Bergvagabunden sind wir, ja wir!

„Also Leute, jetzt mal ernsthaft, das war doch gestern kein ‚Rocktobeerfest‘. Das war doch eher so ein Anarchie-Hippie-Gras-Festival.“, wiederholte sich Kristin mehrfach am nächsten Morgen, als uns die Geruchsmischung aus Bratfett und gerauchtem Pflanzenmaterial noch in der Nase stach. Wir hatten am Tage zuvor einen Erholungstag, zugunsten meines Gesundheitzustandes und der körperlich anstrengenden Aktivitäten, eingelegt. Als Wellness-Destination wurde der spanische Edersee erklärt, den wir im Offroadmodus erreichten. Das unübersehbarere Warnschild mit dem Hinweis „ACHTUNG! Gebiet mit plötzlich wechselndem Wasserstand!“ ignorierten wir hierbei gekonnt und erkundeten hinter der Autobarriere, das Lehm- und Wiesengefilde, welches uns zu einem türkisblauen Stausee führte, der nicht nur einige Ruinengebäude, sondern auch einen menschenleeren Strand aufwies.

Ein wenig komisch kam es uns schon vor, dass keine Menschenseele weit und breit zu sehen war. Das gesamte Terrain wirkte mystisch. Man meinte sich zunächst im alten Ägypten am Nildelta zu befinden, bis man auf asiatische Erdbauhügel traf. Doch auch dieser Eindruck widerlegte sich, als man im See einen alten Baum aus dem Wasser ragen sah und in der Mitte des Sees eine Kirchturmspitze zum Vorschein kam. Alles sehr suspekt. Und so beschlossen Sissy und ich uns zwei Mutproben zu stellen. Zunächst schwammen wir zu dem Baum, der mindesten zwei Meter tief ins Wasser ragte. Danach wateten wir Richtung Kirchturmspitze. Auf der Hälfte des Wasserweges hörten wir zwei bis drei laute Schüsse. Voller Panik, dass der See nun komplett geflutet werden konnte, eilten wir ans Ufer zurück, wo sich Kristin und Löön bereits in der Sonne aalten.

Der See wurde nicht weiter geflutet und der Wasserstand blieb über den gesamten Zeitraum unseres Daseins auf gleichem Niveau. Uns blieb dieser Ort, der einen wunderbaren Blick auf das pyrenäeische Bergpanorama freigab, jedoch bis zum Schluss suspekt und wir hätten zu jederzeit mit allem gerechnet.

Am Abend besuchten wir die spanische Version des Oktoberfestes, hier „Rocktobeer“ genannt, die offensichtlich noch in den Kinderschuhen steckte. Der Bonverkauf erwies sich mehr als komplex und das „Bier“, welches hier offeriert wurde, schmeckte eher so nach einer Mischung aus Chlorwasser mit Hefeflavour. Widerlich! Wir einigten uns auf Sangria und lauschten den lokalen Rockbands, auch wenn wir diese, dank fehlender Spanischkenntnisse, textlich kaum verstehen konnten. Die sonderbaren Gerüche, die sich in dem Zelt breit machten, werden wir hier nicht weiter erörtern, sondern einfach mal hinnehmen.

Der nächste Morgen wurde hart. 6 Uhr aufstehen. 1.200 Höhenmeter standen uns bevor. Wir hatten uns dazu entschlossen die 8-stündige Wanderung zum „Balcony de Pineta“ in Eigenregie anzutreten, dessen Gipfel auf 2.600 Metern liegt. Gut gestärkt traten wir die Wanderung am Fuße der Pyrenäen an. Kristin-the-machine im Stechschritt voran, wir keuchend und pustend hinterher. Es war mal wieder famos, dass Kristin so gar keine körperliche Einschränkungen wahrnahm und wir mit einer bunten Mischung aus allerlei Wehleiden um die Ecke kamen. Sissy zwickte die Wade, Lööns Beine waren einfach zu kurz und ich kämpfte gegen Keuchhusten und Schnupfenanfälle an.

