Welcome to the jungle!


Der Dschungel. Was verspricht man sich eigentlich heutzutage davon in den Dschungel zu reisen? Erwartet man da so eine Art kameraüberwachte Kullise im Sinne von "Ich bin ein verblödeter Touri - holt mich hier raus?" Oder hält man gar an der von Walt-Disney gezeichneten Tarzan- oder Dschungelbuch-Vorstellung fest, die von einer unentdeckten, naturbelassenen Welt erzählt? Die meisten werden sich wohl Letzteres erhoffen. Der Gedanke an ein Stück heile Welt, wo der stets ausgeglichene, gemütliche, tapsige Bär nebst dem klugen und gefahrenbedachtem Panther verweilt und im Hintergrund die immer gut gelaunte Affenbande feiert. Vielleicht noch ein bisschen Abenteuer und Gefahr einer fiesen, linken, hypnotisierenden Schlange und eines gestreiften, zähnefleischenden Tigers. Doch sind das nicht Geschichten aus längst vergangenen Tagen? In Zeiten von Waldrodung und Ausbeutung natürlicher Ressourcen der Erde, sollte doch selbst im tiefsten Dschungel die Zivilsation angekommen sein und auch die letzte Lianenschlange zu ihrem Eigen erklärt haben.

Da ich der Meinung war bereits in Neuseeland und Australien den Dschungel gesehen zu haben, stellten für mich die knapp drei Tage Amazonasgebiet ein eher nettes "nice-to-have" Angebot dar. Von mir aus hätte die Tour auch weiter in die Anden oder einem anderen schönen Plätzchen in Peru gehen können. Völlig erwartungslos und im Übrigen auch mit der völlig falschen Kleidungswahl, bin ich also in das nächste Abenteuer unserer Gapadventure-Tour geflogen. Keine Ahnung was mich an diesem Morgen geritten hatte mir eine Jeans überzustreifen, wo mir doch eigentlich sonnenklar war, dass so eine klamme Hose im feuchttropischen Gefilde ein absolutes No-Go ist. Zwar hatte ich bereits im Vorfeld die obere Schicht meines Backpacks so logistisch klug gepackt, dass ich die korrekte Kleiderwahl (inkl. dünner, langer Stoffhose) nur hätte greifen und in den auf 8-Kilo begrenzten Duffle-Bag stecken müssen, doch in dem ganzen Pack-Trouble muss mir dieses äußerst sinnvolle und wichtige Bekleidungsstück wohl entglitten sein. Mehr dazu später.


Zunächst flogen wir von Cusco, in dem kürzesten Flug meiner Reisegeschichte, ins Amazonasgebiet. Keine 45min dauerte der recht angenehme Flug mit der peruanischen Airline Taca, die uns auf den ebenfalls bisher kleinsten gesehenen Flughafen der Welt transportierte. Nicht größer als eine Rewe-Lagerhalle schien mir das Gebäude, in der es lediglich ein Gate und nicht mal einen Terminal zu sehen gab. Selbst einen Gepäck- und Körperscanner konnte der Flughafen von Puerto Maldonado nicht aufweisen, was konform der - ich nenn es mal "Amerikanischen-Anti-Terror-Gesetzgebung" - natürlich überhaupt nicht vereinbar ist und weshalb diese vorschriftsmäßige Unternehmung von Hand durchgeführt werden musste. Sprich: Unser sorgfältig gepacktes Hab und Gut, welches gerade so in den Backpack gestopft und festgebunden werden konnte, wurde gleich zweimal von den Sicherheitsbeamten geöffnet, durchwühlt und durchsucht. - Schön, wenn das gesamte Flughafenpublikum beim Durchstöbern deines Backpacks teilhaben darf! Auch wenn die manuellen Durchsuchungen nicht so gründlich sind und Jill (auch Engländerin) dadurch ihren Whiskeyvorrat - geschickt verstaut - behalten konnte, musste Jörg beim Durchsuchen seines Handgepäcks, leider das Buschmesser den adleräugigen Sicherheitsbeamten überlassen.

