Der Berg ruft!

Der Berg ruft! - Kurzer Videotrailer zu unserer 4-tägigen Hüttenwandertour in den Vorderalpen.


Auf den Spuren von Uropa Karl

"Frischen Mut zu jedem Kampf und Leid
habe ich talwärts von der Höh' getragen"

Es war das Jahr 1933 indem mein Uropa Karl seine ersten Wanderungen in die Schweiz und in die bayrischen Alpen startete. Mit 32 Jahren bereiste er mit seinen Freunden Zermatt, Genf, Chamonix, Bern und den Bodensee, erklomm das Materhorn und Nebelhorn und landete schließlich im Allgäu, wo er den Heilbronner Weg überquerte. 85 Jahre später wollen auch wir diesen Klettersteig bestreiten.

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„Welches Stück ist jetzt dran?“ fragte Tine, als wir den nächsten, schier unendlich und strack bergauf verlaufenden Höhenabschnitt in Augenschein nahmen. „Das müsste der Rüssel sein.“ antworte ich und Selis Fitnessuhr pendelte sich bei 450% ein. Ist ein Hindernis auch noch so groß, so gilt wie immer: ein Elefant muss in Scheiben gegessen werden. Stück für Stück.
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Am frühen Montagmorgen begaben sich Sonja, Kristin, Tine, Seli und ich auf den Weg nach Oberstdorf. Dank freier Autobahnen und Kristins flottem, jedoch sicheren Fahrstil erreichten wir zeitig den Wanderer Parkplatz, sowie die Fellhornbahn, die uns und unser Gepäck die ersten Höhenmeter nach oben chauffierte. Uns stand ab da an eine 4-tägige Wanderung mit Hüttenübernachtung bevor oder anders ausgedrückt: enorme Oberschenkel- sowie Wadenbelastung, wenig Schlaf und eingeschränkter Komfort. Mit je 10 Kilo Gepäck auf dem Rücken, welches nicht mal einen Reiseföhn beinhaltete, marschierten wir die ersten Meter Richtung Fiderepasshütte, die unser erstes Etappenziel werden sollte. „Eine kleine Einstiegsroute für den ersten Tag.“ - „Nichts Wildes.“ So lauteten die Katalogangaben, vorgetragen von Sonja und Tine. Die erste Stunde Wanderung sollte diese Angaben auch noch beherzigen, sodass sich Seli zu einer flachsen Bemerkung „Ich glaube mir macht Wandern Spaß.“ hinreißen ließ. Nach einer Mittagspause, die wir neben einer Kuhherde vollzogen, traf uns dann der Schlag. Eine Bergwand auf halb 12. Keuchend, fluchend und nach Luft ringend, arbeiteten sich Seli und ich den Berg nach oben, während sich Kristin-the-Machine und Work-out-Girl Sonja bereits am Gipfel winkend und freudestrahlend befanden und sich bis zu unserer Ankunft mit Liegestützen und Sit-Ups beschäftigen (so schien es zumindest von unten auszusehen). Tine bewegte sich im Mittelfeld, spürte jedoch ebenfalls die Nachwirkungen des Trainingslagers, sowie Gerüstarbeiten in den Knochen. Als wir endlich die Bergwand erklommen hatten, führte der Weg weiter bergauf, bis wir nach 2,5 Stunden die Fiderepasshütte erreichten. Seli hatte bis dato bereits beschlossen, dass Wandern nicht ihr neues Hobby wird und ich hatte gedanklich die Extraroute „Gipfelbesteigung“ gestrichen, nach der sich die beiden Maschinen Kristin und Sonja direkt nach Ankunft erkundigten. Wir erkundeten derweil die Hütte, welche ein hochmodernes Matratzenlager offerierte, sowie einen Trockenraum aufweisen konnte, in dem wir unsere mit Rei-in-der-Tube gewaschenen Kleidungsstücke fachgerecht aufhängen konnten. Während Kristin-the-Machine und Sonja also die Extraroute Gipfelerklimmung anvisierten und dabei den dezenten Hinweis von Tine „Es handelt sich dabei um einen Klettersteig, das wisst ihr?!“ überhörten, lernte der Rest von uns wie man mit einer Minute Warmwasserdusche zurechtkommt, in der der Einseifeprozess bereits mit eingerechnet ist. Grenzerfahrungen.

