Von Bunker zur Bunker.

Wenn Glamour und Armut nur eine Fußspitze voneinander entfernt sind, wenn sich vergoldeter Kapitalismus und verrosteter Sozialismus die Hand geben und wenn Adidas und Gucci auf staubig, holprigen und verdreckten Straßen spazieren gehen, kannst du dir ganz sicher sein, dass du dich in Albanien befindest. Der Kontrast zwischen allem was man sich vorstellen kann, hat hier ein Zuhause. 


Durrës - eigentlich nicht viel mehr als ein Ghetto. Doch dann taucht man am Hafen durch eine Unterführung und mit goldgelben Farben in den Sonnenuntergang von Miami Beach. Palmen, exklusive Strandbars, schicke Autos und elektrische Musik. Und direkt dahinter vergammelte Fassaden, veranzte Balkone, abenteuerliche Kabelkonstruktionen, Müll und noch mal Müll.


„Das Hundekonzert fehlt mir hier ein wenig.“ merkte Karin an. Doch der Hahn blieb uns wenigstens treu. Und - na klar- die Baustellen. „Lass uns noch ganz da hoch fahren. Was sollen wir sonst hier den ganzen Tag machen.“ schlug Petra vor. Glücklicherweise hatten wir nur eine Nacht in Durrës gebucht und nutzten nun den Nachmittag zur Fahrt an den nördlichsten Zipfel Albaniens. „Aber hier auf Google Maps sah doch alles so schön aus.“ jammerte ich, als wir erneut kieselige Straßen mit ganz viel Schlaglochgefahr befuhren. Die Umgebung mäßig und so gar nichts touristisch attraktives erkennbar. 


Als wir schon umdrehen wollten winkte uns ein Mann, in seinem Kassenhäuschen in weiter Ferne herbei. 3€ pro Person um in ehemaliges, militärische Sperrgebiet zu gelangen. Und dann, nur wenige Meter später, eröffnete sich vor uns das wohl Schönste was wir in Albanien gesichtet hatten. Cape Rodon - ein Küstenabschnitt wie gemalt. „Woooow. Da hat sich die Fahrt hierhin doch tatsächlich gelohnt.“ Hinter unserem Rücken befanden sich noch die alten Bunkeranlagen, von denen einst die Küste Albaniens akribisch bewacht und vor Invasionen geschützt wurde. „Und auch ein Rauskommen verhindern sollte.“ fügte Karin an. „Warum haben die nur so viele von den Dingern gebaut? War das denn wirklich nötig?“ fragte ich in die Runde. Die Antwort sollten wir am folgenden Tag in Tirana erhalten.


BunkArt 1 war die zweite, große und von TripAdvisor empfohlene Ausstellung. Eine alte, riesige Bunkeranlage im Wald, am Rande der Hauptstadt. Wir stiegen hinab in die Katakomben und ein unvergleichlicher, konservierte Duft der 70er-Jahre Diktatur stieß uns stechend entgegen. „Puhh, das ist ja kaum zum Aushalten.“ In bedrückender, beängstigender Atmosphäre arbeiteten wir uns Raum für Raum durch die Geschichte Albaniens. Schon immer irgendwie besetzt, von den Osmanen, von den Griechen, Balkan-Krieg, dann kamen die Faschisten. Erst die Italiener, dann die Deutschen. Ein Land unter ständiger Unterdrückung. Dem setzte Enver Hoxha nach dem zweiten Weltkrieg ein vermeintliches Ende. Er ließ Zäune und Bunker gegen eine weitere Invasierung bauen und brach mit allen: dem Westen, mit Russland und schlussendlich mit China. Er riegelte alles ab, säuberte die Religionen und brainwashte die Gesellschaft mit Propaganda und den üblichen diktatorischen Mitteln. „Harter Tobak.“ „Kann man sich nicht vorstellen, dass man das heute wieder haben will.“ 


Wir verließen ernüchternd den Bunker. Albanien war kein einfaches Reiseland. Es tat weh, teilweise höchst unangenehm und dennoch freundlich, stets bemüht und immer wieder für Überraschungen zu haben.


Wir schleuderten unsere letzten Leken für eine Gondelfahrt in die Berge Tiranas heraus. Und dann nahmen wir noch mal das letzte (real) Escape Game in den Augenschein. Karin am Steuer und Petra die Karte, navigierten beide zielsicher durch das Labyrinth Tiranas, um unsere B&B Unterkunft zu erreichen. Durch das Verkehrschaos, entlang enger Gassen und hupender Karren und Mopeds. „Souverän.“ applaudierte ich. Und mir blieb dann der letzte Part. Während Karin einen Parkplatz suchte und Petra die Koffer am Rande einer stark befahrenen Straße bewachte, machte ich mich anhand der Hinweise auf die Suche nach unserer Unterkunft. Durch eine dunkle Unterführung, in einen verdreckten Hof, unter einer Baustelle die Treppen hinauf und an das „Amazon Basic“ Schloss. Hier gab ich die Codezahlen für den Schlüssel ein, der mir anschließend entgegen fiel. Im Hintergrund misstrauisch beäugt von den zwei Bauarbeitern. Mit dem Schlüssel in das dunkle Gebäude und die alten, verdreckten Treppen hinauf, zur Tür am Ende des Gangs. Dahinter ein Palast im Vergleich zum Rest der Umgebung. Geschafft!  


Albanien. Wird uns in Erinnerung bleiben. Werden wir noch drüber sprechen müssen. Besonders. Ziemlich speziell. Eins halt wie keins. 


Faleminderit Albania.




Aus „Tschick“


Seit ich klein war, hatte mein Vater mir beigebracht, dass die Welt schlecht ist. Die Welt ist schlecht, und der Mensch ist auch schlecht. Trau keinem, geh nicht mit Fremden und so weiter. Das hatten mir meine Eltern erzählt, das hatten mir meine Lehrer erzählt, und das Fernsehen erzählte es auch. Wenn man Nachrichten guckt: Der Mensch ist schlecht. Wenn man Spiegel TV guckt: Der Mensch ist schlecht. Und vielleicht stimmte das ja auch, und der Mensch war zu 99 Prozent schlecht. Aber das Seltsame war, dass Tschick und ich auf unserer Reise fast ausschließlich dem einen Prozent begegneten, das nicht schlecht war. 




















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