Hier gibt es nichts zu sehen!

In Rumänien lässt es sich gut feiern. Diese Erkenntnis erlangten wir am Freitag Abend, als wir über einen Hinterhof den Edelclub "Vintage" betraten. Zuvor hatte uns ein Taxi für preisgünstige 1,50 € zu dieser Lokalität kutschiert. Die Garderobe wurde ohne Wimperzucken for-free gewährt und von der Getränkepreisqualität zum Nulltarif will ich gar nicht erst anfangen. Mit Erstaunen mussten wir feststellen, dass das äußere Erscheinungsbild der Clubinsassen dem Frankfurter Clubleben in nichts nachzustehen hat. Hingegen ließ sich unsere  Garderobe bestenfalls als 'casual' bezeichnen, wurden wir dem Dresscode nur mäßig gerecht. Doch der Ausgehmodus hätte um ein Haar gar nicht aktiviert werden können, hatte man uns bereits am Frankfurter Flughafen um sämtlich Beauty-Utensilien erleichtert. Schon fast zum Standardprogramm gehört die prophylaktische Sprengstoffuntersuchung an meinen Gepäckstück, die ich mittlerweile nur noch lächelnd über mich ergehen lasse. Auf die Frage "Haben Sie vor ein Flugzeug zu entführen?" antworte ich grinsend "Hatte ich eigentlich nicht geplant." "Sie sollten jetzt schon ehrlich antworten." mahnte der Polizist trocken an, wodurch mir der Ernst der Lage noch mal ins Gewissen gerufen wurde. "Nein." Und mit dieser Antwort wurde ich in Richtung Freiheit entlassen. Jedoch ohne diverse Haarpflegeprodukte, die sichergestellt wurden.

Für Valentina war es der erste Flug überhaupt, wodurch die Anspannung und Vorfreude für den 30 Minuten Flug nach München noch einmal eine ganz andere Dimension erlangte.

Valentina schreibt...

"Ach, wir fliegen Holzklasse?!" stellte ich scherzhaft fest, als Juli und ich den Flieger betraten. Nunja für den ersten Flug muss das "feeling" ja auch stimmen und da sitzt es sich am besten auf den "lower class" Plätzen. Da war dann auch die unsanfte Landung unseres Bruchpiloten Franz besonders intensiv und jede Flugbewegung wurde adäquat mit einem "hui" kommentiert. In München angekommen bestiegen wir dann Flieger Nummer zwei, eine kleine "Baby"-Maschine. Hier erwartete uns ein kulinarisches Verwöhnprogramm mit Salami-Käse-Schnittchen und einem guten, feinperligen Tropfen.

Mit den Worten "ja sind wir denn schon da" bemerkten wir - die Flugkapitänin hatte bereits den Landeanflug eingeleitet - dass die Rumänen den Deutschen um eine Stunde voraus sind.

Juli schreibt...

Michael holte uns an dem überschaubaren Flughafengelände in Sibiu ab und chauffierte uns über gut asphaltierte bis Bodenwellen behaftete Straßen zu seiner Wohnung, die innen- wie außentechnisch in Gänze überzeugte. Nachdem wir uns akklimatisiert und mit den großzügigen Schlafgemächern bekannt gemacht hatten, zogen wir gegen 19:30 Uhr Richtung Innenstadt. Auf dem Weg dorthin begutachteten wir ein Stadtbild, das sowohl künstlerische Villen als auch einfache Häuser aus den 60ern darbot. Immer wieder Hundegebäll, beherbergt hier doch jedes zweite Anwesen einen Wächter im Garten. Die gut erhaltene und historische Innenstadt überzeugte uns mit einladenden Bänken, einer großen Plaza und viel Idylle. Sodann kehrten wir mit hungrigem Magen in das gut bürgerliche Restaurant "Crama Sibiul Vechi" ein, welches rumänische Spezialitäten und in Trachten gekleidete Kellner bot. Ein musikalisches Duo untermalte mit Folkloreklängen den Abend und komplettierte das Kellermauer-Ambiente in dem wir uns befanden. Ich wählte an diesem Abend ein Gericht bestehend aus gebratenem Schweinefleisch und Maisbrei, während sich Valentina einer gesunden Gemüserindfleischsuppe hingab. Als Magenschließer offerierte man uns einen Birnenschnaps - 5cl, denn mehr ist mehr! Beschwingt flanierten wir durch das historische Stadtbild und kehrten zum Abschluss des Abends in die Emperium-Bar ein. Auch diese überzeugte mit ihrem Vintage Ambiente und hervorragender Playlist auf ganzer Linie. Sibiu kann was!

