Hakuna Mata!

Ich liege unter einer Holzbridge, die Umgebung fühlt sich klamm an. In der Ferne hört man Grillen und das Knacken eines vermorschten Baumes. Ab und zu fällt lautstark eine Mango auf das scheppernde Dach. Ein leichter Windrausch lässt die Tür immer wieder Geräusche von sich geben. Es ist dunkel geworden und nur der schwache Schein einer veralteten Lampe erhält den Raum. Außer mir befindet sich niemand in der Holzbehausung. Die anderen vermute ich im Dorfinneren. Am Lagerfeuer. Zwischen Buschtrommeln und afrikanischen Tänzen. Neben mir liegen diverse Tablettenschachteln. Taschentücher. Medikamente. Die trockene Luft lässt mich kaum atmen und das Nasenspray befindet sich in Dauerbenutzung. Der schwache Anflug einer Erkältung vor zwei Tagen hat mich nun vollends dahingerafft. Ich zähle die Sekunden. 1, 2, 3.. Bis zu den Toiletten sind es mehrere 100 Meter. Draußen flanieren Gnus, Zebras, Impalayas und Warzenschweine. Das Handynetz schlägt weiterhin auf 0 aus. Es hilft alles nichts, ich muss los und den Weg durch die Dunkelheit bestreiten. 
- Swaziland, Tag 4

.. was zuvor geschah. Tag 2 + 3

"Mir doch egal was die Tessa gesagt hat, ich kann mich net 24/7 auf Englisch unterhalten!" markierte löön am nächsten Morgen, nachdem wir am ersten Tourtag bereits eine Rüge erhalten hatten. "Don't speak in your language, this is really rude!" mahnte uns die Holländerin an. Hatse ja grundsätzlich recht, aber erzähl das mal nem Briten oder Ami! Außerdem ist das deutsprachige Volk diesmal in der Überzahl und da muss sich nun mal nach der Mehrheit gerichtet werden :D 

Auf der ellenlangen Fahrt ins Shalati Bush Camp, konnten wir bereits erste Eindrücke von Südafrika gewinnen. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist unverkennbar. Sind die Großstädte geprägt durch europäische Moderne. SPAR-Märkte, DHL Zentren und Luxusvillen überwiegend weißer Gesellschaft, so bestechen die Vororte und ländlichen Gegenden durch Ghettos, Müllhalden und Wellblechfeeling mit fast ausschließlich schwarzen Bewohnern. Auch Gewalt scheint in diesem Land keine unbekannte Vokabel zu sein, traf uns beim Snackstopp der erste Kulturschock in Form eines Werbeplakates an einem öffentlichen Laternenmast. "Abortion 100% guaranteed! Pain free! New doctor in town!" Und darunter in mehrfacher Ausführung die Telefonnummer zum Abreißen. 

Am Spätnachmittag erreichten wir das Bush Camp und zugleich Bleibe für diese Nacht. Auf einem ansehnlichen Arenal errichteten wir unser Lager und nahmen die Installation der Zelte vor. Schweißtreibende Handarbeit und Fingerhornhaut vorprogrammiert! Die Zelte sind zwar deutlich größer als das handelsübliche europäische  Standardformat, jedoch ist die Hering-Konfiguration ein mittelschwerer Kräfteaufwand, der Physik- und Muskelkenntnisse erfordert. 

Nach getaner Arbeit folgte ein grandioses Abendessen, sowie ein Lagerfeuer, welches mit Tanz und Gesang von einem lokalen südafrikanischen Chor- und Theaterverein untermalt wurde. Begeistert folgten wir dem musikalischen Geschehen und ließen uns unterdessen, die erworbenen Szene Getränke "Savanna Cider" und "Windhoek Lager" munden. Gegen 22 Uhr begaben wir uns Richtung Zeltlager und dürfen an dieser Stelle einmal anmerken, dass südafrikanischen Campingplätze zu 95% den schwedischen Standards entsprechen. Hier gibt es kaum etwas anzumängeln. Und die Maus, die wir Feivel tauften, welche wir in der mobilen Campingküche antrafen, sollte auch sicherlich ein Ausnahme bleiben.

