Travelling with deutsche Lufthansa

 "Wie kriegen wir denn nun diese Kuh wieder vom Eis?" fragte ich mich am Dienstag, um 15 Uhr deutscher Ortszeit, als wir nach 24 Stunden Dauerwarteschleife im Lufthansa Telefonnetz immer noch keine Auskunft über den nicht mehr vorhandenen Hinflug unserer Reise nach Norwegen erhalten hatten. Kurze Randnotiz: Der Flug nach Tromso sollte am darauffolgenden Mittag stattfinden, in unserem Buchungsportal war jedoch nur noch ein One-Way Ticket 'Rückflug' aufgeführt und der Check-In Button gänzlich ausgegraut. Mittlerweile hatten wir die halbe Bundesrepublik zur Problemlösung dieses Dilemmas einbezogen. Doch weder lokale Reisebüros, noch ehemalige Flugbegleiterinnen wussten sich einen Rat zu diesem Buchungsfauxpas. Währenddessen klimperte die fröhliche Lufthansa Jinglemusik vor sich hin un erkärte uns abwechselnd in Deutsch und Englisch, dass derzeit ein unerwartet, hohes Anrufaufkommen festzustellen war. Seltsam.

Als das mobile Endgerät von becks schon rot glühte und man problemlos ein bis zwei Omeletts darauf hätte anrichten können, erklang nach 2,5 Stunden völlig überraschend eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Wohl gemerkt: Jeder von uns war über zwei Tage hinweg mehrfach aus der Leitung geflogen, aber natürlich erst, nachdem man darin mindestens eine Stunde verharrt hatte. "Oh, haben sie da keinen Anruf von uns im Juli erhalten? Der Flug ist doch seit 2 Monaten gecancelt"? "Ähm, nein." erwiderte becks gewohnt freundlich. "Aber ich habe dieses Storno bereits selbst im Juli festgestellt und mit ihrer Mitarbeiterin umgebucht." "Ach, das muss hier irgendwie im System hängen geblieben sein. Ich versuche Sie dann jetzt noch mal umzubuchen." Sehr freundlich. Mittlerweile konnte ich über inoffizielle WhatsApp-Kanäle ebenfalls einen Durchbruch erlangen und via weitergeleiteteter Sprachnachricht, aus dem Control Center der Lufthansa, die beruhigende Mitteilung erhalten, dass am Abflugschalter alles gut gehen sollte. (Das sehen wir dann morgen.)

Eigentlich hatten becks und ich vor Monaten nur eine unscheinbare Flugreise mit 6-tägigem Aufenthalt in Tromso, der nördlichsten Metropole Europas, gebucht. Doch schon der Weg dorthin war, aufgrund der sich ständig wechselnden Corona Bestimmungen, ein reines Lottogewinnspiel gewesen. "Ich glaube erst, dass wir dort angekommen, wenn wir in der Maschine sitzen. Und zwar in der zweiten, in der von Oslo." "Ich rechne jederzeit damit, dass ich morgen doch noch auf die Arbeit gehe, anstatt um 13:05 Uhr in Frankfurt abzuheben." 

"Ich wünsch euch mal kein 'kommt gut wieder heim' sondern erst einmal ein 'Kommt gut hier weg'“, rief mir Gogo zu, der das Buchungsdilemma in der Mittagspause noch mitschnitt.
Ihr dürft tatsächlich bis zum Schluss gespannt bleiben, ob wir den Flug, mit Zwischenstopp in Oslo, am Mittwoch antreten oder wieder auf Los und ohne Erstattung der Buchungsgebühr, in das lovely-Lahn-Dill-Bergland, zurück geschickt werden.

Zwischendrin wurden dann noch ein paar Koffer gepackt, sich darüber gewundert weshalb man trotz des verregneten Sommers, in ein noch viel mehr verregnetes Norwegen, mit der nordmöglichsten Destination in den Ausläufen der Arktis, gewählt hatte und viel mehr Jacken als kurze Hosen einpacken muss. "Was haben wir uns nur wieder dabei gedacht?" kontaktierte ich becks. "Keine Ahnung, aber pack dir bitte noch einen Pulli ins Handgepäck. Ich erwarte einen Temeperaturabsturz in Tromso!"

In diesem Sinne, let the cold adventure begin. Fürs Erste hoffen wir auf Polarlichter, arktische Wanderungen und Kayak-Abenteuer. Aber mal schauen, mit wievielen unnützen Schals und Winteraccessoires wir aus Tromsos Sommerschlusverkauf "Oh, da ist ja auch ein Zara!" am Ende wieder zurück kehren werden.


