Alta Badia 🇮🇹

[Gasbeitrag von becks]

Sonntagmorgen, Abfahrt Aral Tankstelle Herborn: 'Hä? Wieso fährst du denn links, Kristin? Wir müssen doch nach rechts auf die Autobahn Richtung Gießen, Resi & Jana abholen’ tönte Becks um 5.10 Uhr durch den Bus, der eigentlich schon für 5.20 Uhr in Gießen angesagt war. ‘Wir müssen doch nach Fleisbach Löön einsammeln’ konterte Kristin, ‘die will schließlich auch gern noch mit’. Huch, da hatten wir ja zu Beginn schon fast jemand Wichtiges vergessen.. wer hätte denn sonst auch unsere mitgeschleppten Essensvorräte für zwei Wochen schnabulieren sollen..

Um 6.00 Uhr rollte der Kleinbus inklusive leichtem (Ironie?!) Gepäck und gesamter Crew endlich auf die Autobahn Richtung Süden. Unser Ziel: Südtirol, St. Kassian in Alta Badia. Ein perfekter Ort für Sonne, Schnee, Ski, Boards und Spaß. 🇮🇹⛷🏂🏔☀️

‘Karl Lagerfeld wäre stolz auf uns’ sinnierten Becks und Kristin, die sich trotz der frühen Stunde und der bevorstehenden stundenlangen Autofahrt in eine ordentliche Jeans geworfen hatten, während alle anderen Mitreisenden den Chill-Out-Look bevorzugten. Mit diesem beruhigenden Gedanken und nach einer ereignisreichen Fahrt (Details hierüber nur auf persönliche Nachfrage) erreichten wir nach endlosen zehn Stunden unser Ziel: unsere Ferienwohnung "Residence Costes". Ein schicker und sauberer Zufluchtsort nach langen Skitagen erwartet uns und es fehlte wirklich nichts. Naja außer: Spüllappen, Wasserkocher, Backofen, Pfanne, Klopapier, Salz, Pfeffer, Essig, Öl und Tee (quasi unsere erwartete Grundausstattung der Unterkunft). ‘Ach, das ist doch nicht schlimm Leute, schaut doch mal wie schön es hier ist’ rief Jana, unsere neue Lehrerfreundin, die zum ersten Mal mit uns unterwegs war. Mit ihrer herzlichen Art hatten wir sie sofort ins Herz geschlossen und hätten sie überallhin mitgenommen. ‘Wir haben es soo toll hier, das wird eine schöne Zeit’ freute sie sich und man konnte gar nicht anders als ihr zustimmen. Nach Auspacken und der Essenszubereitung durch Ivana (die uns schon beim letzten Urlaub mit ihren grandiosen Kochkünsten verwöhnte) schmiedeten wir bei selbstgemachten Spaghetti Bolognese Pläne für die nächsten Tage. Ruck Zuck endete der Tag im Boarding-Modus, schließlich hatten wir am nächsten Morgen viel vor. ‘Um 9.00 Uhr am Lift, Leute’ tönte es von Resi noch durch die Wohnung. Da war sie wieder: Die Frau, die diesen Urlaub so perfekt geplant hatte und den Ort und die Umgebung wie ihre Westentasche kannte. ‘Hach, auf die Reiseleitung ist einfach Verlass, wir müssen uns um nichts kümmern’ stellten alle beruhigt fest und gingen mit riesiger Vorfreude schlafen.

Am nächsten Morgen erwartete uns ein grandioses Frühstück mit allem was das Herz begehrte. Löön fand sich im Paradies wieder und legte einen 2 km Lauf zwischen Buffet und Esstisch hin, um alle Köstlichkeiten auszuprobieren. ‘Mensch Löön, wie lange willst du denn noch essen, wir müssen los...’ rügte Resi ihr Gegenüber und starrte auf den Teller, auf dem zu guter Letzt noch vier Muffins, drei Waffelherzen und zwei Croissants Platz gefunden hatten. ‘Wir brauchen doch eine gute Grundlage’ entgegnete Löön und schob sich den letzten Bissen in den Mund. 