„Alles richtig gemacht.“ stellten Tine, Seli und ich fest, als wir frisch geduscht mit einem 0,5 Liter Radler anstießen und das Bergpanorama auf uns einwirken ließen. „Wann wollten die eigentlich wieder kommen?“ „Kann man die schon am Gipfel sehen?“ fragten wir uns als der Uhrzeiger weiter voran schritt, von den beiden Maschinen jedoch noch nichts zu sehen war. Nach knapp 3 Stunden traten die beiden endlich wieder in die Hütte ein und warfen aufgeregt aufgewühlte Sätze in den Raum: „Wir haben überlebt!“ „Ich hatte noch nie so Angst um mein Leben!“ Offensichtlich hatte es sich tatsächlich um einen ungesicherten Klettersteig gehandelt, anstatt jedoch umzukehren hatten sich die beiden bis es nicht mehr ging eine Felswand ungesichert hinaufgehangelt und erst durch einen hinunterstürzenden Felsbrocken, der Sonjas Knopf nur knapp verfehlte, zur Rückkehr bewogen. Man darf die beiden einfach nicht alleine lassen.

Am Abend stärkten wir uns zu deftigen Hüttenpreisen mit einer Maultaschensuppe, Spaghetti Bolognese und einem Apfelstrudel zum Nachtisch und kehrten nach Verarbeitung aller Gesprächsthemen und einer Partie "Wizzard" (fast wie Metho-Skat) in unsere Katakomben alias Matratzenlager ein.

Die Nacht war unruhig. Rascheln, Geflüster, ständige Bewegung im Raum. Wenn es hoch kommt, kam ich vielleicht auf 2 Stunden Schlaf. Den anderen erging es nicht besser. Und um 6 Uhr klingelte bereits der Wecker.

Frühstück für 8€. Zwei harte Scheiben Brot, Wurst, Käse, Marmelade und ein Kaffee. Um 8 Uhr dann wieder auf die Piste.

Die von Kristin als „Hiking-Barbie“ titulierte Seli, musste bereits um 9:30 Uhr feststellen, dass ihre Fitnessuhr auf 100% ausschlug, da hatten wir nicht einmal 1/4 der Strecke bewältigt. Wir befanden uns zu dem Zeitpunkt auf dem Krumbacher Höhenweg und auf 2.200 Meter Höhe, mussten jedoch auf einen Berg auf der gegenüberliegenden Seite überwechseln. Der einzige Weg hierfür führte durchs Tal. 1.000 Höhenmeter nach unten. Wir kamen uns vor wie im südamerikanischen Dschungel, als wir uns den steilen Weg nach unten durch subtropisches Gefilde, entlang grüner Sumpfpflanzen, - vielleicht war es auch Rhabarber -, bewegten und uns starke Knieschmerzen, trotz unterstützender Wanderstöcke, plagten. Erste Blasen machten sich bei Tine und mir im Zehbereich bemerkbar, während Kristin ihre Zehen gar nicht mehr spürte. Auch Fitness-Girl Sonja machte der Weg nach unten sehr zu schaffen, nur Seli hatte ihre neue Disziplin entdeckt und schritt im Stechschritt voran.