** Spoiler: Bis Oslo sind wir gekommen, den Anschlussflug haben wir bereits verpasst 


 

Cover me in sunshine.

4-tägige Hüttenwanderung in der Geislergruppe. Campil - Schlüterhütte - Regensburgerhütte - Puezhütte. Großer + Kleiner Peitlerkofe, Piz Duleda und östliche Puezspitze. Sellaronda mit dem Mountainbike.

Bella ciao!

"Die Normalität ist eine große gepflasterte Straße;
man kann gut darauf gehen - doch es wachsen keine Blumen auf ihr." - Vincent van Gogh

"Es ist 5:37 Uhr, guten Morgen Kumpel!"- Es war schier unglaublich. Trotz, dass wir immer die Ersten beim Aufstehen waren und mit als die Ersten am Frühstückstisch saßen, waren wir trotzdem jedes Mal die Letzten, die von der Hütte wegkamen. Auch am letzten Wandertag sollte sich das nicht ändern und ich fragte mich, ob dies an der, künstlich in die Länge gezogenen, Frühstückszeremonie, dem ständigen Suchprogramm von Sachen oder der Tatsache, dass wir einfach von Frauen waren, lag.
Wir hatten uns am Tag zuvor entschlossen unsere Wanderroute zu ändern und den dritten Gipfel am letzten Tag zu besteigen, damit wir nicht nur Abstiegspassagen hatten. Wir setzten noch mal alle verfügbaren Reserven der Lokomotive Mittelhessen in Gang und tuckerten die östliche Puezspitze, auf 2.913 Meter, hinauf. Der Gipfel war völlig verwaist und so konnten wir das ganze dolomitische Bergpanaroma genüsslich aufsaugen. Die Stille genießen. Natur pur spüren. Und das plötzlich verfügbare, mobile Datennetz zum Glühen bringen. Selbst Löön ließ sich zu einem Selfie auf der Gipfelspitze hinreißen. Ich glaubte meinen Augen kaum, dass sie ihr Endgerät überhaupt in greifbarer Nähe hatte und in in diesem Moment telefonisch erreichbar gewesen wäre!


Wir kehrten pünktlich zur Mittgaspause noch einmal in unserer lieb gewonnene Puezhütte ein und nahmen, neben einem kleinen Mittagssnack, noch einen letzten Absacker in Heuschnapsform ein. Dieser war auch bitter nötig, denn was anschließend als Abstieg folgte, forderte abermals Höchstkonzentration und Schwindelfreiheit. Die alles andere als Knie-schonende Passage, durch einen lang gezogenen, steilen Felsen, wurde abermals zu einer kleinen Herausforderung. "Leaving comfort zone" wurde Laris Lieblingsspruch und ich gab nur noch Anweisungen an die beiden Go-Pro Trägerinnen für ordentliches Bildmaterial zu sorgen, da ich selbst, mental nicht mehr dazu in der Lage war. 


Ohne Stürze und Verletzungen gelangten wir in gemäßigtere Gefilde und erreichten langsam, aber sicher die Baumgrenze. Ab da an zog sich der Rückweg wie Gummi. Kristin spürte ihren Zehen nicht mehr, Lari und Sonja klagten über Knieschmerzen und ich kämpfte gegen den enormen Sonneneinfluss an. Nur Löön schien noch wohlauf und allseits bereit. Aufgrund einer Wegsperrung, mussten wir auf den letzten Metern noch einen Asphalt lastigen Umweg einnehmen, erreichten schlussendlich jedoch unser Ziel, an dem unser Fahrzeug 4 Tage auf uns gewartet hatte. Kurvenreich gelangten wir gegen 18 Uhr nach Corvara, unserem Beherbergungsort für die nächsten Tage und verspeisten dort die köstlichste Pizza Italiens. Eccezionale!


