Samba in Bovec

„Wo ist denn nur dieser verdammte 4. Schlüssel?“ „Das kann doch nicht sein, gestern  lagen doch noch alle vier hier oben auf dem Schrank.“ Was für mich schon Routine bei jeder Reise ist, wurde nun zur großen Gemeinschaftsaufgabe und Geocachingchallenge: Findet Zimmerschlüssel Nummer 1, der seit 24 Stunden abhanden gekommen war. 


Am Morgen zuvor stiegen wir frisch gestärkt und munter in das Rafting-Schlauchboot, das uns über den eiskalten Soča-Fluss trug. Mit unserem brasilianischen Guide ‚Paolo‘ hatten wir einen wahrhaftigen Glücksgriff gemacht, konnte er nicht nur durch definierte Oberarme Eindruck schinden, sondern glänzte er auch noch als frisch gebackener Rafting-World-Championship-Teilnehmer, bei dem sein brasilianisches Nationalteam immerhin Platz 6 belegte. „Ein Guide, genau angemessen an unsere Skills.“ Zwar sprach er quasi kein Wort Englisch, doch feierten wir jede Umkurvung der Felsen mit einem „Samba“ und hoch erhobenen Paddelmoves. Während Karin und Petra hochzufrieden mit der Anzahl zu tätigender Paddelschläge, sowie Höhe und Wassergewalt der Strömung waren, bemerkte man bei Kristin eine gewisse Unruhe und beinahe Langweile, die offensichtlich immer mal wieder dazu führte, dass das Boot in Schräglage gebracht wurde. Mit gestenreicher Zeichensprache versuchte sie Paolo verstehen zu geben, dass sie mehr Samba benötigte. Ihr Wunsch wurde Befehl. Zunächst wurde das Schlauchboot an einem Felsen trappiert, was als Rutsche diente, mit der man vom Gestein aus in das eiskalte Nass schlittern konnte. Doch als auch Karin, Petra und ich uns dieser Challenge stellten, musste sich Paolo noch etwas beeindruckenderes einfallen lassen. Ein 5 Meter hoher, freistehender Fels im Fluss, dessen Herausforderung erst einmal war das glatte Gestein hinaufzukraxeln, sollte Kristin zufrieden stellen. Aus, für mich unvorstellbarer Höhe, galt es soweit abzuspringen, dass man nicht am Vorbauch des Felsens hängen blieb. Kristin meisterte diese Disziplin mit Bravour, während der Rest von uns für Videomaterial und Samba-Klatschen sorgte. 

„Tolle Sache dieses Rafting.“ „Aber ohne den Neoprenanzug quasi nicht zu bewältigen.“ „ 8 Grad? Fühlt sich an wie Minus 1.“


„Der Schlüssel zum Erfolg ist immer noch nicht aufgetaucht.“ „Leute, jetzt sucht doch noch mal bitte alles akribisch ab.“ „Der muss doch hier irgendwo in diesem Raum sein.“ Das Ding tauchte einfach nicht auf. Auch bei der Rezeption hatten wir kein Glück. „Nein, hier wurde nichts abgegeben.“ „Ok Leute, dann lasst uns erst mal was trinken gehen. Hier hilft ja nur noch Alkohol.“


Zwei bis drei Aperol Spritz später hatten wir den Zustand des Egal-Seins erreicht und erfreuten uns den restlichen Nachmittag auf der belebten Plaza Bovecs zu genießen und einfach nur Menschen und seltsame Fahrzeuge zu beobachten. „Das Red-Bull-Dosen-Auto fährt doch jetzt schon zum x-ten Mal hier durch.“ In diesen Moment verursachte selbiges um ein Haar einen Vorfahrtsfehler und sorgte für große Aufregung, sowie reichlich Diskussion in unserer Runde. Ich war heilfroh, dass ich auch in diesem Urlaub wieder Wissen2go am Start hatte und wir mit Fachwissen aus den Themenbereichen Religion, Englisch, Mathematik und geballtem Allgemein-Know-How die Reise bestritten. Für alles andere war Mr. Google zuständig, der uns mit seiner Übersetzungs-App, mit integrierter Kamerafunktion, höchst beeindruckte und slowenische Texte im Livemodus auf Deutsch präsentierte. Schade dennoch, dass seine künstliche Intelligenz nicht zum Finden des Schlüssels beitrug. 


„Ich such jetzt noch mal im Auto.“ beschloss Karin, der mittlerweile der Panikmodus dezent anzusehen war. Petra, ausgeglichen wie immer, setzte sich derweil auf den Balkon, um die Suchaktionen nicht weiter zu stören. Ich durchkämmte abermals meinen Koffer, quälte mich das schlechte Gewissen, da ich ja bekannt dafür bin alles zu verlegen. Kristin, die bis dato nur uninteressiert an der Suche teilnahm, entschied sich plötzlich auch mal ihre Sachen auf links zu drehen. „Ach, hier ist er ja.“ lachte sie unschuldig und zog Schlüssel Nummer 1 aus ihrem Wäschebeutel. 


Samba in Bovec. Und wir gingen zu Pasta und Wein über. 













Weg des Friedens

„Wir haben gespart, wir können länger schlafen und müssen nicht diese komische Unterwasserrolle machen.“ resümierte Karin, als wir die Kayaktour gecancelt und dafür die Rafting-Adventure gebucht hatten. 


Wir befinden uns in Bovec, einem 3.000 Einwohner-Ort in den Julianischen Alpen inmitten des Soča-Valleys in Slowenien. Bovec, das ist eigentlich so ein Bilderbuch-Ort. Bezaubernde Wälder, der smaragdgrüne Soča-Fluss, majestätische Berge, beeindruckende Wasserfälle und Schluchten. 

