new york.


“New York is not a city, it’s a world.” 
– Truman Capote, Breakfast at Tiffany’s (1958)


Wie‘s denn so ist?“ wollten die Menschen wissen. „Man hört und sieht ja gar nichts von euch.“ Wie denn auch, bei dem Timeshifttable, das man uns vorgelegt hatte und das akribisch abgearbeitet werden musste. „Wir haben hier keinerlei Zeit für Sperenzchen.“ merkte becks an, während sie ihren zweiten Milchshake bei Wendy‘s inhalierte und die abfotografierte U-Bahn Karte zum X-ten mal studierte. „Hast du dir das Ding jetzt mal als Favorit hinterlegt?“ wollte ich wissen, ahnte ich, dass es gleich wieder in Sauna-ähnliche Hemisphären des U-Bahn Schachtes ging. „Wir fahren jetzt mit der C und dann steigen wir noch mal in die 2 um. Oder vielleicht doch lieber mit der N? Die E ginge natürlich auch in Kombination mit der 7.“ becks puzzelte sich die Untergrundrouten zurecht und mir brummte der Schädel. Schon seit Tagen schleppte ich Erkältungssymptome mit mir herum, an Tag 3 hatte es mir dann gänzlich den Rest gegeben. Nur unter der Einnahme von Schmerzmitteln ließ sich der Rest des Trips überstehen. Aber man befand sich ja eh in einem Dauerrausch der Metropole. Mit Ausnahme des Hotelzimmers, gab es kein einziges, ruhiges Fleckchen in New York City. Bereits im Aufzug schallten laute Upbeat-Melodien durch die Boxen, auf den Straßen hupte, brummte und motorisierte es pausenlos, Helikopter kreisten lautstark über unsere Köpfe, die U-Bahn hämmerte über die Gleisen, der Time Square strahlte, blinkte, leuchtete und hypnotisierte als gäbs kein Morgen mehr, heulende Sirenen und Luftdruckhammer an jeder Kreuzung, Generator-angetriebene, wild blinkenden Essenswagen an sämtlichen Ecken, und mitten drin Alicia Keys „These streets will make you feel brand you“, das in Dauerschleife und dem Duft von nicht mehr all zu frischem Gras an uns vorbeizog. 


„Vielleicht werd ich noch Drogen-abhängig.“ befürchtete ich. „Ach papperlapapp.“ winkte becks ab. „Schau lieber mal, ob wir jetzt runter oder hoch müssen.“ „Immer noch nach rechts, wir müssen auf die Siebte und dann können wir auf die Neunundvierzigste.“ Während ich mich in der U-Bahn blind auf becks Puzzelei verließ und im Untergrund über keinerlei Orientierungsdienste verfügte, konnte ich zumindest auf New Yorks Straßensystem brillieren, das wiederum für becks komplett unlogisch erschien. 


Die Metro-Karte wurde zu unserem besten Begleiter, hatte diese gleich zu Beginn der Reise mit je 34 Dollar + Taxe zu Buche geschlagen. „Immerhin haben wir uns damit das 100 Dollar Taxi zum Hotel gespart und können nun unbegrenzt 7 Tage U-Bahn fahren.“ freuten wir uns, was uns aber nicht davon abhielt gleich am nächsten Tag das City Bike für weitere 20$ zu buchen und durch den Central Park, sowie Harlem zu cruisen. „Oh, schau mal, da ist die Brücke zur Bronx.“ wedelte ich freudig mit dem Arm, als wir uns der Grenze näherten. In zwei kurzen, austauschenden Blicken besannen wir uns dann doch recht kurzfristig den Bus zurückzunehmen. „Wir müssen es ja nicht gleich am ersten Tag darauf anlegen.“


Wir stiegen irgendwo auf der Zweiten aus und bahnten uns durch die Dritte, den Broadway, am Bryant Park vorbei und erreichten nach 20.000 Schritten und glühenden Füßen einen Italiener, der uns mit frischer Pasta versorgte, hatten wir bis dato nur einen Avocado-Bagel aus Harlem intus. „Morgen fahren wir mal mehr mit der U-Bahn.“ Ein guter Vorsatz, den wir stets nur halbherzig vollzogen. 


