You only live once

Tag 11-12

"Eine Sache, die ich niemals tun werde ist der Bungee Jump." "Stimmt, das mach ich auch nicht, das geht einfach gar nicht." Nee, also Skydive ist ok, aber von ner Brücke springen? Never ever!" So lautete in etwa die Konversation, die wir auf der erschreckend langen Fahrt von Chintsa zum Addo Elephant mit unseren Fischer-Girls führten. Der Addo Elephant Park weist übrigens eine Vielfalt von Tierarten auf. So sahen wir jede Menge Impalayas, Zebras, Pumbas, Impalayas, Pumbas, Pumbas und .. oh, tatsächlich einen vereinzelten, schon ziemlich verschrumpelten, in die Jahre gekommenen, Elefanten. Er zeigte sich völlig desinteressiert und bewegungslos vor unserer Kamera und im Nachhinein muss ich die berechtigte Frage stellen, ob es sich tatsächlich um ein lebendes Wesen gehandelt hat. 

Die weitere Abendgestaltung belief sich auf Karten, Feuer und unseren ersten Nachbarschaftsstreit. Um sage und schreibe 21:45 Uhr erhielten wir eine deftige Rüge von unserem Wohnmobilnachbarn, ob wir denn nicht die Platzordnung kennen würden und was uns einfiele, um diese unsäglich späte Uhrzeit, noch zu lachen?!?!? Er zückte die Gelbe Karte und drohte mit Platzverweis. Yolo sagt halt eben nicht jedem zu.

Irgendwie mussten wir an diesem Tag noch eine folgenschwere Entscheidung getroffen haben, zumindest hatte ich das am nächsten Morgen so im
Gefühl. Der Tag begann eigentlich recht unspektakulär. Zelte abbauen, Frühstück, Weiterfahrt. Eine kaum spürbare Nervosität durchfuhr den Bus. Das Stimmungsbild der vereinzelten Mitreisenden befand sich im Zustand von völlig aufgedreht bis panisch ruhig. Dabei sollte auch am Mittag noch nichts weiter aufregendes geschehen. Wendy offerierte uns am Zwischenstopp in Jeffrey's Bay einen hervorragenden Nudelsalat mit diversen Soßen. Außerdem gönnten sich löön und ich einen Peanutbutter Milkshake, der auf einer Menükarte in einem wunderschönen, Vintage angehauchten Etablissement namens "Tasty Table" zu finden war. "So, are you guys going for Surfing later on?" fragte uns die liebenswerte Restaurantbesitzerin. "Ehm no, we're going to jump from a bridge." Und damit war es ausgesprochen. Was auch immer uns wieder geritten haben sollte, bzw. welchen Sonneneinstrahlungen wir wohl dem Tage zuvor ausgesetzt waren... aus irgendwelchen, nicht nachvollziehbaren Gründen, mussten wir uns für das Optional 'Bungee Jump' entschieden haben. 

Als wir wieder in den Bus stiegen, erreichte die Anspannung einen vorzeitigen Höhepunkt. Mit der neu erstellten Playlist, die Songs wie "Highway to hell", "The final Countdown"und "Closer to the edge" beinhaltete, wurde die Sache nicht besser. Doch ein Zurück gab es nicht mehr. Die Brücke rückte näher und näher. Als Evanescenes mit "..I'm falling forever" den Schlusspunkt der Playlist setzte, hatten wir den Vorbereitungsplatz erreicht. Wir müssen kreidebleich gewesen sein, als uns die Bungee-Crew das Geschirr für den Sprung anlegte. Nachdem wir noch unser Gewicht mitteilen mussten, welches wiederum mit Edding auf unserer Handfläche, mit einer weiteren eindeutigen Kennung notiert wurde, schauten wir mit ungläubigen Augen auf die 216 Meter hohe Autobahnbrücke. Aus der Ferne sahen wir die ersten Springer und bei mir verdrehte sich alles im Magen. 40 Minuten Wartezeit standen und noch bevor. Nervös trommelte ich unabdinglich mit dem GoPro-Selfiestick auf sämtliche Objekte, die mir in die Quere kamen. Maren fragte nun zum gefühlt 5ten Mal, ob wir nicht doch noch mal aufs Klo gehen wollten. Löön schlug mehrmals die Hände über ihrem Kopf zusammen und konnte Aufregung und zugleich Vorfreude nicht fassen. Saskia analysierte unterdessen ausführlich die Sprungtechnik unserer Vortänzer und schmiedete bereits einen Masterplan wie man möglichst grazil in die Tiefen stürzt. Chris und Patrick waren die Ruhe selbst und sogar von unserer Holländerin Tessa war kein einziges Wort mehr zu vernehmen. Der Rest der Gruppe postierte sich derweilen schon mal an der Zuschauerreling, um uns mental über die doch sehr gewaltige Distanz zu unterstützen. 