Und doch trügt der Schein. Kriegsdenkmäler, Kavernen und Schützengräben zieren ebenfalls die Landschaft. Denn vor über 100 Jahren erstreckte sich hier die längste Front des 1. Weltkrieges - die Soča-Front. Vom Zweitausender Rombon bis zur Adriaküste wurden hier blutigste Schlachten ausgetragen, bei der über eine Millionen Menschen ums Leben kamen. Auslöser: Am 23. Mai 1915 hatte Italien Österreich-Ungarn den Krieg erklärt. Und so gerieten die Slowenen im Ersten Weltkrieg zwischen die Mühlsteine der Großmächte. 300.000 Talbewohner wurden nach Österreich-Ungarn evakuiert, um den Feuergefechten zu entgehen. Oder sie wurden schlichtweg aus ihren Häuser gejagt, weil die Soldaten Unterkünfte brauchten.

Die Geschichte wiederholt sich. Immer. 


„Auf dem Weg des Friedens.“ So nennen die Slowenen den 90 Kilometer langen Trail von den Alpen bis zur Adria, der als Erinnerung und Mahnung gegen den Krieg dient. Einen Teil davon erkundeten Karin, Kristin, Petra und ich, als wir nach unserer 12-stündigen Anreise dringend Auslauf benötigten. „Warum hatte denn niemand auf dem Schirm, dass an diesem Wochenende einfach ALLE Bundesländer Ferien hatten?“ Und dann wollten natürlich auch noch die ganzen Holländer nach Kroatien. Selbst Unmengen britischer Fahrzeuge befanden sich auf der Gasse und verstopften komplett Österreich, welches nur zur Durchreise diente. Da es auf die paar Meter auch nicht mehr ankam, navigierten wir auch noch versehentlich um einen 50 Kilometer Schlenker nach Italien. „Schöner Salat, aber schöne Europareise!“ 


„Wie lang war ich schon nicht mehr in einem Hostel. Wahnsinn!“ Ein Hostel erscheint zwar erst einmal spartanisch und weniger luxuriös, doch es ist auch ein Ort der Begegnungen. Auf einem 11“ iPad-Display hatten wir die Partie England gegen Deutschland mit unseren letzten verbleibenden, mobilen Daten aktiviert, da hatte sich auch schon eine Schar weiterer Hostelbewohner hinter uns eingefunden, um dieses hochspannende Spiel mitzuverfolgen. Selbst die Hostelbediensteten erkundigten sich regelmäßig nach dem Stand und fühlten sichtlich mit uns mit. Trotz Niederlage wurde es noch ein interessanter Abend. „Ich habe die Unterwasserrolle heute gemacht. War nach dem dritten Mal gar nicht mehr so schlimm“, sprach René, der Wochen vorher bereits die Zugspitze erklommen und ein Hardcore-Survival-Camp mit psychologischer Betreuung in Meck-Pom besucht hatte. Andreas war mit dem Fahrrad von Frankfurt nach Bovec angereist und Sebastian lebte einfach von Tag zu Tag durch Südeuropa, während die beiden Stefans gerade ihre Jobs gekündigt hatten und ein Leben zwischen Meditation und Bergchallenges führten. „Ich fahre morgen für 10 Tage in ein Schweigekloster nach Belgien.“ verabschiedete sich Stefan 1 und Stephan 2 plante seine mehrtägige Wandertour auf den Triglav, den höchsten Berg Sloweniens.


„Krasse Typen.“ stellten wir fest. „Und wir machen morgen nur so ein bisschen Wildwasser-Rafting. Ohne Eskimorolle.“ 











What it means.

"Herr Janosch, was brauchen wir um alle Grenzen zu überwinden, die uns trennen?"
"Vor allem Flügel."


"Mögt ihr das Meer?" fragte ich Tatjana und Viktoriia, als wir am Rheinufer standen und die Wellenwogen beobachteten.
"Ja, sehr. Aber wir werden an unser Meer wahrscheinlich nicht mehr zurückkehren können. Es ist alles vermint."

Es sind diese Momente, die einen demütig werden lassen. Was wir doch für ein großes Glück bisher in diesem Leben hatten. Ich denke an meine Oma, die als Kind aus Frankfurt flüchten müssten, als vor ihren Augen das Haus ihrer Eltern zerbombt wurde. Nur mit einem Koffer, mehr konnten sie nicht retten. Und ich denke an meinem Opa, dessen Vater an der Krim ums Leben kam. Das eigene Haus besetzt, erst von den Deutschen, später von den Amerikanern. Mein Opa, gerade mal 8, nur die Schwester, Mutter und Tante mit im Haus. Da wurde keiner gefragt. Man musste das Leben nehmen wie es kam.

"Wir fahren ans Meer." beschloss ich und meine Mutter packte die Taschen. "Völliger Irrsinn bei diesen horrenden Spritpreisen für eine Nacht nach Holland zu fahren, aber egal. Wer weiß was noch für Zeiten auf uns zukommen werden."
Egal, das war sowieso unser Lieblingswort. Konnte Sprachtalent Mr. Google noch bis zur Grenze alle Übersetzungstätigkeiten erfüllen, so legte er ab Holland seine Onlinedienste nieder. Zumindest für die Handys unserer Ukrainierinnen, deren Tarif keinerlei Roamingmöglichkeiten vorsah. Wenn etwas nicht verstanden wurde "Egal". Wenn man mal wieder etwas missverstanden wurde "Egal". Wenn wir uns verfuhren "Egal".
Es wurde alles ausgekramt: Englisch, Deutsch, Russisch, Ukrainisch, Französisch, Spanisch, Zeichensprache. Alles was uns einfiel in einen großen Topf. Und irgendwann versteht sichs von selbst.

