Going under

„Going ist auch nur so ein Ausweichort, wenn Ellmau überfüllt ist.“ stellte Löön enttäuscht fest, als wir das spärlich gesegnete Gastronomiegewerbe unseres Ferienortes begutachteten. „Live Musik und Rock‘n Roll, da hätte man doch mal a Wurstl oder ne fettige Pommes to-go erwarten können.“ 

„Veranstaltungstechnisch ist hier noch ganz viel Luft nach oben.“ Mit einem läppischen Wegbier machten wir uns auf die Suche nach etwas Essbaren. „Die Küche schließt um 20:30 Uhr.“ verschränkte das Gastropersonal die Arme vor uns, als wir uns magenknurrend um 20:35 Uhr vor dem „Dorfwirt“ einfanden. „Die hätten uns ja wenigstens noch ne Gulaschsuppe aufwärmen können.“ bemerkte Magdi hungrig. „Ich hätte auch noch die Küchenreste verspeist.“ ergänzte Löön, die schon mit der bitteren Enttäuschung leben musste, dass die einzige Eisdiele Goings um 19 Uhr die Schotten dicht gemacht hatte. „Es ist wohlgemerkt Freitagabend mit Live-Veranstaltung. Da hätten die sich doch nen Reibach verdient.“ merkte becks an, während Resi bereits einen Business-Plan für ihr Lokal in Going am erstellen und ich den Social-Media-Auftritt des Gastro-Start-Ups am designen war. Nachdem wir feststellen mussten, dass auch unser letzter Hoffnungsschimmer „Miss Kebap“ geschlossen hatte, blieb uns nichts anderes übrig, als erneut die Pizzeria-Option des Vorabends zu wählen. „Auf die Italiener ist wenigstens Verlass, da kann sich der Österreicher noch mal ne schöne Scheibe von abschneiden.“


Nachdem wir die Pizza vertilgt hatten, gingen wir zum gemütlichen Teil über und beschlossen uns mit Gesellschaftsspielen weiter zu beschäftigen, hatte man der Live-Musik bereits um 21:30 Uhr den Stecker gezogen. „Beschreibe deinem Gegenüber Krokodil mit einem Wort.“ „Lacoste.“ Das Tabu-artige Spiel „Just one“ hatte keinerlei Chance gegen becks‘ Marken-Know-How und kreative Lösungswege. 


Der frühe Vogel wurde am nächsten Morgen erneut gefangen und die Reisegruppe Stroh & Partner begab sich bei Zeiten auf die nächste Wanderung. Aufgrund starker Hitzewellen beschlossen wir nur die Einsteigerroute zu den Wasserfällen zu wählen, um später noch einen ausgiebigen Stop am schönsten Outdoor-Badesee Österreichs zu machen. „Das ist nur ein ganz lockerer Spaziergang hoch zu den Fällen. Nicht der Rede wert.“ redeten wir beruhigend auf die verstochene und blaue Flecken übersäte Magdi ein. „Na gut, aber keinen Schritt weiter.“ akzeptierte Magdi, während sie vorsichtig den kühlenden Quarkspeisenbelag von ihrem überdimensionalen Insektenstich abschabte. 


„Sozusagen eine Panoramarunde.“ erklärte becks, als ihr erneut die Reiseführung aus der Hand gerissen wurde, hatte sie die Navigation abermals verdattelt. „Wir müssen rechts rum nicht links.“ korrigierte Resi. „Sei nicht traurig becksi, meine Kommafehler im Blog wurden heute Morgen auch schon mit dem Rotstift angemarkert.“ versuchte ich zu trösten. 

„Schaut mal da oben der Wasserfall am Fuße des Felsens. Da müssen wir aber sicherlich nicht hin, das ist ja viel zu weit.“ sprach Löön, während ich mir der Sache nicht so sicher war und meine Luftreserven schon mal gedanklich erweiterte. Der Weg zog sich entlang großzügig angelegter Forstwege und verwurzelter Waldtrails stetig bergauf. Magadalena Stroh hasste uns jetzt schon. 


Am Schleierwasserfall, der sich am Fuße des Felses befand, legten wir eine großzügige und viel zu lange Pause ein, mussten Blessuren beseitigt und Imagefotos mit, am und unter dem erfrischenden Naturspektakel erstellt werden. Im Anschluss folgten die drei großen Lügen der Bergwanderung: 

„Magdi, jetzt geht’s nur noch ganz wenig bergauf.“ „Hinter der nächsten Biegung sind wir bestimmt da.“ „Die Aussicht wird jede Schweißperle wert sein.“ 


Schlussendlich erreichten wir den Stiegenbacher Wasserfall, der uns jedoch nicht viel mehr als einen Refill der Wasserflasche zu bieten hatte, wodurch wir ihm zugleich den Rücken zukehrten und im hurtigen City-Walk den Abstieg antraten. „Julia Hecker, ab ins Büro. Du hast heute Abschlussprüfung.“ dirigierte becks und schickte mich auf die Abschlusspiste. Stöcke hatte ich an diesem Vormittag direkt im Archiv gelassen und spurtete nun im Bergziegenspeed die Trails hinunter. „Na also, hab ich dir doch gesagt, dass du dieses komische Stockwerk nicht mehr brauchst.“ lobte Ausbilderin becks. „Jetzt können wir uns endlich die Big Five Europas vornehmen.“ 


