Authentic Norway

„Das ist wie beim Kanu, zum Schluss hat man keinen Bock mehr!“ prangerte Becks an, als wir die letzten Meter mit dem Kayak durch das mittlerweile sonnige Fjord paddelten. Während ich an diesem Morgen meine neue Lieblingssportart im Kayaken gefunden hatte, reklamierte Becks zu wenig Action und Dramatik an. Dabei hatten wir aus Wettersicht Dramatik genug gehabt, begann der Morgen abermals mit Nieselregen, sodass sämtliche Kleidungsschichten, die wir noch im Koffer hatten, herhalten mussten. Unser Guide ‚Tore’ stattete uns außerdem mit einem Neoprenanzug, sowie einer Schwimmweste und Neoprenschuhen aus. In einem mystisch, nebligen Fjord begann unser Kayakabenteuer, an dem noch zwei weitere Girls from Germany teilnahmen. Schon nach wenigen Minuten bemerkten wir, wie meditativ und entspannend sich diese neu erlernte Sportart anfühlte. „Das ist wie Yoga, nur auf dem Wasser.“ stellte ich geerdet fest, als wir uns über die sanften und beruhigten Wellen, entlang der Wasserfall gefüllten Fjorde vorwärts bewegten. „Wo bleiben denn hier die Stromschnellen, die Aktion und der Hindernissparcour?“ mit einem kräftigen Paddelschlag riss mich Becks aus meinem Mediatiomodus und hinfort war die Ruhe und Seligkeit. „Hier könnten wenigstens mal ein paar Wale neben uns auftauchen!“

Auch wenn die Kayaktour vom Aktionismus nicht an vorherige Abenteueraktivitäten anknüpfen konnte, so hatten wir zumindest den Inbegriff von Adventure, Expedition und Pioniergeist an unserer Seite. Wir hatten die Tour bei keinem geringeren als dem norwegischen Reinhold Messner, alias Tore Albrigsten, unbewusst gebucht, der uns durch die Fjorde lotste und mit seinen Abenteuergeschichten von Nord- bis Südpol unterhielt. Seine 10 abgefrorenen Fingerkuppen erzählten von Skidurchquerungen Grönlands und Alaskas, dem Erklimmen der höchsten Gipfel Europas, Afrikas und Südamerika, sowie unzählbaren Schlittenhunderennen in der nördlichen Hemisphäre. Sein nächstes Ziel: Der Mount Everest. Da wunderte es uns auch nicht mehr, als wir bei ihm im Vorgarten 84 Huskies erspähten, die allesamt für das Rennen und den boomenden Huskietourismus trainiert wurden. „Sind das alle deine Hunde? Fütterst du die alle selbst? Wer kümmert sich denn um die, wenn du mal nicht da bist?“ Wir hätten am Lagerfeuer, mit norwegischen Bratwürstchen, noch unzählige weitere Fragen stellen können, doch dafür reichte die Zeit nicht aus. „Was fürn‘ Typ!“ blieb uns nur noch festzustellen, als wir noch erfuhren, dass er an einem Tag zwei Marathons nacheinander an unterschiedlichen Orten gelaufen ist.

Wieder in der Otto-Normalverbraucher-Realität und in Tromsø angekommen, stellten wir freudig fest, dass wir den ganzen Tag noch keine Regenjacke hatten tragen müssen. „Darauf ein Bier!“ freuten wir uns und fanden uns zum Ende des Urlaubs in der lokalen Brauerei Ølhallen ein. Bereits am Tage zuvor waren wir in den Genuss der nordischen Köstlichkeit, aber auch der Preisklasse für alkoholische Endgetränke gekommen. „Mit 110 NOK pro Schoppe bist du dabei!“ Doch wir hatten uns mittlerweile nahtlos in die norwegischen Gegebenheiten eingefügt, kannten wir nicht nur das Bussystem in und auswendig, sondern konnte Becks auch mit wissenschaftlichen Vokabeln und physischen Gesetze aus der Welt der Leuchterscheinungen hausieren gehen, nachdem sie sich die Polarlichter-App heruntergeladen hatte und diese fachkundig studierte. „Heute ist der Kp-Wert aber nicht so gut!“ oder „Oh, schau mal, heute ist die Farbskala über Tromsø im grünen Bereich.“ bekam ich es nur noch um die Ohren geworfen. „Ich sehe dich schon nächste Woche an der wissenschaftlichen Universität in Edinburgh Vorträge halten.“ erwiderte ich kurz, als sich Becks Blick wieder hochinteressiert der App hingab.

Am Ende unserer Reise, in der nördlichsten Metropole Europas, bleibt festzuhalten: Es empfiehlt sich das große Portmonee mit den Master- und Visacards einzupacken, bezahlt wird hier nämlich viel und vorzugsweise bargeldlos. Dennoch lohnt sich ein Aufenthalt in jedem Fall, bietet Norwegen nicht nur ein grandioses Naturerlebnis, viel „open space“, sondern auch eine saubere Landschaft, ein gutes, funktionierendes öffentliches Fahrbahnnetz und einen ‚place to be‘ für jedermann von überall. Man wird sehen wie sich die Kultur, Gesellschaft, das Stadtbild und Leben in den nordischen Ländern weiterentwickelt, aber für uns steht fest „Geht in Deutschland mal alles den Bach runter, machen wir uns besser hier hoch.“

In diesem Sinne verabschieden wir uns mit grün, schimmernden Polarlichterinnerungen, der Dankbarkeit und Wertschätzung für ein bisschen Sonne am Tag und dem Bewusstsein über die Schönheit, aber auch gleichzeitig der unberechenbaren Kraft der Natur.

„Wir müssen der Welt nachgeben; sie gibt uns nicht nach.“ - aus Norwegen


Top 5 Sätze


„Es regnet schon wieder!“

„Trinken wir jetzt noch nen Kaffee?“

„Im Bad ist’s am schönsten.“

„We are lucky mushrooms.“

„We are lucky muschrooms again.“


Top 3 unnützeste Mitnahmen:

  1.     Sonnenbrille
  2.     30er Pack FFP2-Masken
  3.     Kartenspiel Skyo


Top 3 wichtigste Mitnahmen:

  1.     Regenjacke
  2.     Mütze
  3.     Skiunterwäsche








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