Am nächsten Morgen trennten sich unsere Wege. Sonja und Lari hatten sich, in weiser Voraussicht, gegen den Moubtainbikekurs und die anschließende Tour entlang der Sellaronda entschieden. Anstattdessen wurde gewandert und Jimmy's Hütte aufgesucht, die einen Alleinunterhalter für die musikalische Untermalung zu bieten hatte, von dem die beiden Ladys noch Tage später schwärmten. Währenddessen erlernten Kristin, Löön und ich auf einem "Spielplatz" die Disziplinen "sicheres Bremsen auf Schotter", "Gleichgewicht halten" und "Staffelübergabe auf dem Rad". Tourguide "Alex" war das Beste, das uns passieren konnte. Er gab nicht nur hilfreiche Tipps und Anweisungen, die selbst Löön und Kristin neu waren, sondern blieb auch mit mir sehr geduldig, da ich nicht unbegründet als unsicherste Fahrerin galt. Wir waren noch nicht richtig losgefahren, da legte sich Kristin schon im weichen Schotterbett, verletzungsfrei, hin. "Gut, dass dir das hier unten passiert, morgen werden wir sehr viele dieser Passagen haben." Uff, das war schon mal eine Ansage und uns wurde klar, dass Sonja spätestens hier ausgestiegen wäre. Als wir zum Training den ersten Berg hinter Alex hinterher hechteten und die erste Testpassage erreichten, wussten wir warum Lari eine sehr weise Entscheidung getroffen hatte, als sie die Wanderung am Morgen gewählt hatte. Lediglich mir war nicht klar, warum ich nicht so schlau gehandelt und mich den beiden angeschlossen hatte, denn schon bei der ersten Hürde kapitulierte ich nach 3 Anläufen. "Du siehst Dinge, die nicht da sind", versuchte mir Alex zu erklären. "Aber da ist doch ein Fels und da hinter noch zwei Felssteine und Wurzeln und Schotter. Und ein Abhang." dachte ich mir. "Lass den Kopf die Linie zeichnen, entscheide dich für einen Weg und ändere ihn dann keinesfalls mehr um". Ok, das klang für mich sehr plausibel, aber was, wenn der Weg mir schrieb "Warum willst du das überhaupt fahren?!?"


Die Testphase lief ansonsten gut und nur der Rückweg ging Kristin und mir an die Substanz, kamen wir dem Tempo von Alex und Löön nicht annähernd bei. Zur Erholung und Entspannung ließen wir uns nachmittags an einem Biotop nieder. Herrliches Wasser. Blick auf die Dolomiten. Sonne. Der Tag endete für mich allerdings in einer Apotheke, hatte ich mich in dem nadelichen Gefilde wohl einem allergischen Schock ausgesetzt, der mein linkes Auge in einen kompletten Systemausfall versetzte. Kein Affengriff und auch kein Reset möglich. Augentropfen. Ruhe. Schlaf. 


Das linke Auge erwachte wieder zum Leben und somit fand ich mich am folgenden Tag in Fahrradmontur, Ellenbogen- und Schienbeinschonern, sowie einem neu erworbenen Helm, mit Kristin, Löön und Alex vor der ersten Gondel wieder. Die Achterbahnfahrt an der Sellaronda sollte beginnen. Es gab kein Zurück mehr. Schottergeröll. Steile Abfahrten. Wurzeln. Steine. Felsen. Kurven. Enge Passagen. Sessellift. Und das Ganze wieder von vorne. Lööns Augen strahlten und das Grinsen war nicht mehr aus ihrem Gesicht zu bekommen. Willkommen im Biker-Paradies. Ein bisschen Höhenmeter, ein bisschen schwitzen und dann wieder bergab. Downhill. Volle Konzentration. Auf den Weg. Auf das Fahrrad. Und auf die passierenden Wanderer. Unsere Fingerspitzen wurden wund vom Bremsen. Den rechten Zeigefinger spürte ich kaum noch. Immer in Affenhaltung auf dem Bike, Arme so weit wie es geht nach Außen und niemals die Contenance verlieren. Alex führte uns hervorragend, wies auf Schlüsselstellen hin und fuhr mit mir zwei Skiabfahrten separat, während die anderen beiden den schwarzen Waldtrail nahmen. Wir wurden sicherer. Ich fuhr "Wege" auf denen ich niemals gefahren wäre. Wurzelstufen, Steinvorsprünge, steile Abhänge. Der augewirbelte Staub flog uns um die Ohren, wir wurden schneller, schmetternden die Abfahrten hinunter.

"So, Juli, jetzt filme ich aber dich mal." Kristin wollte mir gut, hatte sie bisher nur Solo-Filmmaterial von Löön gesammelt. Ich legte mich ins Zeug und fuhr als mittlerweile „Schottermasterin“ über die Piste. Dann kam ein höherer Felssprung und ich unter die Räder. Ich schlug mit dem rechten Knie auf, das Fahrrad flog auf mich. Schmerz. Adrenalin. "Alles ist gut." Nach der Flugeinlage machten wir erst einmal Mittagspause. Ich warf mir eine Ibu ein, säuberte die Wundstellen und dann ging es weiter. Es gibt immer nur zwei Optionen: Aufgeben oder Staub abwischen und weitermachen.


