50 Shades of Jordan

Übern' Tisch gezogen hat mich der Hassan Fathi Abu! Läppische 340 JOD (Jordanische Dinir) ist der 500€ Schein noch wert, wie könnte es nur soweit kommen? Als ich mit der britischen Maschine sicher den Flughafen Ammans ansteuerte, war meine erste Handlungstat in Besitz jordanischer Währung zu gelangen, prangerte mir am Zoll schon in Fettschrift "Visum - 40 JOD" entgegen. Hassan lachte sich im Exchange-Büro bereits ins Fäustchen, als ich mit entsetztem Blick den Währungskurs in Augenschein nahm. Weitere 20 Dinirs zog er großzügig als seinen Lohn ab und als Visum- und Taxikosten noch auf die Portokasse schlugen, sah ich mich bereits an Tag 1 im finanziellen Ruin! Das Hotel konnte mich jedoch wieder positiv stimmen, als ich mein großzügig ausgebautes Luxuszimmer erkundete, welches über einen begehbaren Kleiderschrank verfügte und eine Badewanne mit Blick auf Amman offerierte. Nun gut!

Am nächsten Morgen fing ich an meine nähere Umgebung zu erkundschaften. Laut TripAdvisor sollten in der nahegelegenen 'Rainbow Street' Unmengen an Märkten und top-bewerteten Restaurants zu finden sein. Doch zu meiner Verwunderung war es fast totenstill auf den Straßen Ammans. Kein Geschreie, kein Markttreiben, verschlossene Ladenlokale, kaum Autoverkehr - ich glaubte mich schon in Ghosttown Dillenburg zu befinden. Mir war dies alles suspekt. Hallo, es war Freitag! Und meines Wissens nach auch kein Feiertag. Der ganze Ort vermittelte den Eindruck einer ausgestorbenen Stadt. Dreck und Müll, zerbrochene Fenster, herumstreunende und halbverweste Katzen, stinkende Gassen und kein Laut zu vernehmen. Mir wurde es schon ein wenig komisch zumute, bis ich plötzlich zu einer Mauer kam und Lautstärke in weiter Ferne vernahm. Als ich über die Mauer blickte, erstreckte sich vor mir die Downtown Ammans und mit ihr alles was ich von einer arabischen Stadt erwarten kann. Lauthalses Geschreie, hupende Autos, orientalische Klänge. Ich war einfach viel zu weit oben gewesen, der eigentliche Kern der Stadt befindet sich in einer Art Kuhle, die von sieben Hügeln umgeben wird. Nun wollte ich es aber wissen und begab mich auf direktem Weg ins Gewühl. Hierzu musste ich mich jedoch einige steile Treppen hinunter begeben, die mich an Häuserfassaden und schlecht riechenden Abflüssen vorbei führten. Unten angelangt fühlte ich mich nun richtig angekommen. Ein Meer aus Shisha-Läden eröffnete sich vor mir, dessen liebliche Gerüche mich den Gestank von Abfluss vergessen ließen. Ähnlich wie in Vietnam reihte sich ein offenes Ladensystem nach dem anderen auf. Tausende Markisenhändler, Teppich- und Matratzenverkäufer, Waffen und Munition und unendlich viele Personen, die Vogelkästen mit sich trugen. "Wofür auch immer!" dachte ich mir, bis ich die zum Verkauf stehenden Taubenzuchten erblickte. "Na dann, guten Appetit!" Ich lief und lief und wunderte mich immer mehr über die Blicke, die an mir hefteten. Ja, okay ich war der einzige Tourist hier. Und auch die einzige weibliche weiße Person. Und irgendwie auch die einzige Frau, die in kurzen Hosen herumspazierte. War es nun einfach Amateurhaftigkeit sich nicht vorher in den Dresscode einzulesen oder vielleicht doch mutig, auch mal dem muslimischen Volk neue Moden für Temperaturen bei 28 Grad zu präsentieren? Ich weiß es nicht, jedoch wurde es mir nicht zum Nachteil ausgelegt wie ich 1-2 Mal feststellen durfte. Als mein Wasser ausgegangen war, bewegte ich mich in den nächst besten Kiosk um eine neue Flasche zu holen. Jedoch hatte ich nur einen 10 Dinir Schein darzubieten. Der Verkäufer machte mir klar, dass er nicht genügend Wechselgeld hatte und ich wollte schon ausgetrocknet weiter ziehen, da schenkte er mir die Flasche. Einfach so.    Gute Menschen hier.

Als ich das bunte Markttreiben verlassen hatte, gelangte ich in einen aufgeräumteren Bereich Ammans. Überall waren Markenläden sichtbar und an jeder größeren Fassade prangerten überdimensionale Samsung Galaxy Note Werbeplakate. Versuchen die nun hier noch mal ihr Produkt an den Mann zu bringen? Oder stimmt der Bericht des Postillion und der IS hat seine Wunderexplosionswaffe entdeckt? Fragen über Fragen, die mich während meines Erkundungstrips weiter bewegten, bis ich plötzlich vor einem römischen Amphitheater erstaunt stehen blieb. "Wo kommt dieses riesen Ding bloß her?" Es war mir bis dato nicht bekannt, dass sich das römische Reich bis hierhin ausgedehnt hatte. Für preiswerte 2 Dinir dürfte ich das Kolosseum betreten und die steilen Stufen dieser antiken Stätte erklimmen. Oben angekommen setzte mir meine Höhenangst schwer zu, doch musste ich zugleich hochprofessionell wirken. Eine Reihe jordanische Jugendlicher hatte sich zu einer Selfie-Session mit mir eingefunden. Der Star des Amphitheaters war somit klar und ich improvisierte in meiner neuen V.I.P.-Rolle tadellos. Als hätte ich nie etwas anders getan.

Am Abend war es nun endlich soweit meine GAdventure Gruppe kennenzulernen. Mit meiner Zimmergenossin Claire aus Irland hatte ich bereits Bekanntschaft geschlossen, hinzu kamen Holländer, Dänen, Briten, Belgier und ein Vin Diesel Verschnitt aus Kanada. Mit der lokalen Spezialität Falaffeln und einer Shisha-Runde beschlossen wir den Abend. Als ich Tourguide Abraham auf seine Einstellung zum Islam ansprach, teilte er mir unter Anwendung des Bieröffners mit: "I try to be a good muslim.. but i'm a bad muslim. Cheers!" Merke: in arabischen Ländern findet man keinen Alkohol auf Speisekarten. Und Freitag ist übrigens der arabische Sonntag. Morgens Stille, abends Halligalli. Wie werde mich in diesem System nur zurecht finden?



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