerungserlebnis. Dieses unbeschreibliche Gefühl den perfekten Moment abzupassen, aufzustehen und von der Welle mitgenommen zu werden und mit viel Feingefühl und Balance noch ein Stück weiter zu sliden, lässt sich nicht in Worte fassen. Unbeschreiblich! Es ist als würde die Welle zu einem sagen „Darf ich dich noch ein Stück mitnehmen?“

Im Laufe des Tages wurde der Wellengang deutlich stärker und die rohe Gewalt des Atlantiks schlug uns entgegen. „Noch‘n bisschen und wir haben die erste Zahnlose unter uns.“ warf Löön ein, als wir mehrfach durch die Luft gezwirbelt wurden und anschließend ins Meer abstürzten. „Ich glaub mein linker Zeh ist gebrochen.“ lachte ich. „Die Surfzacken haben sich gerade in meine Rippen gebohrt.“ grinste Sissy. Und ihr könnt und wollt es kaum glauben. Selbst unsere unermüdliche Maschine Kristin wurde von den Wellen gebrochen. Nicht nur angeschwollene Extremitäten, sondern auch die totale Erschöpfung waren am Ende des Tages zu verzeichnen. „Ich kann nicht mehr Leute. Ich hab noch nie solche Schmerzen empfunden. Ich bin fertig.“

Sissy, Löön und ich schauten uns unglaubwürdig an und mussten uns mehrfach versichern, ob wir gerade richtig gehört hatten. Es gibt tatsächlich eine Sportart, die Kristin niedergestreckt hat. Wer hätte das gedacht?!

Ein letztes Mahl nahmen wir bei Tascas ein. Löön und ich ließen uns von dem frisch gefangenen Fisch in der Auslage blenden und stimmten, ohne mit der Wimper zu zucken, dem Kellner zu, uns diesen sogleich auf den Räuchergrill zu werfen. Das grätige Objekt war ohne Frage ein Gedicht und schmeckte mehr als vorzüglich, jedoch traf uns der Schlag als wir später die Rechnung in Augenschein nahmen. 27,50€ pro Fisch!! „Was kostet die Welt, wir sind nur einmal in Portugal!“

Wir ließen den Abend zu Reggae-Klängen und Cocktails in der Surferbar „Sea you“ ausklingen und warfen auf dem Heimweg einen letzten Blick auf den Atlantik. Endlich hatten sich die Wellen beruhigt und die raue See plätscherte beruhigend im Halbmondschein vor sich hin. „Sieht so harmlos aus.“ „Und hat doch solche Kräfte.“ Stille Wasser halt.

Um 6:30 Uhr verließen wir unsere herrliche Ferienwohnung und fuhren im Sonnenaufgangsmodus über leergefegte Autobahnen zurück nach Lissabon. Reibungslos erfolgten Autorückgabe, Check-In, Flug, Landung und Rückfahrt in die Heimat. „Ungewöhnlich für uns.“ „Genauso wie dieser Urlaub, so etwas Entspanntes habe ich ja noch nie mit euch erlebt.“ „Kristin, entspannend? Du kannst deine Muskeln doch immer noch nicht bewegen.“ stimmten wir alle lachend ein.

Was ein relaxter und aufregender Urlaub zugleich. Die Kombination aus Wellnesseinheiten am Strand und sportlichen Aktivitäten im Wasser hat uns sehr zugesagt. Auch die Gegebenheit jeden Abend einen Sonnenuntergang am Meer mit Bierchen und Wein zu genießen, wertet jede Reise um ein Vielfaches auf. Immer wieder gerne. Wer hier mit dem Auto mal stranden sollte, wird sich kaum wieder losreißen können. Arrifana Beach - a lovely place to be.


Und wir lassen stehen,
was uns nicht gut tut.
Halten fest,
was uns gefällt.
Und wir grüßen schön.
Freunde nichts für ungut!
Lass uns sehen, was dieser Tag uns bringt.

- Voxxclub


We didn‘t start the fire.

„Flammen Inferno in Arrifana! Deutsches Touri-Quartett unter Verdacht!“

So hätte die BILD-Schlagzeile lauten können, wenn sich unsere größte Sorge bestätigt hätte und der Vintage-angehauchte Gasherd, in unserer Ferienwohnung, doch noch an gewesen wäre. Dunkle, schwarze Rauchwolken stiegen in unmittelbarer Ferne auf, als wir mit den Fahrrädern entlang der Küste fuhren. Helikopter und Sirenenklänge waren zu hören. „Scheisse Sissy, haben wir den Herd etwa angelassen?“ fragte ich beunruhigt. Das Gasherdobjekt hatte schon mehrfach für Gesprächsstoff gesorgt. „Kristin, kannst du mir die Flammen mal in Zahlen sagen?“ musste sich Sissy informieren, als sie das Endgerät betätigen wollte und nicht das gewohnte „Kochen nach Zahlen“ durchführen konnte.

Was zuvor geschah...

Am Freitag verfehlten wir unsere alte Reiseweisheit ‚Don‘t be a tourist. Be a traveler.‘ auf ganzer Linie. Im Beach-Hopping-Modus grasten wir jeglichen touristischen Hot-Spot der Südküste ab und zogen - in bester Paparazzimanier -fast mit den Japanern gleich. Ein Foto hier,  ein Selfie dort, ein Sprungbild an der Klippe und „jetzt noch mal mit Fernwehblick, bitte!“ Untervertont mit Klängen wie „Ohhhhhhhhh“, „Wie schön!“ und „Leute, jetzt schaut doch mal!“ wurden wir unserer Rolle als echte Vorzeigetouristen gerecht. Es war aber auch wirklich eine wunderschöne Gegend, das kann man einfach mal so sagen! Die portugiesische Great Ocean Road lieferte mit felsigen, prägnanten Klippen, türkisblauem Meer, meterhohen Wellen und sauberen Stränden, Sehnsuchtsmomente vom Allerfeinsten.

Wir klapperten in chronologischer Reihenfolge folgende Punkte an der Südküste ab: Marinha Beach, Benagil Cave, Beach Três Irmãos, Lagos und Ponta da Piedade. Marinha Beach und Três Irmãos wurden zu den top-Favoriten-all-time. Und der Ort Lagos überzeugte durch verwinkelte Gässchen, eine gut erhaltene Altstadt, Straßenmalerei und freundlichen Menschen. Ein absolut Herz-erwärmender Tag! :)

Die wichtigste Frage des Urlaubes „Was essen wir gleich?“ kam auch in diesem Urlaub nicht zu kurz. Es drehte sich mal wieder alles um die Essenszubereitung, die Essensmitnahme oder die Frage nach der nächsten Eisdiele. „Wegen Überfüllung geschlossen.“ musterte ich meinen Bauch. „Nächste Woche gibt’s erst mal ne Diät! Leute, das kann so nicht weiter gehen!“

Am Samstag starteten wir den Tag mit einem ausgiebigen Frühstück und einem Ruhevormittag am Strand. „Das ist ja der reinste Wellnessurlaub hier mit euch.“ merkte Kristin an, die immer wieder nach Aufgaben suchte und sich täglich mit Influencer-Videos am Strand beschäftigte. Ihr einziger, jedoch wichtigster Follower und Abonnent verteilte Likes und Smile-Emojis ohne Ende.

Gegen Nachmittag dann endlich mal wieder eine Aktivität. Mountainbiking! Als wir die Drahtesel in Augenschein nahmen, erlebten wir eine kleines Spanien Deja-vue. Völlig verstaubte, schlecht gewartete und halb funktionsfähige Mountainbikes, bei denen die Gangschaltung nicht immer auf Anhieb klappte. „Das Fahrrad ist Schrott!“ beschrieb die Situation mehr als treffend. Auch das Helmmaterial ließ sehr zu Wünschen übrig. Mal ganz davon abgesehen, dass Löön der Tourguidin eine Ansage machen musste, dass auch sie bitte einen Helm aufziehen sollte. Nichtsdestotrotz wurde die Tour zu einem echten Highlight. Die ausgewanderte Deutsche „Wiebke“ lotste uns entlang von Küsten, steilen Klippen, Strand, portugiesischem Outback, dschungelartigen Pfaden, Eukalyptus-Alleen, Alpaka-Herden und verbrannter Asche. „Hier hat es vor ein paar Wochen noch schwer gebrannt! Wir mussten die Hunde und Alpakas in Sicherheit bringen. Die Pferde haben wir an den Strand getrieben.“ In dem Moment zogen schwarze Rauchwolken in der Nähe Arrifanas auf und wir schauten uns entsetzt an. „Oh man, haben wir den Gasherd ausgedreht?“ „Ist vielleicht die Mikrowelle noch an?!“ Unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigen sich zum Glück nicht und wir konnten die Fahrradtour, an einem abgelegenen, wunderschönen See im Sonnenuntergangsmodus, ausklingen lassen.

Als uns Wiebke in ihrem Surfer-Van noch nach Hause bringen wollte, riss Kristin schwungvoll die Tür auf. Erfolglos. Jedoch schepperte es lautstark und der Türgriff fiel polternd in den Wagen. Und da wären wieder bei „Wenn Kristin Grau Liegestützen macht, drückt sie die Welt nach unten.“

Die letzten Sonnenstrahlen vor Untergang erwischten wir, wie jeden Abend, auf unserem Balkon mit Blick aufs Meer. Vier Bier, ein Portwein, lecker zubereitetes Essen und ein Kartenspiel mit denkwürdigem Kartenmischverhalten - Urlaub kann so einfach sein.

„Morgen geht’s zum Abschluss noch mal auf die Bretter!“ „Oh ja, ich will noch mal raus auf die großen Wellen.“ „Und dann ist ja noch Livemusik in Hugo’s Bar!“ „Erst wollen wir aber noch mal schick Essen gehen.“ „Oh man, wann packen wir eigentlich?












Es geht um die Wurst!


„Alter, meine Arme!“ Löön hatte den legeren Jugendslang bereits nach dem ersten Surftag angelegt und beklagte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht über überlastete Muskelpartien. „Ich kann meine Waden kaum bewegen.“ stimmte Sissy ein. „Ich hab Rücken.“ krächzte sogar die unermüdliche Kristin. „Das hier ist ja anstrengender als jedes Traning.“ monierte ich, als wir bereits wieder in Neoprenmontur am Strand aufgereiht standen und um 09:00 morgens zum Warmmachtraining aufgerufen wurden. Der Fitnesslehrer kannte kein Pardon. Burpees sind nichts dagegen.