Nachdem wir den Flughafen endlich verlassen konnten und in Richtung frische Luft strömten, schlug uns zunächst eine Heißluftwand mit subtropischen Temperaturen entgegen. In einem kurzen Moment musste ich mich an eine Lokalität im Herzen Hamburgs namens "Barbarabar" nur ohne Ausgang erinnern, als uns Leao, der Dschungelführer, in den bereitstehenden Safaribus einlud. Eine geschätzte halbe Stunde führte uns die Fahrt in und durch die Provinzhauptstadt Puerto Maldonado, die über eine gerade-so geteerte Hauptstraße verfügte, von welcher holprig, erdige Nebenstraßen abzweigten. Streunende Hunde, bunte, teils abgerissene Reklame und Motorräder, die zu Familientransportern umfunktioniert wurden, zierten unsere Weiterfahrt durch den 50.000-Bewohner Ort. Die Hauptstadt der Region Madre de Dios erweckt den Eindruck einer südamerikanischen Goldgräberstadt wie man es aus dem Fernsehen kennt. Und tatsächlich - hier finden immer noch Goldwaschungen statt, zudem lebt die Wirtschaft von Holzeinschlag, Tourismus und dem Sammeln von Paranüssen. Ich glaube in genauso einer Lagerhalle von irgendwelchen Nüssen oder lokal angebauten Früchten ist dann auch letztendlich unser vorerster Stopp gewesen. Es roch - sagen wir - gewöhnngsbedürftig in dem Gebäude wo wir für die nächsten 3 Tage unseren Backpack zurück lassen sollten. Ein bisschen Bedenken hatte ich zugegebener maßen schon, denn die anliegenden Viertel machten nicht wirklich den vertraunswürdigsten Eindruck. Aber was solls, die Menschen hier leben vom Tourismus, die werden schon tunlichst die Finger von meinem Gepäck lassen. Zumal sich darin eh nur Wäsche und mein bisher unbenutztes Mosquito-Allzwecknetz befanden. Na ja, und eben meine lange, locker-leichte Hose, die ich blöderweise nicht in den Duffle-Bag packte. Dafür aber 3 kurze, nicht mal Knielange Hosen, die beim Wandern durch den Dschungel mit viel Geziefer und Insektenkram wahrhaftig völlig unbrauchbar sind. Mit leichterem Gepäck wurden wir mit dem Bus weiter zum Ablegeufer gekarrt. Schon hier erwies sich das allzeitbereite Mosquitospray als äußerst nützlich, welches sich in Verbindung mit der Sonnencreme in einer wunderbar riechenden Doppelschicht auf die Haut legte. Ich glaube ich habe in meinem Leben noch nie so schlimm gestunken wie in diesen 3 Tagen. - Nicht einmal in den Anden, wo es keinerlei Duschmöglichkeiten gab! Wie dem auch sei, meinen Mitreisenden erging es nicht viel anders und somit haben wir alle gleichermaßen "gerochen".