Unser erster Stopp galt dem Friedenspalast in Den Haag. Ein schönes, beindruckendes Gebäude, in dem auch der europäische Gerichtshof tagt. Doch wir durften den Frieden nur von außen betrachten. Wer hineinwollte brauchte Ausweise oder Reservierungen. "Halt! Stopp! Hier geht es nicht weiter." Enttäuscht schauten wir in den akribisch und sauber angelegten Park des Palastes. Und dann fuhren wir weiter ans Meer und den Scheveningener Strand. Hier gab es mehr Frieden für uns. Wellen, Meeresluft, Sand und Sonne. Überdankbare und freudenstrahlende Gesichter. Was so ein bisschen Meer schon kann.

Die Straßen Den Haags erinnerten an Marrakesch. Enge Gässchen, Baustellen, Umleitungen, kreuzende Fahrradfahrer und Menschenmassen. Die marokkanische Fahrausbildung machte sich mehrfach bezahlt. Denn hier in Holland hat der Autofahrer wenig zu melden und muss sich den Gesetzen des nicht motorisierten Volkes untergeben. Voller Fokus auf Straße, Mitmenschen und Fahrräder, die aus allen Ecken und Hinterhalten vorbei zischten. Blut und Wasser schwitzend durchfuhren wir die Innenstadt, um zu unserem Hotel zu gelangen. "Wir nehmen jetzt das Parkhaus. Ist doch egal!" "Besser 29,95 € Parkgebühren als dass ich hier gleich noch einen Herzinfarkt erleide!"

Das Central Park Hotel machte seinem Namen alle Ehre. Nicht nur, dass es super zentral angesiedelt war, es ließ einem, in dem königlich, traditionell angehauchten Viertel, auch noch wie ein Gast des Hofes fühlen. "Winter is coming" bemerkten wir, als wir das Foyer mit Kaminfeuer, bei 27 Grad Außentemperatur, durchschritten. Auf unseren abendlichen Erkundungen durch die Stadt, passierten wir nicht nur den königlichen Palast "Noordeinde", sondern durften auch die prachtvolle Statue unseres Lokalhelden, Wilhelm von Oranien aus Dillenburg, gleich gegenüber bewundern. Randnotiz: Was hätte Ghosttown Dillenburg doch alles aus sich machen können...so viel verschenktes Potenzial.

Den Abend ließen wir in Angies's Kitchen mit vitaminreichen Bieren und Cocktails, sowie holländischen Snackplattern ausklingen. Außerdem opferte ich 80% meines Datenvolumens um die Streamingdienste des ZDF in Anspruch nehmen zu dürfen, erhält man mit holländischem free-Wifi keinerlei Nutzungsrechte auf unsere Steuer-finanzierten Sender. (Finden wir das jetzt gut oder schlecht? -Egal, Hauptsache Deutschland gewinnt!)

Zum Frühstück lud uns Mama Gisela in ein Straßencafé ein und wir genossen bei Rührei, Poffeertjes und Omelett das morgendliche Treiben in Den Haag. "Plyazhnyy oder City?" Mit wenig Vokabular und fast blindem Verständnis, einigten wir uns ohne Verzögerung darauf, dass der Strand heute verloren hatte und diese bemerkenswerte, idyllische Stadt weiter erkundet werden musste. Wer hätte gedacht, dass Den Haag doch so ansehnlich ist und mindestens genauso viel zu bieten hat, wie seine prominenten Begleiter Amsterdam und Rotterdam.

Mit 'C'est la vie", "L'amour toujours" und "La Gare du Nord" kramten wir auf dem Rückweg noch mal alle Vokabeln heraus, an die wir uns aus 3 Jahren Französisch-Schulzeit erinnern konnten. "Immerhin haben wir die gleichen unnützen Phrasen gelernt." bemerkend wir lachend. Was einen trotz aller kulturellen und sprachlichen Barrieren verbindet, das sind die Erinnerungen aus Kindheit und Jugend. Es ist die Musik, Spiele, Weltgeschehnisse, die gleichen Freuden und derselbe Schmerz.

"Ich hoffe, dass wir euch eines Tages am Schwarzen Meer besuchen können, wenn alles vorbei ist." Bis dahin nehmen wir das Leben wie es kommt.








Going under

„Going ist auch nur so ein Ausweichort, wenn Ellmau überfüllt ist.“ stellte Löön enttäuscht fest, als wir das spärlich gesegnete Gastronomiegewerbe unseres Ferienortes begutachteten. „Live Musik und Rock‘n Roll, da hätte man doch mal a Wurstl oder ne fettige Pommes to-go erwarten können.“ 

„Veranstaltungstechnisch ist hier noch ganz viel Luft nach oben.“ Mit einem läppischen Wegbier machten wir uns auf die Suche nach etwas Essbaren. „Die Küche schließt um 20:30 Uhr.“ verschränkte das Gastropersonal die Arme vor uns, als wir uns magenknurrend um 20:35 Uhr vor dem „Dorfwirt“ einfanden. „Die hätten uns ja wenigstens noch ne Gulaschsuppe aufwärmen können.“ bemerkte Magdi hungrig. „Ich hätte auch noch die Küchenreste verspeist.“ ergänzte Löön, die schon mit der bitteren Enttäuschung leben musste, dass die einzige Eisdiele Goings um 19 Uhr die Schotten dicht gemacht hatte. „Es ist wohlgemerkt Freitagabend mit Live-Veranstaltung. Da hätten die sich doch nen Reibach verdient.“ merkte becks an, während Resi bereits einen Business-Plan für ihr Lokal in Going am erstellen und ich den Social-Media-Auftritt des Gastro-Start-Ups am designen war. Nachdem wir feststellen mussten, dass auch unser letzter Hoffnungsschimmer „Miss Kebap“ geschlossen hatte, blieb uns nichts anderes übrig, als erneut die Pizzeria-Option des Vorabends zu wählen. „Auf die Italiener ist wenigstens Verlass, da kann sich der Österreicher noch mal ne schöne Scheibe von abschneiden.“


Nachdem wir die Pizza vertilgt hatten, gingen wir zum gemütlichen Teil über und beschlossen uns mit Gesellschaftsspielen weiter zu beschäftigen, hatte man der Live-Musik bereits um 21:30 Uhr den Stecker gezogen. „Beschreibe deinem Gegenüber Krokodil mit einem Wort.“ „Lacoste.“ Das Tabu-artige Spiel „Just one“ hatte keinerlei Chance gegen becks‘ Marken-Know-How und kreative Lösungswege. 


