Pioniergeister

Und du bist dir ganz sicher, dass wir hier noch richtig sind?“ fragte mich Karin als ich wieder ins Auto stieg. Zuvor hatte ich zwei größere Steine zur Seite geräumt, damit wir auf der holprigen, verkieselten Straße, überhaupt weiter kamen. Ein Auto hatten wir schon lange nicht mehr gesehen. Nur kreuzende Schafherden, Ziegen und Hühner. Der Weg glich mittlerweile einer fortgeschrittenen Mountainbikestrecke und auf GoogleMaps wurden uns 51 Minuten für 18 Kilometer angezeigt. „Der Ort heißt doch Benjë, oder? Und wir sollten vor Permët abbiegen.“ Da lenkte Petra ein „Also im Reiseführer stand, dass die Anfahrt total entspannt sein sollte und die thermalen Quellen einfach zu erreichen sind.“ Ein weiteres Schlagloch ließ uns erneut inne halten. „Kann es sein, dass es noch ein zweites Benjë gibt?“ fragte ich in die Runde, als wir alle hochkonzentriert das Kartenmaterial studierten. „So ist es, wir hätten doch durch Permët fahren müssen!“ „Ok Freunde, alles wieder zurück“ Dabei schien der Weg doch so logisch: Keinerlei Informationstafel oder jeglicher Hinweis auf eine touristische Attraktion. Als wir wieder Asphaltboden unter den Füßen hatten, lief der Weg wie von selbst. „Off-road-Tour Albania: Check.“ 


Die thermalen Quellen überzeugten, dank Nebensaison und kaum Touristen. Die Wanderung zum Canyon hatten wir dafür komplett unterschätzt. „Wir gehen aber jetzt den malerischen Rundweg zurück und nicht mehr dieselbe Route.“ freute sich Karin, als wir um 15:30 Uhr den Canyon erreichten. „Hast du dir die Route mal angesehen? Das sind 5 Stunden Fußweg.“ wies Petra auf der Karte aus. „Oh, dann wohl nicht.“ grinste Karin. Und wir waren am Ende froh, vor Sonnenuntergang wieder am Wanderparkplatz angekommen zu sein.  


Auf dem Rückweg nach Gjirokastër hielten wir in einem Lokal an, das locker 100 Gäste hätte bewirten können. „Wir befinden uns in der absoluten Nebensaison, oder?“ fragte ich misstrauisch, als wir uns einen der 100 Plätze frei auswählen konnten. Das Essen war zum ersten Mal überhaupt eher semi. Aber wir waren erschöpft und hungrig und dafür reichte es völlig aus. 


Das Nebensaison war fiel bisher nicht so sehr ins Gewicht. Erst als wir die albanische Riviera am nächsten Tag erreichten und in dem mehrfach empfohlenen Ort „Ksamil“ einfuhren, wurde uns erstmals klar wie so ein echter Geisterort aussieht. Wir waren aufs Blaue losgefahren und hatten noch keine Unterkunft gebucht. Wie gut das war bemerkten wir nicht nur in Ksamil, wo wir die Füße kurz ins Blaue Meer steckten und dann aufgrund von „Nichts“ weiterfuhren, sondern besonders in der nächst größeren Stadt „Saranda.“ 


Gerüchten zufolge hatte der albanische Diktator Enver Hoxha den feinen Sandstrand an die Griechen verkauft und im Gegenzug Kieselerde erhalten, um sein exorbitantes Bunkerprojekt ausbauen zu können. - Passage in einem Reiseblog


„Wo ist denn hier der Strand?“ fragte ich ungläubig. „Der kommt bestimmt noch.“ blieb Karin optimistisch. „Wir gehen mal hier drüben weiter, da habe ich noch ein paar Hotels entdeckt.“ Wir kletterte über Baustellen, wichen frische Zementfeldern aus, vorbei an zerfallen Fassaden und suchten vergebens zugängliche Hotel, von denen es doch eigentlich tausendfach hier in Saranda gab. „5 Jahre. Ich geb denen noch 5 Jahre bis der Tourismus hier läuft.“ „Eher 15.“ Die bis dato noch optimistische Karin, hatte nun auch resigniert. „Ich frage mich was ich eigentlich von diesem Roadtrip erwartet hatte.“ merkte Petra an. Und wir lachten. „Ist doch schön, dass wir die ersten sein können, die miterleben werden, wie der Tourismus in Albanien losging. „Die brauchen auf jeden Fall noch Strand. Das sind doch viel zu viele Hotels für das bisschen Promenade.“ „Vielleicht wirds ja weiter nördlich attraktiver.“ munterte Petra noch mal auf. Zumindest fehlte es uns nicht an Humor.  


„Ihr könnt hier nicht durch.“ gestikulierte der uniformierte Mann mit strengem Blick durch unsere Windschutzscheibe und deutete auf das Abschleppschild. „Ach nicht? Aber wir müssen doch zu unserem Hotel.“ gab sich Karin touristisch naiv und setzte eine traurige Miene auf. „No, no, no. It‘s closed.“ „Das ist ja schade. Und wie kommen wir dann zum Hotel?“ Karin und ich zeigten dem Polizisten abwechselnd unsere Handys und die geplante Route. Viel zu spät hatten wir die Unterkunft gebucht, das merkten wir jetzt auch selbst. Aber wir wusste ja auch nicht wohin. Der Officer wiederum schien zutiefst genervt und geladen. Endlich kehrte Petra zurück, die das Hotel an der Strandpromenade zu Fuß ausfindig gemacht und den Schlüssel für die Wohnung schon mal geholt hatte. Die dritte Frau im Bunde gab dem Polizisten nun endgültig den Rest. „You need to call the hotel.“ „Aber wir haben doch keine SIM-Karte. No telephone.“ lächelte ihm Karin zu. „Get a Wifi code!“ und er zeigte zur nächsten Bar. Nach weiteren Diskussionen und einem WhatsApp Call fuhr er endlich resigniert und genervt die Schranken herunter und schickte uns mit „Piano, Piano. Bambinis. Watch out Bambinis on the street.“ auf die Fußgängerzone, die wir am Mittag noch problemlos befahren hatten. „Geht doch.“ 


„Und was machen wir morgen hier in dem wundervollen Ort Saranda?“ „Wir buchen die Fähre nach Korfu.“ Und unsere Augen leuchteten wieder. 


Sehenswürdigkeiten:

Benjë / Thermalbad und Canyon

Blue Eye














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