Ich kann dich wenn du willst gern ein Stück mitnehm,
Und es geht los von jetzt auf gleich wenn dich traust.
Doch wir umfahrn den Rest und nehm' Wege, die wir noch nicht kenn'
- Clueso
„Den Pinguin-Frack könnte ich auch gut für zu Hause gebrauchen.“ merkte ich an, als wir ein letztes Mal den Neoprenanzug überstreiften. „Dann würde ich auch nicht so sehr im Sinner Waldschwimmbad frieren.“ Am letzten Urlaubstag marschierten wir noch einmal, jeder mit einem Surfbrett unterm Arm, den Serpentinen verlaufenden Weg hinunter zum Strand von Arrifana und stürzten uns in die Wellen des Atlantiks. Die intensive Begegnung mit dem Ozean, bedingt durch gnadenlose Wellen, wurden zu einem weiteren Kernerinnerungserlebnis. Dieses unbeschreibliche Gefühl den perfekten Moment abzupassen, aufzustehen und von der Welle mitgenommen zu werden und mit viel Feingefühl und Balance noch ein Stück weiter zu sliden, lässt sich nicht in Worte fassen. Unbeschreiblich! Es ist als würde die Welle zu einem sagen „Darf ich dich noch ein Stück mitnehmen?“
Im Laufe des Tages wurde der Wellengang deutlich stärker und die rohe Gewalt des Atlantiks schlug uns entgegen. „Noch‘n bisschen und wir haben die erste Zahnlose unter uns.“ warf Löön ein, als wir mehrfach durch die Luft gezwirbelt wurden und anschließend ins Meer abstürzten. „Ich glaub mein linker Zeh ist gebrochen.“ lachte ich. „Die Surfzacken haben sich gerade in meine Rippen gebohrt.“ grinste Sissy. Und ihr könnt und wollt es kaum glauben. Selbst unsere unermüdliche Maschine Kristin wurde von den Wellen gebrochen. Nicht nur angeschwollene Extremitäten, sondern auch die totale Erschöpfung waren am Ende des Tages zu verzeichnen. „Ich kann nicht mehr Leute. Ich hab noch nie solche Schmerzen empfunden. Ich bin fertig.“
Sissy, Löön und ich schauten uns unglaubwürdig an und mussten uns mehrfach versichern, ob wir gerade richtig gehört hatten. Es gibt tatsächlich eine Sportart, die Kristin niedergestreckt hat. Wer hätte das gedacht?!
Ein letztes Mahl nahmen wir bei Tascas ein. Löön und ich ließen uns von dem frisch gefangenen Fisch in der Auslage blenden und stimmten, ohne mit der Wimper zu zucken, dem Kellner zu, uns diesen sogleich auf den Räuchergrill zu werfen. Das grätige Objekt war ohne Frage ein Gedicht und schmeckte mehr als vorzüglich, jedoch traf uns der Schlag als wir später die Rechnung in Augenschein nahmen. 27,50€ pro Fisch!! „Was kostet die Welt, wir sind nur einmal in Portugal!“
Wir ließen den Abend zu Reggae-Klängen und Cocktails in der Surferbar „Sea you“ ausklingen und warfen auf dem Heimweg einen letzten Blick auf den Atlantik. Endlich hatten sich die Wellen beruhigt und die raue See plätscherte beruhigend im Halbmondschein vor sich hin. „Sieht so harmlos aus.“ „Und hat doch solche Kräfte.“ Stille Wasser halt.
Um 6:30 Uhr verließen wir unsere herrliche Ferienwohnung und fuhren im Sonnenaufgangsmodus über leergefegte Autobahnen zurück nach Lissabon. Reibungslos erfolgten Autorückgabe, Check-In, Flug, Landung und Rückfahrt in die Heimat. „Ungewöhnlich für uns.“ „Genauso wie dieser Urlaub, so etwas Entspanntes habe ich ja noch nie mit euch erlebt.“ „Kristin, entspannend? Du kannst deine Muskeln doch immer noch nicht bewegen.“ stimmten wir alle lachend ein.
Was ein relaxter und aufregender Urlaub zugleich. Die Kombination aus Wellnesseinheiten am Strand und sportlichen Aktivitäten im Wasser hat uns sehr zugesagt. Auch die Gegebenheit jeden Abend einen Sonnenuntergang am Meer mit Bierchen und Wein zu genießen, wertet jede Reise um ein Vielfaches auf. Immer wieder gerne. Wer hier mit dem Auto mal stranden sollte, wird sich kaum wieder losreißen können. Arrifana Beach - a lovely place to be.
Und wir lassen stehen,
was uns nicht gut tut.
Halten fest,
was uns gefällt.
Und wir grüßen schön.
Freunde nichts für ungut!
Lass uns sehen, was dieser Tag uns bringt.
„Flammen Inferno in Arrifana! Deutsches Touri-Quartett unter Verdacht!“
So hätte die BILD-Schlagzeile lauten können, wenn sich unsere größte Sorge bestätigt hätte und der Vintage-angehauchte Gasherd, in unserer Ferienwohnung, doch noch an gewesen wäre. Dunkle, schwarze Rauchwolken stiegen in unmittelbarer Ferne auf, als wir mit den Fahrrädern entlang der Küste fuhren. Helikopter und Sirenenklänge waren zu hören. „Scheisse Sissy, haben wir den Herd etwa angelassen?“ fragte ich beunruhigt. Das Gasherdobjekt hatte schon mehrfach für Gesprächsstoff gesorgt. „Kristin, kannst du mir die Flammen mal in Zahlen sagen?“ musste sich Sissy informieren, als sie das Endgerät betätigen wollte und nicht das gewohnte „Kochen nach Zahlen“ durchführen konnte.
Was zuvor geschah...
Am Freitag verfehlten wir unsere alte Reiseweisheit ‚Don‘t be a tourist. Be a traveler.‘ auf ganzer Linie. Im Beach-Hopping-Modus grasten wir jeglichen touristischen Hot-Spot der Südküste ab und zogen - in bester Paparazzimanier -fast mit den Japanern gleich. Ein Foto hier, ein Selfie dort, ein Sprungbild an der Klippe und „jetzt noch mal mit Fernwehblick, bitte!“ Untervertont mit Klängen wie „Ohhhhhhhhh“, „Wie schön!“ und „Leute, jetzt schaut doch mal!“ wurden wir unserer Rolle als echte Vorzeigetouristen gerecht. Es war aber auch wirklich eine wunderschöne Gegend, das kann man einfach mal so sagen! Die portugiesische Great Ocean Road lieferte mit felsigen, prägnanten Klippen, türkisblauem Meer, meterhohen Wellen und sauberen Stränden, Sehnsuchtsmomente vom Allerfeinsten.