Dank eines straffen Zeitplans und einem frühen Vogel, der uns morgens um 7 Uhr aufs Parkett schickte, erlebten wir an den ersten Tagen nicht einmal die sogenannte „Rush Hour“, nach der wir vergeblich suchten. „Hier ist doch gar nichts los.“ wunderten wir uns um halb 8 morgens am Financial District, welchen wir mal ausnahmsweise mit der U-Bahn angesteuert hatten. Der Besuch des Memorial Centers war tief beeindruckend und lieferte viele bisher unbekannte Details des tragischen und einschneidenden Tages am 11. September 2001. Zu sehen ist unter anderem eine 21 Meter hohe Mauer, die trotz des Einstürzens der Türme stehen blieb, wodurch eine noch viel größere Katastrophe verhindert werden konnte. Hätte die Schlitzwand nicht standgehalten, wäre es womöglich zu katastrophalen Überschwemmungen in Lower Manhatten und der U-Bahn gekommen.


Für den folgenden Programmpunkt mussten wir uns an mehreren aufdringlichen Touri-Jägern vorbeikämpfen, die uns auf eines der überteuerten Touri-Fären schleusen wollten. „Julia Hecker, wir lassen uns hier nicht bedupschen.“ mahnte becks an. „Auch wenn der Typ uns fünfmal erzählt, dass die South Ferry nur für Pendler und nicht für Touristen ist, brauchst du heute nicht so sozial zu sein und dich auf das Geschwafel einzulassen.“ Mit Nachdruck zog mich becks noch mal in das Hafengebäude für Pendler, von dem wir den mittlerweile nicht mehr ganz so geheimen Tipp erhalten hatten, die kostenlose Fähre nach Staten Island zu nehmen, um von dort aus auf die Freiheitsstatue und die Skyline Manhattens kostenlos anschauen zu können.  


Nachdem wir Staten Island links liegen gelassen hatten und auf direktem Weg retoure gefahren waren, besuchten wir noch die Wall Street, dinierten mexikanisch und wechselten dann auf die Westside, um uns den Meatpacking District, Chelsea und den High Line Park anzusehen. Die ehemalige Güterzugtrasse, umfunktioniert zu einer Parkanlage, schlug mit 2,6 Kilometern abermals zu Buche, war aber jeden Fuß- und Rückenschmerz wert.  


„What? Are you serious?“ becks konnte ihren Augen nicht trauen, als sie den Beleg sah und konfrontierte die Kellnerin mit unangenehmen Fragen zur Rechnung. „These are Rooftop-prices.“ schmetterte diese schnörkelos ab und verteidigte einen Baileys on ice und simplen Gin Tonic für schlappe 40 Dollars. „Die sind doch völlig verrückt.“ und mit diesen Worten verabschiedeten wir uns von unseren hauseigenen Rooftop-Bar, die ein völliger Reinfall war. Insgesamt ist New York genauso teuer wie man es sich vorstellt. Das kleine Portmonee braucht man gar nicht erst mitzubringen.


„Also diese Essenswagen die hier überall am Straßenrand stehen sind mir ja sehr suspekt“ bemerkte becks kritisch, als wir durch die Straßen schritten. „Schau mal, der bietet laut seinen Bildchen 42 verschiedene Gerichte an.“ und auch ich fragte mich wie diese ominöse Anzahl an Essensvorschlägen in der 3 Quadratmeter kleinen Küche erstellt werden sollten. „Hauptsache der Generator läuft 24 Stunden durch und hält die Lichtchen und Essensreklamen am laufen“, der Rest schien eher improvisiert. 

 

Wir arbeiteten an den folgenden Tagen alle weiteren wichtigen Dinge ab: Ein Besuch bei den Vereinten Nationen (sehr zu empfehlen), eine Fahrt nach Roosvelt Island (ebenfalls sehr zu empfehlen), Williamsburg (warum waren wir eigentlich dort?), Coney Island mit Hot Dog bei Nathan’s (ganz viel zu empfehlen), Brooklyn Bridge (dafür fährt man nach NYC), China Town, Little Italy, Soho, NoHo, PennStation und die hundert anderen Avenues und Streets, die wir unwillkürlich durchwandert und inhaliert haben. 


„Hier gibt es ganz schön viel Müll.. wie und wo soll der denn alles entsorgt werden, das ist doch eine Insel.“ fragte ich mich besorgt während becks den verschmutzen Zustand der Gehwege und Straßen monierte. „Also in good old Germany ist es eindeutig sauberer und auch irgendwie aufgeräumter“ stellten wir beide fest. „Julia Hecker wenn wir heimkommen müssen wir erstmal unsere Schuhe waschen“ ordnete becks an, „da klebt der ganze Schmutz dran“, hatten wir doch beide die angesagten weißen Sneaker für New York gewählt.