Nach einem unendlich erscheinenden Weg nach unten kehrten wir in der „Schwarzen Hütte“ ein, die uns eine Brotzeit und ein erfrischendes Kaltgetränk bot. Zwischen Schmalzbrot und Wurstel referierte Sonja über Elektrolythaushalte, während wir allesamt notdürftig unsere Fußwunden versorgten. Uns stand ein Aufstieg von weiteren 1.200 Höhenmetern bevor und wenn das nicht genug sein sollte führte der Weg auch noch treppenstufenartig nach oben. Keine geschlängelten Serpentinen. Einfach strack nuff! Kristin-the-Machine galoppierte wie eine Bergziege mit Leichtigkeit voran, dicht gefolgt von Sonja. Wir anderen schnauften hinterher und konnten uns lediglich mit dem Motto „Sicherheit vor Schnelligkeit“ bei der Stange halten. Der Elefant war zäh und das Ohr schmeckte widerlich. Seli strich derweilen das Wort „Wandern“ gänzlich aus ihrem Vokabular und fragte sich wie man diese Aktivität überhaupt als Urlaub bezeichnen konnte. Erst das Läuten vieler scheppernder Glocken versetzte uns wieder in einen annehmbaren Zustand. Eine Kuhweide eröffnete sich vor uns, die es zu durchschreiten galt. Während die Power-up-Girls schon weit über alle Berge waren, machten Seli und ich die Entdeckung des Tages: einen, - nein, zwei Esel. Die beiden trabten auf uns zu und ließen sich für ein Selfie mit uns hinreißen. Der Tag war gerettet! Mit neuer Motivation schritten wir wieder voran und arbeiteten unser weiter nach oben. Auf unserem Weg begegneten uns Murmeltiere und eine weitere Wandergruppe, die mindestens genauso erschöpft aussah wie wir, jedoch einen dynamischen Tourguide namens Lukas mit sich führten, der uns ein baldiges Erreichen der Hütte versprach. "Warum er einen Eispickel mit sich trug?", wollten wir wissen. "Na, man weiß ja nie, ihr werdets morgen schon sehen." Und wir alle überlegten bei schweißtreibenden 26 Grad und knallendem Sonnenschein, ob wir den Teil mit der Skiausrüstung für Juli wohl überlesen hatten. Kurz erinnerte ich mich auch an ein sepiagefärbtes Foto aus Uropa Karls Fotoalbum, wo er einen Schneeabhang herunterschlitterte. Nein, das musste eine Fotomontage sein.

Ein weiterer, steil bergauf führender Hügel eröffnete sich vor uns und wir bissen uns durch den Elefanten. Drei Schritte vor, verschnaufen und wieder weiter. Immer, immer weiter. Voller Erschöpfung schmissen sich Tine und Seli ins Gras - es ging nichts mehr. Die zwei Hardcore-Mountain-Girls waren völlig außer Reichweite geraten und man konnte mit dem Handyzoom nur noch konturenhafte Silhouetten von Sonja und Kristin erkennen. "Es hilft alles nicht, wir müssen weiter!" rief ich Seli und Tine zu und lief Richtung Hügelrand. Was danach kam, konnten meine Augen kaum glauben "Seli, schnell! Hier ist das schönste was du je gesehen hast!!" Seli, völlig motiviert und in Erwartung einer wunderschönen Landschaft oder alternativ einer Eselherde, setzte noch einmal zum letzten Turbospurt an. Ich präsentierte ihr das Gebäude vor uns. Die Rappenseehütte. Endstation für die heutige Etappe. "Leute, wollten wir noch zum See über die drei Hügel da hinten?" rief uns Sonja, aufgeregt wie ein Kind zu. "Nein." stimmten Seli, Tine und ich im Chor ein.

Die hiesige Dusche offerierte uns 3 Minuten Warmwasser am Stück, mit der Möglichkeit den Pause-Button zu betätigen. Wir waren unendlich dankbar. Die Haarwäsche war heute gesichert. Sonja und Seli schlugen einem Hüttengefährten sogar noch einen Föhn aus den Rippen, sodass auch die Trocknung der Haare ermöglicht wurde. Die Rappenseehütte war deutlich größer, was jedoch nicht die Bedienzeit beeinträchtigte. In Windes Eile erhielten wir unser Kaltgetränk, sowie ein Schnitzel Wiener Art mit Pommes Frites. Die Organisation in diesen Hütten ist einfach unschlagbar gut.
In dieser Nacht wurde unserer 5er-Trupp zwar räumlich getrennt, da wir in zwei unterschiedlichen Hochbettenlagern unterkamen, jedoch teilten wir alle dieselbe Erfahrung. Schnarcher. Zwei Kreissägen in unserem Raum und eine Turbomaschine, die noch durch drei weitere Wände zu hören war, bei Sonja und Kristin. Schlaf? Eher weniger. Kopfschmerzen? Oh ja.

