Keep the planet blue

Schon lange hatten ich keinen größeren Fauxpas mehr erlebt. Die Vegas-Erlebnisse lagen in weiter Ferne und die letzten Trips liefen schon fast unheimlich glatt und fehlerfrei ab. Irgendwann musste ja mal wieder was passieren. Doch diesmal traf es uns mit voller Breitseite. Den FinnAir-Schalter gab es zwar am Frankfurter Flughafen, jedoch ohne Personal und ohne jegliche Bewegung hinter dem Tresen. Die Nervosität stieg, hatten wir immer noch nicht eingecheckt, geschweige denn irgendeine Ahnung wo wir das überhaupt tun sollten. Bereits die Anreise zum Flughafen verstrickte uns in eine 2,5-Stunden Prozedur, konnte ja keiner ahnen, dass es Montag und die hessische Straßeninfrastruktur einer solchen Katastrophe nicht gewachsen ist. So standen wir noch um 9:30 Uhr mit einer weiteren FinnAir-Kundin am leeren Schalter, während unser Flugtransportmittel sich sicherlich schon im Auftankmodus befand.


Um 9:45 Uhr (Randnotiz: es war noch genau eine Stunde bis Abflug), leitete uns dann endlich mal jemand zum

American Airline Schalter, deren Tickets FinnAir einfach nur verkauft, uns darüber aber nicht in Kenntnis gesetzt hatte. Die schnippische Check-In-Dame, die vermutlich von Donald Trump höchst persönlich gebrieft worden war, konfrontierte uns mit einer Munitionsladung an Fragen, die sie scharf herausschoss. „Was ist ihr Endziel?“ „Was wollen sie dort?“ „Was arbeiten Sie?“ „Wo arbeiten Sie?“. Ähm, eigentlich wollten wir nur nach Mexiko Urlaub machen, jedoch lag unglücklicherweise dieser seltsam regierte Überwachungsstaat auf unserer Durchreise, den wir für einen Kurzaufenthalt am Flughafen von Dallas betreten mussten.


Die stringenten, amerikanischen Sicherheitskontrollen erforderten bereits in Deutschland einen eigens angelegten Gate-Bereich, in dem man selbst und das Handgepäck bis ins Detail durchleuchtet wurde. Ein Sondercheck meines Rucksackes hielt uns erneut auf. Sprengstoffkontrolle. Das System hatte auf Feuchtigkeitstücher und eine Tüte Haribo-Colorado angeschlagen. Als wir endlich diese Kontrolle verlassen und uns dem Gate nähern konnten, wurde ich erneut abgefangen. „Sie sind für den Sondercheck ausgewählt worden. Zufallsprinzip. Bitte mitkommen.“ Im Sicherheitstrakt der Bundespolizei, forderte man mich auf Schuhe auszuziehen und den Rucksack erneut zu öffnen. Zweiter Sprengstofftest. Die Nerven lagen blank.


Auch diesmal konnten mir keine kriminellen Machenschaften nachgewiesen werden und so konnten wir tatsächlich noch rechtzeitig mit der American Airline Maschine abheben. 11 Stunden Flug, ein bisschen Turbulenzen, viel Babygeschrei und neue Bekanntschaften aus Aachen, Oklahoma City und Alabama. „I feel lot safer now.“ Der 60-jährige Amerikaner, der seinen Sohn auf Rammstein besucht hatte, wo er selbst um 1972 stationiert war, vermittelte, dass die damalige Lage in Deutschland wohl nicht annähernd dem Standard von heute entsprach. 


In Dallas angekommen durchliefen wir eine weitere, schier endlos erscheinende Sicherheitskontrolle. An einem Self-Service-System erneute Fragen zur Person. Passfoto. Fingerabdrücke. Und immer wieder stellt sich einem die Frage: „Wer wertet das alles aus?“ „Was passiert, wenn du doch mal Nein anstatt Ja anklickst?“ Wir riskierten nichts und hoben planmäßig nach Cancun ab. 


Wir waren mittlerweile 22 Stunden unterwegs, als wir den Flughafen erreichten und auch hier zwei meterlange Formulare akribisch, händisch ausfüllen mussten. „Ich reise nie wieder fernab von europäischen Grenzen! Diese Zettelwirtschaft ist doch Wahnsinn!“ In dem Moment leuchtete die rote Signallampe für eine Koffersonderkontrolle auf. „War so klar.“ Ich rollte mit den Augen und hievte meinen Koffer auf den Metalltisch. Der Flughafentyp durchkämmte mein Gepäck und ich hatte für einen Moment Bedenken um meine kleine Aloe-Pflanze, die ich tatsächlich illegal eingeführt hatte. Er fand sie jedoch nicht. 