Wir legten mit einem elektrobetriebenen Katamaran ab und schipperten frohen Mutes über den Tambopata River, welcher sich Nebenfluss des Amazonas nennen darf. Um ehrlich zu sein glaubte ich bis Mitte des Trips, tatsächlich den Amazonas zu befahren. Die 2 stündige Bootsfahrt führte uns entlang des primären Dschungels. Anfangs sichteten wir noch einige andere Katamarane, später dann nur noch die braune Brühe, Bäume und - oha - die ersten wilden Tiere. Auf beiden Flussuferseiten konnte man so einiges erspähen...ja so wirklich einiges, was ich defintiv nicht dem Amazonas zugeordnet hätte. Da hätten wir besipielsweise das sogenannte Wasserschwein, welches dem australischen Wombat gleicht oder aber auch einem felligem Babynilpferd ähnlich sieht. Auch eine Schildkröte hatte sich in das Tambopata Becken verirrt, die ich bis dato nur in Meeren vermutet hätte. Ziemlich genau in der Halbzeit der Bootsfahrt erreichten wir die magische Grenze zum Anfang des Tambopata National Parks. Hier mussten wir zunächst aussteigen, 30cm hohe hölzerne Stufen hochmarschieren und uns mit Reisepass den Grenzwächtern ausweisen. Also Belohnung gab es einen Tambopata Stempel in den Pass. Ab da an noch eine weitere Stunde Bootsfahrt, immer tiefer in den primären Dschungel. Zwischenzeitlich fing es zu donnern an und ein leichter Regenschauer überhuschte uns. - "Nichts ungewöhnlichen, passiert hier jeden Tag!" meinete Leao. Nun gut, da ist wohl doch was aus dem geliebten Erdkundeunterricht hängen geblieben, der Dschungel hält in der Beziehung was er verspricht. Im Glanze des Regenbogens erreichten wir schlussendlich unser Ziel: die Tambopata Eco Lodge. Eine Ökotourismus Lodge im wahrsten Sinne des Wortes! Man trifft auf eine neue, faszinierende Welt. Holzkabinen mit Mosquitonetzen versehen, Strohdächer und keine Elektrizität innerhalb der Räume. Mit Kerzen und Kerosinlampen werden die Zimmer erhellt und die Wege mit Solarlampen erleuchtet. Solarenergie soll auch die Zukunft der Eco-Lodge werden, mit der bisher alles gerade so notwendige und lebenswichtige, wie bespeilsweise der Beamer, betrieben werden. Auf der Leinwand im Gemeinschaftsraum bekommt man nämlich erst mal ein Einführungsvideo auf das Leben im Dschungel gezeigt. Schon beim ersten Anzeichen eines schlangenartigen Wesens, werde ich leicht blass und wende mich von der Diashow unauffällig ab. Beim Wort Anakonda versuche ich erst gar nicht mehr dem Vortrag zu folgen. Man muss sich einfach nur lang genug einreden, dass der Dschungel nur ein großer Zoo ist und die Wärter, aka Tourführer und Einheimische, hier alles im Griff haben.



Allein mit dieser Einstellung konnte ich die Nachtwanderung durch den Urwald bestreiten, bei der so manches Horrorwesen aus Hollywoodstreifen zum Vorschein kam. Vogelspinne, Giftfrosch, Bambusratte, Kakerlaken und andere diverse Insektenatrige Gestalten begeneten uns auf unserer 1-stündigen Wanderung quer durch das Unterholz. Soundtechnisch untermauert wurde diese filmreife Tour durch ein Zirp- und Klangkonzert wie es all die berühmten Komponisten nicht besser hätten arrangieren können. Die ganze Sache schien so schier unwirklich, dass man plötzlich die Realität einfach ausblendete und all diese unglaublichen Eindrücke ohne jegliche Gegenwehr auf sich einwirken ließ. Für mehrere Minuten lauschten wir gespannt dem Dschungel, bei tiefster Finsternis, ohne Taschenplampen und ohne irgendwelche nervigen Smartphones. So etwas idyllisches und in sich stimmiges, habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht vernommen. Es hatte etwas von innerer Ruhe, mit sich und der Welt im Einklang zu sein. Der Dschungel ist wunderbar.

Tag 2

Am darauffolgenden Tag (so gut geschlafen habe ich noch nie!), ging es recht früh wieder raus, aus den mit Mosquitonetzen umwobenen Betten. "Die Tiere des Dschungels" so Leao, "sind immer sehr zeitig auf den Beinen um für ihr Frühstück zu sorgen". Also machten wir uns nach einem ausgiebigen Frühstücksmenü (Früchte der Region, Rühreier und exotische Säfte), wieder auf ins Boot um die ersten Wasserschweinchen und diverse Vogelarten am Flussufer beim genüsslichen Mahl zu beobachten. Die waren auch sichtlich erfreut schon am frühen Morgen beim Essen mit 15 Blitzlichtkameras abgelichtet zu werden. Doofe Touristen, ey! Im Übrigen hatte ich mir mittlerweile eine für subtropische Gefilde ausgerichtete Hose bei dem befreundeten englischen Pärchen aus Birmingham geborgen. Jeans ging echt absolut nicht mehr. Ich hab mich gefühlt wie ein Pinguin in der Sahara. Glücklicherweise hatte Steward versehentlich 2 Hosen eingepackt und da wir etwa die gleiche Größe haben, passte die neue Funktionskleidung auch fast wie angegossen. Stew und Haily sind echt zwei tolle Menschen. Absolut british, englisch humorvoll und absolut auf meiner Wellenlänge.

