Go Big or Go Home

"Life isn't about the numbers of breaths you take. 
It's about the moments that take your breath away."- Unknown

Wenn ich mit dem heutigen Tag nicht zur Bündnis 90/Die Grünen - Stammwählerin bekehrt worden bin, dann weiß ich es auch nicht. Mit einer diktatorischen Bestimmtheit predigte uns der Tourguide wie wichtig Ökotourismus ist und wie wir mit simplen Methoden nachhaltig unsere Umwelt instand halten und für kommende Generationen verbessern können. Ich hatte ein Bild von Napoleon und Kermit dem Frosch im Kopf, als uns 'Danny' mit Themen wie Recycling, erneuerbaren Energien und ökologischer Landwirtschaft ohne Pestizide konfrontierte. Wahrhaftig Brennpunkte, die in Deutschland kaum zur Debatte stehen... Nein, im Ernst, ich finde es wunderbar lobenswert wie Costa Rica mit seiner Umwelt umgeht und dass für Bildung und kostenfreies Gesundheitswesen sogar die überteuerte Armee abgeschafft wurde. Trotz alledem klang es schon fast revolutionär und aufhetzerisch was Danny da von sich gab. Der Ton macht immer noch die Musik und von daher waren wir froh, als wir im Schlauchboot einen konstruktiveren Instrukteur zugewiesen bekamen.

White Water Rafting. Level 2 - 4. Leute, macht euch auf was gefasst! Jenny und ich wurden nach ausgiebiger Einweisung des Paddels, Boot und Adjustierung, von unserer Mädels-Gruppe getrennt und in das Sechser-Boot mit 4 texanischen Muskelpaketen outgesourct. Schade zunächst, denn wir hatten uns doch schon schön die atemberaubenden Bilder zusammen ausgemalt. Sinnvoll jedoch, denn Paddelkraft kommt nicht von ungefähr. In welligen Gefilden wies uns 'David' noch einmal mit genauen Instruktionen in die Techniken des Waterraftings ein, bevor wir unter hochwelligen Begebenheiten mit dem Paddel in die Fluten einstachen. Durch tropischen Regenwald, entlang rockiger Felsen und herabstürzender Wasserfälle, paddelten wir um unser Leben und folgten hoch konzentriert den Anweisungen von David. "Right forwards, left backwards, everyone in the middle!" hörte ich es unentwegt hinter mir rufen und traute mich auch nur keine Sekunde, das Paddel aus dem Auge zu lassen. Die Strömungen wurden stärker und Regen von oben setzte erschwerend ein. Stromschnellen. "Paddle harder!" Felsen zur linken. Felsen zur rechten. Riesen Felsbrock geradeaus. Schräglage. "Paddle harder!" Abgrund. Innerhalb von wenigen Sekunden überschlugen wir uns allesamt. Unter Wasser. Benommenheit. Das Boot verkehrt herum über uns. Panisch kämpfte ich mich wasserschluckend unter dem Boot hervor. Jenny und die Texaner immer noch unter dem Boot. Der Tourguide außer Sichtweite. Noch immer das Paddel fest umklammernd, erhaschte mich eine Stromschnelle und trieb mich davon. Ich versuchte mich an Felsen festzuklammern, doch rutschte an der slipprigen Oberfläche immer wieder ab. Hinter mir immer noch keine sichtbare Veränderung. Hoffnungsvoll nach vorne blickend: keine anderen Boote. Mehr Strömung. Plötzlich streift mich etwas in Schräglage. Ein Paddel. Als müsste ich ein Leben retten, griff ich nach dem zweiten Paddel und hielt an beiden fest als wäre dies mein Überlebensrettungsring und einzige Möglichkeit nicht weiter abzudriften. Tatsächlich behinderten ich mich mit diesen beiden Stangen umso mehr. Felsen. Steine. Viel Wasser. Den Blick nur noch nach vorne gerichtet um Hindernissen auszuweichen. Kein Boot weit und breit. Urplötzlich ein Griff aus dem Nichts. Ich spüre noch das Schlauchboot an meinem Rücken und befinde mich innerhalb kaum messbarer Zeit völlig erschöpft, die beiden Paddel immer noch festhaltend und furchtbar benebelt, im Boot. Alleine. Nur der Tourguide, kämpfend mit den Wassergewalten, zieht einen nach dem anderen aus dem Wasser. Jenny, unter Schock stehend, landet neben mir. Die texanischen Bodybuildertypen folgen nach und nach. Als wir uns alle wieder im Boot befinden ein Mix aus Erstarrtheit und Aufregung über das was uns da gerade widerfahren ist. Einatmen. Ausatmen. Weiterpaddeln.

