Bembel without care

Um 6:31 Uhr in der Früh zischte die erste Dose Apfelwein-Cola nach Betätigung der Öffnung. Prosit und hoch die Tassen! Auf nach München mit dem FC Bayern Fan-Bus!

Knapp 3 Wochen und verschiedene Plastikaufklärungsevents zuvor, sah ich mich noch im CC einer Beschwerdemail, die von Löön an die Kelterei Krämer gerichtet war, bei der wir die pfandfreien Bembel-with-Care Aluminiumdosen reklamierten, die wir zu hunderten in der schönen Natur des lovely Lahn-Dill-Berglandes aufgefunden hatten. Im Rahmen dieser Landschaftssäuberungsaktion hatten wir uns vehement über Hersteller und Verbraucher dieses Dosenproduktes aufgeregt und letzendlich von der Kelterei Krämer erfahren, dass Dosenpfand auf weinhaltige Produkte mit einem Weingehalt von über 50% von dem Gesetzgeber nicht vorgesehen ist. Wieso, weshalb und warum weiß kein Mensch, aber politische Regelungen sind nun mal für das einfache Volk nicht nachvollziehbar.

Und somit gab es für uns Plastikrebellen nur eine einzige Möglichkeit des Protestes: Boykottierung von pfandlosen Dosen!


All dies schien vergessen zu sein, als ich samstags morgens den Bus in Herborn bestieg und mich neben den Kreisligalegenden aus Guntersdorf, Gusternhain und angrenzenden Gemeinden platzierte. Zur Begrüßung reichte mir Marc das Willkommensgedeck "Dreierlei", bestehend aus einem "Hellen", einer Flasche Radler und dem oben bereits erwähnten Dosenprodukt. "Na bravo!", dachte ich mir. "Davon darf niemals Löön erfahren!" Als sich um 6:05 Uhr auch endlich "Schobbe-Ingo" im Bus eingefunden hatte, konnte die Reise nach München zum Spiel gegen Werder Bremen starten. Nur eine halbe Stunde später waren bereits die ersten "Hellen" geleert und man stimmte schon zu "FC Bayern forever Number one" mit zischenden Bembeldosen ein. "Wie soll ich das nur die nächsten 6 Stunden aushalten?!" dachte ich mir, doch sah ich es letztlich sportlich, als Vorbereitung auf den anstehenden Malle-Trip. Mit den Endgegnern Marie, Steffi, Saskia und Janina, musste es während des Mannschaftstrip im Juni schließlich aufgenommen werden.

Wir hatten noch keine 15 Kilometer bewältigt, da hielt der Bus mitten auf der Autobahn an, um "Leitplanken-Dieter" irgendwo zwischen Ehringshausen und Wetzlar aufzugabeln. "Das geht schon 15 Jahre so", erklärte mir Marc, "Funktioniert immer." Kopfschüttelnd hatte ich mich mittlerweile mit Mareike ausgetauscht, eine von drei Frauen on board des Busses. "Das wird nachher noch anstrengend mit den Jungs." informierte sie mich. "Ach wirklich?" erwiderte ich und im selben Moment stimmten die Männer in Gesänge wie "Wer wird deutscher Meister? Borussia BVB" und "Scheiss Werder Bremen" ein.

Nach der ersten Raststelle fragte mich Marc dann, ob ich auch meine Print-at-Home-Tickets dabei hätte, worauf ich nur erwiderte "in welchem Jahrhundert wir den leben würden" und dass ich die selbstverständlich nicht in analoger Form vorliegen hätte. "Think before you print" "Save the the trees" - um nur ein paar Schlagworte zu nennen. Entgeistert schaute mich Marc an und versicherte sich nochmals "Hast du die Print-at-home-Tickets jetzt echt nicht dabei?? Ich hab dir die doch per Mail geschickt." Und ich lachte erst, dachte er wolle mich nur schocken, bis wir dann beide feststellten, dass wir es beide ernst meinten. In meinem SPAM-Ordner entdeckte ich dann endlich die Mail vom "Euro-Dietrich", welche keine digitale Form des Stadiontickets vorsah, wie es bei Tickets für Flüge, Busse, Bahn und Konzerten seit Jahren der Fall war. "Das ist jetzt echt nicht wahr! Wie rückständig ist dieses Bayern denn nur?!"