Der frühe Vogel wurde am nächsten Morgen erneut gefangen und die Reisegruppe Stroh & Partner begab sich bei Zeiten auf die nächste Wanderung. Aufgrund starker Hitzewellen beschlossen wir nur die Einsteigerroute zu den Wasserfällen zu wählen, um später noch einen ausgiebigen Stop am schönsten Outdoor-Badesee Österreichs zu machen. „Das ist nur ein ganz lockerer Spaziergang hoch zu den Fällen. Nicht der Rede wert.“ redeten wir beruhigend auf die verstochene und blaue Flecken übersäte Magdi ein. „Na gut, aber keinen Schritt weiter.“ akzeptierte Magdi, während sie vorsichtig den kühlenden Quarkspeisenbelag von ihrem überdimensionalen Insektenstich abschabte. 


„Sozusagen eine Panoramarunde.“ erklärte becks, als ihr erneut die Reiseführung aus der Hand gerissen wurde, hatte sie die Navigation abermals verdattelt. „Wir müssen rechts rum nicht links.“ korrigierte Resi. „Sei nicht traurig becksi, meine Kommafehler im Blog wurden heute Morgen auch schon mit dem Rotstift angemarkert.“ versuchte ich zu trösten. 

„Schaut mal da oben der Wasserfall am Fuße des Felsens. Da müssen wir aber sicherlich nicht hin, das ist ja viel zu weit.“ sprach Löön, während ich mir der Sache nicht so sicher war und meine Luftreserven schon mal gedanklich erweiterte. Der Weg zog sich entlang großzügig angelegter Forstwege und verwurzelter Waldtrails stetig bergauf. Magadalena Stroh hasste uns jetzt schon. 


Am Schleierwasserfall, der sich am Fuße des Felses befand, legten wir eine großzügige und viel zu lange Pause ein, mussten Blessuren beseitigt und Imagefotos mit, am und unter dem erfrischenden Naturspektakel erstellt werden. Im Anschluss folgten die drei großen Lügen der Bergwanderung: 

„Magdi, jetzt geht’s nur noch ganz wenig bergauf.“ „Hinter der nächsten Biegung sind wir bestimmt da.“ „Die Aussicht wird jede Schweißperle wert sein.“ 


Schlussendlich erreichten wir den Stiegenbacher Wasserfall, der uns jedoch nicht viel mehr als einen Refill der Wasserflasche zu bieten hatte, wodurch wir ihm zugleich den Rücken zukehrten und im hurtigen City-Walk den Abstieg antraten. „Julia Hecker, ab ins Büro. Du hast heute Abschlussprüfung.“ dirigierte becks und schickte mich auf die Abschlusspiste. Stöcke hatte ich an diesem Vormittag direkt im Archiv gelassen und spurtete nun im Bergziegenspeed die Trails hinunter. „Na also, hab ich dir doch gesagt, dass du dieses komische Stockwerk nicht mehr brauchst.“ lobte Ausbilderin becks. „Jetzt können wir uns endlich die Big Five Europas vornehmen.“ 


„Jetzt geht’s erst mal zum Badesee! Abkühlung Leute.“ Nach einem ausgiebigen Nachmittag am wirklich schönsten Naturbadestrands Österreichs, ereilte uns erneut das leidvolle Thema Essensversorgung, was insbesondere löön wieder ans Hauptmikrofon schreiten ließ. „Nee Leute, kein Fast Food, wir wollen heute noch mal schön, österreichisch, lokal zu Abend speisen.“ Da auch samstags in Tirol fast alles aus Reichtum geschlossen ist, konnten wir von Glück sprechen im Dorfwirt noch ein letztes Plätzchen zu früher Stunde ergattern zu können. 


„Jetzt wandern wir noch zur Seilbahn und fahren hoch zum Astberg, um uns das schöne Sommersonnenwendenfeuer anzusehen.“ Zielsicher und mit gut vorbereitetem Time-Sheet-Table schritt becks voran. „Da sind doch gar keine Gondeln dran.“ unterbrach Resi. „Wie wollen wir denn jetzt dort hochkommen?“ Da war er wieder, der Zonk. Sichtlich enttäuscht blickte becks abwechselnd zur Seilbahn und auf ihre fein säuberliche Dokumentation. „Oh man Leute, ich wollte einmal richtig navigieren.“ „Ist doch egal, wir nehmen einfach die Frontseats hier auf der Wiese.“ Mit 1A-Blick auf die Bergkette Ellmaus fletzten wir uns auf die Picknickdecken, verteilten die letzten Tuc Bacons und Seccos2go und betrachteten stundenlang die Feuer, die auf dem Bergpanorama nach und nach entzündet wurden. „Noch jemand Happy Cherrys?“ quakte es in die idyllische Sommersonnenwendennacht. Alles wie immer und doch anders. Manchmal braucht es nur ein „All you need is Lichterkette.“ 


Als uns am nächsten Morgen Going nahrungstechnisch wieder enttäuscht hatte, fanden wir uns im Touri-Hot-Spot Ellmau an einer leergefegten Semmelauslage der ortsansässigen Bäckerei ein. Gerade so konnten noch fünf weiß-pappsige Brötchen mit acht Scheiben Gouda ergattert werden, waren wir um 10:30 Uhr die letzten Kunden. Jetzt konnte wieder nur der Bergdoktor helfen. Als krönenden Abschluss erhaschten wir einen letzten Blick auf den Place-to-see des Bergdoktorhauses. Lööns Kommentar hierzu: „Das ist doch auch nur ein einfaches Holzhaus.“ 