„Dafür dürfen wir uns wenigstens mal 7 Fußballtrainingseinheiten gutschreiben!“ merkte Löön noch an, als es wieder ins frische Nass und in meterhohe Wellen ging. Es war kaum zu glauben, welch einen erholenden Erfrischungsfaktor der Wellensport am frühen Morgen bereiten kann. „Da ist man ja gleich auf 120%!“ „Das sollten wir mal vorm Spiel machen!“ In den nächsten 2 Stunden verbesserten wir unsere Technik auf dem Board und konnten mittlerweile den Skill „Da kann man ruhig mal klatschen“ während der Reise auf der Welle durchführen. Wahnsinn! Auch wenn jeder hinterher mindestens einen halben Liter Salzwasser intus hatte und man sich zwischendurch mit dem Board gegenseitig hüfthoch abgrätscht hatte, weil mal wieder die Lenkung fehlschlug, so blieb es bei einer hochspaßigen Angelegenheit. „Am letzten Tag mieten wir uns noch mal ein Board!“

Zur Erholung entschieden wir den Rest des Tages am Strand zu chillen und die Surf-Profis zu beobachten. Trotz der rauen Atlantikwinde darf man auch hier die Gewalt der Sonne niemals unterschätzen - wie wir später, an dem ein oder anderen roten Farbband, feststellen mussten. Um den Abend genussvoll abzurunden, legten wir - wie jeden zweiten Tag - eine Kochsession ein. Da Sissy und ich dran waren, wurde am Knoblauch kaum gespart. „Schließlich muss man sich den südländischen Gegebenheiten anpassen.“ Bruschetta, Ofenkartoffeln mit Dip, gebackener Schafskäse und zerlaufener Camenbert füllten unsere Teller. „Was ist eigentlich mit dem Rest von meiner Ente?“ erkundigte sich Löön. „Die gibt’s vielleicht morgen ins Omelette.“ „Oder im Sandwich to-go!“

Nach ausgiebigem Frühstück am nächsten Morgen, machten wir uns um zehn Uhr auf die Reise nach Albufeira, einem Ort an der Südküste Portugals. „Das hier ist ja die reinste Abzocke!“ bemängelte ich, als wir diesmal die Autobahnroute wählten und alle 2 Kilometer zur Kasse gebeten wurden. Ein Transponder in unserem Gefährt piepte fröhlich vor sich hin und rechnete pro Piepton, die Mautgebühren von 90 Cent, munter weiter oben drauf. „Na toll, was wird das hinterher für eine Abschlagsrechnung geben!“

In Albufeira flanierten wir zunächst durch Souvenirläden, die abwechselnd allerlei Korkprodukte und/oder CR7-Merchandise zu offerieren hatten. Selbstverständlich ließen wir uns von den bunten Herrlichkeiten blenden und schlugen bei dem ein oder anderem Objekt zu. Nach einem sehr schmackhaften Eis hatten wir auch ganz spontan den Adrenalinkick des Tages gebucht: Parasailing über dem Meer. Nur eine Dreiviertelstunde später fanden wir uns auf einem Speedboot mit Schwimmweste und Karabinerhaken wieder ein und wurden im Duo-Modus mit einem Ruck in die Höhe gezogen. 80 Meter über dem Meeresspiegel wird die Luft schon etwas dünner. Während Kristin die Aussicht genoss, schon wieder Flausen in den Kopf bekam und anfing zu schaukeln, um noch mehr Action in die Sache zu bringen, blieb ich sehr skeptisch. „Ich trau der Sache nicht. Das Seil knackt ganz schön.“ Wir waren lediglich an einem unendlich langen Seil befestigt, über uns der meterbreite Fallschirm. „Was passiert denn, wenn das Seil reist?! Stürzen wir dann direkt ins Meer oder fliegen wir erst noch mal über den halben Kontinent?!“

Mit viel Glück erreichten wir alle wieder das Boot, welches sich zum Abschluss noch mal ein Formel-1 Rennen auf hoher See ablieferte und uns mit diversen Lenkmanövern beinahe über die Reling warf. „Woohoo!“ Endlich waren auch Löön und Kristin auf ihre Kosten gekommen und hatten genug Go-Pro-Material gesammelt.

Es schlug bereits 16 Uhr, als wir uns auf den Weg zum südwestlichsten Zipfel Europas machten. Das Ende der Alten Welt. Ein Blick auf das weite Meer, felsige Klippen, Ferne, Sehnsucht. Es roch nach Abenteuer, Freiheit und irgendwo auch ein bisschen nach Bratwurst. „Die letzte Bratwurst vor Amerika“ kam uns am Tag der deutschen Einheit mehr als gelegen. Schon seit drei Jahren feiern wir diesen Tag gemeinsam, ob in Ecuador, Spanien oder jetzt in Portugal. Hauptsache nicht in Deutschland! ;-)

Ich möchte an der Stelle auch kurz Notiz machen, dass ich auf dem Rückweg nach Arrifana Beach nicht am Steuer saß, uns aber dennoch ein Wohnmobil (!) ohne Probleme überholen konnte. Just to let you know...

Wir entschieden direkt in der Sportsbar einzukehren, ohne uns noch einmal frisch zu machen, da wir ansonsten den Anpfiff des Eurospiels „Vitoria SC - Eintracht Frankfurt“ verpasst hätten. Es handelte sich glücklicherweise um eine genauso unkomplizierte Kneipe, wie wir sie von zu Hause aus kennen. Und so hatten wir auch kein Problem damit, den Wirt zu fragen, ob er für uns das TV-Programm wechseln könnte - auch wenn der offensichtlich eingefleischte Porto-Fan lieber das Parallelspiel schauen wollte. Konnten wir ja nicht ahnen, dass an dem Abend gleich drei portugiesische Teams spielten, wir aber mit dem Eintracht-Match wohl die uninteressanteste portugiesische Mannschaft gewählt hatten. Wir verstanden nicht viel von den anderen, alteingesessenen Kneipenkunden, jedoch raunte ständig der Name der uninteressanten Mannschaft und man wünschte sich wohl eigentlich einen Programmwechsel herbei. Upsi...

Wahrscheinlich konnten wir einfach von Glück reden, dass wir vier Mädels und nicht Männer waren und so erhielten wir nach dem Spiel noch zu prostende Glückwünsche zum Sieg der deutschen Mannschaft. „Saudé!“ und „Where do you live in Germany?“ leitete einer der drei älteren Herren das Gespräch ein. Es wurde - wie an jedem Tag der deutschen Einheit - noch ein lustiger Abend, begleitet von portugiesischem Craft-Beer, Sangria und Portwein. Zuletzt erhielten wir noch eine Einladung für ein Livemusik-Event in selbiger Bar.

Eine Kneipe wie daheim. Offen. Unkompliziert. Herzlich. Und Gin gibt es auch. :-) @Seli







Mit jeder Welle kam ein Traum...


„Sacht mal Leute, was haben wir denn hier wieder ins Blaue gebucht?! Wir sind ja im reinsten Smog-Gebiet gelandet!“ Löön begutachtete missgünstig den grauen Schleier, der die portugiesische Hemisphäre weitläufig bedeckte. Kein Sonnenstrahl, kein blaues Fleckchen, nicht mal eine Wolke war zu sehen. Auch die malerische Küstenroute entpuppte sich als purer Reinfall, versperrten vertrocknete Baumbestände die Sicht auf den Atlantik.

Was zuvor geschah...

Wir starteten pünktlich um 05:30 Uhr mit einer Tüte frisch gebackener Brötchen vom Luckenbach, der extra für uns, bereits eine halbe Stunde früher die Ladentüren geöffnet hatte. Kundenservice wird in Fleisbach noch mit Großbuchtstaben geschrieben. Ohne Hörgeräte, dafür mit einer Ladung Sektflaschen und einem 3-Gänge Brunchmenü im Gepäck, rollten wir nach Köln und sattelten auf den Shuttleservice um, der uns zum Flughafen chauffierte. „Scheisse, wo ist mein Handy?!“ Panisch durchsuchte Löön ihr Gepäck und sämtliche Taschen. „Das gibt‘s doch nicht, ich hab das Ding im Shuttle vergessen!“ „Du alter Handy-Suchti! Musst du das Endgerät  auch ständig in den Händen haben.“ Zum Glück hatten wir die Nummer des Shuttle-Service noch in der Wahlwiederholliste und so konnten wir das Endgerät für preiswerte 10€ und einen frühmorgendlichen Sprinteinsatz durch Kristin und Sissy, noch vor Boardingtime, wieder zurück erhalten.

Durchatmen. Koffer aufgeben. Gate checken. Ausgiebiges Frühstück. Wir breiteten unser Essensauslage auf einem Ladestation-Tresen aus und zogen neidische Blicke auf unser herrlich angerichtetes Buffet, welches von Paprika Tri-Color bis frisch gekochten Eier, Käsehäppchen und knackigen Pfefferbeißern keine Wünsche offen ließ.

Noch vor Abflug tätigte Kristin ihren letzten Anruf beim Fundbüro: „Ja, da müssen Sie jeden Tag mal anrufen. Wir vergessen das doch, wonach Sie suchen.“ Notizblock und Stift empfehle ich übrigens in solchen prekären Lagen.

Auch der Germanwings-„Service“ hatte stark nach gelassen. Kein Wasser. Keine Butterstulle. Nur die Offerrierung diverser, unnützer und völlig überteuerter Duty-Free Schnäppchen.

Ankunft in Lissabon. Wir durchkämmten den halben Flughafen auf der Suche nach unserem Rent-Car-Typen, der uns schlussendlich den Schlüssel für ein zerkratztes Fiat-Fahrzeug mit einigen Blechschäden feierlich überreichte. „Egal, für 40€ die Woche können wir hier nicht mehr erwarten.“ beschloss Kristin, die immer noch sehr glücklich über ihr geschlagenes Schnäppchen war. Spätestens auf der Autobahn, als die automatisierte Spurenkorrigierfunktion zuschlug, wurde sie erstmals skeptisch und dachte über den portugiesischen Satz „Das Auto ist Schrott“ nach.

Nach der Autobahnstrecke übernahm ich das Steuer. Wir waren bis dato gut vorangekommen, jedoch war keine Menschenseele weit und breit zu sehen, geschweige denn sonstige Zeichen von jeglicher Zivilisation. Die Sachlage dramatisierte sich, als am Horizont graue Nebelschwaden aufzogen und der Himmel von einem undefinierbaren Schleier bedeckt wurde. „Vielleicht brennt es.“ gab Sissy zu bedenken. „Vielleicht sind das auch die ersten Auswirkungen des Klimawandels.“ Löön checkte ihre Wetter-App und bestätigte den grauen Streifen, der sich vertikal über die Landkarte legte und analog zu unserer Küstenroute verlief. „Leute, haben wir uns vorher nicht informiert?! Haben wir etwa auf der falschen Seite des Landes gebucht?“ Es gab sehr zu denken, dass der Rest des Landes völlig unbedeckt war und die südliche Küste bestes Wetter aufwies, während wir im reinsten Küstennebel versanken. „Da hätten wir ja auch an die Nordsee fahren können.“

Die Küstenroute verlief kurvig und der Bodenbelag erinnerte an alte DDR-Zeiten. „Ich kann hier nicht schneller fahren, hier ist 90!“ In diesem Moment überholte ein Sprinter im Affenzahn unseren Wagen. „Ich fahr hier schon 110!“ musste ich mich mehrfach verteidigen, als ich belächelnde Blicke von der Seite erhielt. Zwei so-called Fast and the Furious Typen setzten  ebenfalls, mit ihren getunten Fahrzeugen, einen Überholspurt an. „Das wird nicht der Katja erzählt. Das gibt nur wieder zusätzliches Fett in die Pfanne!“

Nachdem wir einen kurzen Fotostopp an einem mystisch, wirkenden Klippenpunkt eingelegt hatten, steuerten wir auf den nächsten Supermarkt zu, um uns für die nächsten Tage zu verpflegen. „Oh schaut mal, da ist ein Aldi!“ Wir deckten uns in vertrauten Gefilden mit bekannten Produkten ein und waren dennoch erstaunt, dass wir in einem Aldi Nord gelandet waren...

Gegen 19 Uhr erreichten wir pünktlich unsere Unterkunft, die unsere Herzen höher schlugen ließ. „Das ist ja die reinste Villa!“ Großzügige Räumlichkeiten, ein Kühlschrank mit Eiswürfelfunktion und zwei Balkone mit Blick aufs Meer. „Also, da kann man ruhig mal klatschen.“

Am nächsten Morgen erkundeten wir kurz die nähere Umgebung und inspizierten den Surferstrand von oben. „Oh, schaut mal, ganz viele Leute aus Polen sind hier.“ stellte ich fest, als wir an einem Parkplatz mit vielen Autos mit dem dem Kennzeichen „P“ vorbeischauten. Und kurz darauf konnte ich mir die Erdkundelehrerstimme „Setzen, 6!“ anhören. 

Unsere erste Aktivität für den Urlaub war unübersehbar: Surfen. Eine ganze Surfer-Szene war mit Bullis, Wohnwagen und staubigen Geländewagen angereist. Wir hatten zunächst den 2-tägigen Surfkurs mit zusätzlichem Theoriematerial gebucht. Nelson und Luiz nahmen uns zugleich unter die Fittiche und machten einen exzellenten Job. Newbie Löön entpuppte sich als „Queen of the Board“ und war am Ende des Kurses bereits in der Lage, sich während des Wellenreitens einmal auf dem Brett zu drehen. „Also auch da kann man ruhig mal klatschen.“ Die Gewalt der Wellen und der Fun-Faktor, der auch beim Absturz ins Wasser nicht abreißt, machten die Surfeinheit zu einem Kernerinnerungserlebnis. Leuchtende Augen in allen Gesichtern. Aber auch ein wenig, rot verbrannte Backen am Ende des Tages.

Zum krönenden Abschluss fuhren wir zu einem Hot-Spot, um den Sonnenuntergang am Meer und den Felsklippen zu begutachten. „Ein Traum!“ Das nahegelegenen Nobelrestaurant ließen wir uns ebenfalls nicht entgehen. „20€ für eine Flasche Wein? - Egal, was kostet die Welt!“ So kamen Sissy und Löön auch endlich zu ihrer Ente, die mit Orangen und einem Preisbeel-Honig Dip serviert wurde. Kristin freute sich schon seit Tagen auf ein gegrilltes Hühnchen und kam auch hier auf ihre Kosten, während ich einen frisch gefischten Fisch mit Süßkartoffeln auf meinem Teller fand.

Ein gelungener erster Tag! Wir freuen uns auf die nächste Surfstunde, die schon in aller Herrgottsfrüh um 8:40 Uhr stattfinden soll. „Oh man, da müssen wir uns ja schon um 8 Uhr in den engen Neoprenanzug quetschen.“ jammerte Sissy. „Da ist es ja mitten in der Nacht, sollen wir unsere Stirnlampen vielleicht aktivieren?“ merkte ich an.

Auf in die Wellen!







Der Weg ist das Ziel!

"Wie heißt denn unsere Unterkunft nochmal?" "Und vor allem, wie heißt der Ort nochmal?" "Wo landen wir eigentlich?"

Wir waren so unvorbereitet wie nie, als die große Fragerei, im WhatsApp Gruppenchat, 3 Tage vor Abflug losging. „Wird Zeit, dass wir in den Flieger kommen. Noch‘n bisschen und unser Fluganbieter ist auch pleite!“ „Alternativ wird uns Greta die Boardtickets höchstpersönlich vor unseren Augen zerreißen.“ - „Dass ihr überhaupt fliegt, ihr alten Klimaretter.“ stichelte Becks. - „Müllbeauftragte, wir sind immer noch Müllbeauftragte!“ verteidigte ich und mir schauderte es kurz bei dem Gedanken, mit welch vernichtenden Augen mich Greta strafen würde, wenn sie einen Blick auf meine bisherige CO2-Bilanz werfen könnte. „Ich wäre erledigt.“

Um uns die Sache mit dem Flug wenigstens ein klein wenig schön zu reden, verzichteten wir auf das unschlagbare Ryan-Air Angebot und ließen uns auch nicht von der portugiesischen Billigairline blenden, die auf einer 3-Stunden Strecke, zwei Zwischenstopps vorgesehen hatte. Wir griffen zum mittelpreisigen Germanwings Angebot und buchten für 4 Personen auch nur 2, anstatt 4 große Gepäckstücke. „Warum eigentlich noch mal?“ fragte ich mich, während ich Kleidungsstück für Kleidungsstück aussortierte und meine Bekleidungsauswahl auf ein Minimum reduzierte. „Manchmal sparen wir echt am falschen Ende.“

Portugal, Algarveküste. Sissy, Kristin, Löön und ich. Spannung, Abenteuer, Katastrophen und kuriose Umstände sind wie immer vorprogrammiert. Beginnen wir doch einfach damit, dass Kristin ihre Hörgeräte, zwei Tage vor Abflug, irgendwo in Herborn verloren und die Stadt quasi auf Links gedreht hatte, um diese wieder zu finden. Erfolglos. „Dann musst du halt dieses Beta-Testding jetzt mal anziehen. Das wird schon gehen.“ „Von uns spricht und versteht doch eh keiner Portugiesisch.“ - Wahrhaftig ermunternde Worte der restlichen Reisebelegschaft. 

Wir werden also von Köln nach Lissabon fliegen und von dort aus mit dem Mietwagen bis nach Arrifana fahren. Dort soll es, neben ein paar sportlichen Aktivitäten, diesmal auch einfach nur „Strand“ geben. Spätsommer, Sonne Meer, Wellen, Sand - und hoffentlich kein angespültes Plastik. 

Ob, wie und wann wir das Ziel erreichen steht noch in den Sternen, denn die triste, wenn auch schnellere Autobahnroute, werden wir fast vollständig umgehen und die malerische Route entlang der Küste wählen. „Dauert auch nur zwei Stunden länger.“,  "Moment, hier steht was von 'Überquerung mit Fähre'", "Abhaken Leute, dann lieber Mautgebühren zahlen." "Wieso ist unsere Unterkunft eigentlich nicht auf Google Maps zu sehen?!"

Wie auch immer, das Wichtigste ist, dass wir uns auf dem Weg mit den wertvollsten, portugiesischen Phrasen durschlagen können:

"Isso é uma lata velha!" -  Das Auto ist Schrott!

"Eu gostaria de fazer uma reclamação." -  Ich möchte mich beschweren!
 
"Estou com fome." - Ich habe Hunger.

"Saúde!" - Prost!


In diesem Sinne, Tchau und Adeus!




  





Die Meter nimmt uns keiner mehr.

Prolog

"Also, ich mag ja wandern. Aber DIESE Berge!", mit zittrigen Knien blickte Seli auf das alpine Gelände und die 12 Kilometer Auf und Ab, die wir innerhalb von 8 Stunden zurückgelegt hatten. Auch Tine haderte mit ihrem verdrehten Knie und ich krümmte mich vor Magenschmerzen. Nur die beiden Hochleistungsmaschinen, Sonja und Kristin, grinsten fröhlich und unermüdlich wie nie und legten noch eine Zusatztour, zu einem Gletschersee, ein. Um es kurz zu fassen: Es war alles wie immer.


Tag 1

Wir waren kaum zu Schlaf gekommen, als wir um 3 Uhr nachts, mit voll gepacktem Gefährt, Richtung Süden rollten. Eine Duftwolkenmischung aus ausgelaufenem Männerparfüm und 2 Kilo Pfefferbeißerwurst, bereicherte die knapp 8-stündige Fahrt ins Stubaier Tal in Österreich. Gleich am ersten Tag stand uns eine Etappe von 1.000 Höhenmetern, reiner Aufstieg, bevor. Trotz etlicher Foto- und Snackstopps kamen wir gut voran. "Jeder verzehrte Riegel zählt." lautetet die Devise und traf bei Selis Großfamilienpackung, die sicherlich für 3 Wochen ausreichend gewesen wäre, auf ein Vielfaches zu. Gegen 17 Uhr erreichten wir die Neue Regensburger Hütte, die ihrem Namen alle Ehre machte. Ein "Palast" aus frischen Holzfassaden, blitzeblanken Bädern und großzügiger Stromversorgung pro 4-Bett-Schlafzimmer, eröffnete sich vor unseren leuchteten Augen. Kaum zu glauben, dass Wanderer bis vor ein paar Jahren, noch auf Heuböden übernachten mussten, wir nun aber dieses hochmoderne Etablissement beziehen durften. Einziges Manko: es war ein 4-Bett Zimmer und somit entschied das Losverfahren, wer mit der 3-köpfigen holländischen Familie die Nacht verbringen konnte. Tourguide Tine zog das Glückslos und nistete sich neben dem 16-jährigen Sohn der Familie ein. Checkpott :)

Zum Abendessen erwartete uns ein grandioses Grillbuffett, welches keine Wünsche offen ließ. Zudem gönnten wir uns noch einen Kaiserschmarrn, der sich zu einem späteren Zeitpunkt, gegen 3 weitere Kaiserschmarrns auf anderen Hütten, in der Zubereitungsbewertung duellieren musste. Während Seli und mir das karamelisierte Dessert sehr zusagte, hagelte es von Kristin Minuspunkte ohne Ende. Der arme, kleine Kasierschmarrn konnte nur durch ausreichende Bewertungen von Sonja und Tine versetzt werden.

Tag 2

Frühstückbuffet, ein paar Videosequenzen und Starterfotos - und weiter ging die Reise. 12 stramme Kilometer, durch Höhen wie Tiefen, standen uns bevor. "Ihr habt mir versprochen, dass es diese Mal nicht so schlimm wird." reklammierte Seli, während wir nach zwei Stunden Gehweg zurückblickten und die Hütte immer noch ohne Fernglas erkennen konnten. "Wir müssen ja auch ständig stehen bleiben, wegen unnötiger Zip-on-Zip-off Anpassungen." verteitigte Sonja. Wenig später kraxelten wir die erste Wand hinauf und durchquerten ein Schneefeld. Kaum hatten wir den Berggrad erreicht, setzte ein Regenschauer ein, wodurch wir abermals gezwungen waren einen Modewechsel vorzunehmen. Unsere Rucksäcke leuchteten fortan, mit buntem Regencape, fast so schön wir unsere textmarkerfarbenen Einheits-T-Shirts. "Bald habt ihrs geschafft." ermutigte  uns ein entgegen kommender Wanderer. "Um 15 Uhr seid ihr auf der Hütte." Er konnte ja nicht ahnen, dass er uns damit maßlos überschätzt hatte.

Selis Gesamtleiden, Tines verdrehtes Knie und mein einsetzender Magenschmerz, machten uns einen deutlichen Strich durch die Rechnung. Aufmunterungen wie "Schaut mal, da fahren sogar Autos den Berg zur Hütte hinauf." konnte ich nur mit einem "Kristin, erzählt's mal wieder einen vom Pferd." erwidern. Seli träumte derweil von einem Bergtaxi und Tine stornierte innerlich alle weiteren Routenoptionen. Zwei Stunden vor Erreichen der Dresdner Hütte, trennten sich dann unsere Wege. Die völlig unverbrauchten Maschinen, Sonja und Kristin, schlugen eine Zusatzroute und entsprechende 20 Minuten Umweg ein, während wir drei geschädigten Invaliden den direkten Weg zur Hütte aufsuchten. Starker Regen setzte ein und der Pfad schlängelte sich ins Unendliche. Alle 5 Minuten musste eine Verschnaufpause eingelegt werden. "Ich kann nicht mehr!" war das Einzige, was noch zu hören war. Die letzte "Wand" vor der Dresdner Hütte sollte noch einmal alles von uns abverlangen. Als wir die Mitte der Wand erreicht hatten, warf Seli ihren Rucksack ab und rief zum Sitzstreik auf. "Ich muss jetzt erst mal was essen, ansonsten gehe ich keinen Schritt weiter!" Während Tine und Seli einen Haferflockenriegel verzehrten, hielt ich Ausschau nach den Maschinen, die uns gefährlich nahe gekommen waren. "Leute, lasst uns aufbrechen, die haben uns gleich eingeholt." "Das ist mir sowas von egal." resignierte Tine. Und auch Seli war die Ruhe herself, als sie Riegel Nummer zwei in Augenschein nahm.

