Es geht um die Wurst!


„Alter, meine Arme!“ Löön hatte den legeren Jugendslang bereits nach dem ersten Surftag angelegt und beklagte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht über überlastete Muskelpartien. „Ich kann meine Waden kaum bewegen.“ stimmte Sissy ein. „Ich hab Rücken.“ krächzte sogar die unermüdliche Kristin. „Das hier ist ja anstrengender als jedes Traning.“ monierte ich, als wir bereits wieder in Neoprenmontur am Strand aufgereiht standen und um 09:00 morgens zum Warmmachtraining aufgerufen wurden. Der Fitnesslehrer kannte kein Pardon. Burpees sind nichts dagegen.

„Dafür dürfen wir uns wenigstens mal 7 Fußballtrainingseinheiten gutschreiben!“ merkte Löön noch an, als es wieder ins frische Nass und in meterhohe Wellen ging. Es war kaum zu glauben, welch einen erholenden Erfrischungsfaktor der Wellensport am frühen Morgen bereiten kann. „Da ist man ja gleich auf 120%!“ „Das sollten wir mal vorm Spiel machen!“ In den nächsten 2 Stunden verbesserten wir unsere Technik auf dem Board und konnten mittlerweile den Skill „Da kann man ruhig mal klatschen“ während der Reise auf der Welle durchführen. Wahnsinn! Auch wenn jeder hinterher mindestens einen halben Liter Salzwasser intus hatte und man sich zwischendurch mit dem Board gegenseitig hüfthoch abgrätscht hatte, weil mal wieder die Lenkung fehlschlug, so blieb es bei einer hochspaßigen Angelegenheit. „Am letzten Tag mieten wir uns noch mal ein Board!“

Zur Erholung entschieden wir den Rest des Tages am Strand zu chillen und die Surf-Profis zu beobachten. Trotz der rauen Atlantikwinde darf man auch hier die Gewalt der Sonne niemals unterschätzen - wie wir später, an dem ein oder anderen roten Farbband, feststellen mussten. Um den Abend genussvoll abzurunden, legten wir - wie jeden zweiten Tag - eine Kochsession ein. Da Sissy und ich dran waren, wurde am Knoblauch kaum gespart. „Schließlich muss man sich den südländischen Gegebenheiten anpassen.“ Bruschetta, Ofenkartoffeln mit Dip, gebackener Schafskäse und zerlaufener Camenbert füllten unsere Teller. „Was ist eigentlich mit dem Rest von meiner Ente?“ erkundigte sich Löön. „Die gibt’s vielleicht morgen ins Omelette.“ „Oder im Sandwich to-go!“

Nach ausgiebigem Frühstück am nächsten Morgen, machten wir uns um zehn Uhr auf die Reise nach Albufeira, einem Ort an der Südküste Portugals. „Das hier ist ja die reinste Abzocke!“ bemängelte ich, als wir diesmal die Autobahnroute wählten und alle 2 Kilometer zur Kasse gebeten wurden. Ein Transponder in unserem Gefährt piepte fröhlich vor sich hin und rechnete pro Piepton, die Mautgebühren von 90 Cent, munter weiter oben drauf. „Na toll, was wird das hinterher für eine Abschlagsrechnung geben!“

In Albufeira flanierten wir zunächst durch Souvenirläden, die abwechselnd allerlei Korkprodukte und/oder CR7-Merchandise zu offerieren hatten. Selbstverständlich ließen wir uns von den bunten Herrlichkeiten blenden und schlugen bei dem ein oder anderem Objekt zu. Nach einem sehr schmackhaften Eis hatten wir auch ganz spontan den Adrenalinkick des Tages gebucht: Parasailing über dem Meer. Nur eine Dreiviertelstunde später fanden wir uns auf einem Speedboot mit Schwimmweste und Karabinerhaken wieder ein und wurden im Duo-Modus mit einem Ruck in die Höhe gezogen. 80 Meter über dem Meeresspiegel wird die Luft schon etwas dünner. Während Kristin die Aussicht genoss, schon wieder Flausen in den Kopf bekam und anfing zu schaukeln, um noch mehr Action in die Sache zu bringen, blieb ich sehr skeptisch. „Ich trau der Sache nicht. Das Seil knackt ganz schön.“ Wir waren lediglich an einem unendlich langen Seil befestigt, über uns der meterbreite Fallschirm. „Was passiert denn, wenn das Seil reist?! Stürzen wir dann direkt ins Meer oder fliegen wir erst noch mal über den halben Kontinent?!“

Mit viel Glück erreichten wir alle wieder das Boot, welches sich zum Abschluss noch mal ein Formel-1 Rennen auf hoher See ablieferte und uns mit diversen Lenkmanövern beinahe über die Reling warf. „Woohoo!“ Endlich waren auch Löön und Kristin auf ihre Kosten gekommen und hatten genug Go-Pro-Material gesammelt.

Es schlug bereits 16 Uhr, als wir uns auf den Weg zum südwestlichsten Zipfel Europas machten. Das Ende der Alten Welt. Ein Blick auf das weite Meer, felsige Klippen, Ferne, Sehnsucht. Es roch nach Abenteuer, Freiheit und irgendwo auch ein bisschen nach Bratwurst. „Die letzte Bratwurst vor Amerika“ kam uns am Tag der deutschen Einheit mehr als gelegen. Schon seit drei Jahren feiern wir diesen Tag gemeinsam, ob in Ecuador, Spanien oder jetzt in Portugal. Hauptsache nicht in Deutschland! ;-)

Ich möchte an der Stelle auch kurz Notiz machen, dass ich auf dem Rückweg nach Arrifana Beach nicht am Steuer saß, uns aber dennoch ein Wohnmobil (!) ohne Probleme überholen konnte. Just to let you know...

Wir entschieden direkt in der Sportsbar einzukehren, ohne uns noch einmal frisch zu machen, da wir ansonsten den Anpfiff des Eurospiels „Vitoria SC - Eintracht Frankfurt“ verpasst hätten. Es handelte sich glücklicherweise um eine genauso unkomplizierte Kneipe, wie wir sie von zu Hause aus kennen. Und so hatten wir auch kein Problem damit, den Wirt zu fragen, ob er für uns das TV-Programm wechseln könnte - auch wenn der offensichtlich eingefleischte Porto-Fan lieber das Parallelspiel schauen wollte. Konnten wir ja nicht ahnen, dass an dem Abend gleich drei portugiesische Teams spielten, wir aber mit dem Eintracht-Match wohl die uninteressanteste portugiesische Mannschaft gewählt hatten. Wir verstanden nicht viel von den anderen, alteingesessenen Kneipenkunden, jedoch raunte ständig der Name der uninteressanten Mannschaft und man wünschte sich wohl eigentlich einen Programmwechsel herbei. Upsi...

Wahrscheinlich konnten wir einfach von Glück reden, dass wir vier Mädels und nicht Männer waren und so erhielten wir nach dem Spiel noch zu prostende Glückwünsche zum Sieg der deutschen Mannschaft. „Saudé!“ und „Where do you live in Germany?“ leitete einer der drei älteren Herren das Gespräch ein. Es wurde - wie an jedem Tag der deutschen Einheit - noch ein lustiger Abend, begleitet von portugiesischem Craft-Beer, Sangria und Portwein. Zuletzt erhielten wir noch eine Einladung für ein Livemusik-Event in selbiger Bar.

Eine Kneipe wie daheim. Offen. Unkompliziert. Herzlich. Und Gin gibt es auch. :-) @Seli







0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen