How life tired can you be?

Mit aufgerissenen Augen starrte ich an die Felswand, an der Sissy zitternd und hilflos hing. Panik stand in ihrem Gesicht geschrieben. Hilfesuchendend blickte sie die Felswand hinunter, die metertief in einer reisenden Canyonschlucht mit starker Strömung endete. Sie kam weder vor noch zurück und ihr Gesichtsausdruck gab zu verstehen: "Ich will einfach nur hier runter und nach Hause gebracht werden." Doch wieder einmal war der Point-of-no-Return erreicht. Und so machte Sissy weiter. Mit mentaler Unterstützung eines Guides, der neben ihr her kletterte, arbeitete sie sich Schritt für Schritt nach oben. Kristin und ich standen immer noch auf dem Felsvorsprung, mein Nervenkostüm noch vor der ersten Klettersteigvorrichtung völlig am Ende. Was hatten wir uns hier nur wieder eingebrockt?! Die Aktivitätbeschreibung sagte ganz klar Zip-Linen aus. Und das war schon Überwindung genug. Mit dem Rücken im Superman-Style an ein Seil verbunden, wurden wir 500 Meter in einem Speed von 90km/h über einen Canyon und durch ein natürliches Felstor geschossen, um dann kurz vor Crash mit der vor uns erscheinenden Felswand abrupt abgebremst zu werden. Wer dachte, seine 20$ wären darin gut investiert gewesen, irrte sich recht schnell. Die Anakonda-Route führte uns über eine wackelnde Brücke, die aus kleinen Platten bestand, die über 300 Meter mit einem gut gemeinten Fußschritt erreichten werden musste. Den Blick immer auf den darunter reisenden Fluss und die gefährlichen Felsbrocken gerichtet, blieb mir bereits hier das Herz stehen. Im absoluten super-slow-Schildkröten-Modus bewegte ich mich von Platte zu Platte, die Hände fest am Seil. Hinter mir spürte ich Bewegung und die Brücke wackelte noch mehr. Kristin scharrte schon mit den Füßen. Es war unglaublich, dass Löön und Kristin ohne jegliche Höhenangst die Hürden überwindeten, während sich Sissy und ich bei 'Leben am Limit' befanden. Mit Waschbär-Route hatte das schon lange nichts mehr zu tun. Und als die meterhohe Felswand erschien, die zu erklimmen war, fragte ich mich einmal mehr, warum man sich solchen Ängsten überhaupt aussetzten musste. Warum war es notwendig, so weit an seine persönlichen Grenzen zu gehen, wo man doch genau wusste, wie sehr man sich davor fürchtete. Aber vielleicht ist es genau das. Weiter gehen und selbstgesetzte Grenzen überwinden. Über sich hinaus wachsen und gegen Ängste angehen. Die Komfort-Zone verlassen und mutig werden, natürlich immer mit dem nötigen Respekt für das, was man dort tut. Natürlich hielten ich wie auch Sissy mal wieder den gesamten Kletterbetrieb auf. Aber mit langsamen Schritten schafften wir es Step-by-Step zum Ziel. Während die beiden Adrenalin-Junkies Kristin und Löön schon wieder angezippt hatten und sich bereits im Flugmodus befanden, verarbeiteten Sissy und ich noch die vorhergegangen Geschehnisse. Manche Menschen brauchen halt einfach etwas länger.


Am frühen Abend fanden wir uns in einer Open-Air-Bar ein, die mit offenem Feuer für einen besonderen Flair sorgte. Kristin haute mal wieder einen Spruch nach dem anderen raus und unterhielt die gesamte Truppe. "We pay for you!" gab sie der Griechin zu verstehen. Und mit "Do you want a reset?" zeigte sie auf die Smart-Watch des Amerikaners. Die Truppe ist mal wieder ein absoluter Gewinn an Persönlichkeiten, mit der wir uns von Tag 1 im Kompatibilitätsmodus befanden. Besonders der Kanadier Brent und die Serbin Jasmin hatten Gefallen an uns gefunden, die Abende zuvor erleben durften, wie deutsche Fußballmädels feiern können.


Am nächsten Morgen hatten die Hardcore-Girls ihren Durst an Adrenalin immer noch nicht gestellt. Während Sissy und ich am Abend zuvor bereits bei Level 13 die Segel gestrichen und uns die Wellness-Einheit Thermale Quellen vorgezogen hatten, durften wir am kommenden Tag im Zuschauermodus erleben, wie lebensmüde man sein konnte. Mit dem Taxi wurden wir hinauf auf den Berg von Baños transferiert und die Hälfte der Truppe setzte sich Level 14, auch bekannt als Condor-Swing, aus. Bei dieser Aktivität wird man in eine Art Stuhl und mit dem Stuhl auf eine Holzplatte gesetzt. Die Guides ziehen einem anschließend den Boden unter den Füßen weg, sodass man erst nach unten und dann nach vorne gerissen wird. Natürlich waren auch unsere Maschinen Löön und Kristin ganz vorne mit dabei.


Erst bei Level 15 wurden die beiden leicht unsicher. Kristin warf als erstes die Flinte ins Korn und entschied sich gegen den Salto-Brückensprung. Löön haderte minutenlang mit sich, das Adrenalinfeuer brannte in ihren Augen. Nachdem jedoch die Griechin Nancy auf die Brücke und die lose Platte gestiegen war und sich vor Zittern kaum Halten konnte, dämpfte sich auch bei Löön die Stimmung. Nancy stand eine gefühlte Ewigkeit auf der fließengroßen, wackeligen Platte, deren Abgrund ein Canyon war. Wir feuerten sie von allen Seiten an und der Guide zählte immer wieder bis drei, dass sie springen soll. Irgendwann fasste sie endlich den Mut. Sie sprang. Im grazilen Rückwärtssalto. Unter der Brücke wurde sie mehrfach hin- und hergeschwungen. Mir wurde nur vom Anblick kotzschlecht. Unser absoluter Respekt ging an Nancy, Brent und Harry, die sich Level 15 stellten und bis zum Ende durchzogen. Was für Typen! 


Am gleichen Tag ging es noch weiter nach Lasso und auf 3.800 Meter Höhe. Uns stehen nun noch eine Mountainbike-Tour und eine Wanderung auf 4.500 Meter (oder mehr, wer weiß das schon?) an. Vamos Amigos!





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