Als die beiden ICEs uns eigeholt hatten, setzten wir den Weg nach oben fort und erreichten schlussendlich die Unterkunft für diese Nacht. Schnitzel, Pommes, drei Schnapserl für den Magen und ab in die Koje. Wir teilten uns in dieser Nacht das Zimmer mit zwei Holländern und wunderten uns einmal mehr mit welch hohem prozentualen Anteil Team Oranje in den Bergen vertreten war.

Tag 3

Erste Verluste. Nach dem reichhaltigen Frühstück, entschieden wir in gemeinschaftlicher Abstimmung, Routenplanung und Gruppenaufteilung abzuändern. Tines Knie, welches zu einem späteren Zeitpunkt die ärztliche Diagnose "drohender Bänderriss" erhielt, zwang von einem Weitergehen abzusehen. Solidarisch blieb Seli an Tines Seite und entschied sich ebenfalls, ganz uneigennützig, für einen Hüttentag. Aufgrund nicht anhaltender Magenschmerzen, hatte ich keine Ausrede mehr, nicht mit Team "Chuck Norris" weiterzuziehen und so begaben sich Sonja, Kristin und ich auf die dritte Etappe zur Sulzenauer Hütte. Der Himmel war grau und leichter Regen setzte ein. Gleich zu Beginn ging es nur bergauf. Angeführt von Sonjas Stechschritt, überholten wir bereits nach einer halben Stunde eine 20-köpfige Truppe aus Litauen, die uns jedoch dicht auf den Fersen bliebe. Erst am Peiljoch hängten wir die litauische Kavallerie mit einem Abstiegsspurt ab. Starker Regen, leichter Hagel und eine Nebelwand begleiteten uns fortan, bis sich plötzlich der Nebel lichtete und wir vor einem überwältigten Gletscher und fast arktischem See standen. Ein traumhafter Anblick.

Wir überholten zwei weitere, holländische Wanderpaare und erreichten nach knapp 3 Stunden, völlig durchnässt, die Sulzenauer Hütte. Eine Duftwolke eines jahrelang gelagerten Handkäsesortiments, hauchte uns bereits 20 Meter vor der Hütte entgegen. Bei Betreten des Trockenraumes haute es uns dann fast aus den Latschen. Eine Mischung aus nasser Hund, Schweiß und 30 Wanderschuhpaaren durchdrang die soeben geöffnete Tür und wirkte fast wie ein Ohmächtigkeitsmittel auf uns ein. Nur knapp entgingen wir einer Nasenvergiftung und retteten uns in letzter Sekunde aus dem Trockenraum und in die Dusche. 3 Minuten Duschzeit, Handwäschevollprogramm und 2 Minuten trocknende Luft später, fanden wir uns zu einer wärmenden Backerbsensuppe in der Hütte wieder. Es war erst 14 Uhr und somit mussten wir uns mit diversen Kartenspielen und einem 350-Teile Puzzle, mit vielen rosafarbenen Elementen, bis zum Abendessen durchschlagen. Ein leckeres Gulasch mit Vor- und Nachspeise wurde serviert, on-top gab es einen Kasierschmarrn, der mit der bis dato Bestnote 2+ abschnitt. Als wir nur kurz unsere Sitzplätze für einen Verdauungsspaziergang verlassen hatten, hatte uns Team Holland, in Windes Eile, von unserem Tisch vertrieben. Wir fanden glücklicherweise noch ein Plätzchen neben einem Alpenüberquerer, der die beiden Maschinen von neuen Herausforderungen träumen ließ. Nach 3 Schnaps intus, stimmte ich dem völlig utopischen Unterfangen, einer Alpenüberquerung im Jahre 2020, zu und buchte gedanklich 3 Wochen Strand- und Erholungsurlaub hinzu.

Tag 4

Matratzenlager. 29 Personen. Engster Raum. Ein Schnarcher. Es hätte zu einer sehr ungemütlichen Nacht kommen können, wären wir nicht so erschöpft gewesen. Und so schliefen wir, trotz der unruhigen Ausgangslage, nach einer Stunde ein, um um 8 Uhr, nach Frühstück und Packvorgang, frühstmöglich aufbrechen zu können. Entgegen der Wettervorhersage strömte es weder, noch waren Donner und Blitz zu hören und zu sehen. Daher entschieden wir, weiter bis zur Nürnberger Hütte zu laufen und von dort aus abzusteigen. Sonja hatte in der einen Millisekunde, in der sie, irgendwo Nähe Abgrund, Empfang hatte, Seli eine Sprachnachricht mit der neuen Routenplanung zukommen lassen. Wir marschierten zügig los - und wenn ich marschieren schreibe, dann meine ich das auch so. Nach kurzer Zeit hatten wir mindestens 8 holländische Wanderpaare und weitere Personengruppen überholt. Kristin brauchte Auslauf und Sonja war noch lange nicht ausgelastet. Ich hechtete hinterher und musste mich, spätestens am Abstiegsklettersteig zur Nürnbergerhütte, geschlagen geben. Das war schone lange keine Waschbärroute mehr und trug nicht umsonst die schwarze Markierung. Nur mühsam und mit viel Höhenpanik im Kopf, arbeitete ich mich den Abgrund hinunter. Dass die anderen nicht weiter beeinträchtigt schienen, muss ich wohl nicht erwähnen.

Wir ereichten gegen Mittag die urige Hütte und kehrten noch mal auf ein leckeres Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee ein. Danach ging es tatsächlich nur noch bergab, wo uns Seli und Tine bereits am Parkplatz erwarteten. Mit einem letzten Teller Kaiserschmarrn, der von allen Beteiligten eine 1+ mit Sternchen erhielt, verabschiedeten wir uns aus dem Stubaier Tal, nicht ohne das Versprechen noch einmal zurückzukehren. Auch Seli.

Bis zum Schluss konnte nicht gänzlich geklärt werden, warum wir fast alle (bis auf Tine) mit Magenkrämpfen zu kämpfen hatten und auch die Frage zur plastikfreien Zahnpastatablette „Was sagen eigentlich Zahnärzte hierzu?“ blieb unbeantwortet. Jedoch stellten wir einmal mehr fest, dass Wandern und die Berge, trotz aller Anstrengungen, wohl die schönste Art der Fortbewegung ist und einen alle größeren und kleineren Probleme, zumindest für eine Weile, vergessen lässt. 

"Ein kleines, aber intensives Stück Glück
oben in den Bergen. Das ist es.
Der Weg dorthin ist Schweiß, ist Fels, ist Eis,
übersät mit Stolpersteinen und Glücksperlen."

- unbekannt


Die drei großen Lügen der Hüttenwanderungstour:

1. Diesmal wird's nicht so schlimm
2. Schau mal, da vorne gibt's ein Bergtaxi
3. Nach der Sulzenauer Hütte steigen wir dann auf direktem Weg ab


Die drei besten Witze der Tour:

1. Kristin isst keinen Honig. Sie kaut Bienen.
2. Kristin hat alle Pokemons gefangen. Mit dem Festnetztelefon.
3. Kristin bekommt bei Praktiker 20% auf alles. Auch auf Tiernahrung.











Hätte, hätte, Fahrradkette!

"Spürt ihr auch diese Wärme am Rücken? Schaut doch mal, die Sonne kommt als mehr raus."

Man muss es sich nur passend reden! - diese Weisheit gab uns Mama Jutta mit auf den Weg, der uns ins vernebelte und nieselnde Sauerland führen sollte.

Zuvor waren wir um 8:30 Uhr mit Zug und Bahn von Herborn ins Dietzhölztal gestartet und nahmen bei Grau-Service-Catering ein 5-Sterne Frühstücksmenü ein. "Da kann das Cafe Zeitlos einpacken" - schmatzte Löön freudestrahlend, als sie bereits zum zweiten Kochschinken-Remouladen-Brötchen mit Salat- und Tomatentopping griff. Eine Flasche Sekt, Bohnenkaffe, frischer Minztee und saftige Zitronenscheiben verfeinerten das Buffet. Auch der griechische Himbeerjoghurt soll nicht unerwähnt bleiben, den Becks als letzte Henkersmahlzeit zu sich nahm, bevor sie wenige Minuten später ihrem Schicksal in die Augen sehen musste. "Sie sagten es würde nicht so schlimm wie am Rothaarsteig!“, jammerte Becks. "Mach dir keine Gedanken", wirkte Mama Jutta beruhigend und einfühlsam auf sie ein, "Ich hole dich, wenn irgendetwas ist."

Mit diesen seelsorgerischen Worten, die uns die nächsten zwei Tage begleiten sollten, sattelten wir die Canyon-Flotte und radelten schwungvoll dem Alpenhaus entgegen, das irgendwo im Nirgendwo des tiefsten Sauerlandes liegt. Und wenn ich schwungvoll schreibe, so meine ich damit die ersten 1,5 Kilometer, welche strack berghoch führten und uns in der ersten Kurve den sofortigen "Zip-Off"-Modus aktivieren ließen. Schweiß gebadet und noch 51,1 Kilometer vor uns, radelten wir die nächsten 10 Kilometer weiter bergauf. Ein Ende des Weges war nicht zu sehen, dafür ein märchenhafter, fast tropenhafter, Nebelwald im Dietzhölztaler Waldherzen.

Am Tage zuvor hatte es noch aus Kübeln gegossen und so machte sich der feuchte und klitschige Untergrund insbesondere auf den Verwurzelungen bemerkbar. "Ich seh den Schlüsselbeinbruch schon mir!", warnte ich mehrfach, während die anderen frohen Mutes und problemlos das Holzmaterial überquerten. Kurz vor Erreichen der Ilsequelle lederte es mich dann aus dem Sattel und ich stürzte kopfüber ins Gras. Außer ein paar blaue Flecken und einem Tennisarm-ähnlichen Schulterzustand, blieb ich jedoch unverletzt. Die nächsten unfreiwilligen Pausenstopps mussten wegen Kristins Fahrradkette eingelegt werden, welche schlimmere Geräusche von sich gab, als ein ausgemusterter Trabbikatalysator. Die wunderbare Stille des Waldes wurde permanent von einem ungesunden Kettenknacken unterbrochen. "Kristin, nun schalt‘ doch mal richtig" mahnte Löön. "Ich schalte doch gar nicht!“, verteidigte sich Kristin mehrfach. "Ob das mal bis zum Ende der Reise gut geht" dachte ich mir, während Becks innerlich jeden Kettenstopp wie einen Geburtstag feierte. "Immer diese Gewaltstouren! Könnt ihr euch nicht mal einen Höhenweg ausdenken, der nicht ständig runter und wieder hochgeht?!"

