How to save a Life

"Are they crazy or what?!" Um 5:30 Uhr morgens schepperten burmanesische, heulende Klänge aus krächzenden Lautsprechern und beschallten damit, in einer unerträglichen Lautstärke, die gesamte Hotelanlage für den restlichen Vormittag. Den Ursprung der ohrenbetäubenden Musik fanden wir in einem Tempel, der direkt neben unserem Hotel lokalisiert werden konnte. Das kann doch kein Zufall sein...?!

Am vorletzten Tag unserer Reise erkundeten wir mit einem 4-Mann Boot das Venedig Myanmars: Den Inle-See. Das 116 km2 große Gewässer ist nicht nur ein See, - nein, es ist auch Lebensraum und Arbeitsstätte eines ganzen Volkes. Mitten auf dem See erheben sich schwimmende Dörfer und Reisfelder aus dem Wasser und laden mit einem freundlichen "Welcome to Inle-Lake" ein. Beeindruckt von den auf Teakholzpfählern errichteten Wohngebäuden, schipperten wir entlang der Wassergassen- und gärten und ließen uns von Einbeinruderern eine besondere Form der Fortbewegung aufzeigen. Unser ersten Stopp in "Waterworld" machten wir bei einem Seidenhersteller, der uns workshopmäßig die Herstellung des Stoffes erklärte. Es wäre sehr schön geworden, wäre nicht zur gleichen Zeit eine Horde Italiener heuschreckenartig auf uns eingefallen. Mindestens 20 Boote legten nur Sekunden nach uns an und stürmten auf das Seidenhaus ein. Dass die hölzernen Pfähle bei der Überbelastung nicht unter uns zusammenkrachten, grenzte an ein Wunder. Schnell machten wir uns wieder aus dem Staub und besuchten weitere tragende Hot-Spots des Wasserdorfes. Ein Kloster, ein Zigarrenhandel, eine Silberfabrik und natürlich eine Pagode wurden Ziel unserer Bootsfahrt. Bei der Pagode sollte es sich auch zeitgleich um den letzten Tempel für diese Tour handeln, was mich und auch alle anderen etwas sentimental stimmte. Zur Mittagszeit kehrten wir auf einen delikatösen Lemon-Butterfisch in ein schwimmendes Restaurant ein und schauten zum Abschluss noch bei der bekannten Langshalsvolkspezies vorbei, die mit zentnerschweren goldenen Ringen, ihren Hals erweitern und damit ihre uralte Tradition fortsetzen.

Nach einem langen, aber sonnigen und erfolgreichen, Tag auf dem See, führte unser Weg am Abend zu dem täglich stattfindenden Nightmarket. Bei Klängen von "What doesn't kill you makes you stronger" gaben wir es unserem Magen noch mal richtig und stellten in einer kleinen Challenge noch mal alle Häppchen zusammen, die der Street Food Market herzugeben hatte. Hühnchenleber, Frosch,  Krebs und andere nicht identifizierbaren Herrlichkeiten wurden auf dem gemeinsamen Teller präsentiert und im gewohnten Sharing-is-Caring-Modus verspeist. Während unserer Verköstigung näherte sich uns ein junger Hund, der schwanzwedelnd und erwartungsvoll zu uns blickte. Nicht ahnend, welche Konsequenzen folgen würden, versorgten wir den Hund mit Hühnchen, Würstchen und Broccoli. Dem Hund gefiel es so gut, dass er es sich unter unserem Tisch gemütlich machte und bei und verweilte. Zuvor hatten wir beobachtet wie das arme Kerlchen in den ein oder anderen Disput mit anderen Straßenköter geraten war und so waren wir uns ziemlich sicher, dass er einfach nur etwas Ruhe brauchte. Nachdem wir den letzten Schluck Myanmar Bier zu uns genommen hatten, machten wir uns wieder auf Richtung Hotel, stand uns noch ein 30-minütiger Fußweg durch die Dunkelheit bevor. Kaum hatten wir uns erhoben, machte sich auch der Hund startklar und tappte schwanzwedelnd hinter uns her. Auch auf vieles gut zureden, ließ er sich nicht davon abbringen uns zu folgen. Wir dachten "Ok, wenn er die Grenze seines Territorium erreicht hat, wird er schon wieder umkehren." Doch Pustekuchen, auch drei Blocks weiter hielt das goldbraune Hündchen noch Fuß. Dann geschah etwas Unerwartetes. Von drei Ecken strömerten Hunde auf uns zu und erklärte dem Kleinen, dass er sich auf fremden Land befindet. Unbeeindruckt,

im Schutze unserer Gruppe und weiterhin schwanzwedelnd marschierte unser neuer Weggefährte weiter. Doch an jeder Ecke vermehrte sich die Straßenköteranzahl, die knurrend und bellend ihr Territorium bewachten. An einer Kreuzung geschah es dann. Eine Gang von sechs Kötern umzingelte unseren Freund und drängten ihn in eine Ecke. Der arme kleine Kerl zog seinen Schwanz ein und verteidige sich so gut wie es ging, aber wir erahnten kein Happy End. Also blieb nur eins: wir mussten den Hund retten. Kara und ich stellten uns vor die angreifenden Hunde, stampften auf den Boden und vertrieben das Gesindel. Auch die lokalen Anwohner, die uns erst ein wenig belächelt hatten, griffen ein und stellten sich verteitigend vor die böse Hundegang um den Weg zu versperren. Selbst ein LKW und Motorräder hielten für uns mitten auf der schwach beleuchteten Straße an und so konnten wir Schlimmeres verhindern. Der Versuch den Kleinen wieder zurück zum Nightmarket zu begleiten, scheiterte leider auf ganzer Linie, wollte er unbedingt mit uns weiter reisen. Also nahmen wir ihn mit in unser Hotelresort, wo die Wachhunde ihn knurrend passieren ließen, sodass er uns bis zur Veranda folgen konnte. Kara reichte ihm 4 Gläser Wasser, die er dankbar ausschlürfte und sich dann völlig entspannt und glückselig auf den Verandaboden legte. Erst jetzt sahen wir die Narben, den Dreck und die Furchen und dass es sich um eine Hundedame handelte. Die Hündin war bestimmt noch keine zwei Jahre alt und ist sicherlich schon mehrfach in Kämpfe und Vergewaltigungen geraten. Vielleicht war diese Nacht die erste, die sie ungestört und friedlich einschlafen konnte. Und vielleicht war es auch das erste Mal, dass sich jemand um sie kümmerte. Kara googelte die Nacht noch, wie sie den Hund nach Kanada einführen könnte und ich träumte mir einen Weg sie mit nach Hause zu nehmen. Als wir am nächsten Tag vor die Tür traten, war der Verandaboden leer. Chiquita, so hatten wir sie getauft, war wieder verschwunden. Und alles was wir hoffen konnten war, dass es ihr gut erging, wo auch immer sie nun war.



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