Glücklicherweise sollte mein Cousin Michi in München noch zu uns stoßen, dem ich on-demand die Aufforderung zusandte, die Tickets "at home" auszudrucken. Auch er musste hierfür mehrere Stockwerke seines Hauses durchforsten, bis er einen Mitbewohner antraf, der noch einen Drucker besaß.

An der zweiten Raststellenmöglichkeit schlug mir die bis dahin unbekannte Realität eines Bundesligawochenendes ins Auge. Fußball-Massentourismus auf Deutschlands Autobahnen und Raststellen pur! Wir standen zwar während der ganzen Hin- und Rückfahrt nicht einmal im Stau, trafen jedoch ausnahmslos auf entsprechende Fanbusse. So als wäre die gesamte Autobahn nur für den Bundesligaverkehr reserviert gewesen. Unfassbar!

Nach gefühlten zwanzig Kisten Bier und Bembeldosen erreichten wir bei strahlendem Sonnenwetter gegen 12:30 Uhr das Stadion und kehrten beim Insider-Treff "Südkurve - unsere Kurve unser Leben" auf weitere Endgetränke ein. "Schobbe-Ingo" hatte es zu diesem Zeitpunkt bereits geschafft weder Vor- noch Rückwärtsgang einlegen zu können und sah sich auch nicht mehr in der Lage seine Flasche Augustiner in waagerechter Position halten zu können, weshalb er noch vor Spielanpfiff auf den nahegelegenen Wiesn' gebettet werden musste. Unterdessen hatte auch mein Cousin uns am Wagon der links-geprägten Ultras, der Münchner Schickeria, aufgefunden und überreichte in letzter Sekunde die Print-at-home Tickets. 

Wenig später fanden wir uns in der Südkurve, des 75.000 Menschen fassenden Stadions, ein. Mit Megafon, Fahnen und Trommelschlägen wurden die Ultrafans, unter denen wir uns nun auch befanden, voll eingeheizt und zu Fangesängen animiert. Eine Wahnsinns-Stimmung! Mit "Von der Elbe bis zur Isar", "Wir wollen die Bayern siegen sehn" und "FC Bayern, lala lalala lala" lernten wir neue, stimmungsvolle Lieder, während die erste Halbzeit vor uns ablief, wir jedoch aufgrund der überwältigenden Fahnenkultur nichts zu Gesicht bekamen. Dies war zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht tragisch, kam auf dem Platz so rein gar nichts sehenswertes zustande, so dass die Anzeigetafel nur immer dann interessant wurde, wenn der Ergebnisdienst mal wieder ein Tor in Augsburg meldete, was so etwa alle 5 Minuten passierte.

In Hälfte zwei wechselten wir von der Südkurve in Block 117, in dem wir das Spiel nun hautnah zu sehen bekamen. Es blieb zwar weiterhin torlos, vergaben die Bayern jede nur erdenkliche, hundertprozentige Torchance durch fragwürdiges, immer wieder auflegendes Passspiel im Sechzehner des Gegners, so als wäre Ziel des Spiels nicht das Toreschießen, sondern des Balls im Spiel halten. Aber immerhin nahm sich dann irgendwann der Innenverteitiger der Bayern (Niklas Süle, Nummer 4 :-)) ein Herz und sorgte für das erlösende 1:0, um im Kampf um die Meisterschaft noch mitmischen zu können. Wie wir später erfuhren, hatte sich auch "Schobbe-Ingo" zwischenzeitlich wieder ins Zuschauergeschehen eingemischt und verfolgte den Siegtreffer wenigstens per TV-Screen im Paulaner-Treff. Andernfalls hätte ich mir hinterher doch noch das schöne, weinrote T-Shirt mit weißer Schrift "Diffidate con noi" - "Ausgesperrte immer mit uns" zugelegt.