Nach ca. 10min erreichten wir den Uferplatz von wo aus ein Trail durch den Dschungel zum Condenado Lake führte. Die Entdeckungstour durch den Urwald gestaltete sich allein schon durch die 15 Gummistiefelpaare zu einem grandiosen Highlight. Wäre hätte gedacht, dass es im Dschungel doch so matschig bis schlammig sein kann? Rutsch- und Schlitterpartien inklusive zeigte uns Leao Flora und Fauna in einer Anmütigkeit nicht sondergleichen. Der Mann kannte sich echt aus. Jeder Baum, jede noch so kleine Pflanze und Lebewesen wusste er beim Namen zu nennen und eine einwandfreie Erklärung auf englisch, teils sogar in deutsch, abzugeben. Auf nahezu jede Frage hatte er eine Antwort parat, lediglich auf die Zwischenfrage der Norwegerin Pauline ob der Killer-Tree den Walking-Tree auch fangen und töten könne, musste Leao einen Moment Inne halten und letztendlich feststellen, dass er diese Konstellation noch nie in Betracht gezogen hätte und ihm die Frage bisweilen noch nicht untergekommen sei. Was ihn aber gleich dazu brachte diesem Gedankengang nachzugehen und diese beiden Bäume im Zusammenklang künftig näher zu erforschen. Ein sympatischer Kerl, dieser Leao.



Auf unserem weiteren Weg durchkreuzten wir Ameisenkolonien, die sich gerade an einem Jahrhundertbauwerk zu verewigen schienen, wie es ihre eifrige Abreitsmoral zu urteilen ließ. Am Condenado Lake angekommen stiegen wir auf eine Art Floß und bevor Leao den ersten Ruderschlag vornehmen konnte, fing es wie aus Strömen an zu regnen. Ja ja, der Dschungel - und täglich grüßt der erfrischende Regenguss. Trotz des triefenden Nass überquerten wir den See und machten Entdeckungen wie ein paar Fledermäuse, Tukane und Ahhhh...Piranhas!! Leao hatte aber auch hierzu direkt eine Stellungnahme parat. Vergesst Hollywood! Piranhas sind eigentlich ganz harmlos, nur nach mehreren Tagen der Aushungerung und auch nur in großen Gruppen, greifen sie Menschen an. Ich möchte es trotzdem nicht ausprobieren! In einem Nebensatz erwähnt Leao: "Ach so, und frisches Blut zieht sie natürlich auch an." - Wie gesagt, das sind mir zu viele Ausnahmen und Sonderfälle, ich werde in diesem Teich nicht schwimmen. Da Leao gerade so richtig mit seinen Wildlifestories in Fahrt gekommen war, folgten ein paar haarsträubende Geschichten über Kämpfe die er mit Anakondas, Keimanen und anderen bestialischen Wesen bestritten hat. Ich bezweifele zwischenzeitlich, ob er uns bei diesen Stories die ganze Wahrheit erzählt und vermute, dass er uns nur ein wenig Unterhaltung bieten möchte. Doch er erzählt mit einer solchen Überzeugung und Faszination, dass ich ihm einfach nur glauben möchte. Man spürt, dass es aus vollem Herzen kommt und dass er mit Leib und Seele den Dschungel liebt. Zu einem späteren Zeitpunkt sagt er mir "I was born in the jungle, I live here, I work here and I will die here". Ich muss schlucken als ich seine Worte höre. Leao ist nicht viel älter als ich, aufgewachsen bei seinen Eltern im zivilisierten Dschungel auf einer Plantage. Er arbeitete schon immer auf der Eco Lodge. Er hat schon Forschungsteams aus verschiedensten Ländern begeleitet, für sie Tiere gefangen und auf diesem Weg ein einwandfreies Englisch gelernt. Er hat gleichermaßen technisches Verständnis und kennt den Dschungel wie kein anderer. Interessiert an allem neuen, lernt gerade Deutsch und möchte noch gerne Kanada, England, Deutschland, Spanien und Australien bereisen. Vor einem Monat war er zum ersten Mal in Cusco. Der Stadt, die nur eine knappe Stunde Flug vom Dschungel entfernt liegt. "Der Flug ist so teuer", meint er. Und ich muss beschämt denken, was er wohl von uns reichen Europäern, Australiern und Amerikanern hält, die sich so eine Reise mal eben leisten. Doch im gleichen Atemzug sagt er mir, wie toll er es findet so viele Deutsche, Schweizer und Österreicher hier zu haben, wo er doch höchstens einmal im Jahr Franzosen hier sieht.