Was dann endlich mal gut funktionierte, war die Abholung am Flughafen. Noch nie hatte mein Name auf so einem Schild gestanden. Man fühlte sich schon ein bisschen besonders. Jedoch nicht mehr, als wir unser Hotelzimmer betraten und von einem laut, schepperten Geräusch begrüßt wurden. Die Klimaanlage lief auf Hochtouren, nach ihrem Äußeren zu urteilen auch schon seit 1963. Der Boden unter den Füßen knirschte leicht, draußen Hupen, bremsende und anfahrende Autos, drinnen Geschrei und zuschlagende Türen. Wenn keiner von uns so müde gewesen wäre, hätten wir vermutlich das Hotel sofort verlassen. Aber nach 24 Stunden Anreise lässt du einfach alles über dich ergehen. Die Nacht war laut und nervtötend. Schlaf erst ab halb vier möglich. Und um halb sieben wieder hellwach. 


Es war zum Heulen und zum Verweifeln, doch was blieb uns übrig, als das Beste daraus zu machen. Ich zwang mich meine bestimmendste Art aufzulegen, die ich zu bieten hatte und marschierte am frühen Morgen zum Frontdesk. „Our room is dirty and too noisy. You want us to be happy and we want to stay in this hotel. What can we do?“ Ich dachte nicht, dass es so einfach ging. Meine Reklamationen wurden aufgenommen und wir erhielten nur wenig später ein neues, sauberes Zimmer, welches sich in einem ruhigeren Trakt befand. 1. Hürde überstanden. 


Wenig später verhalfen wir unserem neuen Freund Carlos noch zum Deal seines Lebens. Als wir 5 Aktivitäten über ihn buchten, dabei für uns jedoch noch einige Prozente herausschlugen. Damit wäre das halbe Wochenprogramm auch abgehandelt und durchgeplant. Zeit für ein wenig Ruhe und Entspannung. Wir suchten den nächsten öffentlichen Bus auf, der uns auf einer Verkehrsinsel aufgabelte, denn Bushaltestellen werden hier völlig überbewertet. 40 Minuten lang kutschierten wir durch Cancun, eine Stadt, die doch irgendwie sehr an Malle erinnert, sich seinen mittelamerikanischen Hup- und chaotischen Straßenverkehr jedoch beibehalten hat. Am „Playa Delfin“ sprangen wir aus dem Vehikel und sahen zum ersten Mal hellweißen Strand und türkisblaues Meer. Man braucht nur so wenig. Strand, ein wenig Sonne, eine frische Brise und das Geräusch der Wellen im Hintergrund. Endlich ankommen. Endlich mal Ruhe. Danke an die Nebensaison.


Nach einem halben Tag Strandaufenthalt und einigen roten Hautstellen, kehrten wir zurück und machten noch mal Halt in Downtown, wo wir uns Eintritt zu dem hiesigen Aquarium verschafften. Neben einer bunten Fischvielfalt und Schildkröten, gab es hier auch Delfine zu sehen. Wir lehnen zwar grundsätzlich Delfinshows ab, jedoch konnten wir uns überzeugen, dass die Tiere hier nachhaltig gehalten und gut behandelt werden, bzw. dass das Aquarium als Auffangstation dient. 


Uns überzeugten nicht zuletzt die vielen Informationen rund um das Thema „keep the planet blue“. Das Aquarium organisiert regelmäßig Beach-Clean-Ups in Zusammenarbeit mit Schulen. Tausend Sympathiepunkte mehr, die 15$ Eintritt hatten sich jetzt schon gelohnt. Das anliegende Restaurant setzte noch mal einen drauf. Als uns die Getränke gebracht wurden, bot uns der Kellner optional Strohhälme an und erklärte den Hintergrund. Wir lehnten dankend ab und kamen mit ihm zum Thema Plastik und Cleanups ins Gespräch, erzählten ihm, dass wir das zu Hause auch machen und wie toll wir es finden, dass es auch hier in Mexiko die gleiche Bewegung gibt. Er war ebenfalls sofort begeistert und erklärte wie wichtig es ist, dass jeder sich darum kümmert und seinen Teil dazu beiträgt. Es sei seine Heimat und er wolle nicht, dass diese an dem Müll irgendwann kaputt geht. Und dass es wichtig ist, dass überall auf der Welt dieses Bewusstsein ist, denn am Ende sind wir alle miteinander vernetzt und verbunden. Was einmal im Meer ist kann überall hingelangen. 


Schon allein wegen diesem Gespräch hatte sich die Reise gelohnt. Zu wissen, dass es Menschen gibt, die genau so denken und handeln. Dass es nichts umsonst ist was wir tun. Dass das wir tun einen Sinn hat und wir den Auftrag haben Verantwortung zu übernehmen. Dass wir mitdenken, aktiv anpacken und uns nicht der Naivität hingeben „Ach das wird schon gut gehen.“ 











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