Wir klapperten in chronologischer Reihenfolge folgende Punkte an der Südküste ab: Marinha Beach, Benagil Cave, Beach Três Irmãos, Lagos und Ponta da Piedade. Marinha Beach und Três Irmãos wurden zu den top-Favoriten-all-time. Und der Ort Lagos überzeugte durch verwinkelte Gässchen, eine gut erhaltene Altstadt, Straßenmalerei und freundlichen Menschen. Ein absolut Herz-erwärmender Tag! :)
Die wichtigste Frage des Urlaubes „Was essen wir gleich?“ kam auch in diesem Urlaub nicht zu kurz. Es drehte sich mal wieder alles um die Essenszubereitung, die Essensmitnahme oder die Frage nach der nächsten Eisdiele. „Wegen Überfüllung geschlossen.“ musterte ich meinen Bauch. „Nächste Woche gibt’s erst mal ne Diät! Leute, das kann so nicht weiter gehen!“
Am Samstag starteten wir den Tag mit einem ausgiebigen Frühstück und einem Ruhevormittag am Strand. „Das ist ja der reinste Wellnessurlaub hier mit euch.“ merkte Kristin an, die immer wieder nach Aufgaben suchte und sich täglich mit Influencer-Videos am Strand beschäftigte. Ihr einziger, jedoch wichtigster Follower und Abonnent verteilte Likes und Smile-Emojis ohne Ende.
Gegen Nachmittag dann endlich mal wieder eine Aktivität. Mountainbiking! Als wir die Drahtesel in Augenschein nahmen, erlebten wir eine kleines Spanien Deja-vue. Völlig verstaubte, schlecht gewartete und halb funktionsfähige Mountainbikes, bei denen die Gangschaltung nicht immer auf Anhieb klappte. „Das Fahrrad ist Schrott!“ beschrieb die Situation mehr als treffend. Auch das Helmmaterial ließ sehr zu Wünschen übrig. Mal ganz davon abgesehen, dass Löön der Tourguidin eine Ansage machen musste, dass auch sie bitte einen Helm aufziehen sollte. Nichtsdestotrotz wurde die Tour zu einem echten Highlight. Die ausgewanderte Deutsche „Wiebke“ lotste uns entlang von Küsten, steilen Klippen, Strand, portugiesischem Outback, dschungelartigen Pfaden, Eukalyptus-Alleen, Alpaka-Herden und verbrannter Asche. „Hier hat es vor ein paar Wochen noch schwer gebrannt! Wir mussten die Hunde und Alpakas in Sicherheit bringen. Die Pferde haben wir an den Strand getrieben.“ In dem Moment zogen schwarze Rauchwolken in der Nähe Arrifanas auf und wir schauten uns entsetzt an. „Oh man, haben wir den Gasherd ausgedreht?“ „Ist vielleicht die Mikrowelle noch an?!“ Unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigen sich zum Glück nicht und wir konnten die Fahrradtour, an einem abgelegenen, wunderschönen See im Sonnenuntergangsmodus, ausklingen lassen.
Als uns Wiebke in ihrem Surfer-Van noch nach Hause bringen wollte, riss Kristin schwungvoll die Tür auf. Erfolglos. Jedoch schepperte es lautstark und der Türgriff fiel polternd in den Wagen. Und da wären wieder bei „Wenn Kristin Grau Liegestützen macht, drückt sie die Welt nach unten.“
Die letzten Sonnenstrahlen vor Untergang erwischten wir, wie jeden Abend, auf unserem Balkon mit Blick aufs Meer. Vier Bier, ein Portwein, lecker zubereitetes Essen und ein Kartenspiel mit denkwürdigem Kartenmischverhalten - Urlaub kann so einfach sein.
„Morgen geht’s zum Abschluss noch mal auf die Bretter!“ „Oh ja, ich will noch mal raus auf die großen Wellen.“ „Und dann ist ja noch Livemusik in Hugo’s Bar!“ „Erst wollen wir aber noch mal schick Essen gehen.“ „Oh man, wann packen wir eigentlich?
„Alter,
meine Arme!“ Löön hatte den legeren Jugendslang bereits nach dem ersten
Surftag angelegt und beklagte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht über
überlastete Muskelpartien. „Ich kann meine Waden kaum bewegen.“ stimmte
Sissy ein. „Ich hab Rücken.“ krächzte sogar die unermüdliche Kristin.
„Das hier ist ja anstrengender als jedes Traning.“ monierte ich, als wir
bereits wieder in Neoprenmontur am Strand aufgereiht standen und um
09:00 morgens zum Warmmachtraining aufgerufen wurden. Der Fitnesslehrer
kannte kein Pardon. Burpees sind nichts dagegen.
„Dafür dürfen
wir uns wenigstens mal 7 Fußballtrainingseinheiten gutschreiben!“ merkte
Löön noch an, als es wieder ins frische Nass und in meterhohe Wellen
ging. Es war kaum zu glauben, welch einen erholenden Erfrischungsfaktor
der Wellensport am frühen Morgen bereiten kann. „Da ist man ja gleich
auf 120%!“ „Das sollten wir mal vorm Spiel machen!“ In den nächsten 2
Stunden verbesserten wir unsere Technik auf dem Board und konnten
mittlerweile den Skill „Da kann man ruhig mal klatschen“ während der
Reise auf der Welle durchführen. Wahnsinn! Auch wenn jeder hinterher
mindestens einen halben Liter Salzwasser intus hatte und man sich
zwischendurch mit dem Board gegenseitig hüfthoch abgrätscht hatte, weil
mal wieder die Lenkung fehlschlug, so blieb es bei einer hochspaßigen
Angelegenheit. „Am letzten Tag mieten wir uns noch mal ein Board!“
Zur
Erholung entschieden wir den Rest des Tages am Strand zu chillen und
die Surf-Profis zu beobachten. Trotz der rauen Atlantikwinde darf man
auch hier die Gewalt der Sonne niemals unterschätzen - wie wir später,
an dem ein oder anderen roten Farbband, feststellen mussten. Um den
Abend genussvoll abzurunden, legten wir - wie jeden zweiten Tag - eine
Kochsession ein. Da Sissy und ich dran waren, wurde am Knoblauch kaum
gespart. „Schließlich muss man sich den südländischen Gegebenheiten
anpassen.“ Bruschetta, Ofenkartoffeln mit Dip, gebackener Schafskäse und
zerlaufener Camenbert füllten unsere Teller. „Was ist eigentlich mit
dem Rest von meiner Ente?“ erkundigte sich Löön. „Die gibt’s vielleicht
morgen ins Omelette.“ „Oder im Sandwich to-go!“
Nach ausgiebigem
Frühstück am nächsten Morgen, machten wir uns um zehn Uhr auf die Reise
nach Albufeira, einem Ort an der Südküste Portugals. „Das hier ist ja
die reinste Abzocke!“ bemängelte ich, als wir diesmal die Autobahnroute
wählten und alle 2 Kilometer zur Kasse gebeten wurden. Ein Transponder
in unserem Gefährt piepte fröhlich vor sich hin und rechnete pro
Piepton, die Mautgebühren von 90 Cent, munter weiter oben drauf. „Na
toll, was wird das hinterher für eine Abschlagsrechnung geben!“
In
Albufeira flanierten wir zunächst durch Souvenirläden, die abwechselnd
allerlei Korkprodukte und/oder CR7-Merchandise zu offerieren hatten.