Nach unserer Piranhas-mit Crackern-Fütter-Aktion und dem Besuch eines riesigen, meterhohen Baumes, machen wir uns wieder auf den Rückweg. Mit hungrigem Magen durschreiten wir noch einmal den Dschungel und setzen dann die Fahrt mit dem Boot zurück zur Lodge fort. Dort angekommen wartet schon das herzhaft leckere Mittagsmahl auf uns. Gekocht wird hier gleichermaßen Einhemische Kost wie auch internationale Gerichte, doch immer mit den lokal gezüchteten und angebauten Früchten, Gemüse und Tieren. Yukatan Kartoffeln, Avocados und ein tropischer Salat mit ordentlich Chilliwürze zieren meinen Teller und ich bin wieder einmal überwältigt wie phanatsievoll und schmackhaft man ein solches Menü fernab von 5-Sterne Kochsendungen aufbereiten kann. Fakt ist mal wieder, dass man mit wenig Aufwand, ohne Discounter und mit dem was halt-da-ist einfach die besten Gerichte zaubern und ohne schlechtes Gewissen verzehren kann.


Nach diesem ausgiebigen Mahl, zog es uns erst mal in die Siesta, da auch die perfekt angebrachten Hängematten einmal ausgetestet werden mussten. Wenig später entschloss ich mich dann durch eine innere Eingebung meine bis dahin größte Mutprobe im Amazonasland zu bestehen. Da ich mir zu Beginn der peruanischen Blogeinträge die Frage gestellt hatte, ob der Amzonas tatsächlich so gefährlich ist, musste ich dies nun durch einen Selbstversuch beantworten. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich würde inmitten einem schlammigen, braunem Wasserstrom von wahlweise einer Piranhahorde, einem Keimanbiss oder gar einem Anakondawürgegriff unter unerträglichen Schmerzen zu Grunde gehen ODER: Leao hat tatsächlich recht und der Zufluss des Tambopata Rivers ist ungefährlich. Beim ersten Anblick dieses Schlammlochs, was durch Steine und herangeflossene Aststücke gestaut wurde, verging mir alles und ich machte postwended kehrt. In einem zweiten Anlauf testete ich vorsichtig mit den Händen die Wassertemperatur und hatte gleich einen weiteren Grund für mein Nichtdurchführen dieses Selbstversuches. Doch nach mehreren Überlegungen, Überwindungen und Selbseinredungsversuchen, entschied ich letztendlich unter viel Protest und Widerwillen, dass ich das Amazonasgebiet nicht ohne Beantwortung der Anfangsfrage verlassen könne. Und somit stürzte ich mich für nicht einmal 5min in die Fluten. Bilanz des Dschungelwasser-Kurzbesuches: Die Brühe stinkt wie die Pest, alles an mir fühlt sich unheimlich klebrig an und der Grundboden ist zwar nicht tief - dafür kannst du in der braunen Brühe noch nicht einmal deine Hand, geschweigen denn, das worauf du stehst, erkennen. Bis zum Schluss blieb ich zittrig auf den Beinen, aber ich kann schlussendlich sagen, dass zumindest unter sehr viel Vorbehalt, der Amazonas zu 0,000001%  nicht lebensgefährlich ist. Haftung für dieses Statemtent übernehme ich übrigens keine!


