Faleminderit Tirana

Um 16:19 Uhr ploppte die Meldung „Verzögerungen im Betriebsablauf“ in der Bahn-App auf, als sich Petra und ich bereits mit vollgepackten Koffern am Hauptbahnhof Herborn befanden. Stirnrunzeln. Falten. Der einfahrende Zug proppenvoll. Eigentlich kein Reinkommen mehr möglich. „Wie sieht die nächste Verbindung aus?“ „Halt entfällt.“ und „Kurzfristige Erkrankung des Personals.“ Darf nicht wahr sein. Und war doch eigentlich mal wieder so klar. Doch da tauchte aus dem Nichts plötzlich Schobbe-Ingo mit einer handlichen Jute-Tasche auf. „Wo willst du denn noch hin?“. „Ei in die Batschkapp, nach Frankfurt.“ Und ich wusste, nun würden wir es schaffen. Schobbe-Ingo bahnte sich den Weg mit uns ins Zugabteil. Abfahrt. 


„Karin, der Zug ist mega voll. Schlag dich durch.“ lautete die Nachricht an unsere Reisegefährtin, die in Gießen zusteigen wollte. Aber auch eine Karin lässt sich nicht unterkriegen und quetschte sich noch irgendwie in den Zug, welcher drohte auseinander zu platzen. Mit einem delikaten Buffet im zweiten Zugabschnitt Richtung Flughafen, wurde die Reise ab da an deutlich entspannter. Terminal 1 war geradezu leergefegt und glänzte mit Abendidylle. Unterdessen hatten sich mein neuer WhatsApp Dauerkontakt „Choose Balkan“ wieder gemeldet und uns weitere Informationen zum Shuttle Service zukommen lassen. Da das Flugpersonal in Frankfurt noch auf sich warten ließ und wir mit deutlichem Delay rechnen mussten, bestellte ich das Taxi schon mal um. Irgendwann vor Mitternacht erreichten wir Tirana und wurden dort von unserem Taxifahrer abgeholt und durch das nächtliche Treiben, der albanischen Hauptstadt, bis zu unserem Apartment, das in einer sehr zentralen und trotzdem verkehrsberuhigten Zone lag, chauffiert. Auch den Self Check-In konnten wir dank der klaren Einweisungen fast problemlos lösen. Escape Room Albania: Check.


„Faleminderit. Fa-le-min-de-rit. 5-silbrig! Wie kann man ein solch wichtiges Wort nur so komplex gestalteten?“ Ich weiß gar nicht wie oft wir uns diese Vokabel mittlerweile vorgesagt und wieviele Eselsbrücken wir uns schon gebaut hatten, um uns ein einfaches „Danke“ auf albanisch zu merken. Gehirnjogging forderte aber nicht nur die albanischen Basic-Vokabeln, sondern auch der Umrechnungskurs. Trotz, dass wir „einfach“ nur durch 100 teilen mussten, verursachte die albanische Lekë mit seinen vielen Nullen oft Kopfzerbrechen. 

Zu völliger Überforderung führte die Kombination aus Vokabel- und Währungsfail bei der Bezahlung mit Trinkgeld, wenn wir uns gegenseitig alle fragend ansahen und weder ein zeitnahes Danke, noch die richtigen Banknoten parat hatten. „Fale-…. Mist, wie war das noch mal? Irgendwie so ähnlich wie Minderheit?“ Und dann war die Kellnerin auch schon wieder über alle Berge. Wir nahmen uns für die nächsten 2 Wochen vor, wenigstens dieses eine Wort fehlerfrei und im gesellschaftlich anerkannten Zeitrahmen aussprechen zu können.


Am ersten Tag in Tirana zogen wir aufs Blaue los. Gefrühstückt wurde in der „Coko Bistro/Bar“, einem Café im Ausgehviertel Tiranas. Gestärkt mit Egg Benedict und Avocado florierten wir durch die Gassen, welche teilweise doch recht dreckig waren. Je näher wir uns aber den großen Plazas und dem Fußballstadion näherten, desto sauberer wurde es. Da wir uns gerade im Laufmodus befanden, marschierten wir einmal durch den riesigen Wald-Stadtpark mit See, dem „Parku I Tiranës“. „Glaube ich lege mir später noch ne Jogginghose zu.“ meinte Petra. Der locker, legere Dresscode schien hier den Hof zu machen. Generell schienen die Albaner recht sportlich unterwegs zu sein. Trimm-dich-Pfade, Fußball und Tennis an jeder Ecke gut erkennbar. Derweil gönnten wir uns einen Aperol Spritz und nahmen anschließend die City wieder ins Visier. 


Eine Mischung aus DDR-Erinnerungen und kunstvoll, neumodischer Gebäude, sowie Kalbelchaos an Häuserfassaden strömten uns entgegen. Weniger im Angebot: Trockenshampoo und Rasierschaum, welchen Karin noch erwerben wollte. Dafür: Leckere Medjoul-Datteln, frische Zitronen, Blätterteigware und freundliche Menschen. Ok, und eine Ratte am Lana-River. Aber warum hatten wir uns da überhaupt hingesetzt?


Am großen Skandeberg-Platz erblickten wir sozialistischen Fassaden, ein Riesenrad und Karussell, eine orthodoxen, prachtvollen Kirche um die Ecke und eine Mosche in Sichtweite. Vom Riesenrad aus erspähten wir außerdem, den von Trip-Advisor ausgewiesene Bunker, der in die tiefen Abgründe Tiranas führte. Eine umfangreiche Aufarbeitung der Geheimpolizei, während der kommunistischen Ära, wurden uns hier eindrucksvoll präsentiert. Nachhaltig im Gedächtnis blieben die Bilder in den einzelnen, dunklen Bunkerräumen, in den originalgetreu Abhörmaschinen wieder aufgebaut wurden und der Überwachungswahnsinn und das diktatorische Monstrum dargestellt wurde. 


Albanien, das sich wünscht und daran arbeitet in die EU zu gelangen, erinnert sich hier an die Geschichte und an das Nicht-Vergessen.


"Today more than ever, it is necessary that young people know and understand: it is the only way to hope that unspeakable horror is not repeated, it is the only way to get us out of the darkness"

(Elisa Springer)


„If one day you decide to fight the monsters, be aware, while fighting monsters, do not forget what you strive for. 

Always, 

...Watch out the monster inside you..











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