Mit jeder Welle kam ein Traum...


„Sacht mal Leute, was haben wir denn hier wieder ins Blaue gebucht?! Wir sind ja im reinsten Smog-Gebiet gelandet!“ Löön begutachtete missgünstig den grauen Schleier, der die portugiesische Hemisphäre weitläufig bedeckte. Kein Sonnenstrahl, kein blaues Fleckchen, nicht mal eine Wolke war zu sehen. Auch die malerische Küstenroute entpuppte sich als purer Reinfall, versperrten vertrocknete Baumbestände die Sicht auf den Atlantik.

Was zuvor geschah...

Wir starteten pünktlich um 05:30 Uhr mit einer Tüte frisch gebackener Brötchen vom Luckenbach, der extra für uns, bereits eine halbe Stunde früher die Ladentüren geöffnet hatte. Kundenservice wird in Fleisbach noch mit Großbuchtstaben geschrieben. Ohne Hörgeräte, dafür mit einer Ladung Sektflaschen und einem 3-Gänge Brunchmenü im Gepäck, rollten wir nach Köln und sattelten auf den Shuttleservice um, der uns zum Flughafen chauffierte. „Scheisse, wo ist mein Handy?!“ Panisch durchsuchte Löön ihr Gepäck und sämtliche Taschen. „Das gibt‘s doch nicht, ich hab das Ding im Shuttle vergessen!“ „Du alter Handy-Suchti! Musst du das Endgerät  auch ständig in den Händen haben.“ Zum Glück hatten wir die Nummer des Shuttle-Service noch in der Wahlwiederholliste und so konnten wir das Endgerät für preiswerte 10€ und einen frühmorgendlichen Sprinteinsatz durch Kristin und Sissy, noch vor Boardingtime, wieder zurück erhalten.

Durchatmen. Koffer aufgeben. Gate checken. Ausgiebiges Frühstück. Wir breiteten unser Essensauslage auf einem Ladestation-Tresen aus und zogen neidische Blicke auf unser herrlich angerichtetes Buffet, welches von Paprika Tri-Color bis frisch gekochten Eier, Käsehäppchen und knackigen Pfefferbeißern keine Wünsche offen ließ.

Noch vor Abflug tätigte Kristin ihren letzten Anruf beim Fundbüro: „Ja, da müssen Sie jeden Tag mal anrufen. Wir vergessen das doch, wonach Sie suchen.“ Notizblock und Stift empfehle ich übrigens in solchen prekären Lagen.

Auch der Germanwings-„Service“ hatte stark nach gelassen. Kein Wasser. Keine Butterstulle. Nur die Offerrierung diverser, unnützer und völlig überteuerter Duty-Free Schnäppchen.

Ankunft in Lissabon. Wir durchkämmten den halben Flughafen auf der Suche nach unserem Rent-Car-Typen, der uns schlussendlich den Schlüssel für ein zerkratztes Fiat-Fahrzeug mit einigen Blechschäden feierlich überreichte. „Egal, für 40€ die Woche können wir hier nicht mehr erwarten.“ beschloss Kristin, die immer noch sehr glücklich über ihr geschlagenes Schnäppchen war. Spätestens auf der Autobahn, als die automatisierte Spurenkorrigierfunktion zuschlug, wurde sie erstmals skeptisch und dachte über den portugiesischen Satz „Das Auto ist Schrott“ nach.

Nach der Autobahnstrecke übernahm ich das Steuer. Wir waren bis dato gut vorangekommen, jedoch war keine Menschenseele weit und breit zu sehen, geschweige denn sonstige Zeichen von jeglicher Zivilisation. Die Sachlage dramatisierte sich, als am Horizont graue Nebelschwaden aufzogen und der Himmel von einem undefinierbaren Schleier bedeckt wurde. „Vielleicht brennt es.“ gab Sissy zu bedenken. „Vielleicht sind das auch die ersten Auswirkungen des Klimawandels.“ Löön checkte ihre Wetter-App und bestätigte den grauen Streifen, der sich vertikal über die Landkarte legte und analog zu unserer Küstenroute verlief. „Leute, haben wir uns vorher nicht informiert?! Haben wir etwa auf der falschen Seite des Landes gebucht?“ Es gab sehr zu denken, dass der Rest des Landes völlig unbedeckt war und die südliche Küste bestes Wetter aufwies, während wir im reinsten Küstennebel versanken. „Da hätten wir ja auch an die Nordsee fahren können.“