Geschwind starteten wir zielsicher Richtung Heimat, bis uns der Radiomoderator restlich in die Knie zwang: „Molkereiunfall auf der A3. 22.000 Liter zähflüssige Molke bei 37 Grad auf der Autobahn.“ Die vorhergesagte Vollsperrung musste weitläufig umfahren werden. Unsere naive Illusion, wir würden die einzigen Rückreisenden sein, wurde auf der A99 abermals zerstört. Die Beherrschung von ‚Stop & Go‘ war nur dem Erfolgsgespann Resi & Goethe vorbehalten. Andere Straßenbegleiter schienen weder dies, noch die korrekte Nutzung von Fahrbahnspuren ausführen zu können, was zu einem weiteren Auffahrunfall direkt vor unseren Augen führte. „Mist Magdi, deine Visitenkarten befinden sich noch in der DHL-Zustellung.“ raunte ich rüber. Dies hätte abermals ihr Fall sein können. Die Kanzlei Stroh & Partner hätte sich jetzt schon als Platzhirsch unter den Verkehrsrechtlern etabliert. 


Nach gefühlten 25 Staus, 33 verspeisten Mini-Magdalenas, 5 Tüten Gifflar und einem goldenen M-Besuch, erreichten wir ausgelaugt und verbrutzelt good old Heimat. 


Die drei großen Lügen von Going:

  • Touristisch erschlossen
  • Für Sie bis 22 Uhr geöffnet
  • Vergünstigungen durch Touri-Gästekarte


Die wichtigsten Diagnosen der Tour:

  • Erysipel (infizierter Insektenstich)
  • Hämatom (Bluterguss)
  • Ödeme (Wassereinlagerungen)
  • Gonarthrose (Knie)
  • Coxarthrose (Hüfte)
  • Fremdkörper in der Haut


Auszeichnungen der Tour:

  • Goldener Verband: Magdalena Stroh
  • Goldener Kompass: Teresa Dittmar
  • Miss Going: Rebecca Dittmar-Grün
  • Goldene Kühlbox: Eileen Ströhmann
  • Goldene Suchmaschine : Julia Hecker


Fazit:

"Ist der Berg auch noch so steil, a bisserl was geht allerweil."














Eigentlich wie immer

Eigentlich war alles wie immer.


„Wo ist meine Uhr?“ irrte ich suchend durch die Ferienwohnung, während Löön gemütlich und schmatzend ihr drittes Brötchen vertilgte und keinerlei Anstalten machte den Frühstückstisch zu verlassen. „Ich muss mir noch mal die Haare kämmen.“ musterte sich becks zum x-ten Mal im Spiegel, während Resi die Wanderkarte erneut inhalierte und sich neben jeder Abzweigung, Bergzipfel und Bachverlauf auch noch Flora, Fauna  sowie Moosbeschaffenheit der Ellmauer Bergwelt akribisch einprägte. Das Zepter der Reiseleitung war becks, trotz vorbildlicher Recherchearbeit und eigens angelegter Ordnerstruktur, schon lange aus der Hand gerissen worden. Unterdessen machte sich Magdi auf das Schlimmste gefasst und betrachtete argwöhnisch die kletterbasierten Routen. „Leute, bitte denkt an meine Knie, ich bin Bergneueinsteigerin.“ „Ach Magdi, das wird doch gar nicht so schlimm. Wir machen nur eine kurze, knackige Tour zur Gruttenhütte und zurück. Nicht der Rede wert.“ Misstrauisch beäugte Magdi das vor ihr liegende Pamphlet. „Und was ist mit dem Klettersteig?“ Den machen nur Resi und ich.“ beruhigte becks in ihrer gewohnt, sprachlich geschickt verpackenden Art. „Schau, das Klettersteigset packen nur wir ein.“ 


Auch ich hatte am Abend zuvor den Klettersteig, mit C und D Passagen, aus meinem Repertoire entfernt, setzte bei mir der Schwindel bereits bei Begutachtung des  freihängenden Seil über 10 Meter ein. Selbst Löön musste die Segel streichen, hatte sie, dank anderer Umstände und strikter Anweisung von Mr. Ströhmann, keinerlei Befugnis sich irgendwelcher abgründiger Gefahren auszusetzen.  


„Es ist ja erst 9:15 Uhr.“ Überpünktlich starteten wir mit Goethe Richtung Wanderparkplatz und marschierten los. „Wie stand in dem Reiseführer? ‚Für eine Rast ist es hier noch zu früh.‘“ zitierte becks, als wir die Gaudeamshütte bereits nach 20 Minuten in Augenschein nahmen. „Ich müsste aber schon mal aufs Klo.“ grätschte Löön dazwischen. „Ach, dann könnte ich mein Top auch gerade mal entfernen bei dieser Affenhitze.“ bemerkte becks, während sich Magdi sichtlich über den ersten Pausenstopp erfreute und ich die Gelegenheit für einige Bildaufnahmen nutzte. Unterdessen hatte sich Resi in verschiedenliche Fachsimpeleien mit anderen Wanderern verwickeln lassen, konnte sie jetzt mit ihrem Wissen2go glänzen und wertvolle Tipps für die angehenden Routen verteilen. Dies hielt sie jedoch nicht davon ab, eine erste Rüge auszusprechen, als becks und ich uns noch zu einem Bergselfie hinreißen ließen. „Weiter geht’s Leute!“ Und so arbeiteten wir uns bis zu der Abzweigung weiter, wo sich die Spreu vom Weizen trennen sollte. Magdi, Löön und ich wählten den benutzerfreundlichen Weg und kümmerten uns um Bild- und Filmmaterial sowie den mental-Support, während sich Resi und becks an seilenbasierten Felssystemen entlang hangelten und in schwindelerregenden Höhen ein- und aushakten. 