„Vielleicht sollten wir doch mal auf das Empire State Building.“ meinte becks am vorletzten Abend. Ein eher spontaner Besuch am ältesten Hochhaus Manhattans und ehemals höchsten Gebäude der Welt, verschlug uns dann doch noch mal die Sprache. Auf der 86. Etage und in 320 Meter Höhe blickten wir auf die Hochhausschluchten New Yorks herab. „Das ist Wahnsinn. Einfach komplett surreal.“ „Noch surrealer ist, dass Lehm-Marmor aus der Lahn zum Bau dieses Gebäudes benutzt wurde.“ „Verrückt. Also dieses ganze New York. Einfach verrückt.“


Als wir im Flieger nach Hause saßen und Matthias und seine charming Crew uns auf gebröckeltem Nuschel-Englisch begrüßten ließen wir die Tage nochmal Revue passieren. Wir haben echt viel gesehen und erlebt. Trotzdem freuten wir uns auf Zuhause und das kleine beschauliche ‚Landleben im Grünen’. 

Nach der Landung empfingen uns blitzsaubere Toiletten und frische Schnittblumen auf dem Waschtisch in der Flughafen-Toilette. „Welcome back in Germany“ strahlte becks, die froh war, das die Hygienebedingungen wieder dem deutschen Standard entsprachen.


Unser Schlussfazit lautet:

Kann man mal gewesen sein. Muss man erlebt haben. Fotos können das nicht wiedergeben. Geschichten auch nicht. Filme kommen schon ganz nah dran. Aber fühlen muss mans selbst. Den Puls von New York. 


“When you leave New York, you are astonished at how clean the rest of the world is. Clean is not enough.” 
– Fran Lebowitz, Metropolitan Life (1978)
























Von Bunker zur Bunker.

Wenn Glamour und Armut nur eine Fußspitze voneinander entfernt sind, wenn sich vergoldeter Kapitalismus und verrosteter Sozialismus die Hand geben und wenn Adidas und Gucci auf staubig, holprigen und verdreckten Straßen spazieren gehen, kannst du dir ganz sicher sein, dass du dich in Albanien befindest. Der Kontrast zwischen allem was man sich vorstellen kann, hat hier ein Zuhause. 


Durrës - eigentlich nicht viel mehr als ein Ghetto. Doch dann taucht man am Hafen durch eine Unterführung und mit goldgelben Farben in den Sonnenuntergang von Miami Beach. Palmen, exklusive Strandbars, schicke Autos und elektrische Musik. Und direkt dahinter vergammelte Fassaden, veranzte Balkone, abenteuerliche Kabelkonstruktionen, Müll und noch mal Müll.


„Das Hundekonzert fehlt mir hier ein wenig.“ merkte Karin an. Doch der Hahn blieb uns wenigstens treu. Und - na klar- die Baustellen. „Lass uns noch ganz da hoch fahren. Was sollen wir sonst hier den ganzen Tag machen.“ schlug Petra vor. Glücklicherweise hatten wir nur eine Nacht in Durrës gebucht und nutzten nun den Nachmittag zur Fahrt an den nördlichsten Zipfel Albaniens. „Aber hier auf Google Maps sah doch alles so schön aus.“ jammerte ich, als wir erneut kieselige Straßen mit ganz viel Schlaglochgefahr befuhren. Die Umgebung mäßig und so gar nichts touristisch attraktives erkennbar. 


Als wir schon umdrehen wollten winkte uns ein Mann, in seinem Kassenhäuschen in weiter Ferne herbei. 3€ pro Person um in ehemaliges, militärische Sperrgebiet zu gelangen. Und dann, nur wenige Meter später, eröffnete sich vor uns das wohl Schönste was wir in Albanien gesichtet hatten. Cape Rodon - ein Küstenabschnitt wie gemalt. „Woooow. Da hat sich die Fahrt hierhin doch tatsächlich gelohnt.“ Hinter unserem Rücken befanden sich noch die alten Bunkeranlagen, von denen einst die Küste Albaniens akribisch bewacht und vor Invasionen geschützt wurde. „Und auch ein Rauskommen verhindern sollte.“ fügte Karin an. „Warum haben die nur so viele von den Dingern gebaut? War das denn wirklich nötig?“ fragte ich in die Runde. Die Antwort sollten wir am folgenden Tag in Tirana erhalten.