Die erste Nacht im Schlafsack verlief verhältnismäßig reibungslos. Lediglich der Wecker, der uns bereits um 06:00 Uhr das Ende der Nacht erklärte, hätte getrost aus dem Zelt fliegen können. "Warum sind wir eigentlich im Schildkrötenmodus geboren?" stellten wir auf ein Neues fest, als wir noch mit der Deinstallation des Zeltes zu gegen waren, während sich der Rest der Crew schon zwischen Frühstück und Packmodus befand. "Morgen stehen wir bitte ein Stunde früher auf, damit wir synchron zu den anderen mithalten können und unsere Lunchration nicht spitz auf Knopf zubereiten müssen!"

Der erste Stopp führte uns an diesem Tag zu einer Grundschule, die als soziales Projekt von GAdventure gefördert wird. Die Kinder zwischen 2-4 erfreuten sich sichtlich unserer Anwesenheit und dem von uns aktivierten Spielmodus.  Gerne hätten wir ein paar Fußballnachwuchstalente mitgenommen, doch dies wurde uns untersagt. So ging der Weg weiter Richtung Krüger Nationalpark, der eine unglaublich riesige Fläche mit Freiwild zu bieten hat. Von 9:00 bis 17:00 Uhr pirschten wir über die Asphalt- bis Offroadwege und erspähten so manchen afrikanischen Superstar. Vom Dickhäutern, über Buffalos, Giraffen, Nashörnern, Nilpferden, Gnus bis hin zu Zebras, war so ziemlich jede namhafte Gestalt anzutreffen. Selbst der König der Tiere versteckte sich nicht und ließ sich für ein paar Weitaufnahmen ablichten. Nur der Leopard wollte sich nicht so recht zeigen und ließ uns als letzter der "Big Five" ziemlich lange zappeln. 

"Ich hab noch nie so intensiv einen Baum angesehen!" bemerkte Lisa, als wir bereits seit 45 Minuten einen Phantom-Leoparden im Blätterwald suchten, wegen dem ca. 15 Autos das nähere Gelände einkreisten, welchen angeblich ein Vollpfosten erspäht hatte. Dass der Uhrzeiger mittlerweile auf 14:30 Uhr fortgeschritten war und wir seit der frühen Morgenstunde nichts Essbares zwischen den Beißern hatten, schien niemanden zu interessieren. Nachdem wir irgendwann das Leoparden-Späh-Programm als gescheitert deklariert hatten, kehrten wir auf einem Rastplatz ein, der auch Planet der Affen benamt hätte werden können. Ca. 20 Primaten stürzten sich auf löön und Lisa, die Müh und Not hatten unsere Sandwichs zu verteidigen. 

Die kurze Rast wurde zugleich für die Fortsetzung unserer Pirschfahrt schnell abgehandelt und für weitere Stunden Landschaftserspähung ersetzt. Während wir überglücklich unserem Kindheitshelden "Pumba" entgegen traten, wurden wir außerdem Zeuge eines kannibalischen Vergehens am unscheinbaren Straßenrandes des Parks. Ein Affe machte sich an der noch lebenden Beute eines Löwen zu schaffen und riss dem armen Impalaya Reh die Beine aus, um das rohe Fleisch zu verspeisen. "Oh my God, ich dachte die Viecher seien Vegetarier!" Was ein zerstörender Anblick!
 
Nach diesen traumatisierenden Bildern, aber auch dem Erfolgserlebnis die Big 4 1/2 gesehen zu haben, erreichten wir am Abend das Lager für diese Nacht. Mittlerweile hatte sich die Gesamtlage der Reisenden etwas entspannt und wir bemühten uns stetig im English-Mode zu bleiben. Mehrere Rügen der Holländerin hatten bereits für eine Spaltung der Gruppe gesorgt. Für Team München galt der holländische "Totalausfall" als überhaupt nicht mehr tragbar und auch bei uns schien der Geduldsfaden zu platzen, als jeglicher deutschsprachiger Kommunikationsaustausch mit nicht ausschreibbaren Schimpfwörtern tituliert wurde. 

In solchen Fällen hilft nur eins: Krieg oder Lagerfeuer mit Bier. Wir entschieden uns für letzteres. Hakuna Matata! 

.. und in der nächsten Ausgabe zu lesen: Grippewelle, Lebensmittelvergiftung und Mountainbikesturz! Sofern ein Wifibalken zu finden ist, werdet ihr mehr über unsere aktuelle Lage erfahren. Bis dahin, Glück auf!

PS: Das Mobilfunknetz befindet sich in einem desolaten Zustand. Weder ein Funksignal, noch der Hauch von drahtloser Netzwerkinfrastruktur ist hier vorhanden. Obwohl, ist das eigentlich so schlecht?




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