„Ich bräuchte auch mal so einen Dämpfer, der mich mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurück bringt.“ merkte becks noch am Vorabend bei der Planung des Klettersteigs an. Ihr Wunsch wurde Befehl, als das 10 Meter frei hängende Seil über der Schlucht erreicht wurde. „Schmitti, ich hab beide Kletterhaken drin. Du weißt was das bedeutet.“ Unbehaglich und mit dem endlich nötigen Respekt manövrierten sich becks und Resi mutig über den Abgrund, um anschließend an einer immer höher und steiler werdenden Wand mit Überhang die finale Passage zu erreichen. „Puh Leute, das war jetzt auch mal ne Hausnummer für mich.“ präsentierte becks ihre offenen Fingerwunden, die beim Festgrallen in das Stahlsein entstanden sein mussten. 


Angekommen auf der Gruttenhütte gönnten wir uns ein Erfrischungsgetränk und ich begann vorsichtig an zu feilschen. „Leute, ich bin noch so unausgelastet. Besteht noch noch die Möglichkeit auf eine Etappenerweiterung?“ Auch Löön war sehr angetan von dem Bonusmaterial und becks erklomm schon gedanklich den Bergwipfel. Selbst Reiseleitung Schmitt konnte sich mit einer Änderung der geplanten Route sehr anfreunden und bewarb den Jubiläumsweg (Anm. d. R.: an der Stelle wurde geschnitten) mit freudigen Augen. Lediglich Magdi war von der Sache noch nicht sehr angetan, plagte sie bereits ihr lädiertes Knie. Außerdem gab sie zu Bedenken, dass sie noch nie einen Klettersteig (Schnitt: es war ja nur ein Weg) gemacht hatte. „Es sind nur A-Passagen verzeichnet.“ „Du kannst auch eines unserer Klettersteigsets haben.“ „Das ist nur ne kleine Waschbärroute.“ Am Ende hatten wir alle so sehr auf Magdi eingeredet, dass sie gar nicht anders konnte und sich mit uns auf den Jubiläumsteig (*hust* Weg) begeben musste. „Du wirst es nicht bereuen. Am Ende des Tages wirst du sehr glücklich sein, diesen Weg gemacht zu haben.“ 


Anm. d. R.: aus unerfindlichen Gründen ist uns der nachfolgende Abschnitt abhanden gekommen. Auch bei dem Fotomaterial müssen wir auf Archivaufnahmen zurück greifen.


An der nächsten Kreuzung wurde erneut eine Selektion vorgenommen. Team „Wir-haben-nicht-genug-und-möchten-noch-hoch-zum-Gipfel“ erbettelte sich bei Reiseleitung Schmitt weiteres Bonusmaterial und setzte den Weg Richtung Ellmauer Wand fort, während Löön, Magdi und Resi die malerische und benutzerfreundliche Route Richtung Hütte fortsetzten. „Ihr habt zweieinhalb Stunden, dann seid ihr wieder unten.“ schallten noch die mahnenden Worte hinter uns her, als wir im Endspurt den Berg hinauf pezten. „Challenge accepted! - Das schaffen wir doch auch in kürzer.“ In 45 anstatt 60 Minuten erreichten becks und ich das Ellmauer Tor und blickten auf beeindruckendes Bergidyll und ließen uns zu mehreren Imagefotos hinreißen. „Mist, unser 15 Minuten-Vorsprung ist wieder aufgebraucht. Ab nach unten.“ Wir wählten die Abkürzung und rutschten das Schneefeld einfach im Sitzen herunter. becks holte nun zu ihrer Paradedisziplin aus und sprintete wie ein Trailrunner den Geröllweg hinab. Da ich kaum hinterher kam und meine Stöcke offensichtlich eh falsch anwand, wurden diese zugleich von Frau Dittmar einkassiert und ich im Schnell-Drive-In-Modus in den Trailrun eingewiesen.


Wir fanden uns am Ende beinahe zeitgleich mit den anderen an der Hütte wieder ein und bestritten gemeinsam den Weg zurück zum guten alten Goethe. „Ich hab Knieschmerzen.“ „Meine Finger brennen.“ „Mein Steißbein tut höllisch weh.“ „Ich glaub ich hab Sonnenbrand.“ „Wollen wir eigentlich noch was essen?“ 


Eigentlich war alles wie immer. 










Der Bergdoktor ruft!

written by becks 


Eigentlich…

Endlich. Der seit Ewigkeiten ausstehende 5-Freunde Überraschungs-Trip (Resis Geburtstagsgeschenk vor 2 Jahren und Magdis Geschenk vor 1 1/2 Jahren, danke Corona) konnte endlich ausgeführt werden. Die Reiseteilnehmer dieser lang ersehnten Kaffeefahrt hatten für Resi und Magdi einen Kurzurlaub der besonderen Art geplant. Die Zieldestination konnte übrigens von den Mitreisenden über 2 Jahre lang geheim gehalten werden und Resi hatte somit bis kurz vor Ankunft wirklich keine Kontrolle über das was ihr bevorstand. Ihr wisst, was das bedeutet :-D


Dabei war eigentlich alles wie immer.


Es fing schon mit den Vorbereitungen an. Die Packliste für 4 Tage einer mitreisenden Person wurde länger und länger. „Leute, haben wir Platz für ein größeres Packstück im Bus?“, säuselte Becks vorsichtig in die Runde. „Ich brauche auf jeden Fall ein bisschen mehr Auswahl an Kleidung und Equipment als sonst, schließlich sind wir Outdoor unterwegs.“ Der Rest der Crew rollte mit den Augen, ergab sich aber dann einfach frühmorgens dem Schicksal. Während Löön noch mit einer Störmeldung ihres ohnehin kaum genutzten Endgerätes hantierte, rechnete Juli ihre Netto-Schlafzeit nach der durchzechten Nacht der Sportheimdisco am Vorabend aus. „Zweieinhalb Stunden Schlaf Leute.. ich bin am Ende.“, fiel sie todmüde und dennoch pünktlich um 5.15 Uhr in den Bus und zog sofort ihr Schlafkissen aus dem Nähkästchen. „Augen zu jetzt, du kannst schlafen bis wir da sind!“, ordnete Resi an und lenkte die Kaffeefahrt-Reisenden on the Road ins Nirgendwo. 