Am darauffolgenden Morgen wurden zwei Brotscheiben, Wurst, Käse, Marmelade und Tee zu 7,50 € gereicht. Abfahrt um 8:00 Uhr. Ein Frischetief hatte uns zu angezippter Kleidung, Jacke und Buff gezwungen. Um 8:15 Uhr zippten wir wieder ab. Schweißperlen kullerten hinunter. Eine Felswand hatte sich uns erneut in den Weg gestellt.

Die vorletzte Etappe, sollte gleichzeitig die attraktivste werden. Der Heilbronner Höhenweg. "Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und Bergerfahrung sind unerlässlich." so stand es im Kleingedruckten. Wie gut, dass wir davon so viel aufzuweisen hatten. Doch zunächst galt es erst einmal hinaufzukommen. Dies sollte zunächst an einer ganz banalen Sache scheitern. Ein Teil der Truppe forderte weniger Selfies und eine schnellere Gehzeit, während ein anderer Teil unseres Trupps eine gezügelte Gangart und mehr Landschaftsgenuss einforderte. Nach einer kurzen, aber deutlichen Aussprache fand man einen Kompromiss und unser Team bewegte sich von nun an geschlossen im Gleichschritt, jedoch mit weniger Bildmaterial, voran. An stahlseilgesicherten Feldwänden erklommen wir den Berg und durchschritten die Helbronner Törle, das Tor zum Klettersteig. Durch unsere einheitlichen, blauen Fleisbach Pullis, die wir zu jedem Abendessen, sowie Frühstück auf der Hütte trugen, hatten wir uns mittlerweile einen Namen gemacht und marschierten nicht mehr unerkannt durch die Berge. "Macht den alpinen-erfahrenen Mädels mal Platz, die sind schneller." Wir drehten uns alle um, suchten wir nach einer durchtrainierten Frauenbergwandertruppe- doch da war niemand. "Was, wir? Wir kennen nur Hügel im Mittelgebirge und spielen Fußball". "Egal, ihr seht sportlich aus und könnt 90 Minuten auf dem Platz stehen. Geht voran!" Es galt mal wieder "Hauptsache gut aussehen!" - bei völliger alpinen Unerfahrenheit.

Als sich der Klettersteig näherte und immer wieder die "Leiter" eingeworfen wurde, schlug mein Puls höher. Der Abgrund war tief, jedoch schräg geröllhaltig. Würde ich es schaffen? Tine hatte vorsichtshalber ein Seil mitgenommen, was sie schon seit Fellhornbahn mit sich am Rucksack trug. "Wir seilen dich an, wenn du nicht drüber kommst." Wie beruhigend. Einige Gedenktafeln erfahrener Bergsteiger weiter, erreichten wir die Leiterpassage. Aufgrund erhöhten Stauaufkommens an dieser prägnanten Stelle, blieb mir gar nichts übrig als schnellst möglich über die Lamellen zu spurten. Höhenangst war gestern,- vielmehr beunruhigte uns die Tatsache, dass andere Wanderer Helme mit sich und später auch auf dem Kopf trugen. Als wir den Kamm des Berges überquerten und das schier unendliche Bergpanorama erblickten, dass sich zur linken auf Deutschlands Seite und rechten auf Österreichs Seite eröffnete, kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. "Das ist so schön." wiederholte sich Tine mehrmals. "So schön." stimmten wir alle im Chor ein. Nachdem wir die höchste Stelle des Höhenweges von 2.600 Metern überquert hatten, legten wir eine Mittagspause auf dem Kamm ein und ließen die pralle Sonne auf uns scheinen. Großer Fehler. Trotz Apothekensonnencreme und Kappe sollte ich später eine Retourkutsche erhalten. Diese wurde außerdem durch eine leichte Gehirnerschütterung, die ich mir bereits beim Aufstieg zugezogen hatte, als ich mit Stirn und Nase gegen eine Felsplatte donnerte, gefördert.