Nachdem sich Löön und Kristin auch noch mal mit dem Rad gelegt hatten, Kristins Kette alle drei Kilometer instandgesetzt werden musste und die Reisegruppe bergauf wegen Becks und bergab wegen mir, pausieren musste, trat bei Kilometer 44 das absolute Desaster ein. An einem, fast senkrecht bergauf führendem, Wandtrailstück, stoppte Kristin ruckartig und fluchte lautstark: „Jetzt ist alles im Argen!" Die Kette ging nicht mehr vor und nicht mehr zurück. Becks leistete Erste Hilfe und auch Löön und ich begutachteten die Sachlage ratlos. Irgendetwas hatte sich völlig verhakt. Nach viel Grübelei fanden wir jedoch den Übeltäter des Geschehens: PLASTIK! Eine undefinierbare Scheibe, die sich - aus welchen Gründen auch immer - in der Nähe der Kette befand, hatte alles verhakt. Mit vereinten Kräften (ich agierte nur als aufmerksamer Zuschauer), wurde dieses unnütze Plastikobjekt mit Schere, Taschenmessersäge und viel Gewalt aus dem Rahmen entfernt. "Passt auf das Mikroplastik auf!" mahnte ich an und Löön verstaute es behutsam in ihrem mitgebrachten Müllbeutel.

Nach einer gefühlten Unendlichkeit, setzten wir die Reise fort und erreichten schlussendlich nach acht strammen Stunden unser Ziel, das Alpenhaus. Vier Russ, zwei Sektdosen und viermal Schnitzel mit Champignonweißweinsoße - erschöpfte Frauen können sehr pflegeleicht sein. Jeder noch mal duschen und dann direkt in die Horizontale. "Ich glaub’ ich will mich morgen abholen lassen, Mama Jutta!" heulte Becks und "Meine Schulter, ich glaube ich habe einen Tennisarm!" weinte ich. Selbst Löön war zu keiner weiteren Handlungstat mehr fähig, nur Kristin-the-Machine war still on-fire und hätte am liebsten die Nacht zum Tag gemacht. "Mit euch ist echt nichts mehr los!“ monierte sie. Doch das konnten wir nicht mehr hören, waren wir alle bereits in einen erholsamen Tiefschlaf gefallen.

Am nächsten Morgen saßen wir geputzt und gestriegelt mit allen Gästen der Hütte um Punkt 8:30 Uhr beim Frühstück. Es wurde 8:45, 9:00, dann 9:15, bis Kristin den Wirt aus dem Bett klingelte und wir um 9:45 Uhr endlich unseren Kaffee und Brotutensilien erhielten. "Na prima, unsere Planung sah eine Abfahrt um halb zehn vor.", stellte Löön trocken fest. "Dann müssen wir heute mal einen Zahn zulegen. Es stehen 70 Kilometer auf auf dem Programm." Und in diesem Moment fiel Becks wohl alles aus dem Gesicht. 

Um 10:30 Uhr verließen wir endlich die feine, urige Alpenhütte und starteten unseren Weg Richtung Herborn. Unendliche Höhenmeter, klitschige Abfahrten und Nieselregen begleiteten uns auf unserer Etappe. Ein ständiger On- und Offzipmodus wurde angewandt bis ich endgültig kapitulierte und die Regenjacke einfach ausließ. "Es schickt mir jetzt!" Außerdem hatte ich genug Adrenalin und Angstschweiß von den Abfahrten intus, sodass ich kaum in den Gefriermodus gelangte. Becks war unterdessen überhaupt nicht mehr ansprechbar und checkte regelmäßig die Netzverfügbarkeit, um Mama Jutta anwählen zu können. Von Anstrengung und Schweiß war dafür bei den beiden Doppelmaschinen, die synchron ihre Wege bergauf bestritten, nichts zu sehen. Kristin-the-machine und Löön (halb Mensch, halb Maschine) ließen die Fahrt so aussehen, als würden sie das mal eben aus dem Ärmel schütteln. Ich musste neidlos anerkennen, dass ich wohl doch nur ein kleiner Rohrantrieb war.

"Leute, ich ruf jetzt Mama Jutta an." An Kilometer 50 warf Becks die Flinte ins Korn und wählte die Nummer. „Hallo?" -

„Hier ist Becks, eine von den verrückten Mädels, die mit deiner Tochter unterwegs ist.“ Und in einer Engelsstimme sprach Mama Jutta am anderen Ende: „Darf ich dich abholen, du armes Kind?"

Wir kehrten allesamt kurzentschlossen nochmals in Ewersbach ein und wurden mit einem Kaffeemenü, Obstsalat und vielen anderen Herrlichkeiten überrascht. Es war wie im Himmel. Die Augen von uns Vieren leuchteten und wir waren glückselig vor Freude. Welch grandioses Highlight auf dieser Tour!

Von Ewersbach waren es dann nur noch wir drei, die weiter nach Herborn strampelten. "Bitte den einfachen, schnellen Radweg. Mehr schaffe ich heute nicht" Und so wählten wir die trostlose Trashroute, entlang der Bundesstraße, Häusern und Industriegebilden. "Welch ein Trauerspiel.", bemerkte Löön, doch wir waren alle heilfroh, als wir den Istanbul-Döner in Herborn erreichten und ein letztes Mahl zusammen einnahmen. "Geschafft!", stießen wir mit dem letzten Dosenprosecco an und ließen uns, den in Knoblauchsoße-getränkten Döner, munden.


2 Tage - 125 Kilometer - 2212 Höhenmeter


Die drei großen Lügen der Mountainbiketour:

1. Das war der letzte Berg

2. Gleich wird nur noch gerollt

3. Frühstück gibt's um halb neun









Green rocks! - Hurricane Festival 2019

And I'll find strength in pain
And I will change my ways
I'll know my name as it's called again.


'Cause I need freedom now and I need to know how
To live my life as it's meant to be


- Mumford and Sons


"Auf was habe ich mich hier nur wieder eingelassen?!" Mit unglaubwürdigen Augen überflog ich die Festival-Packliste von Löön und fragte mich wie ich die nächsten 4 Tage "Leben außerhalb der Komfortzone" überstehen sollte. "Gummistiefel? Besitze ich so etwas überhaupt?" Es war doch bestes Traumwetter vorausgesagt! Gedanklich malte ich mir ein worst-case-Szenario mit verschlammten Zeltplatz, ohrenbetäubender Musik und zerstörten Alkoholeichen aus. "Sind wir für so was nicht einfach zu alt Löön?"

Doch es gab kein Zurück mehr. Löön beharrte auf den Top-Headlinern des Wochenendes und dass uns eine grandiose Musikauswahl, wie diese, nie wieder unterlaufen würde. "Na gut.", räumte ich ein, "aber was ist mit Strom und warmen Duschen?!" "Geduscht wird auf einem Festival nicht! Und Strom kannst du direkt von deiner Liste streichen." Eine Festival erprobte Löön, die bereits sämtliche Rock-am-Ring Unwetterszenarien durchlebt hatte, wusste einfach wie der Hase lief. Ich gab also klein bei und fügte mich der Situation, hatte ich Löön eh schon die ganze Arbeit hinsichtlich Erwerb der Karten, Organisation der Fahrt und Planung der Campinggestaltung überlassen.

Mit vollgepacktem Kofferraum, der einen Essensvorrat von drei Raviolidosen, zwei groben Bratwürsten, zwei Chili Käsebrutzlern und 4 Steaks vom Korting beherbergte, düsten wir also am Donnerstagmorgen Richtung Norddeutschland und erreichten, in nur 7 anstatt 4 Stunden, den 12.000-Einwohner Ort Scheeßel in Niedersachsen. Von dort aus wurden wir ganz unkompliziert auf einen Rasenparkplatz eingewiesen, der sich bedauerlicherweise als der weitest, möglich entfernte Punkt vom eigentlichen Campingplatz herausstellte.

Beladen wie Gebirgsesel, schritten wir im Schildkrötentempo Richtung Festivaleingang. Mit zwei Rucksäcken, einer Isomatte, einem Campingstuhl und drei Taschen unterm Arm, stellten wir uns einmal mehr die Frage was wir an "Es reist sich besser, so viel besser, mit leichtem Gepäck" eigentlich nicht verstanden hatten. "Die Packliste werde ich noch dieses Wochenende reformieren!" betonte Löön. Und ich schaute wehmütig, den mit uns marschierenden Festivalgurus hinterher, die Boller-, Einkaufs- und Kinderwagen umfunktioniert und sich als unterstützendes Transportmittel zu Nutze gemacht hatten. Als wir erschöpft und halbtot nach einem Kilometer endlich den Eingang zu "Grüner Wohnen" erreicht hatten, wurden wir on-demand des Feldes verwiesen. "Wo habt ihr denn eure Festivalbändchen?" Löön und ich schauten uns ungläubig an. "Wie, gibt es die nicht hier?" "Nein, bitte einmal Retoure und 500 Meter zurück. Euer Zeug könnt ihr übrigens nicht hier stehen lassen."

Ich erinnere mich noch, dass ich an diesem Punkt das Festival bereits für mich abgehakt und zu den Dingen "Nie wieder im Leben" abgelegt hatte. Doch wie so oft im Leben, verändern sich die Dinge doch recht zügig. Lööns altbekannte Festivalkameraden aus dem hohen Norden wurden unsere Helden des Tages - und wenn man es genau nimmt - auch eigentlich des ganzen Wochenendes. Die drei "Nordlichter" schnappten sich unsere Ladung Gepäck und bauten auch mal eben unser Zelt auf, während wir Festivalbändchen und die restlichen Sachen aus dem Auto holten. Zur Krönung stand unter dem Pavillon der Jungs auch gleich noch eine besonders gute und eisgekühlte Cuba Libra Mischung für uns bereit. "Alles richtig gemacht." Und unter den ersten Klängen der Wildlife-Bühne und einigen edlen Endgetränken, stießen wir auf den ersten Abend auf dem Hurricane Festival an.

Bereits nach der ersten Nacht stellte ich fest, dass die Isomatte viel zu dünn, oder ich einfach viel zu verwöhnt war. An unserem Zelt verlief zudem der Hauptverkehrsweg zu den sanitären Anlagen, der bereits am frühen Morgen hochfrequentiert war. "Schau mal Löön, die gehen alle duschen." und meine Augen leuchteten. "Es wird nicht geduscht, wir sind auf einem Festival." Enttäuscht setzte ich mich an den Campingtisch und Löön setzte warmes Wasser für Kaffee und Tee auf, während sich die Nordlichter, ganz Festival-like, mit Eistee am Morgen versorgten. Der weitere Tagesablauf bestand aus Würfeln, Erkunden des Festivalgeländes und Besuch des Combi-Marktes. Dieser Combimarkt war ein riesengroßes Zelt mit sämtlichen Lebensmitteln und Utensilien, die man auf einem Festival so braucht. Gekühltes Bier, 5-Minuten Terrinen, Holzkohle, Zahnbürsten und Kopfschmerztabletten. Was will man mehr?! Außerdem war es gleichzeitig der einzige Point an dem man WLAN erhielt, da auf dem restlichen Gelände rein gar kein Empfang herrschte. Noch nicht einmal der gute alte SMS-Versand war möglich.

Mittags warfen wir das Fleisch auf den Grill und zogen anschließend zu den Hauptbühnen, an denen am Freitagabend "Bosse", "Papa Roach" und "Die Toten Hosen" ordentlich für Zündfeuer sorgten. Aufgrund eines leichten Schwächeanfalls und einer nicht vorhandenen Portion IBUs, musste ich jedoch den Weg zurück ins Camp aufsuchen. War aber gar kein Problem, Campinos Stimme war noch tief bis im letzten Zelt lautstark zu hören.

