Das verrückte Labyrinth

Links, rechts, rechts, links, rechts, links, rechts, links, links, rechts. Der Weg vom Hotel nach draußen glich einem Jump & Run Spiel aus den 90ern. In Level I galt es sich einen Weg durch die lehmhaltige, schlecht beleuchtete, menschenleere und verwinkelte Unterführung bis hin zum Ausgang zu bahnen. Vorbei an streunenden Katzen und zwielichtigen Abzweigungen, die in Sackgassen endeten. Erreichte man die Pforte zur markttreibenden Gasse, forderte Level II die Auffindung des gestern geparkten Autos, mussten wir den Parkplatz noch um zwei weitere Nächte verlängern. Entlang belebter, bunter und Händler besetzter Gassen, immer den Mopeds, Kutschen und Viehwagen ausweichend, irrten wir durch die schmalen Wege, in denen jede Abzweigung der anderen glich. Navigation zwecklos. Vorbei an Blechschildern, Stoff- und Lederwaren, Teekannen und Gewürzläden, fünfmal vorwärts und viermal wieder zurück, erreichten wir nach einer gefühlten Ewigkeit den zwielichtigen, schotterbehafteten Hinterhof, auf dem unser Auto stand. Michi hatte den 100 Dirham Schein bereits gezückt und der marokkanische Pächter eilte uns aus seinem Zweitgewerbe, einem Buntgemischwarenhandel, entgegen. Die Dollarzeichen leuchteten schon in seinen Augen und seine volle Aufmerksamkeit galt dem grünen Scheinchen, welches Michi in den Händen hielt. Im Moment der Bargeldübergabe schossen plötzlich aus dem Hinterhalt 3-4 schwarze Mopeds und packten den Parkwächter. Wie in einem schlechten Mafia-Film durchsuchten die vier unscheinbaren Männer den Typen und setzten ihn in Handschellen auf eines der Mopeds. Irritiert verfolgten wir den vor uns ablaufenden Gangsterfilm und starrten abwechselnd auf die Männer der Mopedgang und dann wieder auf den Parkwächter, der gestikulierend auf die Männer einsprach und seine Felle davon schwimmen sah. „Police“ sprach der Frontman der Mopedgang und zeigte auf seine Pistole. Das Imperium hatte also zurückgeschlagen. Nach der gestrigen Abzocke ein Sieg auf ganzer Linie! Team Deutschland war wieder zurück im Spiel. „Den Guide von gestern schnappen wir uns auch noch!“ sagten wir uns, nach dem wir dem zivilen Polizisten eine genau Personen- und Mopedbeschreibung abgegeben hatte. Wir ließen das Auto stehen und zogen zufrieden und mit einem breiten Erfolgsgrinsen von dannen.

Level III - Gangsterfestnahme wäre somit auch abgehakt. Mir graute schon vor Level IV. Wir marschierten weiter durch die Souks von Marrakesch und entfernten uns von Touristenpfaden. Die Souvenirhändler wurden weniger, dafür fand man nun Gemüse,- Obst,- und Fleischwarenanbieter an jeder Ecke. Wir probierten uns durch die lokale Küche und wagten das Erlebnis ‚Street Food am Straßenrand‘. „Die Oliven bekommst du ja hier hinterhergeworfen!“ stellten wir nach Erwerb eines 100g Beutels für 18 Cents fest, als wir uns die grünen Kugeln einwarfen. Es folgte ein Dessert, in Blätterteig gerollter Kakao und nusshaltige Masse. Sozusagen eine komprimierte Nussecke. Sensationell! Als Hauptgericht wählten wir frittierte Auberginen und frittierten Fisch, welchen wir in eine Teigtasche mit roter, pikanter Soße manövrierten und am Stand genüsslich verspeisten. Andere Touristen beäugten unseren Mut respektvoll. Szenenapplaus. Level IV ging leichter als gedacht.

Am Ende unserer Erkundungstour hatten wir den Ausgang und somit die Stadtmauern von Marrakesch erreicht. In der prallen Mittagssonne zogen wir zurück zu einem großen Platz, auf dem abermals Händler um Händler zu sehen waren. Und eine schwarze Kobra. Ich hatte nur kurz zu ihr rüber geblickt und mich schnell wieder von dem angsteinflößenden Tier abgewandt, da hatte der Schlangenmeister auch schon Michi eines dieser windigen Viecher um den Hals gelegt und wollte ein Bild schießen. „Wieviel kostet das?“ Handeln - können wir. Nochmal lassen wir uns nicht abzocken. Gegen meinen Willen wurde auch mir eine grüne Schlange um den Hals gelegt und ein obligatorisches Bild mit der schwarzen Kobra im Vordergrund erstellt. Kleines Bonusmaterial gab es für Michi auch noch mit oben drauf. „Ihh.. das ist ja Stuhl.“ bemerkte er, als er resigniert an seiner Hose herunterschaute und den senfkornfarbigen Streifen entdeckte. Da hat sich die Schlange vor Angst aber mal ganz schön auf die Hose geschissen. Level V - wir hätten es nicht gebraucht.

Ein Hoch auf Rei in der Tube und Siesta zur Nachmittagszeit. Wir haben uns den lokalen Gegebenheiten angepasst und spazieren nicht mehr dilettantisch durch die starke Nachmittagshitze. Zum Abschluss eines läuferisch anstrengenden Tages Dachterasse, Sternenhimmel, Shisha und zwei Bier. Level VI - ich mag es.

 


 















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