BunkArt 1 war die zweite, große und von TripAdvisor empfohlene Ausstellung. Eine alte, riesige Bunkeranlage im Wald, am Rande der Hauptstadt. Wir stiegen hinab in die Katakomben und ein unvergleichlicher, konservierte Duft der 70er-Jahre Diktatur stieß uns stechend entgegen. „Puhh, das ist ja kaum zum Aushalten.“ In bedrückender, beängstigender Atmosphäre arbeiteten wir uns Raum für Raum durch die Geschichte Albaniens. Schon immer irgendwie besetzt, von den Osmanen, von den Griechen, Balkan-Krieg, dann kamen die Faschisten. Erst die Italiener, dann die Deutschen. Ein Land unter ständiger Unterdrückung. Dem setzte Enver Hoxha nach dem zweiten Weltkrieg ein vermeintliches Ende. Er ließ Zäune und Bunker gegen eine weitere Invasierung bauen und brach mit allen: dem Westen, mit Russland und schlussendlich mit China. Er riegelte alles ab, säuberte die Religionen und brainwashte die Gesellschaft mit Propaganda und den üblichen diktatorischen Mitteln. „Harter Tobak.“ „Kann man sich nicht vorstellen, dass man das heute wieder haben will.“ 


Wir verließen ernüchternd den Bunker. Albanien war kein einfaches Reiseland. Es tat weh, teilweise höchst unangenehm und dennoch freundlich, stets bemüht und immer wieder für Überraschungen zu haben.


Wir schleuderten unsere letzten Leken für eine Gondelfahrt in die Berge Tiranas heraus. Und dann nahmen wir noch mal das letzte (real) Escape Game in den Augenschein. Karin am Steuer und Petra die Karte, navigierten beide zielsicher durch das Labyrinth Tiranas, um unsere B&B Unterkunft zu erreichen. Durch das Verkehrschaos, entlang enger Gassen und hupender Karren und Mopeds. „Souverän.“ applaudierte ich. Und mir blieb dann der letzte Part. Während Karin einen Parkplatz suchte und Petra die Koffer am Rande einer stark befahrenen Straße bewachte, machte ich mich anhand der Hinweise auf die Suche nach unserer Unterkunft. Durch eine dunkle Unterführung, in einen verdreckten Hof, unter einer Baustelle die Treppen hinauf und an das „Amazon Basic“ Schloss. Hier gab ich die Codezahlen für den Schlüssel ein, der mir anschließend entgegen fiel. Im Hintergrund misstrauisch beäugt von den zwei Bauarbeitern. Mit dem Schlüssel in das dunkle Gebäude und die alten, verdreckten Treppen hinauf, zur Tür am Ende des Gangs. Dahinter ein Palast im Vergleich zum Rest der Umgebung. Geschafft!  


Albanien. Wird uns in Erinnerung bleiben. Werden wir noch drüber sprechen müssen. Besonders. Ziemlich speziell. Eins halt wie keins. 


Faleminderit Albania.




Aus „Tschick“


Seit ich klein war, hatte mein Vater mir beigebracht, dass die Welt schlecht ist. Die Welt ist schlecht, und der Mensch ist auch schlecht. Trau keinem, geh nicht mit Fremden und so weiter. Das hatten mir meine Eltern erzählt, das hatten mir meine Lehrer erzählt, und das Fernsehen erzählte es auch. Wenn man Nachrichten guckt: Der Mensch ist schlecht. Wenn man Spiegel TV guckt: Der Mensch ist schlecht. Und vielleicht stimmte das ja auch, und der Mensch war zu 99 Prozent schlecht. Aber das Seltsame war, dass Tschick und ich auf unserer Reise fast ausschließlich dem einen Prozent begegneten, das nicht schlecht war. 




















Hör mal wer da hämmert.

Um 2:30 Uhr bellten, jaulten und wilderten die Hunde-Gangs, um 4:30 Uhr krähten die Hähne und ab 7:00 Uhr wurde der Hammer geschwungen. Albanien befand sich in einem regelrechten Bauwahn. Da wurde ohne Rücksicht auf Verluste gemeißelt, geklopft, geziegelt, gemauert, gebohrt und verzementiert. Anstatt Schützenbunker nun Hotelbunker. Und wir direkt neben der Großbaustelle „Poseidon“. Vermutlich ein 2-Jahresprojekt von Gebäudekomplex.