Am nächsten Morgen traumhaftes Wetter. Zudem stellte ich fest, dass mobile Datennetze zwischen 5 und 7 Uhr in der Früh nutzbar waren und das sogar in LTE-Qualität. Und nachdem selbst zwei von drei Nordlichtern die Duschen aufgesucht hatten, gab auch Löön die Lizenz für frisches Wasser frei. Ab dem Morgen duschten wir jeden Tag. Und ich war glücklich.
Besonders froh waren wir auch darüber, dass wir uns für "grüner Wohnen" entschieden hatten. Der Campingbereich versprach mehr Ruhe und weniger Müll durch gleichgesinnte Mitcamper. Es lagen zwar immer noch genug Dosen herum und Ruhe kehrte auch immer erst um 3 Uhr nachts, nach den täglichen Aftershowpartys, ein. Aber ich vermag mir gar nicht auszumalen, wie so ein Wochenende in "Normalform" abläuft. Dann doch lieber die Light-Variante.

Der Samstag wurde "mein Tag". Mittags schauten wir uns noch die Empfehlung von Löön "Schmutzki" an, die für ordentlich Staubaufwirblung auf der Forest Stage sorgten. Später dann ein Highlight nach dem nächsten. "Flogging Molly", "Bloc Party", "AnnenMayKantereit" und "Mumford and Sons" -  so viel gute Musik kann man eigentlich gar nicht auf einmal hören. Jedoch mussten wir auch erkennen, dass Nordlicht "Marc" rein gar nichts mit der samstags Playlist anfangen konnte und nicht einmal von "Pocahontas" überzeugt wurde. "Und wegen dem Lied haben wir jetzt zwei Stunden hier gewartet?!" fragte er ungläubig Nordlicht "Stresie". "Das war ja mal nichts! Also da habe ich mir ja deutlich mehr erwartet!".

Am vorletzten Festivaltag glühte der Feldboden bei Temperaturen von weit über 30 Grad. "Schau mal Löön, ich bin braun geworden" freute ich mich. "Nein Juli, das ist nur Staub." Wir waren zu nicht viel mehr in der Lage als unter dem Pavillon in unseren Campingstühlen zu sitzen und dem Menschenstrom zuzusehen, die mit Kulturbeuteln, Wasserkanistern und verschmutzem Geschirr unser Zelt Richtung Waschpoint passierten. Stresie und Sunny hatten ihre kleinen Wasserpistolen aktiviert und sorgten mit einer spritzigen Erfrischung, bei den teilweise dehydrierten und erschöpften Campern, für ein Lächeln im Gesicht. Löön und ich manövrierten unterdessen ein letztes Mal den Dosenöffner in das Raviolibehältnis, was uns bereits am ersten Tag nicht wirklich gelang. "Weißt du eigentlich, dass ich überhaupt keine Ravioli mag?" "Ich auch nicht Juli, aber das ist nun mal Hauptbestandteil einer echten Festivalerfahrung," Aus lauter Verzweiflung hauten wir uns auch noch die Bundeswehrverpflegungsration "Thunfisch mit Lemon und Pfeffer" als Beilage dazu. Es schmeckte fürchterlich. "Heute Abend holen wir uns noch mal Pakistanisch auf dem Festivalgelände." "Ja, oder einen Falafelwrap."

Für den grandiosen Abschluss des Hurricane Festivals sollten die "Foo Fighters" und die legendäre Band "The Cure" sorgen. The Cure machte den Anfang und wir wussten auch eigentlich gar nicht mehr so richtig was die eigentlich singen, aber "war ja ne Kultband". Zwei Stunden schläferte uns das synthetische Pop-Geduldel ein, bevor wir doch noch rechtzeitig die Reißleine zogen und uns frühzeitig am zweiten Wellenbrecher für die Foo Fighters positionierten. In einer Oberhammer-Show lieferten Dave Grohl und seine Bandkameraden eine Rock-Show vom Allerfeinsten ab. Absolutes mega Highlight am letzten Abend! Kann man nur jedem ans Herz legen.

Glückselig und mit einer Falafelbox in der Hand, verließen wir das Bühnengelände und verabschiedeten unsere Nordlichter, die noch in der Nacht abreisten. Auf einem halb leer gefegten Campingplatz wachten wir am nächsten Morgen auf, ließen noch einmal die Sonnenstrahlen während des Zähneputzens auf uns scheinen und düsten dann Richtung Heimat.

Was für ein legendäres und unvergessliches Wochenende. Unfassbar gute Livemusik, tolle Stimmung, super Organisation des Veranstalters und neue Freundschaften aus dem Norden.
"Das nächste Mal nehmen wir aber ein Wohnmobil" grinste Löön. "Ich bin froh, dass du es sagst." lachte ich erleichtert.


It's times like these you learn to live again
It's times like these you give and give again
It's times like these you learn to love again
It's times like these, time and time again

- Foo Fighters  








Bembel without care

Um 6:31 Uhr in der Früh zischte die erste Dose Apfelwein-Cola nach Betätigung der Öffnung. Prosit und hoch die Tassen! Auf nach München mit dem FC Bayern Fan-Bus!

Knapp 3 Wochen und verschiedene Plastikaufklärungsevents zuvor, sah ich mich noch im CC einer Beschwerdemail, die von Löön an die Kelterei Krämer gerichtet war, bei der wir die pfandfreien Bembel-with-Care Aluminiumdosen reklamierten, die wir zu hunderten in der schönen Natur des lovely Lahn-Dill-Berglandes aufgefunden hatten. Im Rahmen dieser Landschaftssäuberungsaktion hatten wir uns vehement über Hersteller und Verbraucher dieses Dosenproduktes aufgeregt und letzendlich von der Kelterei Krämer erfahren, dass Dosenpfand auf weinhaltige Produkte mit einem Weingehalt von über 50% von dem Gesetzgeber nicht vorgesehen ist. Wieso, weshalb und warum weiß kein Mensch, aber politische Regelungen sind nun mal für das einfache Volk nicht nachvollziehbar.

Und somit gab es für uns Plastikrebellen nur eine einzige Möglichkeit des Protestes: Boykottierung von pfandlosen Dosen!


All dies schien vergessen zu sein, als ich samstags morgens den Bus in Herborn bestieg und mich neben den Kreisligalegenden aus Guntersdorf, Gusternhain und angrenzenden Gemeinden platzierte. Zur Begrüßung reichte mir Marc das Willkommensgedeck "Dreierlei", bestehend aus einem "Hellen", einer Flasche Radler und dem oben bereits erwähnten Dosenprodukt. "Na bravo!", dachte ich mir. "Davon darf niemals Löön erfahren!" Als sich um 6:05 Uhr auch endlich "Schobbe-Ingo" im Bus eingefunden hatte, konnte die Reise nach München zum Spiel gegen Werder Bremen starten. Nur eine halbe Stunde später waren bereits die ersten "Hellen" geleert und man stimmte schon zu "FC Bayern forever Number one" mit zischenden Bembeldosen ein. "Wie soll ich das nur die nächsten 6 Stunden aushalten?!" dachte ich mir, doch sah ich es letztlich sportlich, als Vorbereitung auf den anstehenden Malle-Trip. Mit den Endgegnern Marie, Steffi, Saskia und Janina, musste es während des Mannschaftstrip im Juni schließlich aufgenommen werden.

Wir hatten noch keine 15 Kilometer bewältigt, da hielt der Bus mitten auf der Autobahn an, um "Leitplanken-Dieter" irgendwo zwischen Ehringshausen und Wetzlar aufzugabeln. "Das geht schon 15 Jahre so", erklärte mir Marc, "Funktioniert immer." Kopfschüttelnd hatte ich mich mittlerweile mit Mareike ausgetauscht, eine von drei Frauen on board des Busses. "Das wird nachher noch anstrengend mit den Jungs." informierte sie mich. "Ach wirklich?" erwiderte ich und im selben Moment stimmten die Männer in Gesänge wie "Wer wird deutscher Meister? Borussia BVB" und "Scheiss Werder Bremen" ein.

Nach der ersten Raststelle fragte mich Marc dann, ob ich auch meine Print-at-Home-Tickets dabei hätte, worauf ich nur erwiderte "in welchem Jahrhundert wir den leben würden" und dass ich die selbstverständlich nicht in analoger Form vorliegen hätte. "Think before you print" "Save the the trees" - um nur ein paar Schlagworte zu nennen. Entgeistert schaute mich Marc an und versicherte sich nochmals "Hast du die Print-at-home-Tickets jetzt echt nicht dabei?? Ich hab dir die doch per Mail geschickt." Und ich lachte erst, dachte er wolle mich nur schocken, bis wir dann beide feststellten, dass wir es beide ernst meinten. In meinem SPAM-Ordner entdeckte ich dann endlich die Mail vom "Euro-Dietrich", welche keine digitale Form des Stadiontickets vorsah, wie es bei Tickets für Flüge, Busse, Bahn und Konzerten seit Jahren der Fall war. "Das ist jetzt echt nicht wahr! Wie rückständig ist dieses Bayern denn nur?!"

Glücklicherweise sollte mein Cousin Michi in München noch zu uns stoßen, dem ich on-demand die Aufforderung zusandte, die Tickets "at home" auszudrucken. Auch er musste hierfür mehrere Stockwerke seines Hauses durchforsten, bis er einen Mitbewohner antraf, der noch einen Drucker besaß.

An der zweiten Raststellenmöglichkeit schlug mir die bis dahin unbekannte Realität eines Bundesligawochenendes ins Auge. Fußball-Massentourismus auf Deutschlands Autobahnen und Raststellen pur! Wir standen zwar während der ganzen Hin- und Rückfahrt nicht einmal im Stau, trafen jedoch ausnahmslos auf entsprechende Fanbusse. So als wäre die gesamte Autobahn nur für den Bundesligaverkehr reserviert gewesen. Unfassbar!

Nach gefühlten zwanzig Kisten Bier und Bembeldosen erreichten wir bei strahlendem Sonnenwetter gegen 12:30 Uhr das Stadion und kehrten beim Insider-Treff "Südkurve - unsere Kurve unser Leben" auf weitere Endgetränke ein. "Schobbe-Ingo" hatte es zu diesem Zeitpunkt bereits geschafft weder Vor- noch Rückwärtsgang einlegen zu können und sah sich auch nicht mehr in der Lage seine Flasche Augustiner in waagerechter Position halten zu können, weshalb er noch vor Spielanpfiff auf den nahegelegenen Wiesn' gebettet werden musste. Unterdessen hatte auch mein Cousin uns am Wagon der links-geprägten Ultras, der Münchner Schickeria, aufgefunden und überreichte in letzter Sekunde die Print-at-home Tickets. 

Wenig später fanden wir uns in der Südkurve, des 75.000 Menschen fassenden Stadions, ein. Mit Megafon, Fahnen und Trommelschlägen wurden die Ultrafans, unter denen wir uns nun auch befanden, voll eingeheizt und zu Fangesängen animiert. Eine Wahnsinns-Stimmung! Mit "Von der Elbe bis zur Isar", "Wir wollen die Bayern siegen sehn" und "FC Bayern, lala lalala lala" lernten wir neue, stimmungsvolle Lieder, während die erste Halbzeit vor uns ablief, wir jedoch aufgrund der überwältigenden Fahnenkultur nichts zu Gesicht bekamen. Dies war zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht tragisch, kam auf dem Platz so rein gar nichts sehenswertes zustande, so dass die Anzeigetafel nur immer dann interessant wurde, wenn der Ergebnisdienst mal wieder ein Tor in Augsburg meldete, was so etwa alle 5 Minuten passierte.

