new york.


“New York is not a city, it’s a world.” 
– Truman Capote, Breakfast at Tiffany’s (1958)


Wie‘s denn so ist?“ wollten die Menschen wissen. „Man hört und sieht ja gar nichts von euch.“ Wie denn auch, bei dem Timeshifttable, das man uns vorgelegt hatte und das akribisch abgearbeitet werden musste. „Wir haben hier keinerlei Zeit für Sperenzchen.“ merkte becks an, während sie ihren zweiten Milchshake bei Wendy‘s inhalierte und die abfotografierte U-Bahn Karte zum X-ten mal studierte. „Hast du dir das Ding jetzt mal als Favorit hinterlegt?“ wollte ich wissen, ahnte ich, dass es gleich wieder in Sauna-ähnliche Hemisphären des U-Bahn Schachtes ging. „Wir fahren jetzt mit der C und dann steigen wir noch mal in die 2 um. Oder vielleicht doch lieber mit der N? Die E ginge natürlich auch in Kombination mit der 7.“ becks puzzelte sich die Untergrundrouten zurecht und mir brummte der Schädel. Schon seit Tagen schleppte ich Erkältungssymptome mit mir herum, an Tag 3 hatte es mir dann gänzlich den Rest gegeben. Nur unter der Einnahme von Schmerzmitteln ließ sich der Rest des Trips überstehen. Aber man befand sich ja eh in einem Dauerrausch der Metropole. Mit Ausnahme des Hotelzimmers, gab es kein einziges, ruhiges Fleckchen in New York City. Bereits im Aufzug schallten laute Upbeat-Melodien durch die Boxen, auf den Straßen hupte, brummte und motorisierte es pausenlos, Helikopter kreisten lautstark über unsere Köpfe, die U-Bahn hämmerte über die Gleisen, der Time Square strahlte, blinkte, leuchtete und hypnotisierte als gäbs kein Morgen mehr, heulende Sirenen und Luftdruckhammer an jeder Kreuzung, Generator-angetriebene, wild blinkenden Essenswagen an sämtlichen Ecken, und mitten drin Alicia Keys „These streets will make you feel brand you“, das in Dauerschleife und dem Duft von nicht mehr all zu frischem Gras an uns vorbeizog. 


„Vielleicht werd ich noch Drogen-abhängig.“ befürchtete ich. „Ach papperlapapp.“ winkte becks ab. „Schau lieber mal, ob wir jetzt runter oder hoch müssen.“ „Immer noch nach rechts, wir müssen auf die Siebte und dann können wir auf die Neunundvierzigste.“ Während ich mich in der U-Bahn blind auf becks Puzzelei verließ und im Untergrund über keinerlei Orientierungsdienste verfügte, konnte ich zumindest auf New Yorks Straßensystem brillieren, das wiederum für becks komplett unlogisch erschien. 


Die Metro-Karte wurde zu unserem besten Begleiter, hatte diese gleich zu Beginn der Reise mit je 34 Dollar + Taxe zu Buche geschlagen. „Immerhin haben wir uns damit das 100 Dollar Taxi zum Hotel gespart und können nun unbegrenzt 7 Tage U-Bahn fahren.“ freuten wir uns, was uns aber nicht davon abhielt gleich am nächsten Tag das City Bike für weitere 20$ zu buchen und durch den Central Park, sowie Harlem zu cruisen. „Oh, schau mal, da ist die Brücke zur Bronx.“ wedelte ich freudig mit dem Arm, als wir uns der Grenze näherten. In zwei kurzen, austauschenden Blicken besannen wir uns dann doch recht kurzfristig den Bus zurückzunehmen. „Wir müssen es ja nicht gleich am ersten Tag darauf anlegen.“


Wir stiegen irgendwo auf der Zweiten aus und bahnten uns durch die Dritte, den Broadway, am Bryant Park vorbei und erreichten nach 20.000 Schritten und glühenden Füßen einen Italiener, der uns mit frischer Pasta versorgte, hatten wir bis dato nur einen Avocado-Bagel aus Harlem intus. „Morgen fahren wir mal mehr mit der U-Bahn.“ Ein guter Vorsatz, den wir stets nur halbherzig vollzogen. 


Dank eines straffen Zeitplans und einem frühen Vogel, der uns morgens um 7 Uhr aufs Parkett schickte, erlebten wir an den ersten Tagen nicht einmal die sogenannte „Rush Hour“, nach der wir vergeblich suchten. „Hier ist doch gar nichts los.“ wunderten wir uns um halb 8 morgens am Financial District, welchen wir mal ausnahmsweise mit der U-Bahn angesteuert hatten. Der Besuch des Memorial Centers war tief beeindruckend und lieferte viele bisher unbekannte Details des tragischen und einschneidenden Tages am 11. September 2001. Zu sehen ist unter anderem eine 21 Meter hohe Mauer, die trotz des Einstürzens der Türme stehen blieb, wodurch eine noch viel größere Katastrophe verhindert werden konnte. Hätte die Schlitzwand nicht standgehalten, wäre es womöglich zu katastrophalen Überschwemmungen in Lower Manhatten und der U-Bahn gekommen.