Ich gab Julia noch mein Handy zur Aufbewahrung und schnallte mir die GoPro an den Arm. Dann schritten wir los. Eine ewig lange Käfigbrücke, die unterhalb der Autobahn installiert war, sollte uns zur Plattform führen. Ich wagte keinen Blick von diesem eisernen Steg nach unten zu werfen, hätte ich ansonsten wahrscheinlich direkt kehrt gemacht. Maren hielt ihre Hand für mich nach oben, welche ich mit meinen Augen fixierte, um ja nicht in die himmelweiten Tiefen zu schauen. Auf der Plattform angekommen, wurden wir mit Disco/Dance Musik begrüßt. Man hätte hier oben gut und gerne eine fette Party steigen lassen können, ja wenn da nicht noch der Abgrund gewesen wäre. Die Reihenfolge wurde anschließend festgelegt. Patrick, Chris, Maren, Saskia, löön, irgendjemand anderes, ich und zum Schluss Tessa. 

Die Anspannung war nun unaushaltbar. Ich installierte Patrick die GoPro am Arm, wollten wir doch soviele Eindrücke wie möglich sammeln. Patrick schritt mit Hilfe der Crew bis zum Abgrund. Noch ein paar Zentimeter. Ein kleiner Schubser. Sprung. Wir haben vermutlich alle zehnmal lauter geschrien als Patrick selbst, doch wir konnten das alles einfach nicht realisieren, was da vor unseren Augen geschah. Während Patrick wieder hochgezogen wurde, sprang bereits Chris in die Tiefen. Trotz seiner Jumping-Erfahrungen aus Neuseeland, schien auch er das Ganze nicht so leicht nehmen. Dann war Maren an der Reihe. Beim Befestigen des Seils grinste sie nochmals in die Kamera, kurz darauf wurde sie zur Kante geführt. In ihrem Gesicht war nur noch die pure Angst zu sehen. Ein U-Turn schien nicht ausgeschlossen zu sein. Zu zweit gaben die Crew-Mitglieder ihr den Schubs und sie sprang. OMG! Saskia stürzte ja beinahe schon tiefenentspannt die Brücke herunter, während die anderen drei völlig Adrenalingepumpt und euphorisch wieder nach oben manövriert wurden. Derweilen schritt löön mit übernatürlichen Herzschlagimpulsen nach vorne. Ich glaube sie ist sogar von sich aus gesprungen, es sah zumindest so danach aus. Ich konnte noch sehen wie sie sich mit Schwimmbewegungen während des Falls nach vorne bewegte, dann war ich an der Reihe. Meinen Zustand kann ich kaum in Worte fassen. Ich hatte mir vorgenommen alles auszublenden und alle Angst- und Warnzentren des Körpers zu deaktivieren. Mein Puls schlug bis zur Unendlichkeit und ich hatte das Gefühl einer Schockstarre nahe zu sein, je näher ich dem Abgrund kam. Ich stand nun an der Kante und schaute entsetzt hinunter. "No, i can't do it." versuchte ich der Crew mitzuteilen. Doch dann brach von hinten eine Euphoriewelle aus "You can do it!" "Juli, spring einfach!" Mit den Anfeuerungsrufen meiner Truppe  schloss ich kurz die Augen, nickte der Crew zu und bekam dann den Schubser. Fall. 

Ich hatte eigentlich erwartet, dass einem in solch einem Fall, nochmal die Bilder des Lebens durchstreifen und man kurzzeitig mit allem abschließt. Aber dem war ganz und gar nicht so. Man fällt und dann schießt einem so viel Luft entgegen, dass man sogar glaubt wieder Auftrieb zu bekommen. Es ist einfach ein Moment, als ob kurz die Zeit stehen bleiben würde. Na ja, bis halt das Seil fertig ist und man wieder hochgeworfen wird. Adrenalin-Kick pur! Unbeschreiblich! Kann man mal gemacht haben..
Als ich wieder nach oben gezogen wurde, standen die anderen bereits jubelnd und über beide Ohren grinsend vor mir. Wir klatschten uns alle wie nach einer gewonnenen Meisterschaft ab und gerieten in einen unaufhörlichen Euphoriestrudel. Ein absolut unfassbar, geiler Moment, der uns vermutlich für immer begleiten wird und der sich tief im Gedächtnis eingebrannt hat. Es müssen viel mehr Kernerinnerungen gemacht werden! Und das ist eine davon. Denn: you only live once! :)

PS: Erst nach dem Sprung betrachte ich noch einmal den Prospektflyer der Brücke. "löön, wir sind ja von der höchsten Bungeebrücke der Welt gesprungen?!" "Ja, klar hat Wendy uns doch gesagt. Hast du das nicht gewusst?" "What? Natürlich nicht!?! Ich wär niemals gesprungen!"



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