In Windeseile huschten wir über die Autobahn. Ca. 30 km vor unserem endgültigen Aufenthaltsort durfte Resi anhand eines Rätsels den Endpunkt erraten. Als die Bergdoktor-Titelmelodie durch den Bus dröhnte, war alles klar. „Wir fahren nach Ellmau!“, rief sie und freute sich wie ein Plätzchen. „Hach Leute, wie schön.“ „Hut ab, Frau Schmitt, äh Dittmar.“, klang es vom Beifahrersitz. „Dass du die Musik erkennst hätte ich nicht gedacht, ich hab extra noch das Stethoskop eingepackt falls du nicht drauf kommst“, sprach Becks und war erleichtert dass das Navigationsgerät nun endlich die weiteren geographische Daten lieferte. Ruck Zuck erreichten wir gegen Mittag unsere Unterkunft in Going und richteten uns direkt häuslich ein. 


Der tagelang, bis ins Detail ausgeklügelte Flipchart-Plan, den Becks für die nächsten Tage entworfen hatte und der eigentlich mit einer lockeren Nachmittags-Einstiegswanderung beginnen sollte, löste sich mit dem Blick zum Himmel leider in Luft auf. Es regnete. „Ok Leute, dann gehen wir halt einfach durchs Dorf und schauen uns um“, ordnete Resi an, die diese einmalige Chance umgehend nutzte um das Plan- und Kontroll-Zepter wieder an sich zu reißen. Wie immer ließen wir uns nicht lange bitten und marschierten stilvoll im Regenjacken-City-Style mit Ted Baker Sonnenbrille los, um die örtlichen Gegebenheiten abzuchecken. Nachdem wir die must-see Touri-Plätze des Bergdoktors abgearbeitet hatten und uns auf dem Rückweg zur Unterkunft befanden, wurden wir kurzerhand Zeuge einer realen Bergdoktor-Story:


Ein Fahrradfahrer fuhr mit zu schneller Geschwindigkeit, auf einen vor ihm fahrenden PKW auf und stürzte auf die regennasse Straße. Sofort schlüpften wir alle in unsere Rollen und rannten Richtung Unglücksort. Gott sei Dank war nichts Schlimmes passiert, der Radfahrer konnte selbstständig aufstehen und zusammen mit der Autofahrerin leisteten wir Erste-Hilfe. Resi übernahm sofort die Kommunikation, zeigte polizeiliche Fachkompetenz und trommelte den Rettungsdienst herbei. Magdi erläuterte uns während den Hilfsarbeiten die Schuldfragen zum Thema Verkehrsrecht und ärgerte sich zum zweiten Mal an diesem Tag darüber, vor Urlaubsbeginn keine Visitenkarten mehr gedruckt zu haben. „Dies hätte ihr Fall sein können Frau Anwältin Stroh“, sprach Juli und begann just im gleichen Moment mit dem ersten kreativen Entwurf des dringend benötigten Werbe-Materials für die Staranwältin. 


Nachdem dann endlich alles arrangiert, polizeilich aufgenommen und jeder versorgt war, konnte man Becks die Enttäuschung ansehen. Anstelle von Martin Gruber (dem Bergdoktor höchstpersönlich), hatte nur medizinisches Beipersonal den Fall an sich genommen, dabei hatte sie sich doch so auf den gut aussehenden Arzt im grünen Mercedes gefreut. Die zwei Polizeibeamten in Uniform halfen indes ein wenig über diese Enttäuschung hinweg und so machten wir uns mit reichlich Gesprächsstoff auf den Heimweg. Mit Essen und einer kleinen Spielerunde ließen wir den ersten erlebnisreichen Tag ausklingen.


Fortsetzung folgt :)







Gut, dass wir verglichen haben.

Es ist nun fast 13 Jahre her, dass ich die wundervolle Erfahrung eines Quarantäne-Aufenthaltes machen durfte. In diesen Tage denke ich gerne zurück und schwelge in Erinnerungen. Ich befand mich damals in der  kanadischen Metropole Vancouver und hatte von einer Pandemie keine Ahnung. Hätte man mich morgens nicht täglich mit der kostenfreien Bahnhofszeitschrift versorgt, hätte ich von öffentlichen Impfungen und dem ständigen Aufruf „Get your vaccination!“ nie etwas gehört. Natürlich war die Schweinegrippe auch DER Sommerlochfüller in Deutschlands Presse. Aber war davon überhaupt jemand wirklich betroffen? Das war eine Krankheit aus Übersee, weit weg. Und warum sollten wir Ausländer in Kanada damit in Berührung kommen? Meine Denkweise änderte sich drastisch, als ich in den dauerhaften Genuss von „Öffis“ gelangte, musste ich als Kurzzeit-Studi eine recht lange Strecke von meiner Gastfamilie bis zur Schule, die sich im Zentrum Vancouvers befand, zurücklegen. Solche Menschenmassen war man als Dorfmensch rein gar nicht gewöhnt. Recht schnell durfte ich aber feststellen, dass das Verbindungsnetz in Großstädten und ohne Aufschrift „DB“ 1A funktionierte. „Was für eine Errungenschaft der Menschheit! Damit wären Autos ja quasi überflüssig. Und der Monatsticketpreis? - Ein Witz!“ Da es in Vancouver und generell in Kanada sehr viel Wasser gibt, durfte man sogar die Fähre nach North-Vancouver nutzen. Mein Kanada-Buddy Fabian fuhr auf diese Weise jeden Tag mit dem Schiff zur Schule. 