In Hälfte zwei wechselten wir von der Südkurve in Block 117, in dem wir das Spiel nun hautnah zu sehen bekamen. Es blieb zwar weiterhin torlos, vergaben die Bayern jede nur erdenkliche, hundertprozentige Torchance durch fragwürdiges, immer wieder auflegendes Passspiel im Sechzehner des Gegners, so als wäre Ziel des Spiels nicht das Toreschießen, sondern des Balls im Spiel halten. Aber immerhin nahm sich dann irgendwann der Innenverteitiger der Bayern (Niklas Süle, Nummer 4 :-)) ein Herz und sorgte für das erlösende 1:0, um im Kampf um die Meisterschaft noch mitmischen zu können. Wie wir später erfuhren, hatte sich auch "Schobbe-Ingo" zwischenzeitlich wieder ins Zuschauergeschehen eingemischt und verfolgte den Siegtreffer wenigstens per TV-Screen im Paulaner-Treff. Andernfalls hätte ich mir hinterher doch noch das schöne, weinrote T-Shirt mit weißer Schrift "Diffidate con noi" - "Ausgesperrte immer mit uns" zugelegt.

Um 18 Uhr schepperten wir dann fast vollständig zurück in die Heimat. Nur "Leitplanken-Dieter" hatte sich von uns abgeseilt und den schnelleren Bring-Home-Service "Bla bla Car" aktiviert. Weitere 6 Stunden Rückfahrt im alkoholisiert, duftenden Fanbus standen dem Rest von uns bevor. Ein besseres Malle-Training hätte ich gar nicht bekommen können. Nachdem wir gegen 21.30 Uhr noch mal auf der Würzburger Raststätte eingekehrt waren, traf ich noch ein letztes Mal auf meinen Dosenfreund, den Bembel. Er hatte sich die ganze Zeit über immer dicht bei mir aufgehalten, war mir nie von der Seite gewichen, um mich immer wieder daran zu erinnern, dass Plastikfasten und Dosengegnertum auch keine Lösung sind. Ich hatte ihn fast sympathisch und auch beinahe schmackhaft empfunden, als er dann aber gegen 21:48 Uhr hinterrücks zuschlug, als ich mich auf meinen Sitzplatz wieder einfinden wollte. Es schepperte kurz und die fast volle, bereits geöffnete Dose, entleerte sich klebrig über meinen Knien und dem Boden. Danke für nichts Bembel! Für immer aus meinem Haushalt gestrichen! #bembelwithnocare

Schön war's trotzdem in München. Und so eine Busfahrt im Fanmobil muss man als echte(r) Kreisligafußballer(in) mal gemacht haben. Gehört genau wie diese Malle *Gruppenzwang* Pflichtveranstaltung, trotz aller Nachhaltigkeitsbedenken, zum Leben dazu!

@Marc: Wann fliegen wir in die Champions-League? ;-))








All you need is less.

Kristin fliegt nach Nepal und befindet sich auf abenteuerlicher Trekkingtour im Himalayagebirge. Tanja und Christof senden malerische Sehnsuchtsfotos aus Andalusien und Löön + Daniel begeben sich in alpine Bergregionen zur letzten Abfahrt vor Skisaisonladenschluss. Nur ich sitze zu Hause und bewache das kleine Dillkind-Office, damit kein Abwesenheitsassistent aktiviert werden muss und mögliche Müllanfragen beantwortet werden können. 

5 Monate. Kein Flugzeug, kein Reisepass und auch keine klitzekleine Grenzüberquerung (sofern man das Siegerland nicht einberechnet). Solange hatte ich es noch nie ausgehalten. Anstatt Plastikfasten, der Verzicht auf Fernwehreisen. Etwas, was wirklich weh tut. Doch sah ich den warnenden Zeigefinger von Greta Thunberg über mir schwingen, hatte ich mein Kontingent an Flugreisen schon lange aufgebraucht.

Zuhause war es ja auch schön und die Welt konnte man heutzutage ja auch zu genüge aus der Ferne betrachten. Während man also auf der Welt überlegt den Mond und den Mars zu besiedeln und es möglich ist einen Tesla ins All zu schießen und man außerdem offensichtlich in der Lage ist das Schwarze Loch fotografisch abzulichten, beschäftigen wir uns mit der Frage warum am Brutzelsonntag, kulinarische Waren noch auf Plastikeinweggeschirr ausgegeben werden. 
Auch bei diversen Müllsammelaktionen wunderten wir uns einmal mehr über den ein oder anderen Fund, der uns zum Grübeln brachte. Ob es den guten, frisch gezapften Apfelwein erniedrigt, weil er in Dosen nicht pfandwürdig ist und das Leergut somit unwillkürlich in der Umwelt landet? Warum die Capri-Sonne noch keine Rebellion gestartet hat, wird sie schon seit 1969, in der damals modischen Aluminiumhülle serviert und hätte doch längst ein neues Gewand des aufgeklärten 21. Jahrhunderts verdient? Oder vielleicht die Grundsatzfrage, warum da, wo Autos fahren oder stehen, besonders viel Müll zu finden ist? 

Macht Bequemlichkeit gleichgültiger? 

6 Monate ohne Flugreise werde ich durchhalten. Danach spiele ich die Jokerkarte „Gruppenzwang“ aus, um mit meinem Team für ein paar Tage in das wahrscheinlich unnachhaltigste Urlaubsgebiet überhaupt zu fliegen. Kompromisse gehören nun mal zum Leben dazu. Und solange kein Riegel vor Billigreisen, Billigflüge, Billigfleisch und Wegwerfgesellschaft geschoben wird, wird sich daran auch nichts ändern. 

Es muss ein Umdenken stattfinden, vor allem da wo man auf einem überaus hohen Niveau lebt.

„Unsere Biosphäre wird geopfert, damit reiche Menschen in Ländern wie meinem in Luxus leben können. Es sind die Leiden der Vielen, die für den Luxus der Wenigen bezahlen.“ - Greta Thunberg


Hoffentlich haben wir Schnee...

Gastbeitrag von Rebecca Dittmar (becks)

Es war endlich soweit: Kaprun.
5 Tage Ski- und Boardfahren - blauer Himmel, Pulverschnee und Sonne pur lagen vor uns. Wir konnten es kaum erwarten.

Soweit die Theorie.

Die Anreise verlief trotz dramatischen Schneechaosmeldungen aus good old Germany problemlos. Kristin steuerte den Wagen mit höchstgrößter Sicherheit in 8 Stunden ans Ziel. Außer den üblichen Vorkommnissen (Löön schrie eine Stunde nach der Abfahrt nach den ersten Nahrungsmitteln, Becks kämmte sich 105x die Haare und Resi verschlief 3/4 der Autofahrt) gab es nichts und niemand, was uns aufhalten konnte. 

In unserer Unterkunft Pension ChristophOOOrus wurden wir herzlich begrüßt. Nicht. 
Kristin versuchte mal wieder aus ihrer Schwerbehinderung Profit zu schlagen und wollte eine Skipassvergünstigung für sich raushauen, dies wurde jedoch direkt von der Herbergsoma im Keim erstickt. 
‚Des bringt bei unsch gor nix, do müssen‘s an de Skikoasse froagn.‘ Enttäuscht rauschten wir ab und bezogen unsere schönen Zimmer. Nach dem Einrichten folgte eine kurze Ortsbegehung, Brotzeit und Spielsession und dann wurde der Abend zügig beendet. Wir hatten schließlich die nächsten Tage noch viel vor.

Tag 1: Schnee. Viel Schnee. Wolken. Viele Wolken. Sozusagen trüb, bedeckt, null Sicht und Dauerschnee. Jackpot Leute. Egal, auf nach Zell am See. Ab in die Gondel, auf die Bretter und die Piste runter. Die war übrigens im Topzustand. Wenigstens den Pulverschnee hatte man uns gegönnt. Am Ende des Tages kurzes Abklatschen: Tag 1: verletzungsfrei. Check. ✅
Unten wartete der Pavillon mit Apres Ski, Radler (ist kein Alkohol, ja wir wissen es) und Feigenschnaps (Fehlkauf). Zuhause angekommen wurden wir grandios bekocht. Ivana, unsere neue Mitreisende, hatte ihren halben Haushalt mitgenommen, um uns jeden Abend etwas aufzutischen. Ihre Kochkünste: Hammer. Ivana du darfst jederzeit wieder mit😉😍 
Spieleabend. Boarding. Bett. Skiurlaub kann so einfach sein.

Tag 2: Schnee. Viel Schnee. Wolken. Viele Wolken. Sozusagen trüb, bedeckt, null Sicht und Dauerschnee. Jackpot, Leute. 
‚Heute gehts auf den Gletscher, Leute, wenigstens mal gucken’ quakte Löön zwischen 5 Brötchen und 3 Müslischalen. Becks nahm ihre tägliche Tablettenration gegen die mitgebrachte Erkältung und Kristin bestellte sich erstmal Tee, Kaffee und warmen Kakao. Was kostet die Welt? - ist ja alles inklusive. Resi gab wie jeden morgen die Wetterprognose von ihren 48 Apps zum Besten. Leider konnte keine mit auch nur einem Hauch Sonne punkten. Naja, bestimmt wird es morgen besser. 
Punkt 8.52 Uhr (und damit noch eine Dreiviertelstunde früher als gestern) betraten wir den Skibus Richtung Gletscher. Oben angekommen holte man uns auf den Boden der Tatsachen zurück. 2 offene Pisten (von 17). Wow. ‚Ach, da oben ist es bestimmt besser, wir sind doch über den Wolken’ schmetterte Resi und stürmte Richtung Seilbahn. Wir hinterher. Oben angekommen wurden wir schnell eines Besseren belehrt. Lawinengefahr 4, Sturm, Schneeverwehungen, -14 Grad und null komma null Sicht. Bravo, so macht Ski fahren Spaß. Wir trotzten dem Wetter und fuhren soweit hoch, wie es möglich war, um uns dann völlig blind wieder nach unten zu arbeiten. ‚Leute, das ist schon bissi gewagt, was wir hier machen‘ merkte Ivana an (wahrscheinlich überlegte sie gerade, welchen Verrückten sie sich angeschlossen hatte) und wir stimmten mit ein. ‚Ja, aber wenn wir hier fahren können, dann können wir überall fahren‘ merkte Löön an. Das hier ist sozusagen die Quali für alle Pisten. ‚Leute, ihr müsst einfach auf das vertrauen, was ihr könnt, dann geht das schon‘, versicherte Resi. Kristin merkte kurz an, dass die Pistenschilder nicht mehr zu erkennen seien, aber ihr Einwand verpuffte im Wind. Becks drehte ihr Board Richtung Berg, erinnerte sich noch kurz an Resis Parole und fuhr los. Völlig blind ins Nichts. Nach 50m fand sie sich auf dem Boden der Tatsachen wieder. Von oben bis unten mit Schnee bedeckt. Aber wenigstens unverletzt. Danke Resi. 
Nach 2 Stunden Qualifikation gaben wir auf. ‘Es gibt ja hier noch einen anderen kleinen Berg direkt vor der Haustür’ merkte Löön an. ‘Der reicht doch für den Rest des Tages.’ Und so machten wir uns auf den Weg dorthin. Der Maiskogel. Unser Hausberg. Was ein wunderschöner Berg mit blauen und roten Pisten und genau richtig, um sich nach dem Gletscher-Desaster mal wieder etwas Fahrvermögen anzueignen (die Sommerpause ist ja schließlich immer recht lang). Zu fünft im Sessellift Richtung Berg nach oben gab es plötzlich 5 laute ‘Aaaaaaaaahhh..’ und die halbe Piste unterhalb guckte nach oben. Was geschehen war? Ach, lediglich ein 10x10 cm großes, blaues Loch in dem grau verhangenen Himmel, das natürlich gebührend gefeiert wurde. ‘Jetzt wird es, Leute, ab morgen scheint die Sonne’ rief Resi. Und unserer Zuversicht waren keine Grenzen mehr gesetzt. Am Ende des Tages kurzes Abklatschen: Tag 2: verletzungsfrei. Check. ✅