Selbstverständlich ließen wir uns von den bunten Herrlichkeiten blenden
und schlugen bei dem ein oder anderem Objekt zu. Nach einem sehr
schmackhaften Eis hatten wir auch ganz spontan den Adrenalinkick des
Tages gebucht: Parasailing über dem Meer. Nur eine Dreiviertelstunde
später fanden wir uns auf einem Speedboot mit Schwimmweste und
Karabinerhaken wieder ein und wurden im Duo-Modus mit einem Ruck in die
Höhe gezogen. 80 Meter über dem Meeresspiegel wird die Luft schon etwas
dünner. Während Kristin die Aussicht genoss, schon wieder Flausen in den
Kopf bekam und anfing zu schaukeln, um noch mehr Action in die Sache zu
bringen, blieb ich sehr skeptisch. „Ich trau der Sache nicht. Das Seil
knackt ganz schön.“ Wir waren lediglich an einem unendlich langen Seil
befestigt, über uns der meterbreite Fallschirm. „Was passiert denn, wenn
das Seil reist?! Stürzen wir dann direkt ins Meer oder fliegen wir erst
noch mal über den halben Kontinent?!“
Mit viel Glück erreichten
wir alle wieder das Boot, welches sich zum Abschluss noch mal ein
Formel-1 Rennen auf hoher See ablieferte und uns mit diversen
Lenkmanövern beinahe über die Reling warf. „Woohoo!“ Endlich waren auch
Löön und Kristin auf ihre Kosten gekommen und hatten genug
Go-Pro-Material gesammelt.
Es schlug bereits 16 Uhr, als wir uns
auf den Weg zum südwestlichsten Zipfel Europas machten. Das Ende der
Alten Welt. Ein Blick auf das weite Meer, felsige Klippen, Ferne,
Sehnsucht. Es roch nach Abenteuer, Freiheit und irgendwo auch ein
bisschen nach Bratwurst. „Die letzte Bratwurst vor Amerika“ kam uns am
Tag der deutschen Einheit mehr als gelegen. Schon seit drei Jahren
feiern wir diesen Tag gemeinsam, ob in Ecuador, Spanien oder jetzt in
Portugal. Hauptsache nicht in Deutschland! ;-)
Ich möchte an der
Stelle auch kurz Notiz machen, dass ich auf dem Rückweg nach Arrifana
Beach nicht am Steuer saß, uns aber dennoch ein Wohnmobil (!) ohne
Probleme überholen konnte. Just to let you know...
Wir
entschieden direkt in der Sportsbar einzukehren, ohne uns noch einmal
frisch zu machen, da wir ansonsten den Anpfiff des Eurospiels „Vitoria
SC - Eintracht Frankfurt“ verpasst hätten. Es handelte sich
glücklicherweise um eine genauso unkomplizierte Kneipe, wie wir sie von
zu Hause aus kennen. Und so hatten wir auch kein Problem damit, den Wirt
zu fragen, ob er für uns das TV-Programm wechseln könnte - auch wenn
der offensichtlich eingefleischte Porto-Fan lieber das Parallelspiel
schauen wollte. Konnten wir ja nicht ahnen, dass an dem Abend gleich
drei portugiesische Teams spielten, wir aber mit dem Eintracht-Match
wohl die uninteressanteste portugiesische Mannschaft gewählt hatten. Wir
verstanden nicht viel von den anderen, alteingesessenen Kneipenkunden,
jedoch raunte ständig der Name der uninteressanten Mannschaft und man
wünschte sich wohl eigentlich einen Programmwechsel herbei. Upsi...
Wahrscheinlich
konnten wir einfach von Glück reden, dass wir vier Mädels und nicht
Männer waren und so erhielten wir nach dem Spiel noch zu prostende
Glückwünsche zum Sieg der deutschen Mannschaft. „Saudé!“ und „Where do
you live in Germany?“ leitete einer der drei älteren Herren das Gespräch
ein. Es wurde - wie an jedem Tag der deutschen Einheit - noch ein
lustiger Abend, begleitet von portugiesischem Craft-Beer, Sangria und
Portwein. Zuletzt erhielten wir noch eine Einladung für ein
Livemusik-Event in selbiger Bar.
Eine Kneipe wie daheim. Offen. Unkompliziert. Herzlich. Und Gin gibt es auch. :-) @Seli
„Sacht mal Leute, was haben wir denn hier wieder ins Blaue gebucht?! Wir sind ja im reinsten Smog-Gebiet gelandet!“ Löön begutachtete missgünstig den grauen Schleier, der die portugiesische Hemisphäre weitläufig bedeckte. Kein Sonnenstrahl, kein blaues Fleckchen, nicht mal eine Wolke war zu sehen. Auch die malerische Küstenroute entpuppte sich als purer Reinfall, versperrten vertrocknete Baumbestände die Sicht auf den Atlantik.
Was zuvor geschah...
Wir starteten pünktlich um 05:30 Uhr mit einer Tüte frisch gebackener Brötchen vom Luckenbach, der extra für uns, bereits eine halbe Stunde früher die Ladentüren geöffnet hatte. Kundenservice wird in Fleisbach noch mit Großbuchtstaben geschrieben. Ohne Hörgeräte, dafür mit einer Ladung Sektflaschen und einem 3-Gänge Brunchmenü im Gepäck, rollten wir nach Köln und sattelten auf den Shuttleservice um, der uns zum Flughafen chauffierte. „Scheisse, wo ist mein Handy?!“ Panisch durchsuchte Löön ihr Gepäck und sämtliche Taschen. „Das gibt‘s doch nicht, ich hab das Ding im Shuttle vergessen!“ „Du alter Handy-Suchti! Musst du das Endgerät auch ständig in den Händen haben.“ Zum Glück hatten wir die Nummer des Shuttle-Service noch in der Wahlwiederholliste und so konnten wir das Endgerät für preiswerte 10€ und einen frühmorgendlichen Sprinteinsatz durch Kristin und Sissy, noch vor Boardingtime, wieder zurück erhalten.