Und dann endlich ging es rauf auf den Berg. Vier Skifahrer und zwei Boarder machten sich auf den Weg Richtung Piste. Die ersten Meter auf den Brettern waren wie immer etwas gewöhnungsbedürftig, aber schon nach einer halben Abfahrt waren wir alle zurück im Modus. Leicht bewölkter Himmel, Sonne, Schnee und top Pistenverhältnisse begleiteten uns durch die nächsten Tage und wir alle waren mehr als froh und dankbar hier sein zu dürfen. ‘Wir sind so Glückspilze, Mädels’ freute sich Jana mit ihrer überragend motivierenden Art für uns alle nochmal doppelt und dreifach mit. Wunderschöne Pisten in sämtlichen Schwierigkeitsgraden und wenig Trubel sorgten für entspannte Abfahrten, bei denen jeder auf seine Kosten kam.

An Tag vier hatten wir uns ein besonderes Schmankerl vorgenommen: die "Sella Ronda" auf Ski und Board. ‘Auf gehts Leute, wir müssen uns ranhalten, wir haben 70 Pistenkilometer vor uns’ mahnte Resi zum Aufbruch, während Becks sich nicht zwischen ihren beiden Skianzug-Outfits entscheiden konnte. ‘Leute, so einfach ist das nicht, das Auge fährt schließlich mit’ erörterte Becks und griff gleichzeitig noch zu Kamm und Bürste, um sich eine Flechtfrisur unter den Helm zu zaubern. ‘Ach ja, ich muss mir auch noch die Haare machen’ rief Resi und verschwand ebenfalls nochmal im Bad, während der Rest der Truppe kopfschüttelnd, fix und fertig angezogen im Flur stand. ‘So ist das halt, wenn ihr die zwei Tussis mitnehmt’ entschuldigte sich Resi und Becks versprach sich beim nächsten Mal etwas mehr zu beeilen (Wann genau das war, konnte hinterher niemand mehr sagen).
Endlich konnten wir los und Resi weihte uns in die bevorstehende Route ein. Es war grandios und die Verhältnisse hätten nicht besser sein können. Es hatte die Nacht zuvor geschneit und nun empfing uns wolkenloser Himmel mit purem Sonnenschein. Frischer Pulverschnee und eine malerische Bergkulisse entschädigten für die leicht frischen -13 Grad auf dem Berg und die atemberaubende Umgebung der imposanten Dolomiten waren definitiv jede Anstrengung wert. Resi lotste uns sicher über sämtliche Höhen und durch alle Täler und hatte immer die geographische Oberhand, wenn alle anderen orientierungslos umherirrten. Jeder Lift und jede Gondel waren perfekt getimed und so schafften wir tatsächlich nach acht Stunden auf den Brettern diese großartige Tour. Perfekte Bedingungen und eine Skiführerin à la Carte ermöglichten uns dieses Erlebnis - 
bis auf den letzten Metern dann doch noch etwas schiefging. Wir mussten ja noch zurück auf unsere Heimatpiste und hatten uns naiverweise vorgenommen, zum Abschluss noch über die Pista del Sole (unsere Lieblings-Sonnenpiste) abzufahren. Wir schauten kurz auf die Uhr, es war 15.43 Uhr. Letzte Liftfahrt: 16.30 Uhr. ‘Wir müssen noch zwei Pisten runter, um den letzten Lift Richtung Talabfahrt zu erreichen’ erklärte Resi und erläuterte uns noch kurz die aktuelle geographische Situation. ‘Wir schaffen das’, da waren wir uns alle im Angela Merkel-Stil einig und schlossen gemeinsam das Dreieck. ‘Aber Leute, Sicherheit vor Schnelligkeit’ warf Löön noch in den Raum und alle nickten bedächtig. Nachdem die Gondel uns um 15.58 Uhr auf dem Berg Boé absetzte, hatten wir noch eine Buckelpiste, eine Liftfahrt und eine blaue Piste vor uns, um dann mit dem allerletzten Lift ans Ziel zu kommen. Um 16.11 Uhr kam Resi als erste unten am Lift an, der sich in einer kleinen Talsenke befand, und musste erschrocken und tief deprimiert feststellen, dass dieser