War uns aber auch egal, denn unser Hauptfilter bei der Unterkunftsauswahl lag mittlerweile nur noch auf „Waschmaschine.“ Karin hatte uns mit ihrem Waschvirus infiziert und so nutzten wir jede erdenklich freie Minute um Wäsche zu waschen, aufzuhängen oder zusammenzulegen. „Sonst stinkst doch im Koffer.“ und Karin warf zugleich noch ihren Rucksack in die Wäschetrommel. Auch ein Leben aus dem Koffer soll hygienische geübt sein.


Mittlerweile waren wir in Vlora gestrandet. Das war mal ein echter Strandort. Palmen, Sand und Meer. Schon jetzt reihten sich gut besuchte Restaurants, Eisdielen, Hotels und Bars entlang der Promenade. Skateparks, Basketballcourts und Jahrmarktfeeling wie in Venice Beach. In der Hochsaison wahrscheinlich das Mallorca Albaniens. Sogar Souvenierläden und eine moderne Innenstadt mit einem sehr gepflegten Viertel „The Old Town“ hatte Vlora zu bieten. Der Einfluss, den die Fähre von Brindisi (Italien) mitbrachte, war unverkennbar. 


Karin, die noch am Morgen sprach, dass sie sich in Albanien auf gar keinen Fall etwas kaufen würde, gönnte sich wenige Stunden später ein neues T-Shirt. Und Petra erstand einen aufgepumpten Basketball, hatten es uns die vielen Basketballplätze angetan. Der sportlichste Tag des Trips versprach viel Muskelkater. Wandern, schwimmen, Basketball und am Abend Beachsoccer bis die Sonne unterging.


„Dann können wir morgen ja wieder getrost einige Stunden Auto fahren.“ „Ja prima, ich muss auch meinen Bildband ‚Albaniens schönste Baustellen‘ fortsetzen“ freute ich mich. Und Petra hoffte auf neue Fotomotive der Marke Benz. Das Automodell hatte sich hier, nach dem Ende des Sozialismusregimes, etabliert, war es das einzige Gefährt, das den verkommenen Straßen Albaniens standhielt. Die höchste Mercedes-Dichte weltweit, da ein Diktator lieber in Bunker, anstatt in Straßen investiert hatte und es Privatautos bis in die 90er erst gar nicht gab. Verrückte Geschichte, die Deutschland einmal mehr zu Gute kommt. Wir sind hier mehr also irgendwo sonst willkommen. „Where you‘re from?“ „Oh, Almania.“ und ein Lächeln huscht über das Gesicht der Einheimischen. 


Heute führt der Weg weiter nach Durrës. Sollte der Ort genauso verbunkert und mit Baustellen bestückt sein wie Sarandë, dann werden wir noch weiter nach Norden reisen. „Hat die Unterkunft in Lukova Waschmaschine?“ „Ok, check!“ 


Sehenswürdigkeit on the Road:

Küstenroute

Jalë - Kleiner Badeort, wie nach ein Unwetterkatastrophe. Aber irgendwie trotzdem schön.


Unterkunft:

El Mar - Familiy Suite Residence 


Restaurant:

Mustafa 

El Mar - Pizza & Fish


Bar:

Komiteti 

Olympia Bar
















Wie im Urlaub

Wir ließen Sarandë mit seinen 1.001 Betonklotzen hinter uns und eilten mit Vollspeed Richtung Griechenland. „Ciao Kakao!“ Es war jetzt nicht so, dass Sarandë komplett hässlich war. „Doch, eigentlich schon.“ unterbrach mich Karin in meinen Gedanken. Corfu rettete uns den Tag und wir flanierten 3 Stunden über die Insel und genossen den griechischen Flair, Souvlaki, griechischen Salat, den Blick auf saisonbereite, schwimmende Städte der Marke AIDA, den Euro-Umrechnungskurs und EU-Datenroaming. „Schön. Wunderschön.“ „Bleiben wir jetzt einfach hier?“ Hätten wir die Alman-Family, welche wir auf dem Weingut in Roshka kennengelernt hatten und die uns mit typischer, lautstarker Alman-Manier („Deuuuutschlaaand, Deutschlaaaand“) in Erinnerung geblieben war, jetzt nicht zum x-ten Mal während dieses Roadtrips getroffen, dann hätten wir sicherlich noch eine Übernachtungen auf Corfu gebucht. Doch die Wahrscheinlichkeit war viel zu hoch, dass wir im gleichen Hotel landen würden, mussten wir mittlerweile schon Wetten abschließen wann und wo wir die Großfamilie wieder antrafen. 