Der Weg führte uns zunächst durch einen Märchenwald, jedoch immer stufenartig bergauf. Bereits bei 1/8 der Strecke hätte becks Mini Maus angefangen zu tanzen. Uns stockte der Atem und wir hechteten Kristin hinterher, die sich offenkundig zum Ziel gesetzt hatte, alle weiteren Wandertruppen, die vor uns gestartet waren, zu überholen. Als wir die Baumgrenze erreicht hatten, wurde der Streckenverlauf felsiger und schotterig. Von dem brutalen Anstieg ganz zu schweigen. Als wir mal wieder eine zweiköpfige spanische Wandergefolgschaft, die nicht sehr trittsicher schien, überholt hatten, zeigte Kristin Mitleid. „Mir tut die Frau so leid, ich glaube nicht, dass die hier hoch kommt.“ Löön hingegen fiel dazu empathielos ein: „Dann schnall dir die Alte doch aufn Buckel, damit du auch mal ausgelastet bist.“ Es folgte darauf ein 15-minütiger Lachflashdialog zwischen Löön und mir, da wir uns einfach nicht mehr einkriegen konnten, was uns jedoch noch mehr Luft kostete und somit den Aufstieg abermals erschwerte. Unterdessen verfluchte Sissy die felsige Südwand und glaubte, dass wir das Ende niemals erreiche würden. Auch unsere identischen GPS-Apps, gaben völlig unterschiedliche Kilometerstände und Kalorienverbrauchsangaben an, wodurch wir noch viel weniger wussten, wie lange der Aufstieg nun tatsächlich noch dauern sollte. „Die Mini Maus wäre schon längst aus der Uhr gesprungen.“ keuchte Löön, als wir mittlerweile eine Höhe erreicht hatten, bei der wir vor Kälte und Wind wieder anzippen mussten. Nach drei weiteren serpentinenförmigen Kurven, konnten wir es dann kaum glauben. „Wir sind da, wir sind da!“ „Juhuu, wir haben es geschafft!“ Der balkonartige Ausblick auf die dramatische Landschaft und das Tal unter uns war atemberaubend und jede Anstrengung wert. Wir waren begeistert. Aber auch nur bis uns ein entgegen kommender Spanier mitteilte, dass wir noch nicht am Ziel waren und noch 25 Minuten bis zum „Lago Marboré“ vor uns hatten. Missmutig stiefelten wir weiter und stellten uns dem kalten Wind, der uns um die Ohren fegte. Erste Gletscher waren zu sehen. Und über uns machte sich eine dunkle schwarze Wolke breit. Nach einer halben Unendlichkeit erreichten endlich den See, der sich hinter einer Klagemauer befand. „Es wird sich nicht lange aufgehalten! Sandwich-Lunch und dann ab zurück!“ Die Ansage von Kristin war deutlich, hatten wir aufgrund des bevorstehendem 3-stündigen Abstieges keine Zeit zu verlieren. Außerdem zog es wie Hechtsuppe.

Auf dem Rückweg gerieten wir nochmals in Irrungen und Wirrungen und verliefen uns gleich dreimal. „Das gibt ne schöne Schleife auf Runtastic!“ „Oh man ey, als ob wir nicht schon genug gelaufen wären.“  Um 18 Uhr erreichten wir endlich, völlig geplättet, unser Auto. Fix und alle fuhren wir Richtung Heimat, erledigten unsere täglichen Einkauf im ‚Supermercarto‘ und kehrten abermals in unserer neuen, liebgewonnenen Tapas-Bar ein. „Morgen noch mal Mountainbike.“ „Ja, und Souvenirs wollten wir noch kaufen.“ „Vergesst nicht, wir wollten auch dort oben mal auf die Mauer.“ „Oh und die Detailfotos, die will ich auch noch machen.“ „Wann trinken wir eigentlich den Cocktail in der tollen Bar?“

Wir werden sehen was wir morgen, an unsrem vorletzten Tag, noch über die Bühne bringen werden. Fakt ist, sportlich gesehen haben wir unser Soll geleistet. Ein Entspannungsurlaub nach dieser Aktivitätenabfolge ist bitter nötig! ;-)












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