Nach meinem wagemutigen Unterfangen, führte Leao noch einmal Stew, Haley, Jörg und mich entlang eines weiteren Dschungelpfades. Der Rest der Gruppe hatte eine Verlängerung der Siesta vorgezogen. Wir aber waren der Meinung noch mehr des Urwaldes sehen und erforschen zu müssen.Warum auch nicht, - man ist schließlich aller Wahrscheinlichkeit nur einmal in seinem Leben an solch einem bedeutendem Ort. Außer den üblichen Insekten- und Spinnenverdächtigen, machten wir allerdings keine weitere unheimliche Begegnung der dritten Art. Eine wertvolle Entdeckung machten wir dann aber doch noch. Leao ging zielstrebig auf einen unscheinbaren Baum zu. Er schnitt ein Stück der Rinde ab, schälte diese und reichte uns je ein Stück zum Testen. Wir sollten dies auf der Zunge zergehen lassen. Kurz äußerte ich auf deutsch den Verdacht, dass Leao nun natürlich beste Chancen hätte uns zu vergiften, da wir ihm mittlerweile mit geschlossenen Augen vertrauten und im nahezu alles aus der Hand aßen. Doch da hatte Stew auch schon das erste Rindstück im Mund. Wir zogen ihm mit angewiedertem Blick gleich, denn der Geschmack deses hölzernen Spahns hatte in der Tat einen grotesken Geschmack - nach sagen wir mal - ziemlich bitterer Medizin. "Der Dschungel ist eine Apotheke" sprach Leao, der sich an unseren verzogenenen Gesichetern sichtlich erfreute, "ihr nehmt gerade das Gegenmittel für Malaria ein. Aus dieser Rinde werden nämlich die Malaria-Tabletten hergestellt." - Prima, denke ich mir, dann hat man das Geld auch als gespart. Kurze Randnotiz: Malariatabletten im 10er Pack liegen bei 79,95 €. Und ich überlege mir im Nachgang, wie ich wohl diesen Baumstamm duch den Zoll bekommen könnte. Erkenntnis des Tages: Jeder noch so unscheinbare Baum hat eine eigene Funktion und Aufgabe in diesem riesigen Fuhrwerk von Urwald. Er kann dich töteten, er kann dich vereinahmen, er kann dich aufbauen und er kann dich heilen. Der Dschungel hat viele Gesichter!


Am Abend sitzen wir noch einmal im schimmernden Lichte einiger Kerzen in großer Runde beisammen, trinken ein kühles, erfrischendes Bier und lassen uns die soeben frisch frittierten, salzigen Bananenchips genüßlich schmecken. Dabei spielen wir Karten - Mau Mau - das habe ich den europäischen Kollegen gerade so in meinem technischen Englisch beibringen können. Zu mehr sind wir auch gar nicht mehr fähig. Der Dschungel hat eine ganz eigene Dynamik und wirkt mit seinem immer verfügbaren Soundtrack als Balsam für Seele und Körper. Ich wundere mich seit spätestens heute nicht mehr weshalb die südländischen Kontinente, Nachbarländer und Bezirke einen anderen Lebensrhythmus pflegen als wir kalte, harte, ordnungsgetrimmte Nordstaatler. Die Natur zwingt dich gewissermaßen dazu das Leben ein wenig lockerer, gechillter und leichter auf die Schulter zu nehmen und öfters mal die Beine baumeln zu lassen, als es bei uns in der gemäßgten Weltzone der Fall ist. Erkenntis des Dschungel-Aufenthaltes:
Ich bin ein Touri, doch brauche auch gar nicht nach Hilfe zu schreien. Denn wenn ich mich nicht an die Gesetze des Urwaldes halte schmeißt der mich von ganz alleine heraus (oder er verschlingt/erwürgt/zerbeist oder vergiftet micht).  Solange ich mich im Einklang der Natur bewege und zulasse die Eindrücke auf mich wirken zu lassen, verstehe und lerne ich vom Dschungel. Er ist sein eigenes Ökosystem und ich denke jeder der mal hier war und das verstanden hat, kann und wird ganz anders mit seiner Umwelt umgehen. Das hoffe ich zumindest - selbstverständlich auch für mich!

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wahnsinn, was für wunderschöne Bilder.
Wie plant man bei einer solchen Reise im voraus, was man in die kleine Apotheke für die Reise packt? Ich könnte mir vorstellen, dass ich immer das Falsche einpacken würde und dann mit der Hand an einem Baumstamm hängen bleibe.
Irre, einfach Wahnsinn.

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