Durchatmen. Koffer aufgeben. Gate checken. Ausgiebiges Frühstück. Wir breiteten unser Essensauslage auf einem Ladestation-Tresen aus und zogen neidische Blicke auf unser herrlich angerichtetes Buffet, welches von Paprika Tri-Color bis frisch gekochten Eier, Käsehäppchen und knackigen Pfefferbeißern keine Wünsche offen ließ.
Noch vor Abflug tätigte Kristin ihren letzten Anruf beim Fundbüro: „Ja, da müssen Sie jeden Tag mal anrufen. Wir vergessen das doch, wonach Sie suchen.“ Notizblock und Stift empfehle ich übrigens in solchen prekären Lagen.
Auch der Germanwings-„Service“ hatte stark nach gelassen. Kein Wasser. Keine Butterstulle. Nur die Offerrierung diverser, unnützer und völlig überteuerter Duty-Free Schnäppchen.
Ankunft in Lissabon. Wir durchkämmten den halben Flughafen auf der Suche nach unserem Rent-Car-Typen, der uns schlussendlich den Schlüssel für ein zerkratztes Fiat-Fahrzeug mit einigen Blechschäden feierlich überreichte. „Egal, für 40€ die Woche können wir hier nicht mehr erwarten.“ beschloss Kristin, die immer noch sehr glücklich über ihr geschlagenes Schnäppchen war. Spätestens auf der Autobahn, als die automatisierte Spurenkorrigierfunktion zuschlug, wurde sie erstmals skeptisch und dachte über den portugiesischen Satz „Das Auto ist Schrott“ nach.
Nach der Autobahnstrecke übernahm ich das Steuer. Wir waren bis dato gut vorangekommen, jedoch war keine Menschenseele weit und breit zu sehen, geschweige denn sonstige Zeichen von jeglicher Zivilisation. Die Sachlage dramatisierte sich, als am Horizont graue Nebelschwaden aufzogen und der Himmel von einem undefinierbaren Schleier bedeckt wurde. „Vielleicht brennt es.“ gab Sissy zu bedenken. „Vielleicht sind das auch die ersten Auswirkungen des Klimawandels.“ Löön checkte ihre Wetter-App und bestätigte den grauen Streifen, der sich vertikal über die Landkarte legte und analog zu unserer Küstenroute verlief. „Leute, haben wir uns vorher nicht informiert?! Haben wir etwa auf der falschen Seite des Landes gebucht?“ Es gab sehr zu denken, dass der Rest des Landes völlig unbedeckt war und die südliche Küste bestes Wetter aufwies, während wir im reinsten Küstennebel versanken. „Da hätten wir ja auch an die Nordsee fahren können.“
Die Küstenroute verlief kurvig und der Bodenbelag erinnerte an alte DDR-Zeiten. „Ich kann hier nicht schneller fahren, hier ist 90!“ In diesem Moment überholte ein Sprinter im Affenzahn unseren Wagen. „Ich fahr hier schon 110!“ musste ich mich mehrfach verteidigen, als ich belächelnde Blicke von der Seite erhielt. Zwei so-called Fast and the Furious Typen setzten ebenfalls, mit ihren getunten Fahrzeugen, einen Überholspurt an. „Das wird nicht der Katja erzählt. Das gibt nur wieder zusätzliches Fett in die Pfanne!“
Nachdem wir einen kurzen Fotostopp an einem mystisch, wirkenden Klippenpunkt eingelegt hatten, steuerten wir auf den nächsten Supermarkt zu, um uns für die nächsten Tage zu verpflegen. „Oh schaut mal, da ist ein Aldi!“ Wir deckten uns in vertrauten Gefilden mit bekannten Produkten ein und waren dennoch erstaunt, dass wir in einem Aldi Nord gelandet waren...
Gegen 19 Uhr erreichten wir pünktlich unsere Unterkunft, die unsere Herzen höher schlugen ließ. „Das ist ja die reinste Villa!“ Großzügige Räumlichkeiten, ein Kühlschrank mit Eiswürfelfunktion und zwei Balkone mit Blick aufs Meer. „Also, da kann man ruhig mal klatschen.“
Am nächsten Morgen erkundeten wir kurz die nähere Umgebung und inspizierten den Surferstrand von oben. „Oh, schaut mal, ganz viele Leute aus Polen sind hier.“ stellte ich fest, als wir an einem Parkplatz mit vielen Autos mit dem dem Kennzeichen „P“ vorbeischauten. Und kurz darauf konnte ich mir die Erdkundelehrerstimme „Setzen, 6!“ anhören.
Unsere erste Aktivität für den Urlaub war unübersehbar: Surfen. Eine ganze Surfer-Szene war mit Bullis, Wohnwagen und staubigen Geländewagen angereist. Wir hatten zunächst den 2-tägigen Surfkurs mit zusätzlichem Theoriematerial gebucht. Nelson und Luiz nahmen uns zugleich unter die Fittiche und machten einen exzellenten Job. Newbie Löön entpuppte sich als „Queen of the Board“ und war am Ende des Kurses bereits in der Lage, sich während des Wellenreitens einmal auf dem Brett zu drehen. „Also auch da kann man ruhig mal klatschen.“ Die Gewalt der Wellen und der Fun-Faktor, der auch beim Absturz ins Wasser nicht abreißt, machten die Surfeinheit zu einem Kernerinnerungserlebnis. Leuchtende Augen in allen Gesichtern. Aber auch ein wenig, rot verbrannte Backen am Ende des Tages.
Zum krönenden Abschluss fuhren wir zu einem Hot-Spot, um den Sonnenuntergang am Meer und den Felsklippen zu begutachten. „Ein Traum!“ Das nahegelegenen Nobelrestaurant ließen wir uns ebenfalls nicht entgehen. „20€ für eine Flasche Wein? - Egal, was kostet die Welt!“ So kamen Sissy und Löön auch endlich zu ihrer Ente, die mit Orangen und einem Preisbeel-Honig Dip serviert wurde. Kristin freute sich schon seit Tagen auf ein gegrilltes Hühnchen und kam auch hier auf ihre Kosten, während ich einen frisch gefischten Fisch mit Süßkartoffeln auf meinem Teller fand.