Ich weiß nicht mehr wie viele Gondeln und Lifte wir hochgefahren und dann wieder runtergebrettert sind. Wir waren so hoch und dann in Windeseile wieder unten. Das hatte rein gar nichts mit dem Image-Video auf Youtube zu tun, welches mir noch vor 2 Monaten als Trailer für diese Tour präsentiert wurde (ansonsten hätte ich nämlich nicht gebucht ;-)). Die Achterbahnfahrt nahm kein Ende. Ich konnte nicht mehr, ein ganzer Tag war mir zu viel. Zum Glück hatte uns Alex mit dem vorletzten "Family Trail" noch ein Filetstück serviert. "Ein Trail für die Seele!", bedankte ich mich bei ihm, nachdem wir das 4-Kilometer lange Stück, mit vielen Kurven ohne Wurzeln und Steinen beendet hatten. Die letzte Abfahrt verlangte noch einmal alle Reservekräfte und Konzentrationsbatterien ab und Kristin legte sich an einer Stelle noch mal in die einzige Pfütze Südtirols, aber ansonsten blieben wir unbeschadet. Für alle Mountainbike-Fans ist dieses Adrenalin- und Achterbahnerlebnis nur zu empfehlen. - Am besten mit Guide und am besten mit Alex ;-)!

Ein letztes Mal kehrten wir in unsere Lieblings-Pizzeria "Fornella" ein, in der wir es uns mit hauchdünner Pizza, beträufelt mit Chili-Olivenöl, einem Zitronen-Sorbe und Abschlussschnaps noch einmal gut gehen ließen. Am nächsten Morgen verließen wir Corvara, vollgepackt und zwei große Heusäcken im geräumigen Kofferraum, die Sonja einem Bauern noch für ihre Hasen abschwatzte. Der Rückweg gestaltete sich nicht weniger kurz und wir benötigten abermals 12 Stunde Fahrzeit um nach Hause zu gelangen. Mein Knie pochte und schwoll an und freute sich schon auf den nächsten Tag, an dem ein Freundschaftsspiel zu bestreiten war. Doch Dank Ibu und einer wunderbaren Gesellschaft lässt sich vieles aushalten und bestreiten. Ein Hoch auf so eine bereichernde Konstellation an Menschen. 

Und was eine Tour! Aktiv+ und trotzdem erholt. Die Berge und besonders die Dolomiten, sind unvergleichlich. Balsam für die Seele. Eine kleine Tankstelle des Glücks bei all dem Chaos auf dieser Welt. Mille Grazie Dolomitis! :)

Erkämpfte Meter:

61,65 Bike-Kilometer
50,48 Wander-Kilometer
3.700 Höhen-Wander-Kilometer

 Top 3: unnütze Mitnahmen:
 1. "Green Pass"
 2. lange Jeans
 3. Corona Schnelltest

Top 3: wichtigste Mitnahmen:
 1. "Gitti" - Handdesinfektion mit Bergamot-Aroma
 2. Trinkflaschensystem
 3. Ibuprofen

"Gli occhi sono lo specchio dell'anima" - Die Augen sind der Spiegel der Seele.













Save your tears for another day.

„Schnaufi, schnaufi, ich schnaufe bis zum Schluss, ich bin ein Schnaufapparat.“ - Dolomitischer Chorgesang bei sämtlichen Aufstiegen.


Corona hatte - ohne Frage - auch Spuren bei uns hinterlassen. Wo sich Kristin in 2020 noch „unterdrückt“ gefühlt hatte, so bemerkte Sonja dieses Jahr, dass sie völlig unterwandert war. Die Höhenmeter machten nicht nur unseren ehrgeizigen, zwei Maschinen zu schaffen. Löön und ich bekannten uns schon nach wenigen Stunden zum Fan von Laris Wandertempo, die als Neueinsteigerin in unsere Wandertruppe gefunden hatte und Selis Platz nahtlos einnahm. „Ich mag ja wandern, aber DIESE BERGE!“


Wir waren am Samstag, nach 12 anstatt 8 Stunden Fahrt, in Südtirol angekommen. Wichtige Innenstädte, wie die von Stuttgart und Ulm, mussten auf der Bildungsreise mit erkundet werden, während uns unsere Navigationssprecherin mehrfach und hochmotivierend darauf hinwies, dass wir uns immer noch auf der schnellsten Route befanden. Zum Glück hatten wir die 25 Kilo Proviant an Board, die wir während der endlos vielen Staus, zu einem gefühlten Drittel bereits aufbrauchen konnten. 


