Die Entdeckung der Langsamkeit

„Ich habe immer noch keine Briefmarken.“, bemängelte ich. „Und Kunas wechseln die mir hier auch nicht.“ „Es wird wirklich Zeit, dass Kroatien nächstes Jahr in die Euro-Währung einsteigt.“ „Wahrscheinlich hat sich das gesamte Strandgewerbe von Medvinja dafür stark gemacht und den Euro eingefordert.“ Anders war es gar nicht zu erklären, dass man von jedem Geschäftetreibenden nur ein unzufriedenes „Nein, ich habe keine 2-Kuna Münzen.“ und „Man hat mir verboten hier das Wechselbüro zu spielen.“, erhielt. Aber irgendwie mussten ja die die Badegäste zu dem Münzgeld kommen, denn das Toilettenhäuschen war weder mit Apple Pay, Kreditkarte, Euros, Dollar, Rubel noch Paypal zu öffnen. Nicht einmal ein 5-Kuna Stück akzeptierte der althergebrachte Münzautomat. „Das ist hier wirklich ein großes Problem.“ erklärte mir der Händler für felsiges Wasserschuhwerk, als er mir die Neoprenlatschen über den Tresen reichte. „Wir warten alle so sehnsüchtig auf den Tag, an dem wir den Euro erhalten.“ Und das alles wegen dieses Toilettenhäuschens am Strand.


„Herrlich! Können wir einfach den Rest der Reise hier in Opatija bleiben?“ fragte Karin, als sie sich von der einen auf die andere Seite der Liege fläzte. Auch mir sagte der Strand- und Meeresmodus von Tag zu Tag mehr zu. „Schwimmen, das ist genau mein Tempo. Endlich mal eine Sportart in der man in Zeitlupe schnell sein kann.“ „Wahrscheinlich auch die einzige Sportart, bei der man nicht schwitzt.“ „Und kostenloses Sandwasser-Peeling erhält die Haut auch zugleich.“ Die Vorteile waren schnell zusammen getragen. Ein Strandurlaub erlaubt außerdem die Jahresration an Büchern zu konsumieren und zwischendurch ein Nickerchen zu machen. „Jetzt trinke ich noch einen Kaffee und beobachte Leute.“ Karin erhob sich zu ihrer Lieblingsdisziplin und schritt Richtung Kaffeetresen. „Please drink the coffee before it gets cold.“, rief ich ihr hinterher und blätterte, in meinem japanischen Bestselleroman aus Herborns Bücherecke, die nächste Seite um. Und das wäre dann auch schon mein Buchtipp für heute. 


„Ich bin ja völlig überwältigt. Wow!“ „Was für eine aufregende Stadt.“ Wir hatten gerade leckersten Seebarsch, gefüllt mit Pesto und Garnelen, gebettet auf Hummus und gegrillter Zucchini, im Roko, eine Restaurantempfehlung von Hausmutter Eva, verspeist und schritten nun den Boulevard des Balkans entlang. Gitarrenklänge von „Here comes the sun“ und „Simon & Garfunkel“ begleiteten uns, bis wir die kroatische Version von „Let‘s Dance“ auf einer kleinen Tanzfläche beobachten konnten. Ein Spektakel nach dem anderen offenbarte sich vor uns. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Da hinten spielt das Queen-Tribute!“ und „Schaut mal hier, was für ein schöner Garten.“ „Was sind das denn für tolle Lichter.“ „In die Bar möchte ich aber auch mal.“ Der Abend wollte nie enden.


„Jetzt gehen wir aber mal zurück, nicht dass wir schon wieder einen Strafzettel erhalten!“ sprach Kristin und entging fast zeitgleich einem Zusammenstoß mit einer Schranke, die just in dem Moment von oben auf sie einsteuerte. Uns blieb der Atem weg. „Was ist, kommt ihr jetzt?“ fragte Kristin, die nur noch den Windhauch der Vorrichtung an ihrem Kopf spürte. „Ach du scheiße. Das war knapp.“ Wir wussten nicht ob wir lachen oder ein Dankgebet zum Himmel aussprechen sollten. „Das war ja genauso knapp wie bei dir gestern Karin. Als dich das Elektroauto beinahe über den Haufen gefahren hätte.“ Ich würde sagen, wir waren lucky mushrooms again.


Auf dem Frühstückstisch entdeckte jeder von uns ein violettes Säckchen mit getrocknetem Lavendel. Außerdem Datteln, frisch gepflückte Mirabellen, Äpfel und Radieschen. „Das hier ist keine 5-Sterne Beherbergung, das hier ist unbezahlbar.“ stimmten wir in großer Dankbarkeit überein. Hausmutter Eva brachte uns die noch brutzelten Spiegeleier in den gekühlten Frühstücksraum und servierte, wie jeden Morgen, mit einem herzlichen Lächeln. „Meine Tochter hat meinem Autoschlüssel versehentlich mit nach Österreich genommen. Deshalb kann ich dir heute nur Hagebuttentee servieren, Kristin.“ lachte Eva. „Ich sitze im Moment hier oben fest.“ „Wir können dich doch nachher mit runter in die Stadt nehmen?“ schlugen wir vor. „Na na, i mogs hier oben. I hoab doch hier alles was i brauch.“


Wir bedankten uns abermals bei Eva und verabschiedeten uns schweren Herzens. „Wir werden dich weiterempfehlen und wir hoffen eines Tages zurückzukehren.“ „Das würde mich sehr freuen. Und es war auch für mich schön euch kennenzulernen.“ 


Wir waren jetzt in diesem tollen Hostel in Bovec, das so tiefenentspannt, freundlich und geerdet war, das wir gerne geblieben wären. Nun würden wir am liebsten auf diesem Hügel und diesem Herzens-Apartment mit Meerblick und Sonnenaufgangs-Kino in Kroatien bleiben. Wo werden wir bloß in Ljubljana, der Haupstadt Sloweniens, landen?















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