„Na dann auf, zurück nach Albania. Geben wir der Küste noch eine Chance.“ Wir wunderten uns erst gar nicht, dass das Boot nach Sarandë nur halb so voll besetzt war wie in Richtung Corfu. 


Wir wurden belohnt. Auf den Weg nach Himarë landeten wir auf einer der traumhaftesten Küstenrouten Europas. In der Spätnachmittagssonne befuhren wir serpentine, kurvige Wege, die uns dauerhaften Blick auf das Meer freigaben und mit echtem albanischen Roadtripfeeling belohnten. „Genauso hatte ich mir das vorgestellt.“ Immer wieder kreuzten uns Schaf,- Kuh oder Ziegenherden. Kleine Bergdörfer zierten unsere Weiterfahrt. Am frühen Abend erreichten wir den kleinen Urlaubsort „Himarë“. Der war jetzt auch nicht sonderlich schön, aber halt klein und fein und wie man sich eben so einen albanischen Ferienort vorstellt. 


„Und wo ist jetzt unser Hotel/Ferienwohnung?“ Seit geraumer Zeit suchten wir zunächst mit dem Auto, später dann zu Fuß den überschaubaren Ort nach der gebuchten Unterkunft ab. Das Bluetique Apartment war einfach nicht auffindbar. „Das gibt’s doch nicht, das muss doch genau hier sein.“ Mittlerweile hatten wir uns aufgeteilt und ich betrat einen kleinen Einkaufsmarkt, wo eigentlich das Apartment hätte sein sollen. Die Verkäuferin zückte sogleich hilfsbereit ihr Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer an. Dann führte sie mich durch eine dunkle Gasse, in ein Wohnhaus und in einen ziemlich unvertrauenswürdigen Fahstuhl, der schon die besten Zeiten hinter sich zu haben schien. „I come with you. I live here in this house too.“ sprach die Verkäuferin und trotz alledem blieb das Gefühl, dass mein letztes Stündlein geschlagen hatte nicht aus. Wir fuhren in den 7. Stock. „Was hatte Karin da nur gebucht?“ und „Wo waren die anderen zwei überhaupt?“ Da öffnete sich die Fahrstuhltür und wir standen in einem unscheinbaren Flur. Ein Mann öffnete eine der vielen nummerierten Türen und begrüßte mich freundlich. Seine Frau sei noch auf dem Weg von Tirana und er müsse auf das Baby nebenan aufpassen. Damit überreichte er mir den Schlüssel und den Chip für den Fahrstuhl und überließ mir die Wohnung. „Ok, cool.“ Und ich war heilfroh, dass ich noch am leben war. 


Am nächsten Morgen erkundeten wir das überschaubare Himarë und seine viele Baustellen. Ein Land „Under Construction“. „Hier sieht’s wirklich aus wie nach dem Krieg.“ merkte Petra an. Aber eigentlich war hier ja gar kein Krieg. Über Komot fanden wir eine Wanderroute entlang der Küste und des Meeres zu einem anderen Strand. Der Trail war wunderschön, abenteuerlich und brachte immer wieder „Lost Places“ zum Vorschein. Auch der nächste Strand war fast wie ausgestorben. Petra und Karin wagten den Sprung ins kalte Meer, während ich den Blick auf die Wellen genoss. Sonnenschein, Wärme, das Rauschen des Meeres und der Wellen, Salzgeruch und frischer Wind. Der Strand so gut wie menschenleer. „Das ist Urlaub.“


Apartment:

Bluetique Apartments


Restaurants Himarë:

Restaurant Zotos 

Taverna Andreas Potam















Pioniergeister

Und du bist dir ganz sicher, dass wir hier noch richtig sind?“ fragte mich Karin als ich wieder ins Auto stieg. Zuvor hatte ich zwei größere Steine zur Seite geräumt, damit wir auf der holprigen, verkieselten Straße, überhaupt weiter kamen. Ein Auto hatten wir schon lange nicht mehr gesehen. Nur kreuzende Schafherden, Ziegen und Hühner. Der Weg glich mittlerweile einer fortgeschrittenen Mountainbikestrecke und auf GoogleMaps wurden uns 51 Minuten für 18 Kilometer angezeigt. „Der Ort heißt doch Benjë, oder? Und wir sollten vor Permët abbiegen.“ Da lenkte Petra ein „Also im Reiseführer stand, dass die Anfahrt total entspannt sein sollte und die thermalen Quellen einfach zu erreichen sind.“ Ein weiteres Schlagloch ließ uns erneut inne halten. „Kann es sein, dass es noch ein zweites Benjë gibt?“ fragte ich in die Runde, als wir alle hochkonzentriert das Kartenmaterial studierten. „So ist es, wir hätten doch durch Permët fahren müssen!“ „Ok Freunde, alles wieder zurück“ Dabei schien der Weg doch so logisch: Keinerlei Informationstafel oder jeglicher Hinweis auf eine touristische Attraktion. Als wir wieder Asphaltboden unter den Füßen hatten, lief der Weg wie von selbst. „Off-road-Tour Albania: Check.“ 


Die thermalen Quellen überzeugten, dank Nebensaison und kaum Touristen. Die Wanderung zum Canyon hatten wir dafür komplett unterschätzt. „Wir gehen aber jetzt den malerischen Rundweg zurück und nicht mehr dieselbe Route.“ freute sich Karin, als wir um 15:30 Uhr den Canyon erreichten. „Hast du dir die Route mal angesehen? Das sind 5 Stunden Fußweg.“ wies Petra auf der Karte aus. „Oh, dann wohl nicht.“ grinste Karin. Und wir waren am Ende froh, vor Sonnenuntergang wieder am Wanderparkplatz angekommen zu sein.  


Auf dem Rückweg nach Gjirokastër hielten wir in einem Lokal an, das locker 100 Gäste hätte bewirten können. „Wir befinden uns in der absoluten Nebensaison, oder?“ fragte ich misstrauisch, als wir uns einen der 100 Plätze frei auswählen konnten. Das Essen war zum ersten Mal überhaupt eher semi. Aber wir waren erschöpft und hungrig und dafür reichte es völlig aus. 


Das Nebensaison war fiel bisher nicht so sehr ins Gewicht. Erst als wir die albanische Riviera am nächsten Tag erreichten und in dem mehrfach empfohlenen Ort „Ksamil“ einfuhren, wurde uns erstmals klar wie so ein echter Geisterort aussieht. Wir waren aufs Blaue losgefahren und hatten noch keine Unterkunft gebucht. Wie gut das war bemerkten wir nicht nur in Ksamil, wo wir die Füße kurz ins Blaue Meer steckten und dann aufgrund von „Nichts“ weiterfuhren, sondern besonders in der nächst größeren Stadt „Saranda.“ 


Gerüchten zufolge hatte der albanische Diktator Enver Hoxha den feinen Sandstrand an die Griechen verkauft und im Gegenzug Kieselerde erhalten, um sein exorbitantes Bunkerprojekt ausbauen zu können. - Passage in einem Reiseblog


„Wo ist denn hier der Strand?“ fragte ich ungläubig. „Der kommt bestimmt noch.“ blieb Karin optimistisch. „Wir gehen mal hier drüben weiter, da habe ich noch ein paar Hotels entdeckt.“ Wir kletterte über Baustellen, wichen frische Zementfeldern aus, vorbei an zerfallen Fassaden und suchten vergebens zugängliche Hotel, von denen es doch eigentlich tausendfach hier in Saranda gab. „5 Jahre. Ich geb denen noch 5 Jahre bis der Tourismus hier läuft.“ „Eher 15.“ Die bis dato noch optimistische Karin, hatte nun auch resigniert. „Ich frage mich was ich eigentlich von diesem Roadtrip erwartet hatte.“ merkte Petra an. Und wir lachten. „Ist doch schön, dass wir die ersten sein können, die miterleben werden, wie der Tourismus in Albanien losging. „Die brauchen auf jeden Fall noch Strand. Das sind doch viel zu viele Hotels für das bisschen Promenade.“ „Vielleicht wirds ja weiter nördlich attraktiver.“ munterte Petra noch mal auf. Zumindest fehlte es uns nicht an Humor.  