In Stefansdorf angekommen, erstrahlte das neugebaute und schick eingerichtete Ferienwohnhaus, in der Abendsonne vor uns. „Letzter Luxus vor Hüttenleben.“ In einem riesengroßen Topf richteten Löön und Kristin im One-Pot-Verfahren ein vegetarisches Pastagericht an, während Lari den Aperol-Aperitif arrangierte und ich den Vorspeisenteller dekorierte. Gegessen hatten wir schließlich noch lange nicht genug! Sonja untermalte währenddessen die Kochsession mit einer Deutsch-Rap Playlist, da wir uns zum Ziel gesetzt hatten, bis zum Tourende alle Musikgenres einmal durchgehört zu haben. 


„Es ist 5:33 Uhr, guten Morgen Kumpel!“ richtete Mickey Mouse hochmotiviert die Worte an uns. Zerknirscht und verschlafen servierten wir das Frühstück und machten uns im Halbdunkeln auf nach Campil, unserem Startpunkt für die 4-tägige Wanderung. Wir hatten noch keine 50 Meter zurückgelegt, da hörte man schon die jährlich bekannten Reklamationen. „Boah, ist das heiß, ich muss erst mal abzippen!“ „Der Rucksack sitzt nicht richtig!“ „Wo ist eigentlich die Mülltüte?“ „Ich finde es ist jetzt mal Zeit für ein Image-Foto.“ und „Mist, ich habe meine Stöcke stehen gelassen.“ 


Nachdem die üblichen Startschwierigkeiten überwunden waren, führte uns der Weg, bei bestem Kaiserwetter, entlang von alten, hölzernen Mühlen, vorbei an der Baumgrenze bis hin zu einer Windows-XP Wiesen-Landschaft, die ein kleines Dorf mit Holzhütten, inmitten eines saftig-grünen, hügeligen Gras-Terrain offerierte. Die Höhenmeter machten sich bei allen Beteiligten im Atmungsbereich bemerkbar und Lari forderte eine zweite, externe Lunge. „So eine Cloudlösung für ein weiteres Sauerstofforgan wäre gar nicht so verkehrt.“ Bis zur Scharte und Halbzeit des 8-stündigen Aufstiegs, führten undankbare Stufen, die auch unsere zwei Maschinen an ihrer Grenzen trieben. Danach wurde es kantig bis schottig. Der lose Untergrund forderte höchste Konzentration und Trittsicherheit. Lari musste die Operation „Hüttenwanderung“ mehrfach, still fluchend, in Frage gestellt haben und auch ich rief bei jeder Gelegenheit den „Maschinenstopp“ aus, damit Lokomotive Mittelhessen nicht gänzlich auseinander driftete. Unsere erste Gipfelspitze, den kleinen Peitlerkofel, auf 2.813 Metern, erreichten wir gegen 14:00 Uhr. „Ja prima, dann können wir ja noch deh großen Kofel machen.“ grinste Löön und ich schaute ungläubig auf den unwegsamen Klettersteig, der steil in die Höhe führte. „Meint ihr wir schaffen das vor dem angekündigten Gewitter?“ fragte Sonja, die zwar vor Motivationshoch kaum zu stoppen war, die Gefahr der Berge jedoch nicht unterschätzte. Dank hervorragendem 4G-Empfang in italienischen Hoheitsgebieten, checkten Kristin und Löön postwendend das Wettergeschehen auf bergfex.com und gaben grünes Licht „Kein Wölkchen weit und breit.“ Wir näherten uns dem Einstiegspunkt und ich starrte zweifelnd zum Gipfel. Beim ersten Windstoß wand sich Lari an mich „Zeit für Kapitulation?“ Dankbar nahm ich die gedankliche weiße Fahne in die Hand. Während sich Lari und ich im immer stärker kalt werdendem Wartebereich des Gipfeleingangs aufhielten, marschierten Sonja, Kristin und Löön in einem Affenspeed den Klettersteig nach oben. Je mehr die drei sich dem Gipfel näherten, desto schlimmer zog sich die Suppe zu. Nach einer gefühlten Ewigkeit sahen wir unser Bergziegen-Trio von der Spitze wieder herunter galoppieren. Mittlerweile hatten Lari und ich sämtliche verfügbaren Kleiderstücke übergestreift, peitschte uns der gnadenlose Wind auf 2.500 Metern nur so um die Ohren. Kaum hatten die drei uns erreicht und wir unseren gemeinsamen Weg Richtung Schlüterhütte fortgesetzt, perlten die ersten Regentropfen an uns herunter. Sonja lauschte mit spitzen Ohren in die Ferne. Grollen. Leichtes Donnergeräusch. Und der Regen wurde stärker. Panisch warfen wir die Regencapes über unsere Rucksäcke, als ich feststellen musste, dass ich das falsche Objekt eingepackt hatte und nur ein Drittel des Backpacks bedeckt war. Gedanklich spielte ich die Konsequenzen im Kopf durch. Nasse Klamotten, nasser Schlafsack. Es war zum Heulen. In diesem Moment setzte der Hagel ein und schoss scharf von der Seite in unseren Laufweg. Es nützte alles nichts, wie spurteten den losen Untergrund weiter hinunter und hielten die Luft an, in der Hoffnung, dass sich das Gewitter eine Alternativroute suchen würde.