Zubringer bereits um 16.10 Uhrseine Tore geschlossen hatte. Da war er hin unser schöner Plan! Während sich nach und nach Kristin, Jana und Ivana ebenfalls an besagtem Lift einfanden, waren Becks und Löön noch auf der Piste zugange und fuhren nichtsahnend von dem eh schon misslungenen Plan in ihr Unglück. Die beiden kamen unten im Tal an und sahen dann vor sich jeweils links und rechts genau eine Liftoption. Weit und breit war niemand sonst zu sehen. ‘Wo sind die anderen denn?’ rief Löön Becks zu, die schon nach links Richtung Sessellift boardete. ‘Hier hab ich eben Kristin reinfahren sehen’ antwortete Becks, ‘ich bin mir aber nicht hundertprozentig sicher’. ‘Ist das nicht die falsche Richtung?’ fragte Löön. ‘Der fährt doch wieder da hoch, wo wir hergekommen sind..’ ‘Aber da war jemand, der sah aus wie Kristin und hat auch mit dem Stock gewunken, dass wir hier rein sollen.’ ‘Wo sind wir denn hingekommen, dass die jetzt schon einfach ohne uns fahren’ wetterte Löön und stieg missmutig mit Becks in den Premium-8er Sessellift ein. Niemand war zu sehen und auch sonst war fast kein Mensch mehr zu finden. Als sich der Bügel schloss kam die Erkenntnis: ‘Ich glaube wir sind falsch’ gab Löön vorsichtig von sich und Becks nickte verwirrt. ‘Scheiße, und jetzt? Die anderen bringen uns um. Wir hatten doch eh schon keine Zeit mehr und jetzt verpassen wir alle Lifte, weil die auf uns warten müssen.’ Angst stieg in uns hoch. ‘Es nützt nix, wir müssen jetzt rauf und dann zusehen dass wir ganz schnell wieder runterkommen’ sagte Becks. In dem Moment klingelte das Handy und Kristin fragte nach dem aktuellen Standort. ‘Wo seid ihr denn, Leute?’ ‘Wie, ihr seid im Sessellift? Das ist falsch, ihr müsst den anderen Lift nehmen!’ Ja, das haben wir selbst gemerkt, aber dann wissen wir ja jetzt Bescheid. 
Oben angekommen fuhren wir ein zweites Mal im Affenzahn die schrecklichste Piste des Jahrhunderts ab, immer mit dem Gefühl im Bauch, gleich vom Rest der Crew gesteinigt zu werden, weil der Plan wegen unseres Denkfehlers dahin war. Zum zweiten Mal unten am Lift angekommen (die Uhr zeigte mittlerweile 16.25 Uhr) stiegen wir in den rechten Sessellift ein. Wohlwissend, dass wir diesmal richtig waren. Auf dem Weg nach oben ein erneutes Telefonat. ‘Wir warten hier auf euch’. ‘Ok, jetzt wird’s’ sprachen Löön und Becks sich gegenseitig Mut zu. Oben auf der anderen Seite des Berges angekommen sprangen die beiden aus dem Lift und dort stand.. niemand. ‘Ich dachte die warten hier auf uns, das kann doch nicht wahr sein’ schimpfte Löön. ‘Wo müssen wir denn jetzt nur hin?’ fragte Becks. Vor uns standen 15 Hinweisschilder in sämtliche Himmelsrichtungen mit Namen, die wir zwar schon mal gehört hatten, aber die keiner von uns beiden geographischen Nieten richtig zuordnen konnte. Die Uhr zeigte 16.40 Uhr an. Die Dämmerung setzte langsam ein und weit und breit waren nur noch vereinzelt andere Skifahrer zu sehen. Ein klein wenig Panik stieg in uns hoch. Dann endlich der erlösende Anruf. Teresa Schmitt, die Koryphäe des Alta Badia Skigebietes fragte am Telefon sachlich und beruhigend nach unserem aktuellen Standort und teilte uns nach fünf Sekunden Überlegung mit, dass uns die rote Piste Nummer 29 sicher zurück zum eigentlichen Treffpunkt führte. Unendlich dankbar schnallten wir unsere Bretter fest und fuhren die angegebene Strecke hinunter. Und endlich war der Rest der Crew zu sehen. Unten, an einem zusätzlichen dritten Lift versammelt, der hinter einer Kurve lag und deshalb von uns nicht geortet werden konnte. ‘Oh man Leute, es tut uns so leid, wir haben’s vermasselt’ gaben Löön und Becks kleinlaut zu und senkten die Köpfe. ‘Wo seid ihr denn auch rumgefahren, ihr Dussels’ fragten die anderen kopfschüttelnd. ‘Wir lassen doch niemand alleine den Lift hochfahren, das haben wir doch noch nie gemacht!’ und lachten dann über unsere Unfähigkeit auch nur den Hauch einer Himmelsrichtung zu erkennen. ‘Jedenfalls kommen wir hier jetzt nicht mehr weiter’ sagte Resi, ‘der Lift hatte schon zu als ich vor einer guten halben Stunde hier unten ankam’. Es dauerte eine Weile bis Löön und Becks begriffen, dass die zwei fatalen Fehlentscheidungen nichts an dem Geschehen geändert hätten. Selbst wenn alle direkt den passenden Lift erreicht hätten, wäre die Tour dort zu Ende gewesen. ‘Das ist die schönste Nachricht des Tages, es lag gar nicht an uns’ freuten sich die beiden Unglücksraben erleichtert. ‘Ach Leute, das ist doch alles nicht schlimm, wir haben die Sella Ronda geschafft, was wollen wir denn mehr? Schaut doch mal was für einen wunderschönen Tag wir hatten! Und wir kommen jetzt auch irgendwie heim’ sprach Jana uns wieder einmal so positiv zu, dass wir alle trotz der nicht ganz perfekten Lage ein kleines Grinsen im Gesicht hatten. Eine halbe Stunde später saßen wir bei einer heißen Schokolade mit Sahne für die Seele im gegenüberliegenden Hotel und warteten auf unseren italienischen Taxifahrer. Mit viel Überredungskunst und einem Paar Ski als Pfand konnten wir ihn davon überzeugen, nach seiner regulären Fahrt zurückzukommen, um uns an Ort und Stelle abzuholen. Zwei Stunden später saßen wir bei einer echten, italienischen Pizza (Belohnung muss sein) in unserem Heimatdorf am Tisch und erörterten die Ereignisse des Tages. ‘Morgen ist schon unser letzter Tag, wie schade’ stellten wir gemeinsam fest. ‘Dann können wir uns ja endlich zum Abschluss nochmal die Weltcup-Abfahrt und fünf schwarze Pisten runterstürzen’ freute sich Kristin begeistert, ‘die roten und blauen sind ja nun mal wirklich nicht steil oder??’ Wir staunten über die anscheinend mehrtägige Unterforderung unserer Kamikaze-Queen und gelobten Besserung. ‘Vielleicht beim nächsten Mal, morgen wollen wir doch nochmal auf die rote Sonnenpiste Mädels oder?’ Alle nickten einstimmig, während Kristin gedanklich ihre morgige Profi-Route studierte. Zurück in der Unterkunft teilten wir unseren Followern noch die Ereignisse des Tages mit, ehe wir unsere Sachen zusammenpackten und anschließend todmüde ins Bett fielen. 

Am Abreisetag nahmen wir nochmal das Standardprogramm der letzten Tage mit: grandioses Frühstück, purer Sonnenschein, perfekt präparierte Pisten, reichlich Spaß, leckeres Hüttenessen und die legendäre Bergkulisse bei der allerletzten Talabfahrt erfüllten nochmal alle Erwartungen an einen ereignisreichen Trip. Als wir uns im Tal mit einem dicken Grinsen im Gesicht und mit den Worten ‘verletzungsfrei check’ abklatschten, waren wir mehr als dankbar über die Erlebnisse der letzten Tage. 
Glücklich und zufrieden packten wir unsere restlichen Sachen in den Bus und machten uns auf den Weg Richtung Heimat. Ein unvergesslicher Urlaub und tolle Erinnerungen an die gemeinsame Zeit werden uns die nächsten Tage und Wochen noch begleiten. Und wir sind alle echt dankbar, dass diese Reise trotz der aktuell schwierigen Zeit überhaupt möglich war.

In diesem Sinne: Mille Grazie Alta Badia, wir kommen definitiv zurück🇮🇹❤️☀️🏔🏂⛷