Die Küstenroute verlief kurvig und der Bodenbelag erinnerte an alte DDR-Zeiten. „Ich kann hier nicht schneller fahren, hier ist 90!“ In diesem Moment überholte ein Sprinter im Affenzahn unseren Wagen. „Ich fahr hier schon 110!“ musste ich mich mehrfach verteidigen, als ich belächelnde Blicke von der Seite erhielt. Zwei so-called Fast and the Furious Typen setzten  ebenfalls, mit ihren getunten Fahrzeugen, einen Überholspurt an. „Das wird nicht der Katja erzählt. Das gibt nur wieder zusätzliches Fett in die Pfanne!“

Nachdem wir einen kurzen Fotostopp an einem mystisch, wirkenden Klippenpunkt eingelegt hatten, steuerten wir auf den nächsten Supermarkt zu, um uns für die nächsten Tage zu verpflegen. „Oh schaut mal, da ist ein Aldi!“ Wir deckten uns in vertrauten Gefilden mit bekannten Produkten ein und waren dennoch erstaunt, dass wir in einem Aldi Nord gelandet waren...

Gegen 19 Uhr erreichten wir pünktlich unsere Unterkunft, die unsere Herzen höher schlugen ließ. „Das ist ja die reinste Villa!“ Großzügige Räumlichkeiten, ein Kühlschrank mit Eiswürfelfunktion und zwei Balkone mit Blick aufs Meer. „Also, da kann man ruhig mal klatschen.“

Am nächsten Morgen erkundeten wir kurz die nähere Umgebung und inspizierten den Surferstrand von oben. „Oh, schaut mal, ganz viele Leute aus Polen sind hier.“ stellte ich fest, als wir an einem Parkplatz mit vielen Autos mit dem dem Kennzeichen „P“ vorbeischauten. Und kurz darauf konnte ich mir die Erdkundelehrerstimme „Setzen, 6!“ anhören. 

Unsere erste Aktivität für den Urlaub war unübersehbar: Surfen. Eine ganze Surfer-Szene war mit Bullis, Wohnwagen und staubigen Geländewagen angereist. Wir hatten zunächst den 2-tägigen Surfkurs mit zusätzlichem Theoriematerial gebucht. Nelson und Luiz nahmen uns zugleich unter die Fittiche und machten einen exzellenten Job. Newbie Löön entpuppte sich als „Queen of the Board“ und war am Ende des Kurses bereits in der Lage, sich während des Wellenreitens einmal auf dem Brett zu drehen. „Also auch da kann man ruhig mal klatschen.“ Die Gewalt der Wellen und der Fun-Faktor, der auch beim Absturz ins Wasser nicht abreißt, machten die Surfeinheit zu einem Kernerinnerungserlebnis. Leuchtende Augen in allen Gesichtern. Aber auch ein wenig, rot verbrannte Backen am Ende des Tages.

Zum krönenden Abschluss fuhren wir zu einem Hot-Spot, um den Sonnenuntergang am Meer und den Felsklippen zu begutachten. „Ein Traum!“ Das nahegelegenen Nobelrestaurant ließen wir uns ebenfalls nicht entgehen. „20€ für eine Flasche Wein? - Egal, was kostet die Welt!“ So kamen Sissy und Löön auch endlich zu ihrer Ente, die mit Orangen und einem Preisbeel-Honig Dip serviert wurde. Kristin freute sich schon seit Tagen auf ein gegrilltes Hühnchen und kam auch hier auf ihre Kosten, während ich einen frisch gefischten Fisch mit Süßkartoffeln auf meinem Teller fand.

Ein gelungener erster Tag! Wir freuen uns auf die nächste Surfstunde, die schon in aller Herrgottsfrüh um 8:40 Uhr stattfinden soll. „Oh man, da müssen wir uns ja schon um 8 Uhr in den engen Neoprenanzug quetschen.“ jammerte Sissy. „Da ist es ja mitten in der Nacht, sollen wir unsere Stirnlampen vielleicht aktivieren?“ merkte ich an.

Auf in die Wellen!







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