Da wir allesamt Glückspilze sind, wie wir wieder einmal feststellen mussten, stellte sich nicht nur das Grollen nach einer Weile ein. Nein, auch die Sonne kroch wieder vor den Wolken hervor und trocknete, auf der letzten Stunde Wanderweg, all unsere Klamotten, sowie meinen Backpack. Dem Himmel sei Dank! In der Schlüterhütte erwartete uns ein kleines Bettenlager, 3-Minuten Duschfreude, sowie warme Suppe, leckere Hauptgerichte und ein selbstgebrannter Hüttenschnaps mit dem Aroma Fichtennadelholz. Lecker. Schmecker.


„Es ist 22:00 Uhr, gute Nacht Kumpel.“ Die Mickey Mouse verabschiedete uns in die Hüttenruhe, die von manchen Gästen in der oberen Etage eher als Hüttengaudi verstanden wurde. Eine unruhige Nacht mit wenig Tiefschlafphase begleitete uns in den Morgen und ließ uns den nächsten Tag nur mit einer deutlichen Überdosis Kaffee überstehen. 


Starterfoto. „Muss noch mal auf‘s Klo“. „Hab meine Stöcke liegen gelassen.“ „Ach, ich zipp doch schon ab.“ - Die üblichen Umstände ließen uns mal wieder erst um 9 Uhr, statt um geplant 8 Uhr starten. 


„Du hast schon 150 Stockwerke hinter dir, gut gemacht Kumpel!“ Auch die gut gemeinten und motivierenden Worte Mickeys, sowie das grandiose Wetter und das unfassbare Bergpanorama, ließen die Anstrengung des erneuten Aufstiegs nicht ganz in den Hintergrund rücken. „Blood, sweat and tears.“ zitierte Lari Winston Churchill, als der nächste Anstieg folgte. Tourführerin Kristin hatte eine ausgeklügelte Route erarbeitet, die uns über Alternativwege zur Regensburger Hütte führen sollte. Fernab des Wandermainstreams, arbeiteten wir uns eine achtlos liegen gelassene Scharte hinauf, auf der weit und breit kein Wanderer zu sehen war. Einmal mehr gab der lose Untergrund unter jedem Schritt ein paar Steinchen frei, mit der man mühelos eine kleine Gerölllawine lostreten hätte können. „Konzentration Leute, nicht nachlassen.“ Die Fußballfloskeln ließen sich auch problemlos beim Wandern einwerfen, wie ich feststellen konnte. Der enge Schacht forderte uns mal wieder einiges ab, doch wir erreichten sicher das Ende mit Ausblick, an dem wir auch unsere Mittagspause einlegten. 


Während sich Löön Kortings Pefferbeißer zwischen die Zähne schob, Lari ihr zweites Brötchen verspeiste und Kristin genüsslich in den Apfel biss, wurde Sonja plötzlich hellhörig. Steingeröll. Scheppern. Abrutschgeräusche. Ihre Adleraugen wandten sich die Scharte hinab und sie erspähte einen einzelnen Wanderer, der uns wohl gefolgt war, dort unten aber weder vor noch zurück kam. Alarmierend rückte das Bergretter-Duo Sonja und Kristin aus, die sich den gefährlichen Weg wieder hinunter wagten, um den, in der Klemme sitzenden, Wanderer zu retten. Mit viel moralischer und mentaler Unterstützung gelang die Rettungsaktion und der Slowake wurde gesichert nach oben geführt. „Da waren’s plötzlich sechs. Na besser so als anders herum.“ Es stellte sich heraus, dass „Patrick“ ursprünglichen mit seinen Freunden unterwegs war, sich aber unten, aufgrund des besseren Bildmaterials, von seiner Truppe getrennt hatte und den Alternativweg unserer Scharte wählte. Fototourismus. Der neue unnatürliche Feind des Menschen. 