Ein gelungener erster Tag! Wir freuen uns auf die nächste Surfstunde, die schon in aller Herrgottsfrüh um 8:40 Uhr stattfinden soll. „Oh man, da müssen wir uns ja schon um 8 Uhr in den engen Neoprenanzug quetschen.“ jammerte Sissy. „Da ist es ja mitten in der Nacht, sollen wir unsere Stirnlampen vielleicht aktivieren?“ merkte ich an.
"Wie heißt denn unsere Unterkunft nochmal?" "Und vor allem, wie heißt der Ort nochmal?" "Wo landen wir eigentlich?"
Wir waren so unvorbereitet wie nie, als die große Fragerei, im WhatsApp Gruppenchat, 3 Tage vor Abflug losging. „Wird Zeit, dass wir in den Flieger kommen. Noch‘n bisschen und unser Fluganbieter ist auch pleite!“ „Alternativ wird uns Greta die Boardtickets höchstpersönlich vor unseren Augen zerreißen.“ - „Dass ihr überhaupt fliegt, ihr alten Klimaretter.“ stichelte Becks. - „Müllbeauftragte, wir sind immer noch Müllbeauftragte!“ verteidigte ich und mir schauderte es kurz bei dem Gedanken, mit welch vernichtenden Augen mich Greta strafen würde, wenn sie einen Blick auf meine bisherige CO2-Bilanz werfen könnte. „Ich wäre erledigt.“
Um uns die Sache mit dem Flug wenigstens ein klein wenig schön zu reden, verzichteten wir auf das unschlagbare Ryan-Air Angebot und ließen uns auch nicht von der portugiesischen Billigairline blenden, die auf einer 3-Stunden Strecke, zwei Zwischenstopps vorgesehen hatte. Wir griffen zum mittelpreisigen Germanwings Angebot und buchten für 4 Personen auch nur 2, anstatt 4 große Gepäckstücke. „Warum eigentlich noch mal?“ fragte ich mich, während ich Kleidungsstück für Kleidungsstück aussortierte und meine Bekleidungsauswahl auf ein Minimum reduzierte. „Manchmal sparen wir echt am falschen Ende.“
Portugal, Algarveküste. Sissy, Kristin, Löön und ich. Spannung, Abenteuer, Katastrophen und kuriose Umstände sind wie immer vorprogrammiert. Beginnen wir doch einfach damit, dass Kristin ihre Hörgeräte, zwei Tage vor Abflug, irgendwo in Herborn verloren und die Stadt quasi auf Links gedreht hatte, um diese wieder zu finden. Erfolglos. „Dann musst du halt dieses Beta-Testding jetzt mal anziehen. Das wird schon gehen.“ „Von uns spricht und versteht doch eh keiner Portugiesisch.“ - Wahrhaftig ermunternde Worte der restlichen Reisebelegschaft.
Wir werden also von Köln nach Lissabon fliegen und von dort aus mit dem Mietwagen bis nach Arrifana fahren. Dort soll es, neben ein paar sportlichen Aktivitäten, diesmal auch einfach nur „Strand“ geben. Spätsommer, Sonne Meer, Wellen, Sand - und hoffentlich kein angespültes Plastik.
Ob, wie und wann wir das Ziel erreichen steht noch in den Sternen, denn die triste, wenn auch schnellere Autobahnroute, werden wir fast vollständig umgehen und die malerische Route entlang der Küste wählen. „Dauert auch nur zwei Stunden länger.“, "Moment, hier steht was von 'Überquerung mit Fähre'", "Abhaken Leute, dann lieber Mautgebühren zahlen." "Wieso ist unsere Unterkunft eigentlich nicht auf Google Maps zu sehen?!"
Wie auch immer, das Wichtigste ist, dass wir uns auf dem Weg mit den wertvollsten, portugiesischen Phrasen durschlagen können:
"Isso é uma lata velha!" - Das Auto ist Schrott!
"Eu gostaria de fazer uma reclamação." - Ich möchte mich beschweren! "Estou com fome." - Ich habe Hunger. "Saúde!" - Prost!
Prolog "Also, ich mag ja wandern. Aber DIESE Berge!", mit zittrigen Knien blickte Seli auf das alpine Gelände und die 12 Kilometer Auf und Ab, die wir innerhalb von 8 Stunden zurückgelegt hatten. Auch Tine haderte mit ihrem verdrehten Knie und ich krümmte mich vor Magenschmerzen. Nur die beiden Hochleistungsmaschinen, Sonja und Kristin, grinsten fröhlich und unermüdlich wie nie und legten noch eine Zusatztour, zu einem Gletschersee, ein. Um es kurz zu fassen: Es war alles wie immer.
Tag 1
Wir waren kaum zu Schlaf gekommen, als wir um 3 Uhr nachts, mit voll gepacktem Gefährt, Richtung Süden rollten. Eine Duftwolkenmischung aus ausgelaufenem Männerparfüm und 2 Kilo Pfefferbeißerwurst, bereicherte die knapp 8-stündige Fahrt ins Stubaier Tal in Österreich. Gleich am ersten Tag stand uns eine Etappe von 1.000 Höhenmetern, reiner Aufstieg, bevor. Trotz etlicher Foto- und Snackstopps kamen wir gut voran. "Jeder verzehrte Riegel zählt." lautetet die Devise und traf bei Selis Großfamilienpackung, die sicherlich für 3 Wochen ausreichend gewesen wäre, auf ein Vielfaches zu. Gegen 17 Uhr erreichten wir die Neue Regensburger Hütte, die ihrem Namen alle Ehre machte. Ein "Palast" aus frischen Holzfassaden, blitzeblanken Bädern und großzügiger Stromversorgung pro 4-Bett-Schlafzimmer, eröffnete sich vor unseren leuchteten Augen. Kaum zu glauben, dass Wanderer bis vor ein paar Jahren, noch auf Heuböden übernachten mussten, wir nun aber dieses hochmoderne Etablissement beziehen durften. Einziges Manko: es war ein 4-Bett Zimmer und somit entschied das Losverfahren, wer mit der 3-köpfigen holländischen Familie die Nacht verbringen konnte. Tourguide Tine zog das Glückslos und nistete sich neben dem 16-jährigen Sohn der Familie ein. Checkpott :)
Zum Abendessen erwartete uns ein grandioses Grillbuffett, welches keine Wünsche offen ließ. Zudem gönnten wir uns noch einen Kaiserschmarrn, der sich zu einem späteren Zeitpunkt, gegen 3 weitere Kaiserschmarrns auf anderen Hütten, in der Zubereitungsbewertung duellieren musste. Während Seli und mir das karamelisierte Dessert sehr zusagte, hagelte es von Kristin Minuspunkte ohne Ende. Der arme, kleine Kasierschmarrn konnte nur durch ausreichende Bewertungen von Sonja und Tine versetzt werden.