Nach 2 Stunden Paddelteamwork auf der 14km langen Wildwasserstrecke erreichen wir ausgelaugt und dankbar das Ziel. Unterwegs sichten wir noch ein paar Leguane, Schlangen und Geier. Die anderen Boote sind ganz unversehrt. Die Engländerin hatte es einmal über Bord geworfen. Und zwei Paddel sind in den Tiefen abgedriftet. Nachdem wir uns unserer Schwimmwesten und Helme entledigt haben, bringen uns die Boot-Tourguides zu einer Farm wo wir mit ökologisch angebauten Speisen gestärkt werden. Im Anschluss folgte ein Rundgang über den landwirtschaftlichen Hof, auf dem uns aufgezeigt wurde, wie man mit wenig Land und Ressourcen und unter ökologischen Gesichtspunkten, seine eigene kleine Farm aufbauen und mit diesen gesunden Naturprodukten sein Überleben ohne Burger King und Co. sichern kann. Im Grunde habe ich mich gefühlt wie bei meiner Oma auf dem Bauernhof, mit dem Unterschied dass Ananas anstatt Zucchini angebaut wurden und sich nebenan noch eine Art Schnapsbrennerei befand. Noch einmal wurden hier die Muskelkraft der Kanadierinnen und mir gefordert, als wir zu dritt das Zuckerrohr durch die Herkules-Presse beförderten. Der zuckersüße Extrakt plus der 60%ige klare Schnaps schlugen bei uns voll ein und ließen uns fast Feuer speien. - Diese ökologischen Gringo-Ideologen dachten wohl sie könnten uns im schummrigen Zustand weitere Trinkgelder abknöpfen, doch schlauer waren wir, denn abgezockt wurden wir in diesen Tagen schon genug. Leicht angetrunken feilschte ich mit Kermit um die Foto-CD auf der unsere Paddel-Bilderserie zu finden war und konnte den aggressiven Frosch quäkenden Typen um $10 herunter verhandeln. - So langsam wissen wir wie der Hase läuft! Übers Ohr hauen lässt man sich nur 2-5 Mal!

Wir befinden uns - ganz nebenbei - mittlerweile in La Fortuna. Hergekommen sind wir vor zwei Tagen und das ging so:

Die gestrige Massage wurde schon am Folgetag wieder hinfällig, als wir eine endlos lange halbe Stunde mit Sack und Pack am sumpfigen Seeufer warteten, um dann schlussendlich über die improvisierte Strandgutbrücke aus Baumgeäst in den Kutter einzusteigen. La Fortuna heißt das vorletzte Ziel unseres Trips. Und ich wusste bis heute nicht einmal, dass dies zu Wasser angereist werden muss.

Endlich Regen! Lange genug lies der erhoffte Schauer auf sich warten, doch nach 14 Tagen Mittelamerika zur Regenzeit ist es nun so weit. In der feuchttropischen, ländlichen Stadt 'La Fortuna' setzte die angenehm milde Erfrischung beim Chillen am Pool ein. In Windes Eile rafften wir alle Habseligkeiten aka Travelnotizen, Bücher, Snacks und Elektrogeräte beisammen und verfolgten das uns mittlerweile fremd erscheinende Naturereignis 'Regen' von der Veranda mit Staunen und Begeisterung. Ja, so langsam wird es Zeit sich auf mitteleuropäische Wetterverhältnisse wieder einzustimmen. Sonst endet die Heimkehr gar noch mit Kulturschock!

Der heutige Nachmittag und Abend stand ganz unter dem Stern "Siesta" Nach all den Strapazen, Activities und Abzockereien war dies einzige sinnvolle Maßnahme und tat den Muskelkater befallenen Knochen einfach mal gut! Einzige, aber völlig ausreichende Tour für diesen Abend, führte zu den 'Hot Water Springs". Und dieses spektakuläre Ereignis möchte ich euch nun beschreiben: In schon fast vollständiger Dunkelheit, umwogen von nächtlichem Nebel, kletterten wir barfuß und nur mit dem nötigsten (Handtuch, Bikini, Bier), über felsiges Gestein, hinein in einen Nebelwald, wo der aufsteigende Dampf der heißen Quellen als Silhouette wahrzunehmen war. Wie in einem Märchenwald, umgeben von Farn, riesigen Bäumen und Lianen und nur dem lodernden Schein ein paar mit Wachs auf Fels befestigter Kerzen, begaben wir uns in die heißen Gewässer und ließen uns von der wohltuenden Wärme verwöhnen. Die ersten Minuten genossen wir in völliger Ruhe und mit Bestaunen jenes überwältigen Naturvorkommnisses. Um die Runde etwas zu beleben und nicht vollständig in den Delfinmodus zu verfallen, ordneten die Kanadierinnen ein paar Spiele an. In einem lustig, erheiterten Hin und Her spielten wir "Bomb" (simpel), irgendwas mit Zahlen (medium) und "Monkey" (für nicht englischsprachige Muttersprachler endet dies im Alkoholismus)! Verloren habe ich trotzdem nicht, sondern die Australierin, da ich durch geschicktes Einwerfen willkürlicher Buchstaben für totale Verwirrung bei den Mitspielern sorgte.

La Fortuna - was ein Ort! Leider die vorletzte Station bevor es nach San José geht. Heute Morgen wollen wir noch eine letzte Vulkanwanderung bestreiten. Da fällt mir ein - ich muss los - bin spät dran!


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