Slowly is the fastest way to get to where you want be

Der Reiseführer hatte uns vorgewarnt: im Kreisverkehr gilt steht das Recht des Stärkeren. Und: touristische Informationstafeln sind zwar schön bunt, aber diese zumeist nutzlos. Außerdem scheint das Personal häufig überfordert. Grund genug für uns das Gegenteil zu beweisen.


„Speed doesn‘t matter. Forward is forward.“ durchkreuzte ein Zitat meine Gedanken, als die Straßenschilder zwischen 60, 40 und 20 km/h wechselten. Albaniens Straßen entpuppten sich als Paradies für Langsamfahrer, wobei selbst mir die Tempoangaben etwas zu reduziert und willkürlich erschienen. Die Lizenz zum Fahren hatten wir bei mir, aus Kostengründen, aber eh eingespart. Autoliebhaberin Petra machte sich mit dem schicken Gefährt, einem Ford MG, zugleich vertraut und navigierte, mithilfe unserer Orientierungsqueen Karin, sicher und souverän aus Tirana heraus und Richtung Berat. 


Alte, verrostete Erdölförderungsanlagen, eine Weite wie auf amerikanischen Highways, Coca Cola Werbung, Esel, ein NATO-Luftwaffenstützpunkt und Fahrräder ohne E-Antrieb, zierten unsere Weiterfahrt.


„Kreisverkehr können die hier echt nicht so gut. Aber wir haben ja glücklicherweise das höher gebaute Auto.“ lächelte Petra, als uns immer wieder defensiv zu Weiterfahrt durchgewunken wurde. Bis nach Berat schafften wir es uns mit analogem Kartenmaterial durchzuschlagen. „Cool, Fahren wie in den 90ern.“ grinste Karin, höchst erfreut über ihre wiedergewonnenen Fähigkeiten aus Jugendtagen. Zum, in den Bergen gelegenen, Weingut und unserer Unterkunft „Alpeta Agroturism“, mussten wir jedoch den Digitaljoker ziehen. „Dann war ich wenigstens auch zu was nützlich.“ freute ich mich auf der Rückbank, als ich das 40 MB Google-Offline-Kartenmaterial beisteuern konnte. 


Über serpentine, hügelige Straßen gelangten wir zu unserer Unterkunft in einem kleinen Bergdorf. Ein Winzer-Familienbetrieb, liebevoll eingerichtet, leckerer Wein und viel zu starker Rhaki, Holzoptik und traditionelles, albanischen Essen. Im Hintergrund ein türkisfarbener See und zur anderen Seite, der schneebedeckte Berg „Tomorr“ mit 2.400 Meter. Ich konnte mir kaum eine bessere Location zum Reinfeiern vorstellen. Die Mädels überraschten mich mit Luftballons, Girlanden, einem Geburtstagskuchen, Blumen und einer, vom Küchenpersonal liebevoll gestalteten, Geburtstagstorte am nächsten Morgen. I was a lucky Mushroom again :).


Auch wenn der 26. einer eher trister und graubehangener Tag war, blieb es zumindest trocken und wir konnten Berat erkunden. Die Stadt der 1001 Fenster, schien aber noch genauso verschlafen wie wir. Teilweise gespenstig ruhig. „Wie nach Stunde 0.“ merkte Petra an. Eine Mischung aus osmanischen Reich und ein paar verbleibenden Erinnerungen des Sozialismus strömten uns entgegen. „Gehen wir jetzt mal da hoch auf den Berg?“ fragte ich mit Kopfschmerzen. „Unglücklicherweise ja, wir machen ja heute alles was du möchtest.“ merkte Karin an, als sie den steilen Weg erspähte, am Ende aber doch als erstes auf der Aussichtsplattform ankam. Ob es an dem Rosmarin-Zweig lag, der Flügel verleihte oder doch eher an dem alkoholiserten, sehr aufdringlichen, unangenehmen und lautem Wärter, den wir auf halber Strecke an der Michaelskirche antrafen und von dem wir uns schnellst möglich entfernten, blieb fraglich. 


Der Ausblick war jeden Höhenmeter wert und die alte Burgruine beeindruckte ebenfalls. „Ich muss schon wieder aufs Klo.“ jammerte ich unterdessen halbstündlich. Das neu gewonnene Lebensjahr brachte gleich erste Nebenwirkungen mit sich. „Freu dich schon mal auf unser Alter.“ spoilerte Karin grinsend. Wenigstens ließen die Kopfschmerzen langsam nach. Ob die vom Wein kamen oder doch eher von den 5 Hähnen, die morgens um halb fünf das Bergdorf zusammengeschriehen hatten? Ich tippte definitiv auf letzteres. Um den Beweis zu erbringen, buchten wir am Abend noch das Weintasting auf unserem Weingut. Herzhafter Ziegen- und Schafskäse, vorzügliche Feigen, dazu Walnüsse, Oliven, Äpfel und Orangen rundeten das Erlebnis ab. 


„Was ist eigentlich aus Jogi Löw geworden?“ fragte mich Karin besorgt, als wir das neue Fußballwunder Deutschland im TV betrachteten. „Keine Ahnung, dem wird es schon gut gehen. Außerdem läufts doch jetzt mit dem Nagelsmann.“ „Dem geht’s bestimmt nicht gut.“ merkte Karin noch mal mitfühlend an. Währenddessen fiel das 2:1 durch „Fülle“ und alle sprangen freudig auf. Fußball verbindet und Albaner mögen Deutschland. Besonders Matthäus, Ballack, Reus und Löw. Dann fing es an zu blitzen und zu donnern. In den Bergen höchstspektakulär. Starkregen und Sturm die ganze Nacht. 


Der Hahn krähte am nächsten Morgen nicht ganz so arg und die Sonne kam wieder raus. Geht doch. Ein guter Tag zum Weiterfahren. Auf nach  Gjirokaster - Stadt der 1.000 Treppen.


Unterkunft/Essen/Getränke:

Alpeta Agroturism















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