Tag 2
Frühstückbuffet, ein paar Videosequenzen und Starterfotos - und weiter ging die Reise. 12 stramme Kilometer, durch Höhen wie Tiefen, standen uns bevor. "Ihr habt mir versprochen, dass es diese Mal nicht so schlimm wird." reklammierte Seli, während wir nach zwei Stunden Gehweg zurückblickten und die Hütte immer noch ohne Fernglas erkennen konnten. "Wir müssen ja auch ständig stehen bleiben, wegen unnötiger Zip-on-Zip-off Anpassungen." verteitigte Sonja. Wenig später kraxelten wir die erste Wand hinauf und durchquerten ein Schneefeld. Kaum hatten wir den Berggrad erreicht, setzte ein Regenschauer ein, wodurch wir abermals gezwungen waren einen Modewechsel vorzunehmen. Unsere Rucksäcke leuchteten fortan, mit buntem Regencape, fast so schön wir unsere textmarkerfarbenen Einheits-T-Shirts. "Bald habt ihrs geschafft." ermutigte uns ein entgegen kommender Wanderer. "Um 15 Uhr seid ihr auf der Hütte." Er konnte ja nicht ahnen, dass er uns damit maßlos überschätzt hatte.
Selis Gesamtleiden, Tines verdrehtes Knie und mein einsetzender Magenschmerz, machten uns einen deutlichen Strich durch die Rechnung. Aufmunterungen wie "Schaut mal, da fahren sogar Autos den Berg zur Hütte hinauf." konnte ich nur mit einem "Kristin, erzählt's mal wieder einen vom Pferd." erwidern. Seli träumte derweil von einem Bergtaxi und Tine stornierte innerlich alle weiteren Routenoptionen. Zwei Stunden vor Erreichen der Dresdner Hütte, trennten sich dann unsere Wege. Die völlig unverbrauchten Maschinen, Sonja und Kristin, schlugen eine Zusatzroute und entsprechende 20 Minuten Umweg ein, während wir drei geschädigten Invaliden den direkten Weg zur Hütte aufsuchten. Starker Regen setzte ein und der Pfad schlängelte sich ins Unendliche. Alle 5 Minuten musste eine Verschnaufpause eingelegt werden. "Ich kann nicht mehr!" war das Einzige, was noch zu hören war. Die letzte "Wand" vor der Dresdner Hütte sollte noch einmal alles von uns abverlangen. Als wir die Mitte der Wand erreicht hatten, warf Seli ihren Rucksack ab und rief zum Sitzstreik auf. "Ich muss jetzt erst mal was essen, ansonsten gehe ich keinen Schritt weiter!" Während Tine und Seli einen Haferflockenriegel verzehrten, hielt ich Ausschau nach den Maschinen, die uns gefährlich nahe gekommen waren. "Leute, lasst uns aufbrechen, die haben uns gleich eingeholt." "Das ist mir sowas von egal." resignierte Tine. Und auch Seli war die Ruhe herself, als sie Riegel Nummer zwei in Augenschein nahm.
Als die beiden ICEs uns eigeholt hatten, setzten wir den Weg nach oben fort und erreichten schlussendlich die Unterkunft für diese Nacht. Schnitzel, Pommes, drei Schnapserl für den Magen und ab in die Koje. Wir teilten uns in dieser Nacht das Zimmer mit zwei Holländern und wunderten uns einmal mehr mit welch hohem prozentualen Anteil Team Oranje in den Bergen vertreten war.
Tag 3
Erste Verluste. Nach dem reichhaltigen Frühstück, entschieden wir in gemeinschaftlicher Abstimmung, Routenplanung und Gruppenaufteilung abzuändern. Tines Knie, welches zu einem späteren Zeitpunkt die ärztliche Diagnose "drohender Bänderriss" erhielt, zwang von einem Weitergehen abzusehen. Solidarisch blieb Seli an Tines Seite und entschied sich ebenfalls, ganz uneigennützig, für einen Hüttentag. Aufgrund nicht anhaltender Magenschmerzen, hatte ich keine Ausrede mehr, nicht mit Team "Chuck Norris" weiterzuziehen und so begaben sich Sonja, Kristin und ich auf die dritte Etappe zur Sulzenauer Hütte. Der Himmel war grau und leichter Regen setzte ein. Gleich zu Beginn ging es nur bergauf. Angeführt von Sonjas Stechschritt, überholten wir bereits nach einer halben Stunde eine 20-köpfige Truppe aus Litauen, die uns jedoch dicht auf den Fersen bliebe. Erst am Peiljoch hängten wir die litauische Kavallerie mit einem Abstiegsspurt ab. Starker Regen, leichter Hagel und eine Nebelwand begleiteten uns fortan, bis sich plötzlich der Nebel lichtete und wir vor einem überwältigten Gletscher und fast arktischem See standen. Ein traumhafter Anblick.
Wir überholten zwei weitere, holländische Wanderpaare und erreichten nach knapp 3 Stunden, völlig durchnässt, die Sulzenauer Hütte. Eine Duftwolke eines jahrelang gelagerten Handkäsesortiments, hauchte uns bereits 20 Meter vor der Hütte entgegen. Bei Betreten des Trockenraumes haute es uns dann fast aus den Latschen. Eine Mischung aus nasser Hund, Schweiß und 30 Wanderschuhpaaren durchdrang die soeben geöffnete Tür und wirkte fast wie ein Ohmächtigkeitsmittel auf uns ein. Nur knapp entgingen wir einer Nasenvergiftung und retteten uns in letzter Sekunde aus dem Trockenraum und in die Dusche. 3 Minuten Duschzeit, Handwäschevollprogramm und 2 Minuten trocknende Luft später, fanden wir uns zu einer wärmenden Backerbsensuppe in der Hütte wieder. Es war erst 14 Uhr und somit mussten wir uns mit diversen Kartenspielen und einem 350-Teile Puzzle, mit vielen rosafarbenen Elementen, bis zum Abendessen durchschlagen. Ein leckeres Gulasch mit Vor- und Nachspeise wurde serviert, on-top gab es einen Kasierschmarrn, der mit der bis dato Bestnote 2+ abschnitt. Als wir nur kurz unsere Sitzplätze für einen Verdauungsspaziergang verlassen hatten, hatte uns Team Holland, in Windes Eile, von unserem Tisch vertrieben. Wir fanden glücklicherweise noch ein Plätzchen neben einem Alpenüberquerer, der die beiden Maschinen von neuen Herausforderungen träumen ließ. Nach 3 Schnaps intus, stimmte ich dem völlig utopischen Unterfangen, einer Alpenüberquerung im Jahre 2020, zu und buchte gedanklich 3 Wochen Strand- und Erholungsurlaub hinzu.