„Ihr könnt hier nicht durch.“ gestikulierte der uniformierte Mann mit strengem Blick durch unsere Windschutzscheibe und deutete auf das Abschleppschild. „Ach nicht? Aber wir müssen doch zu unserem Hotel.“ gab sich Karin touristisch naiv und setzte eine traurige Miene auf. „No, no, no. It‘s closed.“ „Das ist ja schade. Und wie kommen wir dann zum Hotel?“ Karin und ich zeigten dem Polizisten abwechselnd unsere Handys und die geplante Route. Viel zu spät hatten wir die Unterkunft gebucht, das merkten wir jetzt auch selbst. Aber wir wusste ja auch nicht wohin. Der Officer wiederum schien zutiefst genervt und geladen. Endlich kehrte Petra zurück, die das Hotel an der Strandpromenade zu Fuß ausfindig gemacht und den Schlüssel für die Wohnung schon mal geholt hatte. Die dritte Frau im Bunde gab dem Polizisten nun endgültig den Rest. „You need to call the hotel.“ „Aber wir haben doch keine SIM-Karte. No telephone.“ lächelte ihm Karin zu. „Get a Wifi code!“ und er zeigte zur nächsten Bar. Nach weiteren Diskussionen und einem WhatsApp Call fuhr er endlich resigniert und genervt die Schranken herunter und schickte uns mit „Piano, Piano. Bambinis. Watch out Bambinis on the street.“ auf die Fußgängerzone, die wir am Mittag noch problemlos befahren hatten. „Geht doch.“ 


„Und was machen wir morgen hier in dem wundervollen Ort Saranda?“ „Wir buchen die Fähre nach Korfu.“ Und unsere Augen leuchteten wieder. 


Sehenswürdigkeiten:

Benjë / Thermalbad und Canyon

Blue Eye














Stein auf Stein

Mit ‚Loose Yourself’ rollten wir wie Gangster durch Fier. Eine gespenstige Durchgangsstadt, die uns nach Gjirokastër führen sollte und für viel mehr auch nicht warb. „Also die Gegend Albaniens ist touristisch ausbaufähig.“ stellte Karin fest, als wir veranzte, alte Plattenbauten, viel Staub und wenig ansehnliches erblickten. „Zumindest hier im Süden. Vielleicht wird es an der Küste attraktiver.“ sprach Petra hoffnungsvoll. „Es wirkt alles irgendwie so unaufgeräumt.“ fügte ich hinzu und unsere Blicke schweiften an Müll-gesäumten Flüssen, verlassenen, unfertigen Betonbauten im Nirgendwo und stinkenden Erdölförderungsanlagen vorbei. „Albanien scheint wie ein einziger, großer Lost Place.“ Die herumhängenden, abgenutzten Kuscheltiere an vielen Häusern und in den Fenstern, unterstrichen die Gesamtsituation noch mal. „Wie bei Friedhof der Kuscheltiere.“ beäugte Karin misstrauisch. „Dient aber zum Schutz vor bösen Blicken“, ergoogelte ich auf die Schnelle. Die vielen, bunten Wellensittichkäfige gaben dem Ganzen  wenigstens noch einen Farbkleks. 


Gjirokastër wirkte auf den ersten Blick nicht viel besser. Zunächst große Ernüchterung. „Was ist denn hieran Weltkulturerbe?“ fragte ich leicht enttäuscht in die Runde. Ein zweiter Blick ist, wie so oft, auch hier von Nöten. Von unserer Unterkunft, die so wie es schien, gerade neu renoviert worden war und noch nach frischem Zement roch, kletterten wir die 1.001 flachen Steintreppen hinauf in den älteren Teil der Stadt. Und je höher wir stiegen, desto mehr wandelte sich das Gesamtbild. Eine Stadt aus reinstem Stein. Schnaufend erkundeten wir die osmanische Vergangenheit weiter, bis uns der Weg hinaus aus der Stadt und in die Berglandschaft Gjirokastërs zur Al-Pasha Brücke führte. Einem Überbleibsel eines Aquädukts, das einst die mächtige Burg mit Wasser versorgte. „Hier ist es schön.“ strahlten wir nun endlich alle. 


Auf dem Rückweg lächelten uns die Einwohner freundlich zu und empfingen uns herzlich in ihrer einzigartigen, silbernen Stadt. Aus alten, ausgestanzten Blechbesteckschablonen, die hier einst produziert und dann als Abfall liegen gelassen wurden, hatten sich die Anwohner zumeist Zäune, Gartentüren und Geländer gebastelt. Einfach das beste aus dem gemacht was hier vorzufinden war und sich aufs Wesentliche konzentriert: Leben und Überleben. 


Unterkunft:

Jani Studio Apartment


Essen / Trinken/

Kardashi - Traditional Albanian Food

Duca caffee (unterhalb der Unterkunft)