Doch back-to-topic: Nach 3 Wochen Schulzeit und der Erkenntnis, dass Großstädte extrem cool, vielseitig und interessant sein können, machte sich eines Montagsmorgens die Kehrseite einer metropolisch, pulsierenden Stadt bemerkbar. Ich hatte mal wieder den wunderbare Skytrain in die Stadt genutzt, für den man morgens, um viertel vor sieben, nur 3-4 Anläufe brauchte, um in ein pressvolles Abteil einzusteigen, in dem sich jeder dicht an dicht gedrängt hineinzwängte und sich nur aus reiner Gewohnheit irgendwo festhielt, um nicht umzufallen, was aber bei der Dichte auch gar nicht möglich gewesen wäre. Im Nachhinein stelle ich mir die Frage, ob in den nordamerikanischen Medien auch Themen wie Mindestabstand, Maskenpflicht und Desinfektion diskutiert und an öffentlichen Plätzen darauf hingewiesen wurde. Eine wirkliche Erinnerung habe ich daran nicht.


Genau eine Schulstunde dauerte es, bis mich ein unbeschreibliches Krankheitsgefühl überrollte und ich mich komplett ausgeknockt fühlte. Meine Lehrerin erkannte die Zeichen sofort und sandte mich on-demand nach Hause. Der Weg zurück war mir kaum noch möglich, war ich quasi nicht mehr in der Lage zu gehen, so schwach waren meine Beine. Natürlich schleppte ich das Virus von der Schule noch mal durch 8-9 Haltestationen in überfüllte Bahnabteile. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich mich in meinem Leben noch nie so krank gefühlt habe und auch bis heute keinen vergleichbaren Krankheitsverlauf erleben musste. Das Resultat war eine 1-wöchige Quarantäne und die Diagnose: Schweinegrippe. Nun muss man dazu sagen, dass ich damals in einem Zimmer von ca. 20 Quadratmetern untergebracht war. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl. Das gegenüberliegende Bad durfte ich nur nach Desinfektion des ganzen Raumes betreten und wieder verlassen. Essen wurde mir vor die Tür gestellt. Damals gab es noch kein WhatsApp, nicht mal Instagram oder Netflix. Dafür gab es eine 9-stündige Zeitverschiebung nach Deutschland und extrem schlechtes Internet, das eine Skypeverbindung so stabil machte wie ein schlecht gebauter Jengaturm. 


Heute, ein Jahrzehnt, zwei Ausnahme-Jahre und eine Zeitenwende später, in denen wir alle zu Pandemie-Experten:innen und Virenforscher:innen gereift sind und das 1x1 des AHA+L-Alphabetes im Schlaf aufsagen können, katapultiert mich, das mittlerweile weltbekannte und legendäre C-Virus, erneut in die Isolation. „Ich dachte Blutgruppe 0 sei unverwundbar.“ textete ich becks in ihre Quarantäne. „Papperlapapp, das waren auch wieder nur Fake-News. - Egal, jetzt können wir die Sache hier auch endlich abhaken.“ 


Die post-moderne-jedermanns-Quarantäne ist jedoch anders. Obwohl man sehr viel mehr Bewegungsfreiheit und Umsorgung hat, zieht sie auch einen gewissen Stressfaktor mit sich. Denn im Vergleich fällt die Krankheit ja glücklicherweise und in den meisten Fällen deutlich schwächer aus, wodurch man sich „nur“ über eine starke Erkältung beschweren darf. Und weil man ja nun Zeit hat, liegt die lang vorbereitete To-Do-List für den Ernstfall eines einwöchigen Home-Aufenthaltes schon bereit. Vorbei sind die Tage an denen man einfach krank sein durfte und auf Heilung wartete. Denn wer in der heutigen Quarantäne nicht mindestens seinen Frühjahrsputz schafft, den Garten umgräbt oder ein anderes, vielsprechendes Bauprojekt umsetzt (hallo Sissy :)) und dazu wenigstens zwei Bücher liest, 3 vegane Gerichte ausprobiert, eine neue Sprache lernt und seinen 8-Stunden Arbeitstag bewältigt, der war, in den Augen der Gesellschaft, vermutlich einfach nur faul. Denn „so ein bisschen“ Corona hatte ja jetzt - ernsthaft -, schon mal jeder. 


Ob ich meine Liste komplett abgearbeitet bekomme, bezweifle ich mittlerweile. Die Zeit,  bis man wieder der Freiheit und Öffentlichkeit ausgesetzt ist, fliegt quasi an einem vorbei. 

Ich frage mich aber nun natürlich wie das so weiter geht. Können wir uns jetzt einmal im Jahr auf solch einen Quarantäne-Aufenthalt einrichten? Kann man den fest im Jahreskalender einplanen? Also Ende April würde mir gut passen, da müssen die Fenster eh geputzt werden und es ist ja auch irgendwie eh noch total durchwachsen. Außerdem ist dann Ostern vorbei und der nächste Urlaub auch noch ein bisschen hin, man will ja nicht dass Corona irgendwelche langen Pläne durchkreuzt. Wenn wir dann alle gleichzeitig in Quarantäne sind, wäre das doch bestimmt gut fürs Klima, Krieg wäre dann auch keiner und überhaupt ginge es der Welt, ohne unsere Dauerbeschallung und Eingreifen in Dinge von denen wir keinen Plan haben, auch irgendwie total und voll viel besser. (merkt man eigentlich, dass ich in den letzten Tagen zu viele Podcasts gehört habe?). 


Wie es auch immer kommen mag, ich wünsche euch allen, dass ihr gut durchkommt, liebevoll versorgt werdet, mit keinen Langzeitwirkungen kämpfen müsst und besser noch: verschont bleibt. Es soll ja immer noch ein paar Exoten geben, die bislang immun geblieben sind. 


In dem Sinne, stay safe and take care! Und vergesst nicht: So eine Quarantäne kann mal gemacht haben. Gehört auf die Bucket-List ;).