Tag 4
Matratzenlager. 29 Personen. Engster Raum. Ein Schnarcher. Es hätte zu einer sehr ungemütlichen Nacht kommen können, wären wir nicht so erschöpft gewesen. Und so schliefen wir, trotz der unruhigen Ausgangslage, nach einer Stunde ein, um um 8 Uhr, nach Frühstück und Packvorgang, frühstmöglich aufbrechen zu können. Entgegen der Wettervorhersage strömte es weder, noch waren Donner und Blitz zu hören und zu sehen. Daher entschieden wir, weiter bis zur Nürnberger Hütte zu laufen und von dort aus abzusteigen. Sonja hatte in der einen Millisekunde, in der sie, irgendwo Nähe Abgrund, Empfang hatte, Seli eine Sprachnachricht mit der neuen Routenplanung zukommen lassen. Wir marschierten zügig los - und wenn ich marschieren schreibe, dann meine ich das auch so. Nach kurzer Zeit hatten wir mindestens 8 holländische Wanderpaare und weitere Personengruppen überholt. Kristin brauchte Auslauf und Sonja war noch lange nicht ausgelastet. Ich hechtete hinterher und musste mich, spätestens am Abstiegsklettersteig zur Nürnbergerhütte, geschlagen geben. Das war schone lange keine Waschbärroute mehr und trug nicht umsonst die schwarze Markierung. Nur mühsam und mit viel Höhenpanik im Kopf, arbeitete ich mich den Abgrund hinunter. Dass die anderen nicht weiter beeinträchtigt schienen, muss ich wohl nicht erwähnen.
Wir ereichten gegen Mittag die urige Hütte und kehrten noch mal auf ein leckeres Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee ein. Danach ging es tatsächlich nur noch bergab, wo uns Seli und Tine bereits am Parkplatz erwarteten. Mit einem letzten Teller Kaiserschmarrn, der von allen Beteiligten eine 1+ mit Sternchen erhielt, verabschiedeten wir uns aus dem Stubaier Tal, nicht ohne das Versprechen noch einmal zurückzukehren. Auch Seli.
Bis zum Schluss konnte nicht gänzlich geklärt werden, warum wir fast alle (bis auf Tine) mit Magenkrämpfen zu kämpfen hatten und auch die Frage zur plastikfreien Zahnpastatablette „Was sagen eigentlich Zahnärzte hierzu?“ blieb unbeantwortet. Jedoch stellten wir einmal mehr fest, dass Wandern und die Berge, trotz aller Anstrengungen, wohl die schönste Art der Fortbewegung ist und einen alle größeren und kleineren Probleme, zumindest für eine Weile, vergessen lässt.
"Ein kleines, aber intensives Stück Glück
oben in den Bergen. Das ist es.
Der Weg dorthin ist Schweiß, ist Fels, ist Eis,
übersät mit Stolpersteinen und Glücksperlen."
- unbekannt
Die drei großen Lügen der Hüttenwanderungstour:
1. Diesmal wird's nicht so schlimm
2. Schau mal, da vorne gibt's ein Bergtaxi
3. Nach der Sulzenauer Hütte steigen wir dann auf direktem Weg ab
Die drei besten Witze der Tour:
1. Kristin isst keinen Honig. Sie kaut Bienen.
2. Kristin hat alle Pokemons gefangen. Mit dem Festnetztelefon.
3. Kristin bekommt bei Praktiker 20% auf alles. Auch auf Tiernahrung.
"Spürt ihr auch diese Wärme am Rücken? Schaut doch mal, die Sonne kommt als mehr raus."
Man muss es sich nur passend reden! - diese Weisheit gab uns Mama Jutta mit auf den Weg, der uns ins vernebelte und nieselnde Sauerland führen sollte.
Zuvor waren wir um 8:30 Uhr mit Zug und Bahn von Herborn ins Dietzhölztal gestartet und nahmen bei Grau-Service-Catering ein 5-Sterne Frühstücksmenü ein. "Da kann das Cafe Zeitlos einpacken" - schmatzte Löön freudestrahlend, als sie bereits zum zweiten Kochschinken-Remouladen-Brötchen mit Salat- und Tomatentopping griff. Eine Flasche Sekt, Bohnenkaffe, frischer Minztee und saftige Zitronenscheiben verfeinerten das Buffet. Auch der griechische Himbeerjoghurt soll nicht unerwähnt bleiben, den Becks als letzte Henkersmahlzeit zu sich nahm, bevor sie wenige Minuten später ihrem Schicksal in die Augen sehen musste. "Sie sagten es würde nicht so schlimm wie am Rothaarsteig!“, jammerte Becks. "Mach dir keine Gedanken", wirkte Mama Jutta beruhigend und einfühlsam auf sie ein, "Ich hole dich, wenn irgendetwas ist."
Mit diesen seelsorgerischen Worten, die uns die nächsten zwei Tage begleiten sollten, sattelten wir die Canyon-Flotte und radelten schwungvoll dem Alpenhaus entgegen, das irgendwo im Nirgendwo des tiefsten Sauerlandes liegt. Und wenn ich schwungvoll schreibe, so meine ich damit die ersten 1,5 Kilometer, welche strack berghoch führten und uns in der ersten Kurve den sofortigen "Zip-Off"-Modus aktivieren ließen. Schweiß gebadet und noch 51,1 Kilometer vor uns, radelten wir die nächsten 10 Kilometer weiter bergauf. Ein Ende des Weges war nicht zu sehen, dafür ein märchenhafter, fast tropenhafter, Nebelwald im Dietzhölztaler Waldherzen.