Für den folgenden Programmpunkt mussten wir uns an mehreren aufdringlichen Touri-Jägern vorbeikämpfen, die uns auf eines der überteuerten Touri-Fären schleusen wollten. „Julia Hecker, wir lassen uns hier nicht bedupschen.“ mahnte becks an. „Auch wenn der Typ uns fünfmal erzählt, dass die South Ferry nur für Pendler und nicht für Touristen ist, brauchst du heute nicht so sozial zu sein und dich auf das Geschwafel einzulassen.“ Mit Nachdruck zog mich becks noch mal in das Hafengebäude für Pendler, von dem wir den mittlerweile nicht mehr ganz so geheimen Tipp erhalten hatten, die kostenlose Fähre nach Staten Island zu nehmen, um von dort aus auf die Freiheitsstatue und die Skyline Manhattens kostenlos anschauen zu können.  


Nachdem wir Staten Island links liegen gelassen hatten und auf direktem Weg retoure gefahren waren, besuchten wir noch die Wall Street, dinierten mexikanisch und wechselten dann auf die Westside, um uns den Meatpacking District, Chelsea und den High Line Park anzusehen. Die ehemalige Güterzugtrasse, umfunktioniert zu einer Parkanlage, schlug mit 2,6 Kilometern abermals zu Buche, war aber jeden Fuß- und Rückenschmerz wert.  


„What? Are you serious?“ becks konnte ihren Augen nicht trauen, als sie den Beleg sah und konfrontierte die Kellnerin mit unangenehmen Fragen zur Rechnung. „These are Rooftop-prices.“ schmetterte diese schnörkelos ab und verteidigte einen Baileys on ice und simplen Gin Tonic für schlappe 40 Dollars. „Die sind doch völlig verrückt.“ und mit diesen Worten verabschiedeten wir uns von unseren hauseigenen Rooftop-Bar, die ein völliger Reinfall war. Insgesamt ist New York genauso teuer wie man es sich vorstellt. Das kleine Portmonee braucht man gar nicht erst mitzubringen.


„Also diese Essenswagen die hier überall am Straßenrand stehen sind mir ja sehr suspekt“ bemerkte becks kritisch, als wir durch die Straßen schritten. „Schau mal, der bietet laut seinen Bildchen 42 verschiedene Gerichte an.“ und auch ich fragte mich wie diese ominöse Anzahl an Essensvorschlägen in der 3 Quadratmeter kleinen Küche erstellt werden sollten. „Hauptsache der Generator läuft 24 Stunden durch und hält die Lichtchen und Essensreklamen am laufen“, der Rest schien eher improvisiert. 

 

Wir arbeiteten an den folgenden Tagen alle weiteren wichtigen Dinge ab: Ein Besuch bei den Vereinten Nationen (sehr zu empfehlen), eine Fahrt nach Roosvelt Island (ebenfalls sehr zu empfehlen), Williamsburg (warum waren wir eigentlich dort?), Coney Island mit Hot Dog bei Nathan’s (ganz viel zu empfehlen), Brooklyn Bridge (dafür fährt man nach NYC), China Town, Little Italy, Soho, NoHo, PennStation und die hundert anderen Avenues und Streets, die wir unwillkürlich durchwandert und inhaliert haben. 


„Hier gibt es ganz schön viel Müll.. wie und wo soll der denn alles entsorgt werden, das ist doch eine Insel.“ fragte ich mich besorgt während becks den verschmutzen Zustand der Gehwege und Straßen monierte. „Also in good old Germany ist es eindeutig sauberer und auch irgendwie aufgeräumter“ stellten wir beide fest. „Julia Hecker wenn wir heimkommen müssen wir erstmal unsere Schuhe waschen“ ordnete becks an, „da klebt der ganze Schmutz dran“, hatten wir doch beide die angesagten weißen Sneaker für New York gewählt.


„Vielleicht sollten wir doch mal auf das Empire State Building.“ meinte becks am vorletzten Abend. Ein eher spontaner Besuch am ältesten Hochhaus Manhattans und ehemals höchsten Gebäude der Welt, verschlug uns dann doch noch mal die Sprache. Auf der 86. Etage und in 320 Meter Höhe blickten wir auf die Hochhausschluchten New Yorks herab. „Das ist Wahnsinn. Einfach komplett surreal.“ „Noch surrealer ist, dass Lehm-Marmor aus der Lahn zum Bau dieses Gebäudes benutzt wurde.“ „Verrückt. Also dieses ganze New York. Einfach verrückt.“


Als wir im Flieger nach Hause saßen und Matthias und seine charming Crew uns auf gebröckeltem Nuschel-Englisch begrüßten ließen wir die Tage nochmal Revue passieren. Wir haben echt viel gesehen und erlebt. Trotzdem freuten wir uns auf Zuhause und das kleine beschauliche ‚Landleben im Grünen’. 

Nach der Landung empfingen uns blitzsaubere Toiletten und frische Schnittblumen auf dem Waschtisch in der Flughafen-Toilette. „Welcome back in Germany“ strahlte becks, die froh war, das die Hygienebedingungen wieder dem deutschen Standard entsprachen.


Unser Schlussfazit lautet:

Kann man mal gewesen sein. Muss man erlebt haben. Fotos können das nicht wiedergeben. Geschichten auch nicht. Filme kommen schon ganz nah dran. Aber fühlen muss mans selbst. Den Puls von New York. 


“When you leave New York, you are astonished at how clean the rest of the world is. Clean is not enough.” 
– Fran Lebowitz, Metropolitan Life (1978)