Am nächsten Morgen erkundeten Valentina und ich die Stadt bei Tag, stellten neue Treppenrekorde auf (als wir den Stadtturm erklommen), versuchten uns an der rumänischen Kringelspezialität "Covrig", begutachteten die "Reduzieri" Angebote der Shoppingmeile und kehrten in einem 30er Jahre Café namens "Moustache" ein. Hier schrie es von Mobiliar bis Geschirr "nur Schnurrbärte sind das einzig wirkliche Herren-Accessoire" und einige wichtige Schnurrbartträger der Geschichtsschreibung schmückten die Wände und Tische.

Zur Mittagszeit kehrte Michi von der Arbeit zurück um uns für einen Trip in die Südkarpaten einzusammeln. Die Strecke erwies sich als kurvenreich und Steinschlag gefährdet, jedoch erreichten wir die Höhe von 1000 Metern ganz unversehrt. Von dort sollte es nun mit der Gondel hoch auf 2000 Meter gehen, wo uns ein atemberaubender Ausblick erwarten sollte. Doch es kam alles anders. Die Gondel, ein schon in die Jahre gekommenes und mit Coca Cola Reklame verziertes Gefährt, wackelte zunächst auf die Station am Fuße des Berges und UNS zu. 

Valentina schreibt...

Eher widerwillig und nur nach Michaels Ausruf "Das ist wunderbarer Maschinenbau!" betraten wir das ...Ding. Die Fahrt dauerte 10 Minuten, leider äußerst unspektakulär, denn nach 1/3 der Strecke sah man sich dem Himmelstore gegenüberstehen. Naja nicht ganz, aber dichter Nebel verwehrte sämtliche Chance auf eine atemberaubende Aussicht. Oben angekommen wateten wir durch 50cm tiefen Schnee (teils in Sportschuhen) und gingen in die hiesige Berglokalität, um eine heiße Gemüsesuppe zu verspeisen.

Juli schreibt...

Mit viel Glück konnten wir die Gondelstation für die Rückfahrt in dem vielen Weiß wieder entdecken, die man erst aus 5 Meter Nähe erst so richtig erblicken konnte. Weitere Zeitfenster vergingen bis wir uns halb erfroren in der Talstation einfanden, die nicht mal eine warmen Kaffee offerieren konnte. "Nichts wie weg hier!" Und so schepperten wir den Berg wieder hinunter um dann von Michi in noch ein viel verlasseneres Gelände kutschiert zu werden. Wir standen schon kurz vor der einzigen Erkenntnis nun tatsächlich in der Wallachei gelandet zu sein, da auch die Navigation sich völlig verloren hatte und sich irgendwo abseits von Straßeninfrastruktur befand, da tauchte fast ganz aus dem Nichts eine riesige Forellenfarm vor uns auf. Mit zitternden Händen (Heizungen schien es nicht zu geben) orderten wir zunächst einen wärmenden Tee mit Honig und wurden anschließend mit einem Forellenfilet, das seines gleichen sucht, beschert. Was ein authentisches Biogourmertmahl. So muss also echter Fisch schmecken!

Mit vollen Mägen begaben wir uns auf die Heimreise. Der Dackelschäferhund "Willy" erwartete uns schon freudig am Zaun des Nachbarsgarten und tollte aufgeregt hin und her. Todmüde und mit der Health-App-Anzeige: "Sie haben ihren persönlichen Treppenaufstiegsrekord hergestellt!" fielen wir auf die Couch. "Gehen wir jetzt gleich echt noch aus?" schauten wir drei uns fragend an. Aber wat muss, das muss!





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