Am Tage zuvor hatte es noch aus Kübeln gegossen und so machte sich der feuchte und klitschige Untergrund insbesondere auf den Verwurzelungen bemerkbar. "Ich seh den Schlüsselbeinbruch schon mir!", warnte ich mehrfach, während die anderen frohen Mutes und problemlos das Holzmaterial überquerten. Kurz vor Erreichen der Ilsequelle lederte es mich dann aus dem Sattel und ich stürzte kopfüber ins Gras. Außer ein paar blaue Flecken und einem Tennisarm-ähnlichen Schulterzustand, blieb ich jedoch unverletzt. Die nächsten unfreiwilligen Pausenstopps mussten wegen Kristins Fahrradkette eingelegt werden, welche schlimmere Geräusche von sich gab, als ein ausgemusterter Trabbikatalysator. Die wunderbare Stille des Waldes wurde permanent von einem ungesunden Kettenknacken unterbrochen. "Kristin, nun schalt‘ doch mal richtig" mahnte Löön. "Ich schalte doch gar nicht!“, verteidigte sich Kristin mehrfach. "Ob das mal bis zum Ende der Reise gut geht" dachte ich mir, während Becks innerlich jeden Kettenstopp wie einen Geburtstag feierte. "Immer diese Gewaltstouren! Könnt ihr euch nicht mal einen Höhenweg ausdenken, der nicht ständig runter und wieder hochgeht?!"
Nachdem sich Löön und Kristin auch noch mal mit dem Rad gelegt hatten, Kristins Kette alle drei Kilometer instandgesetzt werden musste und die Reisegruppe bergauf wegen Becks und bergab wegen mir, pausieren musste, trat bei Kilometer 44 das absolute Desaster ein. An einem, fast senkrecht bergauf führendem, Wandtrailstück, stoppte Kristin ruckartig und fluchte lautstark: „Jetzt ist alles im Argen!" Die Kette ging nicht mehr vor und nicht mehr zurück. Becks leistete Erste Hilfe und auch Löön und ich begutachteten die Sachlage ratlos. Irgendetwas hatte sich völlig verhakt. Nach viel Grübelei fanden wir jedoch den Übeltäter des Geschehens: PLASTIK! Eine undefinierbare Scheibe, die sich - aus welchen Gründen auch immer - in der Nähe der Kette befand, hatte alles verhakt. Mit vereinten Kräften (ich agierte nur als aufmerksamer Zuschauer), wurde dieses unnütze Plastikobjekt mit Schere, Taschenmessersäge und viel Gewalt aus dem Rahmen entfernt. "Passt auf das Mikroplastik auf!" mahnte ich an und Löön verstaute es behutsam in ihrem mitgebrachten Müllbeutel.
Nach einer gefühlten Unendlichkeit, setzten wir die Reise fort und erreichten schlussendlich nach acht strammen Stunden unser Ziel, das Alpenhaus. Vier Russ, zwei Sektdosen und viermal Schnitzel mit Champignonweißweinsoße - erschöpfte Frauen können sehr pflegeleicht sein. Jeder noch mal duschen und dann direkt in die Horizontale. "Ich glaub’ ich will mich morgen abholen lassen, Mama Jutta!" heulte Becks und "Meine Schulter, ich glaube ich habe einen Tennisarm!" weinte ich. Selbst Löön war zu keiner weiteren Handlungstat mehr fähig, nur Kristin-the-Machine war still on-fire und hätte am liebsten die Nacht zum Tag gemacht. "Mit euch ist echt nichts mehr los!“ monierte sie. Doch das konnten wir nicht mehr hören, waren wir alle bereits in einen erholsamen Tiefschlaf gefallen.
Am nächsten Morgen saßen wir geputzt und gestriegelt mit allen Gästen der Hütte um Punkt 8:30 Uhr beim Frühstück. Es wurde 8:45, 9:00, dann 9:15, bis Kristin den Wirt aus dem Bett klingelte und wir um 9:45 Uhr endlich unseren Kaffee und Brotutensilien erhielten. "Na prima, unsere Planung sah eine Abfahrt um halb zehn vor.", stellte Löön trocken fest. "Dann müssen wir heute mal einen Zahn zulegen. Es stehen 70 Kilometer auf auf dem Programm." Und in diesem Moment fiel Becks wohl alles aus dem Gesicht.
Um 10:30 Uhr verließen wir endlich die feine, urige Alpenhütte und starteten unseren Weg Richtung Herborn. Unendliche Höhenmeter, klitschige Abfahrten und Nieselregen begleiteten uns auf unserer Etappe. Ein ständiger On- und Offzipmodus wurde angewandt bis ich endgültig kapitulierte und die Regenjacke einfach ausließ. "Es schickt mir jetzt!" Außerdem hatte ich genug Adrenalin und Angstschweiß von den Abfahrten intus, sodass ich kaum in den Gefriermodus gelangte. Becks war unterdessen überhaupt nicht mehr ansprechbar und checkte regelmäßig die Netzverfügbarkeit, um Mama Jutta anwählen zu können. Von Anstrengung und Schweiß war dafür bei den beiden Doppelmaschinen, die synchron ihre Wege bergauf bestritten, nichts zu sehen. Kristin-the-machine und Löön (halb Mensch, halb Maschine) ließen die Fahrt so aussehen, als würden sie das mal eben aus dem Ärmel schütteln. Ich musste neidlos anerkennen, dass ich wohl doch nur ein kleiner Rohrantrieb war.
"Leute, ich ruf jetzt Mama Jutta an." An Kilometer 50 warf Becks die Flinte ins Korn und wählte die Nummer. „Hallo?" -
„Hier ist Becks, eine von den verrückten Mädels, die mit deiner Tochter unterwegs ist.“ Und in einer Engelsstimme sprach Mama Jutta am anderen Ende: „Darf ich dich abholen, du armes Kind?"
Wir kehrten allesamt kurzentschlossen nochmals in Ewersbach ein und wurden mit einem Kaffeemenü, Obstsalat und vielen anderen Herrlichkeiten überrascht. Es war wie im Himmel. Die Augen von uns Vieren leuchteten und wir waren glückselig vor Freude. Welch grandioses Highlight auf dieser Tour!
Von Ewersbach waren es dann nur noch wir drei, die weiter nach Herborn strampelten. "Bitte den einfachen, schnellen Radweg. Mehr schaffe ich heute nicht" Und so wählten wir die trostlose Trashroute, entlang der Bundesstraße, Häusern und Industriegebilden. "Welch ein Trauerspiel.", bemerkte Löön, doch wir waren alle heilfroh, als wir den Istanbul-Döner in Herborn erreichten und ein letztes Mahl zusammen einnahmen. "Geschafft!", stießen wir mit dem letzten Dosenprosecco an und ließen uns, den in Knoblauchsoße-getränkten Döner, munden.
2 Tage - 125 Kilometer - 2212 Höhenmeter
Die drei großen Lügen der Mountainbiketour: 1. Das war der letzte Berg 2. Gleich wird nur noch gerollt 3. Frühstück gibt's um halb neun