"Seli, den brauchst du net!" entgegnete Tine, als Seli den Apfelrest im Müllbeutel entsorgen wollte, Tine ihr diesen aber entriss und in 2.500 Meter Tiefe warf. Und dadurch womöglich einen Butterfly Effect auslöste, wir werden es nie erfahren. Merke: Es wird nichts runtergeworfen, man könnte womöglich eine Lawine auslösen. Wir arbeiteten uns die serpentinenförmigen Geröllpfade weiter hinunter und hangelten uns entlang stahlseilgesicherter Felswände, bis wir ein meterlanges Schneefeld vor uns erblickten. Mitte Juli, in kurzen Hosen und Top durstreiften wir vorsichtig und Schritt für Schritt die Altschneefelder, die kein Ende zu nehmen schienen. "Wenn am Ende eine Eisbude steht, bin ich schwer zufrieden!" Doch es folgte keine Eisdiele, sondern weitere weiße Passagen, die zu Rutschpartien wurden und sich einer nach dem anderen auf den Hintern legte. "Schade, dass wir die Langlaufski im Tal gelassen haben!"

Nachdem sich der Boden wieder unter unseren Boden festigte und wir nach dem Schnee entlang einer wunderschönen grünen, saftigen Blumenwiese schritten, eröffnete sich vor uns ein kleiner See. "Dürfen wir da hin?" bettelten Sonja und ich, bis Kristin endlich nachgab. Wir hatten uns zuvor bei Wanderführer Nummer zwei "Hans" versichert, ob das Zeitfenster noch groß genug war einen Abstecher zum See zu vollziehen. Den Tourguide „Hans“ hatten wir mit seiner Stimmungstruppe am Kamm kennengelernt und er hatte uns mit dem Hinweis entlassen, dass wir uns beim Hüttenwart auf ihn berufen sollten, wenn wir einen Föhn benötigen würden.

Der See erwies sich als sehr erfrischend und bot eine gelungene Abkühlung und Erholung für die Druckstellen und Blasen behafteten Füße.

Die letzte Etappe führte entlang von Schiefergestein und Hobbitwiesen, man konnte sich kaum satt sehen. Als uns beim Abstieg zur Kemptner Hütte eine, lediglich in Bikini bekleidete, Frau mit Mountainbike auf den Schultern begegnete, fragten wir verwundert: "Sie wollen jetzt nicht ernsthaft, diesen felsig, abschüssigen Weg, den wir kaum zu Fuß und mit Wanderstöcken bewältigen können, herunterfahren?!" "Doch, genau das habe ich vor. Wir suchen uns die schwierigsten Passagen raus und steuern diese dann mit gezielter Technik an." "Nur noch Verrückte hier." bemerkte Seli, als die Frau außer Reichweite war. Zuvor waren uns bereits einige Trailrunner begegnet, die an uns vorbeidüsten, während wir unter dem Motto "Sicherheit vor Schnelligkeit" den Berg zu bewältigten versuchten.

"Es gibt kein warmes Wasser mehr!" eröffnete uns der Angestellte der Kemptner Hütte und händigte uns lediglich die Zimmerschlüssel aus. "Na bravo! 8 Stunden Wanderung und dann keine Dusche. Es döff net wahr sein." Wir begruben unseren Missmut mit einem reichhaltigen Menü, bevor auch noch die Küche um 19:30 Uhr schloss. 4 Mordspellkartoffeln mit Kräuterquark und eine Flädlesuppe machten einiges wieder wett. Jedoch kamen wir nicht drum rum uns mit eisigem Quellwasser einer intensiven Wäsche zu unterziehen. Zum Glück hatte Seli die 12er-Packung Duschhandschuhe eingepackt, die sie nun großzügig verteilte. Derweilen hatte sich mein Zustand von "Juhuu,-wir-sind-endlich-in-der-Hütte-angekommen!" zu "Ich-will-sofort-in-mein-Bett-und-morgen-von-der-Materialseilbahn-angeholt-werden" verschlechtert. Schüttelfrost, Schwindel und Übelkeit - vermutlich ein klassischer Sonnenstich mit leichter Gehirnerschütterung. Ich legte mich also frühzeitig in mein Bett und versuchte zu schlafen, während sich der Rest noch mal an den Tisch gesellte. Wir alle erlebten die beste Nacht auf unserer letzten Hütte, hatten wir endlich ein Zimmer zu fünft und ohne Schnarcher, - ja sogar die Stimmen von draußen hörten wir nicht mehr.