Gemeinsam stiegen wir mit Patrick den restlichen Weg bergab, der nicht weniger gefährlich und konzenrationswürdig war, bis sich unsere Wege an einer Kreuzung zu der jeweiligen anderen Hütte trennten. Da wir recht früh die Regensburger Hütte erreichten, entschieden wir erst mal ein Kaltgetränk einzunehmen und die Sonnenstrahlen genüsslich aufzunehmen, ehe wir den Duschvorgang vollziehen wollten. Ein grober Schnitzer von uns, der sich später rächen sollte. Trotz, dass wir diesmal gemeinsam in einem Fünfer-Zimmer untergebracht waren, gab es pro Etage nur eine Dusche. Die Duschzeit war zudem nicht vorgeschrieben, - eigentlich also - der Jackpot schlechthin. Wäre da nicht die 14-köpfige Wandertruppe vor uns gewesen, geschweige denn von dem französische Pharmazie-Quartett, mit denen wir uns gefühlte stundenlang im Flur in der Schlange unterhielten, bis wir endlich die subtropische Badvorrichtung erreichten, um endlich in den Duschgenuss zu gelangen. „Da hat uns doch jemand hinter die Fichte geführt.“ sprach Löön, die sich das dolomitische Tageblatt zu Gemüte geführt hatte und ihre neu gelernte Floskel zum Besten geben wollte. Bei Heidelbeerlikör und frisch Gezapftem beendeten wir mit einer Runde Wizard (das ist übrigens so ähnlich wie Metho-Skat) den Abend und begaben uns in eine erneute unruhige Nacht. 


„Kristin, wir sind die Tolpatschinen, aber du bist unser Häuptling.“ bemerkte Sonja, als sie Kristins abgebrochenen Zehnagel am kleinen Onkel betrachtete, der am Abend zuvor eine Begegnung mit der Duschwand hatte. Trotz Pflaster und Kenesio-Tape schienen die Schmerzen kein Weiterlaufen zu ermöglichen. Als letzte Konsequenz, vor Gondelabseilung, entfernte Kristin die Sohlen aus ihren Wanderschuhen und biss, wie einst Reinhold Messner, die Zähne zusammen, um die Reise weiter fortsetzen zu können. „Es ist 8:47 Uhr, auf geht‘s Kumpel“ eröffnete Mickey die dritte Etappe, die wir wieder einmal nicht pünktlich um 8 Uhr starten konnten. Bergidylle. Sonne. Wolkenlos. „Die letzten zwei Wochen war hier alles bedeckt. Regen, Nebel, Gewitter.“ Wir mussten mal wieder feststellen, dass wir einfach Glückspilze waren.


Nach weiteren Höhenmetern, Gepuste, Gekeuche und Atemlosigkeit, erreichten wir die Abenteuerpassage Klettersteig. „Kurz und knackig!“ sagte Kristin an. Und nun merkt euch einfach, dass kurz und knackig, ins Deutsche übersetzt, „Lang, diffizil und schwindelfrei“ bedeutet. Nach dieser adrenalinreichen Kletterpartie, warfen wir die 8-Kilo schweren Rucksäcke auf das Plateau, von dem man einen einzigartigen 360 Grad Panoramablick auf die Dolomiten hat und begaben uns in Richtung Gipfel Nummer 2: Duleda, 2.909 Meter. „Grenzerfahrungen. Das hier sind einfach nur Grenzerfahrungen.“ Lari hatte ihr persönliches Fazit schon lange gefasst. „Kranke Sachen, die ihr hier macht. Aber ich zieh das jetzt durch.“ Und wir zogen alle vor ihr unseren nicht vorhandenen Hut für diesen Löwenwillen. 


Nach einer Mittagspause, bei der wir unsere Mülltüte versehentlich am Plateau stehen gelassen hatten (Müllkarma ade), nutzten wir mal wieder unbewusst eine Alternativroute, die uns durchs Murmelieland führte. Die kleinen Wesen versüßten uns diesen Umweg, der uns mindestens 45 Minuten Verzug im Off-road Geröll bescherte. „Mag noch jemand Gitti?“ Lari führte, trotz der immensen Anstrengung, diverse Verkaufsgespräche und offerierte uns an jedem Pausenstopp diverse Produkte aus „Die Höhle der Löwen.“ Erfolgreich. Gedanklich packten wir bereits unseren Amazon-Warenkorb mit Handdesinfektion inkl. Bergamot-Aroma und Trinkflaschen im New-Hipster-Holzoptik Style. 