Um 18 Uhr schepperten wir dann fast vollständig zurück in die Heimat. Nur "Leitplanken-Dieter" hatte sich von uns abgeseilt und den schnelleren Bring-Home-Service "Bla bla Car" aktiviert. Weitere 6 Stunden Rückfahrt im alkoholisiert, duftenden Fanbus standen dem Rest von uns bevor. Ein besseres Malle-Training hätte ich gar nicht bekommen können. Nachdem wir gegen 21.30 Uhr noch mal auf der Würzburger Raststätte eingekehrt waren, traf ich noch ein letztes Mal auf meinen Dosenfreund, den Bembel. Er hatte sich die ganze Zeit über immer dicht bei mir aufgehalten, war mir nie von der Seite gewichen, um mich immer wieder daran zu erinnern, dass Plastikfasten und Dosengegnertum auch keine Lösung sind. Ich hatte ihn fast sympathisch und auch beinahe schmackhaft empfunden, als er dann aber gegen 21:48 Uhr hinterrücks zuschlug, als ich mich auf meinen Sitzplatz wieder einfinden wollte. Es schepperte kurz und die fast volle, bereits geöffnete Dose, entleerte sich klebrig über meinen Knien und dem Boden. Danke für nichts Bembel! Für immer aus meinem Haushalt gestrichen! #bembelwithnocare

Schön war's trotzdem in München. Und so eine Busfahrt im Fanmobil muss man als echte(r) Kreisligafußballer(in) mal gemacht haben. Gehört genau wie diese Malle *Gruppenzwang* Pflichtveranstaltung, trotz aller Nachhaltigkeitsbedenken, zum Leben dazu!

@Marc: Wann fliegen wir in die Champions-League? ;-))








All you need is less.

Kristin fliegt nach Nepal und befindet sich auf abenteuerlicher Trekkingtour im Himalayagebirge. Tanja und Christof senden malerische Sehnsuchtsfotos aus Andalusien und Löön + Daniel begeben sich in alpine Bergregionen zur letzten Abfahrt vor Skisaisonladenschluss. Nur ich sitze zu Hause und bewache das kleine Dillkind-Office, damit kein Abwesenheitsassistent aktiviert werden muss und mögliche Müllanfragen beantwortet werden können. 

5 Monate. Kein Flugzeug, kein Reisepass und auch keine klitzekleine Grenzüberquerung (sofern man das Siegerland nicht einberechnet). Solange hatte ich es noch nie ausgehalten. Anstatt Plastikfasten, der Verzicht auf Fernwehreisen. Etwas, was wirklich weh tut. Doch sah ich den warnenden Zeigefinger von Greta Thunberg über mir schwingen, hatte ich mein Kontingent an Flugreisen schon lange aufgebraucht.

Zuhause war es ja auch schön und die Welt konnte man heutzutage ja auch zu genüge aus der Ferne betrachten. Während man also auf der Welt überlegt den Mond und den Mars zu besiedeln und es möglich ist einen Tesla ins All zu schießen und man außerdem offensichtlich in der Lage ist das Schwarze Loch fotografisch abzulichten, beschäftigen wir uns mit der Frage warum am Brutzelsonntag, kulinarische Waren noch auf Plastikeinweggeschirr ausgegeben werden. 
Auch bei diversen Müllsammelaktionen wunderten wir uns einmal mehr über den ein oder anderen Fund, der uns zum Grübeln brachte. Ob es den guten, frisch gezapften Apfelwein erniedrigt, weil er in Dosen nicht pfandwürdig ist und das Leergut somit unwillkürlich in der Umwelt landet? Warum die Capri-Sonne noch keine Rebellion gestartet hat, wird sie schon seit 1969, in der damals modischen Aluminiumhülle serviert und hätte doch längst ein neues Gewand des aufgeklärten 21. Jahrhunderts verdient? Oder vielleicht die Grundsatzfrage, warum da, wo Autos fahren oder stehen, besonders viel Müll zu finden ist? 

Macht Bequemlichkeit gleichgültiger? 

6 Monate ohne Flugreise werde ich durchhalten. Danach spiele ich die Jokerkarte „Gruppenzwang“ aus, um mit meinem Team für ein paar Tage in das wahrscheinlich unnachhaltigste Urlaubsgebiet überhaupt zu fliegen. Kompromisse gehören nun mal zum Leben dazu. Und solange kein Riegel vor Billigreisen, Billigflüge, Billigfleisch und Wegwerfgesellschaft geschoben wird, wird sich daran auch nichts ändern. 

Es muss ein Umdenken stattfinden, vor allem da wo man auf einem überaus hohen Niveau lebt.

„Unsere Biosphäre wird geopfert, damit reiche Menschen in Ländern wie meinem in Luxus leben können. Es sind die Leiden der Vielen, die für den Luxus der Wenigen bezahlen.“ - Greta Thunberg