Tag 3: Schnee. Viel Schnee. Wolken. Viele Wolken. Sozusagen trüb, bedeckt, null Sicht und Dauerschnee. Jackpot, Leute. 
Heute waren wir schlauer. Das Wetter würde nichts werden. Da konnte Resi ihre App drehen und wenden, wie sie wollte, die Sonne wurde nicht angezeigt. Stattdessen gab es Sturmwarnungen und auch die Inhaberin der Pension mahnte uns zur Vorsicht. ‘Lasst uns heute einfach nur auf dem Hausberg bissi fahren und wenn das Wetter zu schlecht wird machen wir uns vom Acker’ schlug Kristin vor und erntete Zustimmung. Löön merkte zwischen ihrem zweiten Käsebrötchen, ihrem Rührei, den Cornflakes und dem Quark mit Obst nochmal kurz an, wie wichtig ein reichhaltiges Frühstück sei und Becks war einfach nur froh, dass sie heute mal eine halbe Stunde länger mit Anziehen und Ausgehfeinmachen verbringen konnte, als die Tage zuvor. ‘Kein Stress, Leute, heute haben wir Zeit, das Wetter wird eh nix’ sprach Resi und versuchte es aber gleich nochmal mit einer Aktualisierung ihrer Berge-Allwetter-App. Bitte nicht.. 
Tag 3 verlief trotz der Warnmeldungen recht unspektakulär. Ab 14 Uhr klagten alle über Schmerzen in Waden, Oberschenkeln und Füßen, so dass der Skitag früher als sonst beendet wurde. ‘Tag 3 ist immer der schlimmste’ sprach Löön und Kristin schlug umgehend eine Wanderung als Ausgleich vor. Wir schauten uns kurz an.. ehm nein. 
Am Ende des Tages kurzes Abklatschen. Tag 3: verletzungsfrei. Check. ✅ 
Auf zum Apres Ski. ,Heute gehen wir aber mal essen, Leute, oder?‘ fragte Resi, die sich zusammen mit Becks schon 4 Pizzen und 3 Schnitzel ausgemalt hatte. ‘Aber ich koch euch doch heute wieder was Leute, das ist doch schnell gemacht’ rief Ivana und schon war Essen gehen auf morgen verschoben (hatte ich schon erwähnt, dass Ivana und ihre Kühlbox ab jetzt immer und überall hin mit darf?). Auch diesmal zauberte sie uns aus wenigen Sachen ein köstliches Abendbrot und so endete Tag 3. ‘Morgen wird es bestimmt schön’ merkte Resi an, als sie noch einen letzten Blick vom Balkon auf den völlig zugenebelten, nicht zu erkennenden Berg warf. Na, da sind wir doch mal gespannt. 

Tag 4: Achtung! genauer lesen ;) Schnee. viel Schnee. Weniger Wolken, etwas heller. Kein Schnee von oben. Geht doch :)
‘Heute versuchen wir es nochmal in Zell am See, ok Leute? Da ist noch soviel, was wir nicht gesehen haben, da müssen wir nochmal hin’ bestimmte Resi am Frühstückstisch. Wer auch immer jetzt widersprechen wollte, würde eh im Keim erstickt werden und so ließen wir unser Schicksal über uns ergehen. Oben angekommen nahmen wir uns sämtliche Pisten vor, die wir noch nicht befahren hatten. Es hatte über Nacht nochmal richtig geschneit und so fanden wir uns just in 234 Fotosessions, 15 Videodrehs und 78 Formationsfahrten wieder (alles mehr oder weniger erfolgreich). ‘Der Schnee ist mega, Leute, und wir machen wirklich das Beste aus der Situation’ merkte Löön an. ‘Ich bin stolz auf uns.’ Jetzt nur nicht übermütig werden. Und schon beschlossen Kristin und Becks, sowie Löön und Resi Ski und Board zu tauschen um das einfach mal auszuprobieren. ‘Wie schön, ich wollte schon immer mal Ski fahren’ freute sich Becks und Kristin versicherte ihr, dass ein 41er Skischuh auch an einen 39er Fuß passte. Na dann kann ja nichts schief gehen.. ‘Ist das normal, wenn man in dem Schuh rutscht?’ fragte Becks und Kristin winkte mit einem ‘Ach das passt schon, wir machen die Schnallen jetzt richtig zu und dann geht das’ ab. Währenddessen stand Resi bereits zum ersten Mal auf dem Snowboard und saß auch bereits schon wieder. ‘Wie soll das denn gehen und wie soll ich denn hier wieder hoch kommen?’ rief sie und Löön gab ihr auf vertrauten Ski (was man einmal kann, verlernt man nicht gelle löön) einen Crashkurs im Boardfahren. Das gleiche versuchten Kristin (die völlig sicher auf dem für sie neuen Sportgerät den Hang hinunter gleitete) und Ivana bei Becks. ‘Cool, Leute, das will ich richtig lernen’. Becks Euphorie waren keine Grenzen gesetzt. Der auserkorene Übungshang (nicht) zeigte sich jetzt jedoch von seiner schlimmen Seite und trotz überragenden Skianfänger-Qualitäten riss es Becks dann dahin. Oder besser ihren Fuss. Im Skischuh einmal um sich selbst. ‘Huch, das ist wohl ein Hauch von einem Bänderriss’ klagte Becks und wir beschlossen, das Experiment zu beenden, bevor noch mehr passiert. Resi hatte es zwischenzeitlich aufgegeben und beschlossen, das Boardfahren nichts für eine ambitionierte Skifahrerin ist. Als sie Lööns geliebtes Snowboard abschnallte, passierte es. Das Brett machte sich selbständig und schlitterte Richtung Abhang. Der Skifahrer, der im Weg stand und es hätte aufhalten können, ging brav zur Seite und so fiel das Board 20 Meter den Abhang hinunter in den Wald. Alles bei 3.20 m Tiefschnee. Wir starrten uns geschockt an. Kristin war natürlich die erste, die sich selbstlos den Abhang hinunter stürzen wollte, um das Brett wieder nach oben zu befördern, was wenigstens noch einen Hauch sichtbar aus dem Schnee ragte. Prompt fing sie sich eine lauthalse Abmahnung von uns allen ein, in der wir sie über die aktuell herrschende Lawinengefahr aufklärten. Glücklicherweise war in direkter Nähe ein Lift und dazugehörige Mitarbeiter. Wir schilderten ihnen unserer Problem und die beiden waren erleichtert, als wir ihnen versicherten, das es nur das Board war, was im Tiefschnee gelandet war - ohne Fahrer. Trotzdem hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Der Liftmitarbeiter stapfte mit uns die Piste hoch und schaute sich das Ganze an. Was blieb ihm auch anderes übrig.. langsam aber sicher ließ er sich den Abhang hinunter gleiten und das mehrmalige Ausrutschen und sich-selbst-im-Schnee-freigraben machte uns deutlich, wie gefährlich es abseits der Piste wirklich ist. Mit hochrotem Kopf, patschnass und definitiv mit dem höchsten Sportanteil seines Tages (oder der Woche?) beförderte er Löön’s Board wieder an die Oberfläche und auf sicheren Boden. Unser Dank war ihm und der Kaffeekasse des Liftbetriebes sicher. Puh.. Leute, das hätte echt böse enden können. ‘Jetzt gehts grad runter und heim, es reicht für heute mit den Katastrophen’. Und da waren sich alle einig. So ging ein ereignisreicher Tag in der Reihenfolge wie die vorherigen zu Ende. Naja fast. Tag 4: Verletzungsfrei. ❌
Ein Wunsch wurde aber noch erfüllt. Unser letzter Abend und endlich das lang ersehnte Essen gehen. Kristin fragte sich zum fünften Mal, warum sie eigentlich für 1 Abend 3 Blusen eingepackt hatte. Naja, da hatten wir uns wohl alle etwas mit den Outfits verschätzt.. gelle Resi und Becks? ;)
‚Leute.. morgen sind 7 Stunden Sonne angesagt!!‘ Echt jetzt? Wir konnten es kaum glauben doch die Wetter App hatte schon seit Montag für Freitag Sonne versprochen. Und das ohne Änderung. Es sollte also wirklich stimmen. Die Frage, ob wir anstelle einer frühen Heimfahrt einen halben Skitag anhängten, war schnell geklärt. ‚Morgen gehts nochmal auf den Gletscher. Juhu!‘ Jetzt aber ab ins Bett und mit einer riesen Vorfreude auf den morgigen Tag schliefen wir ein.

Tag 5: Achtung: Sonne. blauer Himmel. Sonne. blauer Himmel. Sonne. Mega-Jackpot :)
Es war um 7 Uhr schon klar, dass dieser zusätzliche Tagesskipass die Investition des Jahrhunderts werden sollte. Nachdem Löön in Windeseile ihr geliebtes Frühstücksfestmahl verschlungen hatte und auch alle anderen heute etwas zügiger zu Potte kamen (außer Becks, die war wie immer die Letzte), verstauten wir sämtliches Gepäck abreisebereit ins Auto und fuhren hoch Richtung Gletscher. An der Kasse versuchte Kristin nochmal ihr Glück und zückte ihren Schwerbehindertenausweis. Diesmal mit Erfolg. Immerhin 5€ Ermäßigung und ein Foto, welches in Großformat auf dem Display an der Seilbahn prangte, während wir eincheckten. Na, wenn es das wert war.. ;) Endlich oben angekommen trauten wir unseren Augen nicht. Und eigentlich ist es auch mit Worten nicht annähernd zu beschreiben. 3029 Meter. Gletscher. Berge und Bäume. Mit meterhohem Pulverschnee bedeckt. Strahlender Sonnenschein und wolkenloser blauer Himmel. Wahnsinn. Und immer wieder atemberaubend diese Kulisse. Definitiv das Highlight und krönender Abschluss der ganzen Woche. Ski- und Boardfahren bei absoluten Traumverhältnissen bestimmte unseren letzten Tag. Natürlich durften auch hier ein ‚paar‘ Bilder nicht fehlen. Gegen Nachmittag machten wir uns dann auf den Weg ins Tal und zurück in die Heimat. Stau war vorprogrammiert aber das störte uns nicht. Denn genau solche Tage sind Erinnerungen fürs Leben und zusammen mit den richtigen Leuten am richtigen Ort hat doch jeder Tag das Potenzial etwas besonderes zu sein oder? :)


Top 3: unnütze Mitnahmen:
1. Glätteisen
2. Kristins Blusen
3. Sonnenbrille

Top 3: wichtigste Mitnahmen:
1. Taschentücher 
2. Thermounterwäsche
3. Reiseapotheke

Top 3: Floskeln 
0. Morgen scheint die Sonne. 
0. Ganz oben sind keine Wolken. 
0. Aber Morgen Abend gehen wir Essen.