Nach einer weiteren schier unendlichen Auf-und Abtour, erreichten wir endlich die Puezhütte, die schon von Weitem mit italienischer Flagge winkte. Bettenlager 3-stöckig, 4-minütige Subtropen-Dusche und eine Steckdose für 20 Gäste. Willkommen im Hüttenleben. Bei so einer Anstrengung mussten wir uns nicht weiter überlegen, ob wir uns das 4-Gänge Menü am Abend gönnen sollten. „Was kostet die Welt!“ Und so wurde uns erst eine köstliche Bohnen-Gemüsesuppe, ein anschließender Bowl-Salat, sowie eine gegrillte Gemüseplatte mit gebackenem Käsesandwich und abschließend ein vorzüglicher Kaiserschmarren gereicht. Um den Abend, wie immer geschmackvoll und gebührend zu beenden, gönnten wir uns außerdem den selbstgebrannten Hüttenschnaps. Im Abgang Heu-ig. 


Vor 22 Uhr erklommen wir dann den vorletzten Gipfel unserer Wanderung. Unser 3-Stock Bett, das die Form einer Bienenwabe hatte. Sonja, die an oberster Stelle lokalisiert war, fiel erst oben auf, dass sich ihre Ohropax in 5 Meter Tiefe befanden. „Ach egal, das stehe ich heute Nacht auch so durch.“, sollte sich nach dem ersten gestarteten Sägewerk als Fehler bemerkbar machen. Tiefschlaf? - Wer braucht den schon?!


.. to be continued ..











Viva le Dolomitis

Wir hatten noch nicht das erste Fahrrad eingeladen, da schepperte es auch schon durch den Bus und Kristin hielt ein 100%-Plastik-Verkleidungsobjekt der Innenbeleuchtung des Sprinters in der Hand. Sachbeschädigung Nummer 1 an Tag -1. Ihr Bruder und Besitzer des geräumigen Vehikels wird es ihr hoffentlich verzeihen. Wir sagen an dieser Stelle >DANKE< an Familie und Autohaus Grau, die uns die Basis für unseren 7-tägigen Trip in die Dolomiten verschaffen hat. Denn wo sonst hätten wir die 25 Kilo Proviant verstauen können, die sich im Laufe der Woche in der WhatsApp Gruppe exponentiell nach oben geschraubt hatte. Noch immer ist mir nicht ganz klar, ob wir den Dolce-Vita-Kochworkshop „Eat.Pray.Love“ in Norditalien gebucht haben oder unserem eigentlichen Ziel „Aktivurlaub – aber bitte streicht das Wort Urlaub“ nachgehen werden. Laut Travel Sheet stehen uns 4 Tage Hüttenwanderung und 2 Tage Fahrrad (ohne das E-wie Elektro) in den Dolomiten bevor. Bestes Trainingslager für die kommende Fußballsaison 2021/22. Kurzer Spoiler: Die Wertigkeit des Damenfußballs in der Kreisklasse wird in diesem Kalenderjahr noch mal in ein ganz besonderes Statistenlicht gerückt.

Doch nicht nur Fußballerinnen sind beim diesjährigen Hüttentrip an Board. Fraktion „Lehrerschaft“ schafft es einmal mehr aufs Podest, sodass wir um ein Haar einen Bildungsurlaub hätten anmelden dürfen. Meinen Mathehefter und die Vokabelkarten werde ich dennoch zu Hause lassen, da sich der 45-Liter umfassende Backpack gerade so noch schließen lässt. Immer diese minimalistischen Reisen, bei denen man sich aufs Wesentliche konzentrieren muss und ja kein Top zu viel mitnehmen darf. Aber wehe denn man denkt nicht an OP- und FFP2-Masken, Desinfektionsmittel, Impfnachweise und den European Digital Passenger Locator, für den man mindestens studiert, aber wenigstens einen Englisch-Leistungskurs besucht haben muss. Und – ach ja - da haben wir ja auch noch die eine Bazille an Board, die einen extra Rucksack mit Covid-Schnelltests mit sich führen wird, da just in diesem Moment wieder ein negatives Testergebnis, bei nicht vollständiger Impfung, in sämtlichen Restaurants und Hotels Italiens vorliegen muss.

Was sind schon 3.000 Höhenmeter, alpine Klettersteige, steile Abhänge, felsige Trails und unbequeme Matratzenlager gegen das eigentlich größte Abenteuer am Ende unseres Trips: Werden wir ohne Quarantäne und ohne Corona-Zwischenfälle jemals wieder in das geliebte ‚Good old Germany‘ zurückkehren dürfen?!?

In diesem Sinne – Dolomiten wir kommen!