Es ging mir am nächsten Morgen überraschend gut und so entschied ich mit den Maschinen Kristin und Sonja noch dem Mutlerkopf zu besteigen, bevor wir uns gemeinsam an den Abstieg begaben. Wenn ich nun im Nachhinein darüber nachdenke, muss ich wohl doch noch Kopf-lädiert gewesen sein, mich für eine weitere Gipfelerklimmung mit diesen beiden Work-out-Girls entschieden zu haben. Zum Glück benötigten wir nur eine gute Stunde bis ans Gipfelkreuz und erblickten aus 2366m Höhe die überwältigende Landschaft. Auch uns konnte man wunderbar von unten betrachten, wie mir später Tine berichtete, da ich mit meinem T-Shirt wohl wie ein pinker Textmarker am Horizont leuchtete. Ein letztes Mal trafen wir auf Lukas und seine Wandertruppe, die sich zugleich nach den fehlenden Teilnehmerinnen Seli und Tine erkundigten. "Die trainieren unten für die dritte Halbzeit. Und die organisieren auf der Hütte noch ne Kirmes." Das Wort 'Kirmes' schallte in diesem Monat hinab runter ins Tal nach Oberstdorf, wo sich Menschenmassen auf den Weg begaben. Als wir uns schlussendlich gegen 12 Uhr zu fünft auf den panoramahaften Abstiegsweg Richtung Oberstdorf/Spielmannsau begaben, kamen uns die ersten Wandertruppen entgegen. Die Sonne prallte bei bestem Badewetter von 27 Grad auf den steil, bergrunter verlaufenden Trail und zwang uns selbst für den Abstieg in die Knie. Dies hielt weitere Truppen aus Köln und Hamburg nicht davon ab in Massen nach oben zu stürmen. Wir standen immer wieder Spalier, als schnaufende und erschöpfte Menschen hochzugs an uns vorbeizogen und wir inständig hofften, dass sie nicht zu sehr enttäuscht waren, dass oben weder eine Kirmes noch Freibier anzutreffen war.

Um die nachmittags Zeit erreichten wir Spielmannsau, ein Ort fast so groß wie Ahrdt, in dem wir unsere hochmoderne Pension bezogen, die uns vorzüglichen Komfort bescherte. Eine heiße Dusche, trockene Handtücher, einen Mülleimer und ein feudales Frühstückmenü mit frisch gebackenen Rühreiern. Man wird wieder so dankbar für die selbstverständlichen Dinge im Leben, die Uropa Karl zu diesem Zeitpunkt sicherlich noch lange nicht kannte.

Der Heilbronner Höhenweg, sowie die Zusatzwege unserer Hüttenwanderung waren eine absolut bereichernde Erfahrung, bei der man mit einem Bergpanorama nicht sondergleichen belohnt wurde. Wir sind begeistert und traurig zu gleich, dass es schon vorbei ist. In diesem Moment zückten die Hüttenwander-Organisatoren Tine und Sonja das Bergweltenprospekt hervor und planten noch während der Rückfahrt die nächste Route. Alpenüberquerung. E5. Von Oberstdorf bis Meran.

Liebe Berge, wir sehen uns wieder!

Die 3 unnützesten Mitnahmen:
- zweites Paar Schuhe (Seli)
- Selfiestick (Juli)
- Baguette (wurde im Auto vergessen)

Die 3 wertvollsten Mitnahmen:
- Blasenpflaster und Magnesiumtabletten
- Rei in der Tube und Feuchttücher
- Armlinge, Beinlinge und Weste

Die 3 großen Lügen der Hüttenwanderung:

1. Gleich geht's nur noch geradeaus!
2. Hier schnarcht schon niemand.
3. Die letzten werden die ersten sein.