„Jetzt geht’s erst mal zum Badesee! Abkühlung Leute.“ Nach einem ausgiebigen Nachmittag am wirklich schönsten Naturbadestrands Österreichs, ereilte uns erneut das leidvolle Thema Essensversorgung, was insbesondere löön wieder ans Hauptmikrofon schreiten ließ. „Nee Leute, kein Fast Food, wir wollen heute noch mal schön, österreichisch, lokal zu Abend speisen.“ Da auch samstags in Tirol fast alles aus Reichtum geschlossen ist, konnten wir von Glück sprechen im Dorfwirt noch ein letztes Plätzchen zu früher Stunde ergattern zu können. 


„Jetzt wandern wir noch zur Seilbahn und fahren hoch zum Astberg, um uns das schöne Sommersonnenwendenfeuer anzusehen.“ Zielsicher und mit gut vorbereitetem Time-Sheet-Table schritt becks voran. „Da sind doch gar keine Gondeln dran.“ unterbrach Resi. „Wie wollen wir denn jetzt dort hochkommen?“ Da war er wieder, der Zonk. Sichtlich enttäuscht blickte becks abwechselnd zur Seilbahn und auf ihre fein säuberliche Dokumentation. „Oh man Leute, ich wollte einmal richtig navigieren.“ „Ist doch egal, wir nehmen einfach die Frontseats hier auf der Wiese.“ Mit 1A-Blick auf die Bergkette Ellmaus fletzten wir uns auf die Picknickdecken, verteilten die letzten Tuc Bacons und Seccos2go und betrachteten stundenlang die Feuer, die auf dem Bergpanorama nach und nach entzündet wurden. „Noch jemand Happy Cherrys?“ quakte es in die idyllische Sommersonnenwendennacht. Alles wie immer und doch anders. Manchmal braucht es nur ein „All you need is Lichterkette.“ 


Als uns am nächsten Morgen Going nahrungstechnisch wieder enttäuscht hatte, fanden wir uns im Touri-Hot-Spot Ellmau an einer leergefegten Semmelauslage der ortsansässigen Bäckerei ein. Gerade so konnten noch fünf weiß-pappsige Brötchen mit acht Scheiben Gouda ergattert werden, waren wir um 10:30 Uhr die letzten Kunden. Jetzt konnte wieder nur der Bergdoktor helfen. Als krönenden Abschluss erhaschten wir einen letzten Blick auf den Place-to-see des Bergdoktorhauses. Lööns Kommentar hierzu: „Das ist doch auch nur ein einfaches Holzhaus.“ 


Geschwind starteten wir zielsicher Richtung Heimat, bis uns der Radiomoderator restlich in die Knie zwang: „Molkereiunfall auf der A3. 22.000 Liter zähflüssige Molke bei 37 Grad auf der Autobahn.“ Die vorhergesagte Vollsperrung musste weitläufig umfahren werden. Unsere naive Illusion, wir würden die einzigen Rückreisenden sein, wurde auf der A99 abermals zerstört. Die Beherrschung von ‚Stop & Go‘ war nur dem Erfolgsgespann Resi & Goethe vorbehalten. Andere Straßenbegleiter schienen weder dies, noch die korrekte Nutzung von Fahrbahnspuren ausführen zu können, was zu einem weiteren Auffahrunfall direkt vor unseren Augen führte. „Mist Magdi, deine Visitenkarten befinden sich noch in der DHL-Zustellung.“ raunte ich rüber. Dies hätte abermals ihr Fall sein können. Die Kanzlei Stroh & Partner hätte sich jetzt schon als Platzhirsch unter den Verkehrsrechtlern etabliert. 


Nach gefühlten 25 Staus, 33 verspeisten Mini-Magdalenas, 5 Tüten Gifflar und einem goldenen M-Besuch, erreichten wir ausgelaugt und verbrutzelt good old Heimat. 


Die drei großen Lügen von Going:

  • Touristisch erschlossen
  • Für Sie bis 22 Uhr geöffnet
  • Vergünstigungen durch Touri-Gästekarte


Die wichtigsten Diagnosen der Tour:

  • Erysipel (infizierter Insektenstich)
  • Hämatom (Bluterguss)
  • Ödeme (Wassereinlagerungen)
  • Gonarthrose (Knie)
  • Coxarthrose (Hüfte)
  • Fremdkörper in der Haut


Auszeichnungen der Tour:

  • Goldener Verband: Magdalena Stroh
  • Goldener Kompass: Teresa Dittmar
  • Miss Going: Rebecca Dittmar-Grün
  • Goldene Kühlbox: Eileen Ströhmann
  • Goldene Suchmaschine : Julia Hecker


Fazit:

"Ist der Berg auch noch so steil, a bisserl was geht allerweil."














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